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Afrikanisierung
Jazz sei eine großartige Sache, aber sein Rhythmus sei sehr monoton, fand der
afro-kubanische Musiker Mario Bauzá,1)
der im Jahr 1930 nach New York auswanderte und dort in angesehenen
Swing-Bigbands arbeitete. Er brachte seine musikalischen Erfahrungen aus Kuba
ein und suchte nach einer Möglichkeit der „Vermählung“ (wie er sagte) von Jazz
mit afro-kubanischer Rhythmik. Es gab im Jazz seit jeher manche Anklänge an
karibische Musik, zum Beispiel spielte der Pianist Jelly Roll Morton bereits in
der Frühzeit des Jazz mitunter mit der linken Hand einen einfachen karibischen
Rhythmus2)
und setzte ihm mit der rechten Hand ein Blues-gefärbtes Spiel entgegen3).
Morton betrachtete solche Elemente aus dem spanisch-sprachigen Raum als
wesentlich für den Jazz und bezeichnete sie als „Spanish Tinge“ – spanische
(lateinamerikanische) Tünche, Färbung.4)
Dem Orchester von Duke Ellington gehörte ab 1929 der aus Puerto-Rico stammende
Posaunist Juan Tizol an, der einige hübsche Stücke mit karibischem Flair
schrieb.5)
Solche lateinamerikanischen Anleihen des Jazz nutzten jedoch nur zu einem
verhältnismäßig geringen Teil das reiche rhythmische Potential afro-karibischer
Traditionen. Von den Modewellen lateinamerikanisch gefärbter Popmusik der 1920er
und 1930er Jahre6)
wurde der Jazz im Übrigen nur wenig berührt7).
– In den Jahren 1938 bis 1940 wirkte Bauzá im Orchester des Sängers und
Entertainers Cab Calloway mit und seine Bemühungen um eine „Vermählung“ schlugen
sich damals vor allem in seinem Stück Chili con Conga nieder, das
Calloway im Oktober 1939 aufnahm. Für dieses Stück wurde die Rhythmusgruppe
durch kubanische Instrumente (Claves, Maracas und Congas) erweitert8)
und sie erzeugte ein Rhythmus-Gewebe in der Art populärer kubanischer
Tanzorchester9).
Calloway lieferte dazu einen belanglosen Gesang, dessen rhythmische Akzente
nicht recht passten und deutlich machten, dass er mit den kubanischen Rhythmen
nicht vertraut war.10)
Was als Jazz-Anteil des Stückes betrachtet werden kann, beschränkt sich auf ein
arrangiertes Spiel der Bläsergruppe im letzten Drittel des Stücks, das
Bigband-Sounds im Stil des damaligen Jazz hinzufügte. Die Bläser-Arrangements
haben mehr rhythmischen als melodischen Charakter und passen sich mit scharfer
Akzentuierung (anstelle der lockeren Art des Swings) der kubanischen Rhythmik
an.11)
Ein Solo oder sonst einen improvisierten Teil enthält das Stück nicht.
Im selben Jahr (1939) brachte Bauzá den jungen
afro-amerikanischen Trompeter Dizzy Gillespie in Calloways Band, nachdem er ihn
spielen hörte und sich dachte, dass Gillespie die „Vermählung“ zustande bringen
könnte12).
Er lehrte ihn kubanische Rhythmen und regte ihn an, sich kubanische Bands
anzuhören, was Gillespies Begeisterung für kubanische Polyrhythmik13)
entfachte.14)
Gillespie war allerdings bereits zuvor mit ihr in Berührung gekommen und
letztlich knüpfte diese Begeisterung an Kindheitserfahrungen mit rhythmischer
Mehrschichtigkeit in einer Sanctified-Kirche South Carolinas an.15)
Unter dem kubanischen Einfluss komponierte Gillespie das Stück Pickin‘ the
Cabbage, das im März 1940 von der Calloway-Band aufgenommen wurde. Es zeigt
an der Oberfläche keinen kubanischen Charakter, doch enthält es eine
polyrhythmische Spannung zwischen Swing-Rhythmus und einem Ostinato16),
wie es in kubanischer Musik verwendet wird. Nur in einem Zwischenteil des Themas17)
löst sich die Spannung vorübergehend durch einen Wechsel zum geradlinigen Swing
auf.18)
Das einzige Solo des Stückes spielte Gillespies selbst und er versuchte darin,
mit seinen Melodielinien die rhythmisch und harmonisch herausfordernden
Strukturen des Stückes elegant zu verarbeiten. Calloway nahm von einem
Gesangsbeitrag Abstand.
Gillespies Stück mag noch nicht seiner späteren Meisterschaft
entsprochen haben19)
und Bauzás Chili con Conga wäre wohl ein wenig anders ausgeführt
worden, wenn Bauzá der Leiter der Calloway-Band gewesen wäre, doch zeichneten
sich bereits in diesen beiden Stücken die unterschiedlichen Wege ab, auf denen
Gillespie20)
und Bauzá eine Verbindung von kubanischer Polyrhythmik und Jazz anstrebten:
Bauzá übernahm Anfang der 1940er Jahre die musikalische Leitung der Band des
ebenfalls ausgewanderten afro-kubanischen Sängers Machito und entwickelte für
sie eine eigene Art von Bläser-Arrangements, sodass die Machito and His
Afro-Cubans genannte Band schon nach wenigen Jahren mit einer ausgereiften
Verbindung von kubanischen Tanzmusik-Songs und Bläser-Sounds aus dem
Bigband-Jazz erfolgreich wurde. Diese Musik wurde später als „Latin-Jazz“
bezeichnet, doch beschränkte sich ihr Jazz-Anteil im Wesentlichen wiederum auf
Anleihen aus der Arrangier-Praxis der Swing-Orchester, wobei die Bläser-Parts
überwiegend rhythmische Funktionen erhielten und in ihrer Ausführung (anstelle
der lockeren Art des Jazz) an die kubanische Rhythmik angepasst wurden.21)
Soweit Jazz-ähnliche Improvisationen überhaupt vorkamen, spielten sie nur eine
geringe Rolle.22)
Letztlich war diese Art von „Latin-Jazz“ eine populäre afro-kubanische Tanzmusik
mit einer „Färbung“ durch Klänge aus dem Bigband-Jazz – vergleichbar mit der
umgekehrten Färbung mancher Jazz-Stücke durch eine „Latin-Tinge“. In der zweiten
Hälfte der 1940er Jahre ließ man die Machito-Band öfters mit Jazz-Solisten
zusammenspielen. Die meisten der dabei gemachten Aufnahmen zeigen allerdings
mehr die grundsätzlichen Differenzen zwischen kubanischer Musik und Jazz, als
dass sie eine organische Verbindung ergaben.23)
Im Übrigen wurde „Latin-Jazz“ zu einem Sammelbegriff für recht unterschiedliche
Musikarten, die als mehr oder weniger lateinamerikanisch und Jazz-artig
wahrgenommen werden. Vieles davon
hat nur wenig Jazz-Qualität und erreicht auch bei weitem nicht die Komplexität
und Intensität rhythmisch anspruchsvoller afro-kubanischer Traditionen, etwa der
echten Rumba24)-
und Batá25)-Musik.26)
Dizzy Gillespie entwickelte die dem Stück
Pickin‘ the Cabbage zugrundeliegenden Ideen weiter, zunächst vor allem in
seiner 1942 geschriebenen Komposition Night in Tunisia. Auch dieses
Stück beginnt mit einem Bass-Ostinato sowie einer polyrhythmischen Spannung in
kubanischer Art und wechselt in einem Zwischenteil vorübergehend zum swingenden
Jazz-Beat.27)
Es hat interessante, damals ungewöhnliche Harmonien28)
sowie eine exotische, fast orientalische Melodie29)
und wurde später von vielen anderen Musikern gespielt. Schon früh waren
Gillespies Stücke und Arrangements gefragt, doch kam er wenig zum Schreiben,
weil es ihm in erster Linie um das Spielen ging30),
um die Jazz-Improvisation, also das spontane Gestalten von Melodielinien als
Hauptteil der musikalischen Aussage. In der Musik der kleinen, auf
improvisatorische Entfaltung ausgerichteten Gruppen, die Musiker wie Gillespie
und Charlie Parker in den 1940er entwickelten, dienten vorgefasste Kompositionen
und Arrangements vor allem als Grundlage für Improvisationen, indem sie eine in
den Soli zu bewältigende Struktur vorgaben und einen thematischen Ausgangspunkt
boten. Viele ihrer Stücke entstanden selbst aus Improvisationen.
Gillespie und Parker beteiligten sich neben ihrem Job in einer Bigband an vielen
inoffiziellen Zusammenkünften von Jazz-Musikern („Jam-Sessions“), um Erfahrungen
zu sammeln und Neues auszuprobieren. Sie hatten sogar Gelegenheit, bei
Benefizveranstaltungen für eine Organisation zur Unterstützung von Studenten aus
Afrika mit afrikanischen und kubanischen Perkussionisten zusammenzuspielen,
nachdem sich Gillespie im Jahr 1945 mit dem Leiter der Organisation, einem
politisch engagierten Nigerianer, befreundet hatte. Gillespie erzählte, dass er,
Parker und der Schlagzeuger Max Roach gemeinsam mit den afrikanischen und
kubanischen Trommlern spielten, ohne Bass oder sonstige Begleitung. Sie hätten
auch für den afrikanischen Tänzer Asadata Dafora gespielt. Diese Konzerte seien
für sie sehr wichtig gewesen, denn durch sie hätten sie die Zusammenhänge
zwischen afro-kubanischer und afrikanischer Musik sowie die Gemeinsamkeiten, die
beide mit ihrer Musik verbinden, entdeckt. Es sei großartig gewesen, dadurch die
eigene Identität zu entdecken.31)
Mit afrikanischer Musik und einer selbstbewussten afrikanischen Bewegung in
Berührung zu kommen, war für Gillespie und Parker also sowohl in musikalischer
Hinsicht als auch hinsichtlich ihres Selbstverständnisses eine wichtige
Erfahrung. Gillespie beklagte, dass den Afro-Amerikanern zuvor eine Kenntnis
ihrer afrikanischen Herkunftskulturen verwehrt wurde. Während „weiße“ Amerikaner
ihre Abstammung etwa aus Deutschland, Frankreich oder Italien kennen, könnten
Afro-Amerikaner über sich nicht mehr sagen, als dass sie „Farbige“ seien. So
höre man in ihrer Musik auch wesentlich weniger vom afrikanischen Erbe als in
anderen Teilen der Welt, etwa in Brasilien und der Karibik. In Nordamerika hätte
man ihnen einfach die Trommeln und damit auch die afrikanische Polyrhythmik
weggenommen, sodass sich die afro-amerikanische Musik monorhythmisch
entwickelte. Er sei jedoch immer besonders an Rhythmus interessiert gewesen und
aufgrund dieses Interesses habe er jede Gelegenheit wahrgenommen, etwas über die
Verbindungen zu Afrika und afrikanischer Musik zu erfahren.32)
Bereits die über viele Jahrhunderte im arabischen Raum
betriebene Sklavenhaltung unzähliger Menschen aus Afrika33)
wurde häufig damit gerechtfertigt, dass die Versklavten primitive, dem Stand von
Tieren nahe Wesen seien, die durch die Sklaverei in die Zivilisation und zur
wahren Religion gelangen würden34),
obwohl sie dabei auf unzivilisierteste Weise missbraucht wurden35).
In den USA konnte sich die afro-amerikanische Minderheit gegen das
vorherrschende, beschämende36)
Bild, aus einem „dunklen“, kulturlosen Afrika zu stammen, erst im Zuge der
Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre in stärkerem Maß zur Wehr
setzen.37)
Die meisten Afro-Amerikaner hatten bis dahin mangels Information selbst keine
andere Vorstellung von der Heimat ihrer Vorfahren. Seit jeher waren jedoch
manche Afro-Amerikaner in der Lage, sich mit einer wertschätzenden Sichtweise
auf ihre Herkunft zu beziehen.38)
Im Jazz war vor allem der vom Duke-Ellington-Orchester in der
zweiten Hälfte der 1920er Jahre entwickelte „Dschungel“-Stil39)
eine frühe Anspielung auf Afrika. Ellington verstand sich bereits damals mit
Stolz als Angehöriger eines afrikanischen Volkes, das es in die USA verschlagen
hatte,
und drückte dieses Selbstverständnis in seiner Musik aus.40)
Seine „Dschungel“-Stücke enthielten allerdings keine konkreten Einflüsse aus
einer afrikanischen Musikkultur, sondern weckten durch expressive, als wild und
sinnlich wahrgenommene Klänge eher die Vorstellung von einem Urzustand in einem
aufregenden und betörenden Dschungel. Noch dazu bereitete Ellington mit dieser
Musik in einem Nachtklub41),
in dem afro-amerikanische Musiker und TänzerInnen einem „weißen“ Publikum eine
exotische und erotische Unterhaltung boten, die musikalische Untermalung für
kitschige Dschungel-Revuen auf dem Niveau von Tarzan-Filmen.42)
Später brauchte Ellington nicht mehr in einem solchen Rahmen aufzutreten. Im
Jahr 1947 schuf er im Auftrag der Regierung des west-afrikanischen Staates
Liberia zur Feier dessen 100jährigen Bestehens die Liberian Suite, in
der zwar mehrmals ein Spiel des Schlagzeugers auf Pauken und Tom-Toms auf die
Bedeutung von Trommeln in vielen west-afrikanischen Musiktraditionen anzuspielen
scheint, aber ebenfalls keine wirklich afrikanischen Elemente vorkommen.
Gillespies Interesse an afro-kubanischer und afrikanischer
Polyrhythmik stellte in musikalischer Hinsicht einen wesentlich tiefer gehenden
Bezug auf afrikanische Kultur dar. Nachdem er mit seiner Bigband im Jahr 1947
auf Tourneen Erfolg hatte, wollte er ihr einen kubanischen Trommler hinzufügen
und er ersuchte Bauzá, ihm einen zu vermitteln.43)
Bauzá schickte ihm Chano Pozo, der aus der afro-kubanischen
Unterschicht stammte, ein Meister der dort gepflegten, afrikanisch geprägten
Rumba-Musik war und mit seinen Songs bereits in der populären afro-kubanischen
Musikszene großen Anklang gefunden hatte,44)
bevor er nach New York übersiedelte. Gleich im ersten Konzert, bei dem Pozo mit
Gillespies Bigband auftrat, wurde er in einem eigens dafür geschriebenen Stück
mit dem Titel Cubana Be, Cubana Bop herausgestellt.45)
Gillespie dachte sich für dieses Stück eine Melodie aus und der
afro-amerikanische Komponist George Russell baute darum herum unter Anwendung
seines modalen Konzepts46)
eine Komposition. Russells Einleitung präsentierte schräge, düstere, dramatische
Orchesterklänge in der Art einer Filmmusik, die etwa das Herannahen
erschreckender afrikanischer Krieger mit Kriegstrommeln und Elefanten untermalen
könnte. In rhythmischer Hinsicht wirkte sie zwar irgendwie „afrikanisch“, fügte
sich aber nicht recht in Pozos Trommelrhythmen.47)
Nach dieser Einleitung wechselte das Stück zu einer Art lateinamerikanisch
gefärbter Bigband-Tanzmusik mit Gillespies freundlicher Melodie. Der dritte Teil
bestand zunächst aus reiner Perkussionsmusik, die Pozos Trommelkünste in den
Mittelpunkt stellte, und dann kamen vorantastende Improvisationen Gillespies auf
der Trompete hinzu. Der Rest des Stückes wurde wiederum von Russells surrealer,
kriegerischer „Dschungel“-Musik gebildet. – Auf einer nachfolgenden Busfahrt
stimmte Pozo rituellen afro-kubanischen Gesang aus seinem Herkunftsmilieu an,
der Russell und Gillespie faszinierte und dazu bewog, Pozo bei weiteren
Aufführungen des Stückes auch Raum für seinen Gesang zu geben,48)
und Pozo baute sein Solo zu einer Bühnenshow aus, die zu einer wesentlichen
Attraktion von Gillespies Konzerten wurde. Man sah ihn zum Beispiel in violettes
Licht getaucht, mit nacktem Oberkörper und muskulöser Figur auf die Bühne kommen
und in ruhiger, getragener Weise mit einer Öllampe das Fell seiner Conga-Trommel
erwärmen, um sie zu stimmen, und schließlich versetze er mit seinem Trommeln und
Singen das Publikum in Begeisterung.49)
Pozo war bereits in Kuba mit der Darstellung „afrikanischer Ursprünglichkeit“
vertraut gewesen, wo er zum Beispiel in Revuen für amerikanische Touristen und
eine kubanische Oberschicht als Tänzer einen afrikanischen Jäger in
Dschungel-Ambiente spielte.50)
Auch wenn solche Show-Elemente und wohl auch Russells Komposition Parallelen zu
Ellingtons afrikanischem Dschungel-Bild ergeben, so hatte die Inszenierung von
Pozos afro-kubanischem Trommelspiel aber auch eine wichtige musikalische
Botschaft: Diese Trommelmusik aus dem kubanischen Untergrund enthielt eine
faszinierende Polyrhythmik, die es für den Jazz nutzbar zu machen galt.51)
Das war allerdings keineswegs einfach und gelang in diesem Stück noch kaum.
Pozos Trommelvorführung selbst bot nur einen Abglanz der Musik, aus der diese
Art des Trommelspiels stammte, wie ein Vergleich mit jenen Aufnahmen zeigt, die
er einige Monate zuvor unter eigenem Namen mit afro-kubanischen Perkussionisten
in New York machen konnte52)
(und selbst diese Aufnahmen sind zwar virtuos, scheinen jedoch ein wenig von den
Erfahrungen mit dem Showgeschäft beeinflusst zu sein53)).
Gillespies Band konnte bei weitem nicht mit Pozos Polyrhythmik mithalten. Pozo
klagte darüber und unterrichtete Gillespie sowie andere Bandmitglieder bei
Busfahrten auf Tourneen, indem er Perkussionsinstrumente verteilte und jedem
Beteiligten einen anderen Rhythmus zeigte, sodass sie erkennen konnten, wie die
Rhythmen ineinander verschränkt waren.54)
Aber nicht nur die polyrhythmische Komplexität erschwerte das Zusammenspiel,
sondern auch ein grundsätzlicher Unterschied in der Art der Rhythmik: Während
dem Jazz-Rhythmus ein gleichmäßiger, neutraler Beat zugrunde lag, an dem sich
die Musiker in einer lockeren, swingenden, freizügigen Weise orientierten, waren
die afro-kubanischen Rhythmen mithilfe der Clave (eines feststehenden
rhythmischen Musters) organisiert. Die Kubaner fühlten dieses Muster ständig in
ihrer Musik, selbst wenn es nicht gespielt wurde, und die ineinander verzahnten
Rhythmen mussten ziemlich exakt gespielt werden, damit das sich ergebende Gewebe
eine klare Struktur erhielt. Tatsächlich hatte aber nicht nur Gillespies Band
Schwierigkeiten, Pozos Rhythmen zu verstehen, sondern auch Pozo, die Musik der
Gillespie-Band richtig wahrzunehmen.55)
In den nicht lateinamerikanisch orientierten Stücken wurde sein Spiel von
manchen Bandkollegen als Behinderung des Swingens empfunden56),
obwohl er auf geschickte Weise einen Kompromiss zwischen den beiden
Rhythmusarten entwickelte57).
In Manteca, das vor allem auf einer Idee Pozos beruhte und zu
Gillespies erfolgreichstem „Latin“-Stück wurde, sorgte Gillespie auf jene Weise
für einen Ausgleich, die sich bereits in Pickin‘ the Cabbage und
Night in Tunisia bewährt hatte. Er erzählte, dass sich Pozo für den Bass,
die Posaunen, Trompeten und Saxofone jeweils eigene, ineinander verzahnte
Ostinati ausgedacht hatte, sodass sich ein rein afro-kubanisches Stück ergeben
hätte. Doch fügte Gillespie in das Thema einen Zwischenteil mit reichen
Harmonien sowie Walking-Bass-Rhythmus ein.58)
Sobald das Thema endete und die Improvisationen begannen, setzte sich ebenfalls
der swingende Jazz-Rhythmus sowie das Spiel über Akkordfolgen durch, sodass sich
der Latin-Charakter auflöste (abgesehen von Pozos Trommelbegleitung im
Hintergrund) und erst mit dem Thema am Schluss des Stückes zurückkam.59)
– Gillespie war einerseits stolz darauf, dass er (wie er sagte) seine Noten
anders phrasierte als andere Trompeter, nämlich lateinamerikanisch, andererseits
meinte er, es gebe nur sehr wenige lateinamerikanische Musiker, die ein Gefühl
für Jazz hätten. Ihre Artikulation sei anders, nicht locker wie die der
US-amerikanischen Jazz-Musiker, sondern steif, und deshalb brauche ihre Musik
den Jazz.60)
Der Gegensatz zwischen Latin-Charakter und Jazz-Feeling bildete
eine massive Hürde für die Bestrebungen, afro-kubanische Traditionen in
organischer Weise mit Jazz zu vereinen. „Mario Bauzá erzählte mir vom Ringkampf,
als die Modern-Jazz-Typen in den 1940er Jahren daherkamen und mit den
Latin-Musikern zu spielen versuchten. Die Clave und der Swing vermischten sich
nicht! Bauzá sagte, dass Charlie Parker die Musik
zusammenbringen konnte, aber sobald Bird61)
stoppte, habe der Ringkampf wieder begonnen. Mario sagte, dass nicht einmal Diz62)
oder Dexter Gordon das konnte, aber Charlie Parker konnte es.“ (Henry
Threadgill)63)
Parker stand mit Machitos afro-kubanischer Band bereits seit längerer Zeit in
Kontakt64),
bevor von ihm als Solisten gemeinsam mit Machitos Band im Dezember 1948 und
Jänner 1949 drei Stücke aufgenommen wurden65),
von denen vor allem Mango Mangue bemerkenswert ist.66)
Steve Coleman wies unter anderem auf jenen Abschnitt des Stückes hin, in dem die
Blasinstrumente der Machito-Band aussetzen, die Perkussions-Instrumente in den
Vordergrund treten und ein kurzer Refrain fortwährend gesungen wird67).
Besonders in diesem Abschnitt werde deutlich, wie sich die Rhythmen von Parkers
spontanen melodischen Saxofon-Linien perfekt mit den kubanischen Trommelrhythmen
verzahnen. Man könne die Clave zwar nicht ausdrücklich hören, doch sei sie in
den rhythmischen Mustern der Perkussionisten indirekt enthalten und mit diesen
Mustern sowie der Clave würden sich die Akzente der Melodielinien Parkers an
Schlüsselpunkten verbinden. Nicht nur in diesem lateinamerikanischen Stück,
sondern allgemein enthalte Parkers Spiel häufig Clave-artige, sich verschiebende
rhythmische Muster und ähnle damit in rhythmischer Hinsicht der Phrasierung der
Meistertrommler West-Afrikas. Parkers Sinn für die Clave in seinem Spiel zu
erkennen, sei ein Schlüssel zum Verständnis seines komplexen rhythmischen
Konzepts. Außerdem sei Parker mit seiner „intuitiven Gabe für Melodie und
melodische Muster“ einer der wenigen Musiker seiner Zeit gewesen, die nicht nur
durch eine Abfolge von Akkordwechseln hindurch, sondern auch über einem
harmonisch statischen Ostinato, wie es in der afro-kubanischen Musik üblich war,
hinreißend spielen konnten.
Parkers wichtigster Dialogpartner, der Schlagzeuger Max Roach,
sei ebenfalls ein Meister im Verschieben der Balance durch letztlich auf
west-afrikanische Traditionen zurückgehende Techniken gewesen, mit denen
zunächst die Erwartung einer Gleichmäßigkeit aufgebaut und dann die rhythmische
Bewegung durch eine verschobene Phrase überraschend verändert werde.68)
Roach sagte später, dass der Einfluss von Machitos Perkussionisten seinen Zugang
zum Schlagzeugspiel entscheidend verändert habe. Das Nachahmen der ineinander
verzahnten Parts der Conga-, Timbales- und Bongo-Trommeln habe ihm eine
Unabhängigkeit der vier Gliedmaßen verschafft.69)
– Parker und Roach spielten kaum das, was schließlich als „Latin-Jazz“
bezeichnet wurde, doch kam gerade in ihren Spielweisen eine gelungene, dem Wesen
des Jazz entsprechende Integration des afro-kubanischen Einflusses zustande. Da
ihre Verarbeitung von afro-kubanischen Einflüssen in eigenem Stil aber weniger
leicht erkennbar ist, wurde ihr in der Jazz-Geschichte eine geringere Bedeutung
beigemessen als Gillespies spektakulärer Kooperation mit Chano Pozo.
Der Schlagzeuger Art Blakey wurde für seinen
kraftvollen, körperbetonten Trommelstil geschätzt, mit dem er für „Drive, Swing,
Kraft, Macht und Aufregung in Reinkultur“ (Tony Williams)70)
sorgte. Er hielt sich bereits in den 1940er Jahren längere Zeit in Westafrika
(insbesondere Ghana) auf71)
und machte in den Jahren 1957 bis 1962 mit karibischen, US-amerikanischen und
zuletzt auch zwei afrikanischen Perkussionisten Aufnahmen, die Trommelrhythmen,
Schlagzeug-Improvisationen und afrikanisches Erbe in den Mittelpunkt stellten.72)
Der Saxofonist Wayne Shorter erklärte prägnant: „Dizzys Spezialität war das
Afro-Kubanische, aber dann hat Art das Kubanische herausgenommen und Afro!
gesagt – und die ganze Jazzwelt hat es verstanden.“73)
Die Schlagzeug-Improvisationen dieser Aufnahmen wirken allerdings in der
Verbindung mit der karibischen und afrikanischen Perkussion grob, schwerfällig
und auf dramatischen Effekt ausgerichtet. Sie durchbrechen das
Tanzmusik-Feeling, das die Perkussionisten mitbrachten, mit Vorführungen, die
als Versuch der Verbindung unterschiedlicher Musikarten interessant sein mögen,
jedoch musikalisch wenig befriedigen. Letztlich bedienten sie zusammen mit
exotisch wirkenden Gesängen, Flöten- und Oboen-Klängen sowie folkloristischen
Melodien wiederum die bekannten Klischees von „afrikanischer Wildheit“ und
idyllischen Urzuständen und boten Jazz-Qualität nur in geringem Maß. Blakey
selbst betrachtete diese Experimente später als misslungen74)
und sagte schließlich, der Jazz habe nichts mit Afrika zu tun, afrikanische
Musik sei ganz anders, afrikanische Musik sei rhythmisch viel weiter entwickelt,
der Jazz stattdessen in harmonischer Hinsicht75)
und man könne nicht afrikanische Musikkultur mit Jazz vermischen76).
Doch blieb sein Schlagzeugspiel von der Auseinandersetzung mit afrikanischen
Rhythmen auch danach beeinflusst77)
und er gab mit seinen Experimenten wesentliche Impulse für weitere Bemühungen
anderer Musiker um eine Verbindung zu afrikanischen Wurzeln78).
Dass die Versuche Blakeys und anderer Amerikaner,
afrikanische Rhythmen zu adaptieren, nicht überzeugten, fand auch Guy
Warren79),
ein versierter Trommler aus Ghana, der im Jahr 1954 in die USA kam80)
und selbst eine Verbindung von Rhythmen seiner Heimat mit Jazz versuchte,
nachdem er bereits in Afrika in Highlife-Bands Schlagzeug gespielt hatte81).
Er nahm in den USA drei Alben auf82),
fand jedoch nicht die erhoffte Anerkennung (nicht zuletzt, weil er sich nicht in
das populäre Bild von afrikanischer Urwüchsigkeit einfügte83))
und war um 1962 wieder weitgehend aus der amerikanischen Musikszene verschwunden84).
Seine Kritik an den Experimenten Blakeys und anderer amerikanischer Musiker
sowie auch am Erfolg des aus Nigeria eingewanderten Perkussionisten Michael
Babatunde Olatunji85)
wurde offensichtlich durch seine Enttäuschung, selbst nicht entsprechend
beachtet worden zu sein, verschärft. Doch hatte sich bereits im Jahr 1943 ein
nigerianischer Meistertrommler, der seit den 1920er Jahren in den USA
afrikanische Rhythmen lehrte, geringschätzig über die „primitiven Rhythmen und
Toneffekte des Schlagzeugs“ im Jazz geäußert86).
Tatsächlich gelang es Warren selbst überzeugender als den damaligen
amerikanischen Musikern, Jazz-Schlagzeugspiel und west-afrikanische Rhythmik zu
verbinden. Max Roach, den Warren schätzte87),
besuchte ihn im Jahr 1974 in Ghana und erklärte danach: Warren war in der Zeit
seines Aufenthalts in den USA „dem, was wir alle machten, so weit voraus, dass
keiner von uns verstand, was er sagte, nämlich dass die afro-amerikanische Musik
von ihren afrikanischen Ursprüngen befruchtet werden muss, um stärker zu
werden“. Mittlerweile habe sich die afro-amerikanische Musik Afrika zugewandt,
um Inspiration und Verjüngung zu finden, und Warrens Aufnahmen würden ihren
Einfluss entfalten, der noch stärker gewesen wäre, wenn ihm mehr Beachtung
geschenkt worden wäre.88)
– Eine gelungene Verbindung von afrikanischer Rhythmik mit der Kunst melodischer
Jazz-Improvisation kam jedoch auch in Warrens Musik nicht zustande.
Der Jazz-Pianist Randy Weston bekam bereits
als Kind von seinem aus der Karibik eingewanderten Vater panafrikanische
Sichtweisen vermittelt.89)
Als Pianist und Komponist wurde er vor allem von Duke Ellington und Thelonious
Monk, den er wegen seiner Originalität, Modernität und in gewissem Sinne
„afrikanischen“ Spielweise besonders schätzte, beeinflusst. Weston sagte später,
er sei schon früh in erster Linie als Komponist und an zweiter Stelle als
Pianist angesehen worden.90)
Zu Beginn seiner Laufbahn in den 1950er Jahren ging es ihm vor allem darum,
neue, moderne Musik mit vielfältigen Stimmungen hervorzubringen, die sich jedoch
nicht zu weit vom Publikum entfernen sollte.91)
Deshalb setzte er folkloristische Elemente ein, zum Beispiel Calypso- und
Walzer-Rhythmen.92)
Dizzy Gillespies Zusammenarbeit mit Chano Pozo sowie Art Blakeys Experimente mit
afrikanischen Rhythmen waren für Weston wichtige Anregungen93)
und er verstärkte bei einem Auftritt im Jahr 1953 sein Trio vorübergehend94)
ebenfalls mit einem afro-kubanischen Perkussionisten95).
Auch kam er damals mit dem aus Nigeria stammenden Trommler Babatunde Olatunji,
dem afrikanischen Tänzer Asadata Dafora sowie weiteren afrikanischen Musikern,
die sich in den USA niedergelassen hatten, in Kontakt96)
und er begann, Aufnahmen traditioneller afrikanischer Musik sowie Informationen
über sie zu sammeln97).
Ab 1958 arbeitete Weston an einer längeren Suite, die die Verbundenheit aller
„schwarzen“ Menschen afrikanischer Abstammung sowie Stolz auf die Erfolge der
afrikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen ausdrücken sollte. Dementsprechend
setzte Weston bei der im November 1960 erfolgten Aufnahme der Suite „schwarze“
Trommler aus unterschiedlichen Teilen der Welt (aus den USA, der Karibik und
Nigeria) ein, die ihre Erfahrungen aus ihren jeweiligen Musiktraditionen
einbrachten.98)
Die Aufnahmen erschienen als Album mit dem Titel Uhuru Afrika. Es
beginnt mit einem Ruf nach Freiheit („Uhuru“) sowie einem von Trommelrhythmen
begleiteten Aufruf in Form eines „Freiheits-Gedichts“, das der Schriftsteller
Langston Hughes für Westons Suite verfasste und das zunächst in Englisch und
dann in der afrikanischen Sprache Swahili vorgetragen wird. In dem auf diese
Einleitung folgenden ersten Hauptteil der Suite (Uhuru Kwanza) wird
zunächst die Trommelgruppe präsentiert, die eine west-afrikanisch anmutende
Rhythmik erzeugt. Sie sollte zeigen, „wie alle Trommeln von der afrikanischen
Trommel herkommen“ (Weston). Dabei brachte sie weniger die spezielle Stärke
west-afrikanischen Tanztrommelns99)
oder der afro-kubanischen Rumba100)
zum Zug und hatte offensichtlich auch kein spezielles, ausgereiftes Konzept,
sondern bildete ein relativ freizügiges, spontanes, an afrikanischer Musik
orientiertes Zusammentreffen unterschiedlicher Traditionen ab, das Westons
panafrikanische Botschaft vermittelte und einen entsprechenden Perkussions-Sound
für seine Suite lieferte.101)
Über diese rhythmische Basis legen sich dann laufend wiederholte melodische
Figuren des Klaviers und der Bläser mit dramatischer Wirkung, sodass wiederum
die Vorstellung von einem wilden, dunklen Afrika naheliegt, wie in Ellingtons
Musik und in George Russells Komposition für Cubano Be, Cubano Bop.102)
In Westons Stück haben die aufregenden Orchesterklänge aber (zumindest auch) die
Bedeutung eines Rufs nach Freiheit.103)
– Der zweite Hauptteil104)
der Suite besteht aus einer Ballade mit schmalzigem Gesang von Opernsängern zu
Ehren der afrikanischen Frau. Die beiden restlichen Teile sind insofern
interessant, als hier Afro-Perkussion mit Jazz-Soli verbunden wird. Dabei zeigt
sich wiederum die bereits im Zusammenhang mit Gillespies Aufnahmen erwähnte
Problematik eines grundlegenden Gegensatzes zwischen dem Swing des Jazz und
afrikanischer/afro-kubanischer Rhythmik. Tritt das fließende melodische Spiel
der Bläser in den Vordergrund, dann wirkt die Perkussion (besonders wenn ein
Walking-Bass hinzutritt) wie ein relativ steifes Tuckern im Hintergrund, das
wenig Bezug zum melodischen Geschehen erkennen lässt. Die feingliedrigen
Strukturen der Trommelrhythmen werden erst dann wieder deutlich wahrnehmbar,
wenn die Jazz-Instrumente zurücktreten. Am besten harmoniert mit ihnen wohl
Westons perkussiver, kantiger Klavierstil, der auf Thelonious Monks Einfluss
zurückgeht. In beiden Stücken scheint ein Thema mit einem einfachen,
eindringlichen Dreier-Rhythmus die auseinanderstrebenden Elemente immer wieder
zusammenzuzwingen und ihre Reibung zu übertünchen.
Ungefähr ein Jahr nach der Aufnahme des Albums kam Weston
erstmals nach Afrika, und zwar zu einem Auftritt in Nigeria.105)
Er musste feststellen, dass seine Verbindung von Jazz mit traditioneller
afrikanischer Musik dort nicht überzeugte. Besonders Olatunji, der selbst aus
Nigeria stammte, wurde wegen mangelnder Fähigkeiten kritisiert.106)
Umgekehrt waren die amerikanischen Musiker von den Musiktraditionen, die sie
dort kennenlernten, fasziniert.107)
Weston schrieb: „Ich hörte so fantastisch komplexe und subtile Rhythmen und
entzückende Melodien, und zwar so viele, dass sie meine Musik für den Rest
meines Lebens beeinflussen werden.“108)
Er erlebte traditionelle afrikanische Musik bei Aufführungen in Kulturzentren
und unternahm kurze Ausflüge in ländliche Dörfer, um sie dort zu hören.109)
Vor allem aber verbrachte er die Zeit in der Metropole Lagos, wo er abends in
Nachtklubs ging, um die in den Städten beliebte, Highlife genannte
Tanzmusik zu hören und mit den Musikern zusammenzuspielen.110)
Diese Musik war aus einer Nachahmung westlicher Unterhaltungsmusik, insbesondere
karibischer und des Swings, entstanden und hatte dann zunehmend
west-afrikanische Perkussion integriert.111)
– Nach dieser Afrika-Reise bezog sich Weston bei seinen Verbindungen von Jazz
mit afrikanischer Musik vor allem auf diese populäre, städtische Tanzmusik und
nannte sein nächstes, im Jahr 1963 aufgenommenes Album Highlife.112)
In diesem Album ist das tragende Perkussionsinstrument nun das Schlagzeug, zu
dem nur eine dezente Perkussion hinzutritt. Die Rhythmusgruppe hat hier daher
nicht mehr wie in Uhuru Afrika den Charakter einer afrikanischen
Trommelgruppe, sondern den einer Jazz-Band und klingt trotz der zusätzlichen
Perkussion weniger polyrhythmisch.113)
Ihr Rhythmus enthält zwar keinen traditionellen Walking-Bass, ist jedoch
durchaus mit anderen im Jazz verwendeten, von Tanzmusik beeinflussten Rhythmen
vergleichbar, etwa dem des im selben Jahr aufgenommenen Jazz-Hits The
Sidewinder von Lee Morgan. Solche Rhythmen wurden mit leichten Variationen
das ganze Stück hindurch beibehalten, waren häufig karibisch gefärbt und
bildeten einen für viele Hörer attraktiven Kompromiss zwischen Jazz und
populärer Musik.114)
Damit sie ihren eingängigen Charakter bewahren, müssen sie weitgehend
unverändert wiederholt werden, und dadurch ergeben sie ein relativ starres,
eintöniges rhythmisches Fundament, das einer vielschichtigen, variationsreichen
und kommunikationsstarken Jazz-Improvisation nicht entgegenkommt. Auch die
simplen, vielfach wiederholten Melodien, die Weston in den Highlife-Aufnahmen
einsetzte115),
sowie die wenig spektakulären solistischen Beiträge dieses Albums lassen es zwar
als hübsch und abgerundet, jedoch leichtgewichtig erscheinen.
Kurz nach der Aufnahme des Highlife-Albums kam
Weston 1963 neuerlich nach Nigeria, spielte nun mit einheimischen Musikern bei
zahlreichen Gelegenheiten und erfuhr große Wertschätzung in nigerianischen
Medien.116)
Zu Beginn des Jahres 1967 startete er mit einer Band aus amerikanischen
Jazz-Musikern (unter anderem mit dem Schlagzeuger Ed Blackwell117))
eine dreimonatige Tournee durch West- und Nord-Afrika, bei der sie vor allem mit
einem arabisch inspirierten Stück das Publikum in Begeisterung versetzen
konnten.118)
Nach diesen Erfolgen wollte Weston nicht mehr in den USA leben, zumal ihm die
dortige Jazz-Szene ohnehin entweder zu avantgardistisch oder zu kommerziell (in
beiden Fällen zu weit vom Leben der Menschen entfernt) erschien. Er übersiedelte
im selben Jahr nach Marokko, wohin man ihn zu einem Festival eingeladen hatte.
Dort erschloss er sich später eine Zusammenarbeit mit Musikern der Gnawa-Volksgruppe,
die ursprünglich aus dem Sub-Sahara-Raum kam und deren auf Lauten sowie
Metall-Kastagnetten gespielte Musik sowohl anspruchsvolle Rhythmen als auch
besondere Tonarten verwendet.119)
Diese Musikkultur dokumentierte er unter anderem im Album The Splendid
Master Gnawa Musicians of Marocco (1994), in dem er nur in einem Stück120)
ein wenig als Pianist hervortrat und sich ansonsten unterordnete, um die
traditionelle Form dieser Musik nicht zu beeinträchtigen.121)
– Es war wohl vor allem seine Hingabe an die Idee einer Verwurzelung des Jazz in
afrikanischer Kultur und die daraus gezogene Konsequenz, sich in Afrika
niederzulassen und mit dortigen Musikern zusammenzuarbeiten, was Weston in der
Jazz-Geschichte Bedeutung verlieh. Von den faszinierenden Qualitäten der Musik
eines Charlie Parker oder John Coltrane findet sich in Westons Fusionen relativ
wenig und die rhythmische Kraft der Tanztrommel-Traditionen an der Guinea-Küste
fing er nur in begrenztem Maß ein. Auch er verfügte also offenbar über kein
Konzept, das sowohl die Stärken dieser afrikanischen Traditionen als auch die
Improvisationskunst des Jazz voll zum Zug bringt und daher für eine
entsprechende Weiterentwicklung des Jazz richtungsweisend hätte sein können.
Der Schlagzeuger
Elvin Jones entwickelte eine eigene, innovative Spielweise, die
zunächst selbst unter Musikern als schwierig galt122)
und als komplex123)
sowie polyrhythmisch124)
beschrieben wurde. Er hatte sich unter anderem damit beschäftigt, wie er
lateinamerikanische Rhythmen damals populärer Musik adaptieren könnte125),
doch ahmte er nicht einfach Trommelmuster nach, im Gegenteil: Ein wesentliches
Merkmal seines Stils bestand gerade darin, dass er von fixen Mustern abging. Er
ersetzte die gleichmäßigen Akzente auf der Hi-Hat und das feststehende
Schlagmuster auf dem Ride-Becken, mit denen Jazz-Schlagzeuger traditionell zur
Bewahrung des Beats (zum Time-Keeping) beitrugen, durch eine Art melodische
Phrasierung. Diese Spielweise kam den Improvisationen der Melodie-Instrumente
nahe und drückte den zugrundeliegenden Beat auf indirekte Art aus126),
was manche Musiker anfangs als desorientierend empfanden.127)
Im Jahr 1957, als sein Stil in Grundzügen bereits entwickelt war128),
bekam Jones (wie er später erzählte) Tonbandaufnahmen von einem haitianischen
Trommler vorgespielt und glaubte zunächst, fünf Leute trommeln zu hören. Das
habe ihn fasziniert und er habe begonnen, sich mit traditioneller afrikanischer
Musik zu beschäftigen, was ihn zur Musik der Pygmäen und der Dogon sowie zu
Musik aus dem Kongo geführt habe. Das seien alles großartige Inspirationsquellen
gewesen.129)
– Diese Einflüsse trugen offenbar wesentlich zur weiteren Entfaltung seines
Stils bei, der in der Zeit seiner Mitwirkung in John Coltranes Quartett
(1960-1965) ausreifte. Vor allem seine Kunst der rhythmischen Überlagerung,
insbesondere von Zweier- und Dreier-Rhythmen, dürfte zu einem erheblichen Teil
auf die Beschäftigung mit afrikanischen Trommelrhythmen zurückzuführen sein.130)
Doch waren auch weiterhin in seinem Spiel keine vordergründigen Ähnlichkeiten
mit afrikanischer oder afro-karibischer Musik zu erkennen. Er erklärte: Manche
Teile der lateinamerikanischen und afrikanischen Rhythmen seien sehr starr. Ihre
Flexibilität käme davon, dass sie von mehreren Leuten gespielt werden und
dadurch nicht immer synchronisiert seien, was eine gewisse Bewegung
hineinbringe, die sie flüssiger mache. Als er diese Rhythmen verwendete, habe er
sich mehr für das Fließende als für ihren statischen Anteil entschieden.131)
– Jones wies aber auch auf das konstante Element in seiner Spielweise hin, das
er allerdings in einer nicht-„statischen“ Weise darstellte: Auch wenn er die
traditionellen, feststehenden Muster des Time-Keepings aufgegeben hatte, so
versuche er doch stets, auf dem Becken eine Art Kontinuität aufrechtzuhalten.
Damit stelle er etwas Ähnliches bereit, wie die Clave in einem Latin-Orchester.132)
– Eine Ähnlichkeit zur Clave besteht wohl insofern, als die Clave (wie auch
andere Timelines) ein zentrales, konstantes Element bildet und ebenfalls nicht
aus einer bloßen Betonung des Beats besteht, sondern aus einer spannungsvollen,
melodie-artigen Figur. Im Gegensatz zu Jones Beckenspiel variiert diese Figur
allerdings nicht. Dieser Unterschied verschwimmt dadurch ein wenig, dass die
Clave oft nicht ausdrücklich dargestellt, sondern von den Musikern nur gedacht
wird und daher in einem variierenden Spiel indirekt enthalten sein kann. Aber
auch in bloß gedachter Form bleibt die Clave stets eine „statische“ Figur,
während Jones offenbar die pulsierende rhythmische Spannung, die der Clave
zugrunde liegt und die eine lebendige Form von Kontinuität ergibt, in einer
fließenden, improvisierenden Weise erzeugte. Auch spielte Jones all seine
Rhythmus-Phrasen mit dem typischen lockeren, swingenden Feeling des Jazz133)
und im Übrigen mit hinreißendem Groove134).
– Im Jahr 1964 wirkte Jones an Aufnahmen einer Gruppe mit, die von einem aus
Nigeria stammenden Musiker geleitet wurde, aus mehreren (überwiegend
amerikanischen) Trommlern sowie Jazz-Musikern bestand und Trommelrhythmen in
Sub-Sahara-Art in den Mittelpunkt stellte.135)
In zwei Stücken trat Jones durch eine Art Solo-Beitrag hervor und es ist
bemerkenswert, wie er dabei einerseits in keiner Weise die afrikanischen
Trommelrhythmen nachahmte und andererseits mit seiner individuellen, von der
Jazz-Tradition geprägten Spielweise einen ausgesprochen stimmigen Beitrag
leistete, der eine spannende weitere Ebene rhythmischer Überlagerungen
hinzufügte.
In John Coltranes Stück Africa
(1961)136)
war Elvin Jones der einzige Perkussionist des Orchesters und die Musik klingt
trotz des Titels keineswegs afrikanisch, obwohl sich Coltrane damals häufig
afrikanische Musik anhörte137).
Allenfalls im Abgehen von einer festgelegten Akkord-Struktur, die typisch
europäisches Erbe ist, und in der Verwendung eines Bass-Ostinatos anstelle eines
Walking-Basses kann eine gewisse Annäherung an afrikanische Musik gesehen
werden, aber wohl auch an andere in sehr weitem Sinn „modale“ Musikarten,
insbesondere indische Musik, mit der sich Coltrane damals ebenfalls beschäftigte138).
Tatsächlich war es offenbar vor allem das Vorbild Ornette Colemans, das ihn zum
Abgehen von komplizierten Akkord-Strukturen bewegte.139)
Sein Streben nach einem komplexeren, dichteren Rhythmus140)
scheint zwar zum Teil von afrikanischen Traditionen inspiriert worden zu sein,
doch nutzte er dafür die im Jazz entwickelten Möglichkeiten141),
insbesondere Elvin Jones kreatives Potential.
Auch McCoy Tyner, der Pianist der Gruppe, trug nicht nur durch seine zunehmend
entwickelte, eigene Harmonik entscheidend zum Sound der Coltrane-Band bei142),
sondern erfüllte auch eine wichtige rhythmische Funktion. Er kombinierte eine
fließende Spielweise mit starken Akzenten, die er mit der linken Hand setzte und
die ein klares, stabiles rhythmisches Fundament für Coltranes ausufernde
Improvisationen lieferten.143)
Bereits als Jugendlicher war er mit afrikanischen und afro-karibischen Rhythmen
in Kontakt gekommen, was wesentlich zu seinem perkussiven Stil beitrug.144)
Seine Vorbilder waren aber vor allem die Jazz-Pianisten Bud Powell und
Thelonious Monk145).
So konnte Tyner zwar ausgezeichnet mit einer kubanischen Gruppe spielen146),
doch war sein ausgeprägter, individueller Stil unverkennbar Teil der
Jazz-Tradition. Seine Harmonien nützte im Übrigen Eric Dolphy, um aus ihnen die
Orchester-Arrangements für das Stück Africa zu entwickeln.147)
Coltrane ging es in diesem Stück vor allem um einen bestimmten Sound, den er
sich vorstellte und offenbar mit Afrika verband.148)
Tatsächlich lassen am ehesten die dichten, aufwühlenden Orchesterklänge sowie
Coltranes leidenschaftliche Ausrufe auf seinem Saxofon an das Sub-Sahara-Afrika
denken, sofern man mit diesen Klängen die bereits bekannten Vorstellungen von
Dschungel-Atmosphäre und tropischer Wildnis verknüpft.149)
Wie auch immer Coltrane den in diesem Stück ausgedrückten Afrika-Bezug verstand,
so war sein Zugang jedenfalls wesentlich ernsthafter und tiefgründiger als die
exotischen Klischees von Nachtklub-Shows. Von der Tanztrommelmusik des
Sub-Sahara-Raums sind all die dramatischen Klänge des Stückes mit ihrem eher
getragenen Charakter jedoch weit entfernt. Eine Verbindung zum Tanz kann wohl im
Bewegungsmoment der melodischen Linien gesehen werden, die Coltrane in seinen
Improvisationen auf dem Saxofon hervorbrachte. Dass er mit seinem Spiel auf
großartige Weise Bewegung ausdrücken konnte, zeigt in diesem Album jedoch weit
mehr das Stück Blues Minor. Dieser rasante Jazz-Blues mit
Walking-Bass-Rhythmus scheint in seiner typisch afro-amerikanischen Form für
Coltrane immer noch am besten geeignet gewesen zu sein, das in afrikanischer
Trommelmusik zentrale Tanzelement in einer intensiven, kunstvollen Weise zum
Ausdruck bringen.150)
– Im selben Jahr (1961) kam Coltrane auch durch den bereits erwähnten
nigerianischen Perkussionisten Olatunji mit afrikanischer Musik in Berührung151)
und er widmete ihm ein Stück des im darauffolgenden Jahr aufgenommenen Albums152).
Doch blieb auch in dieser Aufnahme das Schlagzeug das einzige
Perkussionsinstrument und afrikanisch wirkte seine Musik auch weiterhin nicht.
Vielmehr entfalteten sich Jones und Tyner in ihrer eigenen, der Jazz-Tradition
verbundenen Weise weiter und boten Coltrane einen noch reichhaltigeren und
kraftvolleren Rahmen. Erst in den ab Herbst 1965 entstandenen Aufnahmen
Coltranes sind Handtrommeln zu hören.153)
Damals war seine Musik bereits sehr avantgardistisch, sodass sie besonders wenig
mit afrikanischer Tanztrommelmusik gemeinsam hatte. Die letzte veröffentlichte
Aufnahme Coltranes kam im April 1967 bei einem Benefizkonzert für und in
Olatunjis Zentrum für afrikanische Kultur zustande.154)
Zu dem von Rashied Ali gespielten Schlagzeug soll bei diesem Konzert eine
Batá-Trommel hinzugetreten sein155),
die jedoch im „befreiten“ Tosen der Gruppe untergangen zu sein scheint.
Bereits Anfang der 1960er Jahre, also einige Jahre vor
Rashied Ali, entwickelte der Schlagzeuger Sunny156)
Murray als Erster eine „freie“ Spielweise, um den „Free-Jazz“-Pianisten Cecil
Taylor zu begleiten.157)
Als weiterer Begründer des „freien“ Schlagzeugspiels gilt Milford Graves158),
der nach Aussage Steve Colemans allerdings starke Wurzeln in afro-karibischer
Musik und nur oberflächliche Ähnlichkeiten mit Ali und Murray hat.159)
Coleman fand Graves Spiel sehr detailliert160)
und betrachtete es als eine Erweiterung von Elvin Jones Spielweise, die wiederum
eine Erweiterung von Max Roach Stil sei161).
– Tatsächlich spielte Graves in jungen Jahren vor allem Perkussions-Instrumente
in afro-karibischer Musik und konzentrierte sich dabei zuletzt auf die
kubanischen Timbales-Trommeln, bevor er im Jahr 1962 als 21-Jähriger von einem
Freund zu einem Auftritt der Coltrane-Band gebracht wurde und von Elvin Jones
Spiel so begeistert war, dass er Schlagzeug zu spielen begann.162)
Mitte der 1960er Jahre war Graves wesentlich an der damaligen
„Free-Jazz“-Bewegung beteiligt163),
der er zeitlebens verbunden blieb. Er befasste sich mit afrikanischem und
indischem Trommelspiel164)
und veränderte das Schlagzeug, um anstelle des aus europäischer Marschmusik
stammenden Charakters einen mehr afrikanischen Klang zu erreichen165).
Elvin Jones bezeichnete ihn als „sehr interessanten Innovator“.166)
– In den allermeisten veröffentlichten Aufnahmen, in denen Graves zu hören ist,
spielte er mit Musikern, die ebenfalls eng mit der „Free-Jazz“-Bewegung der
1960er und 1970er Jahre verbunden waren, und seine Spielweise wirkt
dementsprechend „frei“ von jeder Regelmäßigkeit. Eine Filmaufnahme von einem
Auftritt des Milford-Graves-Quartetts im Jahre 1973167)
zeigt ihn zum Beispiel mit skurrilem, zum Teil Jodel-artigem Sprechgesang, mit
einer Parodie auf Vierer- und Dreier-Rhythmen, mit hektischem Spiel ohne Groove
und mit ausschließlich kreischenden und quietschenden Blasinstrumenten. Im Stück
Gathering (1997)168)
und in anderen reinen Perkussions-Aufnahmen, die Graves in späteren Jahren
alleine (offenbar auch mit Playback-Verfahren) machte, erscheint Colemans
Aussage über eine Verbindung zu Elvin Jones hingegen als nachvollziehbar: Die
fließende, einem melodischen Phrasieren ähnliche Spielweise, die Jones gegenüber
statischen Anteilen des Rhythmus bevorzugte, ist in Graves Spiel noch
freizügiger, aber es ist auch genug von jener Kontinuität vorhanden, von der
Jones sprach, um ein Gefühl von Groove zu vermitteln.169)
– Coleman argumentierte für Graves, er habe im Gegensatz zu Jones und Roach
leider nie den Vorteil einer Zusammenarbeit mit einem rhythmisch wirklich
starken Bläser gehabt.170)
Das mag an fehlenden Möglichkeiten gelegen sein, wohl aber auch an Graves
stilistischer Ausrichtung und vielleicht auch an seiner Eigenwilligkeit, die der
zum Teil dienenden Rolle des Schlagzeugs im Jazz entgegengestanden sein könnte.171)
Graves schätzte Rashied Ali172)
und arbeitete mit ihm sowie mit dem Schlagzeuger Andrew Cyrille zusammen, der
sich im Jahr 1964 Cecil Taylors Band angeschlossen hatte und ihr 11 Jahre lang
verbunden blieb. Im Jahr 1974 wurde ein Konzert, das Graves und Cyrille alleine
mit verschiedenen Perkussions-Instrumenten bestritten, aufgezeichnet und die
Aufnahme wurde unter dem Titel Dialogue Of The Drums
als Album veröffentlicht. Auf der Hülle des Albums ist eine archaisch wirkende,
afrikanische Skulptur abgebildet.173)
Auch die Titel zweier Stücke beziehen sich auf afrikanische Wurzeln174)
und zu einem erheblichen Teil besteht das Album aus Klängen, die üblicherweise
mit afrikanischer Musik assoziiert werden. Die Vielfalt der Klangfarben, die
Kunst, so komplizierte, ständig variierende Rhythmen hervorzubringen, sowie die
Intensität des Trommelns sind beeindruckend. Zusätzlich erzeugte Graves mehrmals
mit ein wenig „verrückt“ klingenden stimmlichen Lauten eine aufgeregte Stimmung,
insbesondere im letzten Stück, in dem er auch Lautäußerungen des Publikums
provozierte, bis es zu einem gemeinschaftlichen Schreien kam.175)
Kurz darauf endet das Album mit begeistertem Applaus. Ein Gefühl von
Tanzbewegung ruft diese Musik allerdings kaum hervor und bereits darin
unterscheidet sie sich grundsätzlich von afrikanischer Musik. Soweit
Afrika-Bezüge wachgerufen werden, haken sie beim Hörer letztlich wohl auch hier
in Klischees von wildem Trommeln, ungehemmtem Gefühlsausdruck und
Dschungel-Atmosphäre ein.
Graves und Cyrilles
Trommeldialoge waren aber zumindest streckenweise doch noch deutlich
rhythmischer als die „freien“ Spielweisen etwa der Gruppe von Cecil
Taylor. Cyrille sprach zwar in Vorträgen und Radiosendungen häufig von
der zentralen Bedeutung der Trommel in der afro-amerikanischen Musik. Sie sei
die „Urmutter“, der „Herzschlag“ und übertrage den „Pulsschlag, die Energie, die
Grundstimmung“ der Musik. Jazz sei eine ganz andere Ausdrucksform als
europäische Konzertmusik und das Schlagzeug habe in ihm die gleiche Bedeutung,
wie „das Skelett für den Körper“.176)
Die von jedem Metrum und Beat „befreite“ Musik Taylors entzog den Hörern aber
gerade dieses „Skelett“ und den „Herzschlag“, sodass der Rhythmus für sie zu
unberechenbar verlief, um ein Gefühl rhythmischer Bewegung hervorzurufen.
Cyrille erklärte, man könne den Rhythmus wie das Sprechen spielen, das ja auch
nicht in einem Vierviertel-Metrum verlaufe.177)
Tatsächlich enthält auch Trommelmusik in der afrikanischen Guinea-Küstenregion
mitunter ein dem Fluss des Sprechens ähnliches Spiel und dort können
Trommelschläge sogar konkrete sprachliche Bedeutung haben. Zugleich enthalten
diese afrikanischen Rhythmen jedoch auch jene Anteile, die Elvin Jones
„statisch“ und „starr“ nannte und die für eine Tanzmusik unverzichtbar sind.
Jones wies auch auf die Bedeutung des konstanten Anteils im Jazz hin: Der
Schlagzeuger gebe immer irgendwie, auf bewusste oder unbewusste Weise, den Takt
vor, was seine Aufgabe sei.178)
Auch die anderen Instrumente der Rhythmusgruppe (vor allem der Bass, aber auch
das Klavier) trugen im Jazz wesentlich dazu bei, dass ein beständiges
rhythmisches Gerüst hörbar blieb. Wenn diese Kontinuität in „freien“ Rhythmen
nicht mehr vorhanden oder für Hörer nicht mehr fühlbar ist, ändert sich der
Grundcharakter der Musik entscheidend. Sie ermöglicht dann nur ein rein
betrachtendes, praktisch bewegungsloses Hören, wie es in europäischen
Konzertsälen üblich ist und dort als kultivierte Form des Musikerlebnisses gilt.
Die Diskrepanz des Jazz zur Trommelmusik des Sub-Sahara-Raums, die stets dem
Tanz dient, ist hier größer als je zuvor in der Jazz-Geschichte.
Dennoch wurden auch im Bereich des so genannten
„Free-Jazz“ oft afrikanische Wurzeln beschworen, was wohl damit zu erklären ist,
dass damals in afro-amerikanischen Kreisen eine Identifikation mit der
afrikanischen Herkunft allgemein stark an Bedeutung gewann.179)
– Ganz verlor der Bezug zum Tanz aber selbst in diesem Bereich des Jazz nicht an
Bedeutung: Cyrille erzählte, dass sich seine Zusammenarbeit mit Taylor daraus
ergab, dass sie beide eine Wertschätzung für die Beziehung der Musik zum Tanz
hatten.180)
Taylor, dessen früh verstorbene Mutter Tänzerin war, sagte, er ahme mit seinem
Klavierspiel Luftsprünge von Tänzern nach und denke an Kurse für moderne Tänze,
für die er in jungen Jahren Klavier spielte.181)
Er tanzte später in seinen Konzerten mitunter selbst ein wenig und trat auch mit
Tänzern auf, wie in einer Video-Aufnahme aus dem Jahr 1983182)
zu sehen ist: Zu Beginn des Konzerts wurden von den Perkussionisten der Band
afrikanisch inspirierte Rhythmen gespielt, zu denen sich die Tänzer entsprechend
rhythmisch bewegten. Nach dieser Einleitung begann Taylors eigentliche Musik und
zu ihr kam kein wirklich rhythmischer Tanz mehr zustande. Die Tänzer bewegten
sich vielmehr in einer „bildhaften und mimetischen“ Weise183),
die mehr einem europäischen Ballett entsprach als einem afrikanischen Tanz.
Neben Cecil Taylor war der Alt-Saxofonist Ornette
Coleman der wichtigste Initiator der „Free-Jazz“-Bewegung und beide
gaben Ende der 1950er Jahre ihre entscheidenden Anstöße. Doch kamen sie aus
einem völlig unterschiedlichen Umfeld und entwickelten eine dementsprechend
verschiedenartige Musik. Während Taylor in bürgerlichen Verhältnissen aufwuchs,
bereits mit fünf Jahren klassischen Klavierunterricht erhielt und an einem
Konservatorium in Boston studierte, kam Coleman aus einem sehr armen, rauen, vom
Rassismus der Südstaaten geprägten Milieu in Texas. Er brachte sich das
Musizieren im Wesentlichen selbst bei und spielte bereits ab dem Alter von 15
Jahren in Kneipen und umherziehenden Minstrelshows. Taylors Innovationen
beruhten auf den Errungenschaften der „modernen“ europäischen Konzertmusik des
20. Jahrhunderts, aus denen er mit einer dem Jazz entsprechenden
Herangehensweise seinen Stil entwickelte. Ornette Colemans Musik war hingegen
eine unbekümmerte, wenig virtuose, aber kreative Verarbeitung der starken
Einflüsse aus Blues-verbundener Volksmusik und damals aktuellem Jazz,
insbesondere der Musik Charlie Parkers. Seine Musik war vor allem eigenwillig,
wohl nur in den Augen anderer avantgardistisch und sie unterschied sich
besonders in rhythmischer Hinsicht gravierend von den „freien“ Spielweisen im
Stil Taylors: In Ornette Colemans ersten Aufnahmen spielte Billy Higgins das
Schlagzeug, der ein Meister stark swingenden Spiels war.184)
An seine Stelle trat im Jahr 1960 Colemans bevorzugter Partner am Schlagzeug,
Ed Blackwell,185)
der schon früher mit Coleman gespielt hatte und von dem Higgins gelernt hatte186).
Auch Blackwell begleitete in einer swingenden Weise, doch wechselte er
insbesondere in seinen Soli zu einer eigenen Spielart über187),
bei der er vor allem die Trommeln des Schlagzeugs, weniger die Becken,
einsetzte. Bereits eines der ersten Alben Colemans, an dem er beteiligt war (Ornette!,
1961), enthält ein ausgezeichnetes Beispiel dafür: das Stück T. & T.,
in dem er das einzige Solo spielte. Schon seinem damaligen Spiel wurde mehrfach
ein west-afrikanischer Charakter zugesprochen188),
obwohl er vor dieser Aufnahme noch nicht in Afrika war. Erst durch seine
Mitgliedschaft in Randy Westons Gruppe kam er im Jahr 1967 dorthin, und zwar für
drei Monate unter anderem in zehn west-afrikanische Länder.189)
Die Begegnung mit den dortigen Traditionen bestätigte und verstärkte seine
bisherigen Auffassungen190)
und verschaffte ihm manche neue Kenntnisse und Anregungen191),
doch erklärte er, dass man viel länger dort bleiben müsste, um eine umfassende
Vorstellung davon zu bekommen, wie die verschiedenen Rhythmen, von denen es sehr
viele gebe, zusammengefügt werden.192)
Auch ließe sich von diesen Rhythmen nur wenig für das Schlagzeugspiel
adaptieren, man könne sich eher nur auf das grundlegende Konzept afrikanischen
Trommelns beziehen.193)
Blackwell spielte nach seiner Afrikareise nicht wesentlich anders als davor.194)
Später kam er durch eine im Jahr 1972 begonnene Lehrtätigkeit an einer
Universität mit Trommlern aus Ghana in Kontakt, wodurch sich seine Kenntnisse
west-afrikanischer Musik vertieften, und er übertrug dann tatsächlich einzelne
afrikanische Tanzrhythmen in sein Spiel.195)
So klingt zum Beispiel sein Solo im Stück Togo (1979)196)
tatsächlich afrikanischer als frühere Aufnahmen. Im Wesentlichen blieb jedoch
sein Trommelstil, den er in jungen Jahren entwickelt hatte, bis zum Ende seiner
Laufbahn erhalten.197)
Was seiner Spielweise west-afrikanischen Charakter verlieh, war vor allem seine
reiche Polyrhythmik, die mit seiner Auffassung des Schlagzeugs als einer Familie
aus Trommeln zusammenhing, in der die einzelnen Mitglieder (Mutter, Vater,
Tochter, Sohn) ihre eigenen Stimmen und Rhythmen haben und im Zusammenwirken den
Gesamtrhythmus bilden. Diese Sichtweise ist in West-Afrika verbreitet, wurde von
Blackwell möglicherweise aber schon vor seiner Reise vertreten.198)
Blackwell sagte auch, um das spielen zu können, was er in Afrika hörte, müsse
man das Schlagzeug als singendes Instrument wahrnehmen.199)
Ein dementsprechendes melodisches Verständnis des Schlagzeugspiels zeichnete
Blackwells Stil allerdings ebenfalls schon früher aus. – Dass er diese
Ähnlichkeiten mit afrikanischer Musik schon vor seiner Reise entwickelte, ist
vor allem mit folgenden Einflüssen zu erklären: Sein großes Vorbild war Max
Roach, der für dieselben Qualitäten (Polyrhythmik und quasi-melodische
Gestaltung) gerühmt wurde und das afrikanische musikalische Erbe verstärkt
hatte, indem er Anregungen aus afro-karibischer Musik verarbeitete. Blackwell
war der musikalischen Welt der Karibik durch seine Heimatstadt New Orleans schon
als Kind und Jugendlicher nahe und nahm durch die spezielle afro-amerikanische
Straßenmusik der Stadt und die afro-amerikanischen „Indianer“ des Karnevals
Reste ursprünglich aus Afrika stammender Musikkultur in sich auf.200)
Auch kam Blackwell schon früh mit kubanischen Musikern in Kontakt und manche
polyrhythmischen Ideen scheint er auch aus einem Lehrbuch bezogen zu haben.201)
Ein weiterer wichtiger Faktor für Blackwells musikalische Entwicklung war im
Übrigen die Herausforderung, mit Ornette Colemans ungewöhnlicher Art der
musikalischen Gestaltung zurechtzukommen: Coleman richtete sich nicht nach
bestimmten Taktzahlen oder rhythmischen Zyklen, sondern folgte einfach der Logik
seiner Phrasen, und so musste Blackwell ihm in sehr flexibler Weise folgen.
Umgekehrt begann auch Coleman ihm zuzuhören, sodass sie ein von fixierten Formen
losgelöstes Zusammenspiel entwickelten.202)
Eine bedeutende Rolle für den afrikanischen Zug seines Stils spielte jedenfalls
seine Verbundenheit mit dem Tanz und der kommunikativen, sozialen Funktion der
Musik und diese grundsätzliche Haltung geht offensichtlich auf Blackwells
Erfahrungen in New Orleans zurück. So sagte Don Cherry, Blackwell kenne sich mit
Tanz aus, er habe in den Straßen von New Orleans getanzt und sei durch Afrika
gereist. Sein Spiel sei wie Tanz.203)
Bezeichnend ist auch, dass Blackwell die Musik von Graves und Cyrilles Album
Dialogue Of The Drums, die ihm bei einem Interview vorgespielt wurde,
unbefriedigend fand, weil sie zwar für Schlagzeuger interessant sei, aber kaum
für Hörer.204)
Er sagte, er versuche immer, den Hörern jenes Glücksgefühl zu vermitteln, das er
als Kind in New Orleans von der Musik empfing.205)
– Blackwell brachte nicht den gewaltigen Groove von Elvin Jones hervor oder
Milford Graves Kunst einer vertrackten Flüssigkeit, er war auch nicht wie Jones
und Roach der unersetzliche Partner so brillanter Improvisatoren wie Coltrane
oder Charlie Parker206)
und er ist großteils in Beiträgen zur rauen, schrägen, schrillen Musik Ornette
Colemans sowie stilistisch ähnlich orientierter Musiker zu hören. Doch ist es
ein Vergnügen, Blackwells „tanzendem“, „singendem“ Trommelspiel zuzuhören,
besonders in seinen Soli207).
Max Roach erklärte, er habe nie jemanden gehört, der wie Blackwell klingt,
Blackwell habe seine eigene musikalische Persönlichkeit und eine bestechende
Herangehensweise.208)
Und Billy Hart zählte Blackwell aufgrund seiner Verbindung zu den afrikanischen
Wurzeln zu den bedeutendsten Schlagzeugeinflüssen des 20. Jahrhunderts.209)
An Blackwells
Innovationen knüpfte der Schlagzeuger Doug Hammond an, der
ebenfalls von der Karibik-Küste der USA (aus Florida210))
stammte und an afro-kubanischer und afrikanischer Musik interessiert war211).
Hammond beschäftigte sich auch eingehend mit früheren Schlagzeugern wie Big Sid
Catlett, Chick Webb, Cozy Cole und Baby Dodds. Besonders war er von Max Roach
und Ed Blackwell als damals aktuellstem Vertreter dieser Entwicklungslinie
beeinflusst und ging in folgender Hinsicht einen Schritt weiter:
Jazz-Kompositionen, über die improvisiert wird, legten in der Regel den Beitrag
des Schlagzeugers nicht fest. Er erhielt vom Bandleader meistens nur ungefähre
Vorgaben, welche Art von rhythmischem Fundament er in einem Stück bereitstellen
soll. Hammond begann hingegen, auch für das Schlagzeug einen eigenen Part zu
schreiben, der angab, an welchem Punkt im zeitlichen Raster eines Stückes
welcher Teil des Schlagzeugs anzuschlagen ist (ähnlich, wie für die anderen
Instrumente vorgegeben wird, welche Note an welcher Stelle zu spielen ist).
Daraus ergab sich für das Schlagzeug eine Art Rhythmus-Melodie, die Hammond
„Drum-Chant“212)
nannte. Er stellte sich dabei die einzelnen Schlagzeugteile wie eigene
Instrumente vor, die in ihrer Kombination eine komplette Rhythmusgruppe
abbilden, zum Beispiel indem die Bass-Trommel die Funktion eines Basses
übernimmt, die Snare-Trommel die eines Klaviers sowie Becken oder Kuhglocken die
des Schlagzeugs.213)
Neben dieser „Melodisierung“ der Perkussions-Instrumente legte er umgekehrt auf
eine rhythmisch kunstvolle Gestaltung der Melodie des Stückes Wert. Ihre
rhythmisch-melodische Linie und den „Drum-Chant“ verschränkte er auf eine
spannende („kontrapunktische“214))
Weise miteinander, die stets auch Auslassungen von Schlägen beziehungsweise von
Noten geschickt nutzte, sodass ein anspruchsvoller Groove entstand215).
Der „Drum-Chant“ verlieh dem jeweiligen Stück in der rhythmischen Grundstruktur
einen spezifischen Charakter und gab dem Schlagzeuger ebenfalls ein Thema, von
dem er bei seinen Improvisationen ausgehen konnte. Akkorde wurden für die
Improvisationen keine vorgegeben216),
sodass ihre Basis im Wesentlichen aus Rhythmus bestand.217)
Mit der Loslösung von harmonischen Vorgaben verlor diese Musik an europäischem
Charakter und mit der Konzentration auf eine enge Verbindung von
Rhythmus-Melodie und Melodie-Rhythmus näherte sie sich west-afrikanischen
Musik-Auffassungen, auch wenn sie an der Oberfläche keineswegs afrikanisch
klang. – Hammond trat nicht als Begleiter eines bedeutenden Bandleaders hervor218)
und auch seine eigenen Gruppen, mit denen er seine Kompositionen spielen und
aufnehmen konnte, blieben weitgehend unbekannt. Von seinen Mitspielern erlangte
nur einer je größere Aufmerksamkeit – Steve Coleman, der Anfang der 1980er Jahre
als junger Saxofonist mit ihm arbeitete219)
und aus seinem Konzept entscheidende Anregungen für die Entwicklung seiner
eigenen Musik bezog. Über Steve Coleman übten Hammonds Ideen dann aber einen
Einfluss auf viele junge Musiker aus.220)
Hammond begann Anfang der 1970er Jahre221),
seine Drum-Chants zu entwickeln, und kurz zuvor entstanden in einem ganz anderen
Bereich afro-amerikanischer Musik Spielweisen, die noch weit mehr den
Musikvorstellungen im Sub-Sahara-Afrika entsprachen: in der Tanzmusik des
Sängers James Brown. Seine Band entwickelte in der zweiten
Hälfte der 1960er Jahre eine neue, Funk genannte Musik, die weitgehend
aus Rhythmus bestand und sich aus mehreren verzahnten, melodie-artigen Figuren
zusammensetzte, jedoch nicht auf Trommeln, sondern auf den in der Soul-Musik
üblichen Instrumenten gespielt wurde.222)
So ergab sich eine spezifisch US-afro-amerikanische Variante des afrikanischen
Verzahnungsmodells, die dann bezeichnenderweise bei Afrikanern mehr Anklang fand
als jede andere damalige US-amerikanische Musik, wie John Miller Chernoff
feststellte223),
der ab 1970 in West-Afrika224)
von Trommelmeistern Unterricht erhielt. Nach Chernoffs Erfahrung225)
kann ein Afrikaner mit einer Jazz-Aufnahme nichts anfangen, selbst wenn sie noch
so viel an afrikanischem Charakter hat. Die Frage, ob er eine bestimmte Musik
versteht, bejahe ein Afrikaner dann, wenn er den Tanz kennt, der zu ihr gehört.226)
Afrikanische Trommelrhythmen sind in der Regel untrennbar mit Tanz verbunden und
Tanzmusik braucht rhythmische Elemente, die sich ständig wiederholen. Zyklen227)
bieten den Tänzern zusätzlich zu einem bloßen Pulsieren anregende Strukturen,
die das Tanzerlebnis bereichern. Solange der Jazz seinen Tanzmusik-Charakter
bewahrte, wurde sein statischer Teil vor allem von einer Betonung des Beats
gebildet228).
Die für ihre kunstvolle Gestaltung bekannte Trommelmusik der afrikanischen
Guinea-Küste229)
deutet hingegen den Beat häufig nur indirekt an und ihr konstanter Teil setzt
sich aus mehreren verschiedenen rhythmischen Mustern (Patterns) zusammen, die so
ineinander verzahnt sind, dass sie eine mehrschichtige Rhythmik ergeben. In
stärkerem Maß improvisiert meistens nur der führende Meistertrommler, der
mitunter auch sprachliche Inhalte in sein Spiel verpackt. Es kommt in diesen
afrikanischen Musiktraditionen weniger auf solistische Meisterschaft,
Einfallsreichtum und Originalität an als auf die Kunst, das Zusammenwirken der
Muster durch subtil gestaltetes, präzises, repetitives Spiel plastisch spürbar
zu machen, die Tänzer zu unterstützen und insgesamt für ein befriedigendes
Erlebnis aller Beteiligten zu sorgen.230)
Im Vergleich zu dieser afrikanischen Musik waren die Rhythmen des Jazz in seiner
Geschichte zunächst simpel und die allmählich entwickelte rhythmische
Mehrschichtigkeit wurde im Jazz dann weniger durch ein Verzahnen fixer Patterns
erreicht als durch ein Überlagern des Beats mit vielfältigen, variierenden,
improvisierten Akzenten und Figuren.231)
Der vom Walking-Bass wiedergegebene Beat blieb dabei in der Regel die einfache,
„monorhythmische“ (nicht polyrhythmische) Basis und klare Leitlinie, während das
Schlagzeug zunehmend in ein Wechselspiel mit den Melodie-Instrumenten trat. Es
unterstützte damit die melodische Improvisation, die leicht isoliert, seltsam
abgehoben und unbeantwortet klingt, wenn sie nur von starren Mustern der
Rhythmusgruppe begleitet wird. Außerdem ist das Schlagzeug durch größere
Freiheit von fixen Mustern in der Lage, selbst durch Improvisationen
hervorzutreten. Die vorrangige Bedeutung der melodischen Improvisation hat somit
die statischen Anteile des Rhythmus stark zurückgedrängt und damit den Jazz von
seiner ursprünglichen Funktion als Tanzmusik weggeführt. James Browns Musik war
hingegen bereits als besonders auf Rhythmus konzentrierte Tanzmusik und
zusätzlich durch ihr Verzahnungsprinzip der west-afrikanischen Trommelmusik
wesentlich näher, aber wiederum von der Komplexität und Improvisationskunst des
Jazz weit entfernt.
Steve Coleman kam Ende der 1960er Jahre gerade
in das Jugendalter, als James Browns Funk voll entwickelt war und im
afro-amerikanischen Milieu, dem Coleman angehörte, einen starken Widerhall fand.
Coleman war von dieser neuartigen Musik fasziniert, tanzte wie seine
Altersgenossen zu ihr und wurde von ihr nachhaltig beeinflusst. Ein paar Jahre
später fand er als angehender Alt-Saxofonist in der Musik Charlie Parkers
ebenfalls ein Verzahnen unterschiedlicher Parts und Ende der 1970er Jahre weckte
ein Album mit Trommelmusik von der Elfenbeinküste sein Interesse an
afrikanischen Rhythmen dieser Region sowie an ihrer Art der Verzahnung. Er fand
es unumgänglich, für seine Musik eine eigene, zeitgemäße rhythmische Basis zu
schaffen, und die sollte nach seiner Vorstellung den Charakter von Browns
Funk-Grooves haben, aber so anspruchsvoll entwickelt sein, dass sie das
Fundament für eine Musik auf Coltranes Niveau bilden kann. Zu diesem Zweck
verglich er die verschiedenen Arten der Verzahnung in Browns Funk, Parkers Musik
sowie west-afrikanischer Trommelmusik und fand in allen dreien sowohl statische
als auch veränderliche, improvisierte Parts. Die „Veränderungsrate“, wie er es
nannte, war in diesen drei Musikarten jedoch sehr unterschiedlich: Parkers und
Max Roachs Zusammenspiel war hochgradig flexibel und der statische Teil wurde
hier vor allem vom nicht improvisierenden Walking-Bass bereitgestellt. James
Browns Musik war hingegen überwiegend statisch und die west-afrikanische
Trommelmusik nahm mit weitgehend gleichbleibenden Parts und Improvisationen des
Meistertrommlers eine Zwischenposition ein. Eine wichtige Anregung, wie Coleman
rhythmische Figuren als Grundlage für melodische Improvisation nutzen kann,
gaben ihm Doug Hammonds Drum-Chants, die er während seiner 1979 begonnenen
Mitarbeit in Hammonds Gruppe kennenlernte. Doch gingen Colemans Bestrebungen
deutlich darüber hinaus und er entwickelte im Laufe der 1980er Jahre ein eigenes
Rhythmus-Konzept, das unter anderem folgende Besonderheit enthält: Die in seinen
Kompositionen verzahnten rhythmischen Figuren haben unterschiedliche Längen,
sodass sich ihre Zyklen kontinuierlich gegeneinander verschieben und
wechselseitig durchbrechen.232)
Auf diese Weise bilden sie ein größeres, sehr dynamisches Gefüge, das zwar wie
west-afrikanische Trommelrhythmen aus Kreisläufen besteht und in der Summe eine
rotierende Bewegung ergibt, sich jedoch nicht in kurzen Zyklen ständig
wiederholt. So verhindern sie eine Eigenschaft afrikanischer Rhythmen, die
wesentlich zu ihrem eher starren, steifen Charakter, von dem Elvin Jones sprach,
beiträgt.233)
Zugleich heben sich in Colemans Musik die übereinander gelagerten Schichten
durch die dauernde gegenseitige Verschiebung noch deutlicher voneinander ab,
sodass sich der polyrhythmische Charakter, der zu einem großen Teil den Reiz
west-afrikanischer Rhythmik ausmacht, noch verstärkt. Die Spannung zwischen den
Schichten in Colemans Musik wahrzunehmen und zugleich zu fühlen, wie sie dennoch
perfekt ineinandergreifen, kann faszinierend sein.234)
Coleman gestaltete die einzelnen rhythmischen Figuren so, dass sie in ihrem
Zusammenspiel laufend stark groovende Kombinationen ergeben und damit ein
rhythmisches Fundament für seine Musik bilden, das trotz Komplexität ein
intensives Bewegungsgefühl vermittelt. Die vielfältigen Ebenen und ihre
dynamischen Beziehungen bieten eine besonders reichhaltige Basis für rhythmisch
anspruchsvolle Improvisationen der Melodie-Instrumente sowie für die
improvisierten Beiträge der Rhythmusgruppe selbst. In den 1990er Jahren
arbeitete Coleman an einer weiteren Verstärkung der rhythmischen Basis durch
Handtrommler und fand nach längeren Versuchen mit US-amerikanischen und
afrikanischen Trommlern schließlich in jungen Afro-Kubanern, die sowohl
Folklore-Traditionen beherrschten, als auch für sein Konzept offen waren,
bereichernde Mitspieler.235)
Letztlich klingt auch Steve Colemans Musik nicht in einer
konkreten Weise nach traditioneller west-afrikanischer Musik. Doch nutzt sein
Konzept in besonderem Maß die Stärke des west-afrikanischen polyrhythmischen
Modells und erzeugt damit ein organisches rhythmisches Fundament, das sich mit
seiner Vielschichtigkeit und Dynamik für kunstvolle Jazz-Improvisation als
bestens geeignet erwies.
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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.
- Mario Bauzá: Als er und Dizzy Gillespie begannen, die Sache
voranzutreiben, hätten sie immer gesagt, dass Jazz eine großartige Sache ist,
der Rhythmus aber sehr monoton ist. Daher hätten sie immer darüber
nachgedacht, wie sie etwas Neues entwickeln können. (QUELLE: John Storm
Roberts, The Latin Tinge, 1999/1979, S. 116)
-
Tresillo
-
Bruce Boyd Raeburn: Der Autor Charles Hiroshi Garrett sei in seinem Buch
Struggling to Define a Nation, 2008, Kapitel Jelly Roll Morton and
the Spanish Tinge, der Frage nachgegangen, wie Morton „Spanish
Tinge“-Elemente in den Jazz einarbeitete. Morton habe in der
Klavier-Interpretation des Stücks New Orleans Blues (New
Orleans Joys) einer Tresillo-Bass-Linie Blues-gebeugte Figuren im
höheren Register entgegengesetzt. Garrett sei zum Schluss gelangt, dass eine
solche rhythmische Flexibilität sowohl auf die dynamischen
improvisatorischen Möglichkeiten also auch auf die ständige Spannung, die
vom Zusammenprall der unterschiedlichen musikalischen Impulse produziert
wird, hindeutet. Wegen des charakteristischen Satzes von rhythmischen
Mustern, die durch das Improvisieren über dem Tresillo-Bass hervorgebracht
werden, sei es möglicherweise tatsächlich zweckmäßig, diesen Aspekt der
Latin-Tinge nicht nur mit dem Vorhandensein einer spezifischen rhythmischen
Zelle zu charakterisieren, sondern auch mit dem daraus resultierenden
polyrhythmischen Charakter. (QUELLE: Bruce Boyd Raeburn, Beyond the
„Spanish Tinge”, in: Luca Cerchiari/Laurent Cugny/Franz Kerschbaumer
(Hrsg.), Eurojazzland. Jazz and European Sources, Dynamics, and Contexts,
2012, S. 27)
-
QUELLE: Transkription der Library of Congress Recordings,
Internet-Adresse:
http://www.doctorjazz.co.uk/locspeech4.html#locaafs4, Abschnitt 1681
B
-
Das bekannteste dieser Stücke ist Caravan (erstmals aufgenommen von
einer Untergruppe des Ellington-Orchesters unter dem Namen von Barney Bigard
im Dezember 1936 und dann vom gesamten Orchester im Mai 1937). Besonders
hübsch ist Moon Over Cuba (1939 geschrieben, 1941 vom
Ellington-Orchester aufgenommen).
-
zum Beispiel der Tango-Welle, die bereits vor 1920 begann, und der Welle der
so genannten R(h)umba-Musik, die durch das 1930 von Don Azpiazu And His
Havana Casino Orchestra aufgenommene Lied El Manisero (The
Peanut Vendor) ausgelöst wurde und nichts mit der afro-kubanischen
Rumba zu tun hat
-
QUELLE: John Storm Roberts, Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus
Wolbert [Hrsg.], That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988,
S. 231f.
-
Nathan Brad Miller: Die Perkussionsgruppe bestehe aus Maracas, Claves,
Congas und Schlagzeug, was der Instrumentierung kubanischer Ensembles wie
der Band Don Azpiazu And His Havana Casino Orchestra ähnelte, die
mit dem 1930 aufgenommenen Lied El Manisero (The Peanut Vendor)
international populär wurde. Nur das Schlagzeug sei in afro-kubanischer
Musik nicht üblich. Doch seien die darauf gespielten Rhythmen in
afro-kubanischen Praktiken verankert und für die gesamte rhythmische Textur
wesentlich. – Die mitspielenden Musiker seien zwar nicht angeführt, doch sei
aufgrund der rhythmischen Genauigkeit und der Tonproduktion auf den Claves,
Maracas und Congas anzunehmen, dass für diese Aufnahme kubanische Musiker
hinzugezogen wurden. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era
Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 48 und 50,
Internet-Adresse:
https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
-
Nathan Brad Miller: Die Perkussionsinstrumente ergeben gemeinsam die
rhythmische Polyphonie kubanischer Musik. Die für Stücke der Swing-Ära
typische vertikale Anordnung von Rhythmen sei hier nicht zu finden.
Stattdessen erzeuge das Überlagern von verschiedenen Ostinati ein dichtes
rhythmisches Gewebe. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era
Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 49, Internet-Adresse:
https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
-
Nathan Brad Miller wies auf „die falschen Akzente und den kommerziellen
Zugang“ hin, die in lateinamerikanisch gefärbten Stücken von Musikern wie
Calloway offensichtlich seien. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá.
Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 56,
Internet-Adresse:
https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3,
eigene Übersetzung)
-
Nathan Brad Miller: Die Bläsergruppe sei nur einen Chorus der Melodie lang
zu hören. Der Melodiegruppe werde in diesem Arrangement nur eine minimale
Rolle eingeräumt. Das Ensemble setze ein abgesetztes Staccato-Spiel mit
scharfen Attacken und Freilassungen für rhythmische Figuren ein. Durch diese
Spielart werde die rhythmische Richtigkeit der Linien gewahrt, was sie über
der Perkussionsgruppe leicht wahrnehmbar mache. Das verstärke umgekehrt den
Vorwärtsschub der Bläsergruppe. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario
Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 50,
Internet-Adresse:
https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
-
Mario Bauzá: Seit er im Jahr 1930 nach New York kam, versuche er, eine
Möglichkeit der Vermählung von kubanischer Musik und Jazz zu finden, und als
er Dizzy Gillespie spielen hörte, habe er gewusst, dass Gillespie es war,
der das machen kann. (QUELLE: Robert Palmer, The Cuban Connection,
Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8, November 1988, S. 28,
Internet-Adresse:
https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false)
-
mehrere übereinander gelagerte Rhythmen
-
Gillespie: Mario Bauzá habe ihn die kubanischen Rhythmen gelehrt und ihn
dazu gebracht, Latin-Bands zu hören. (QUELLE: Robert Palmer, The Cuban
Connection, Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8, November 1988,
S. 28, Internet-Adresse:
https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false)
– Gillespie: Er habe sich für Latin-Musik zu begeistern begonnen, nachdem er
Bauzá traf. Man könne sagen, dass er verrückt nach Latin-Musik ist, da sie
multirhythmisch ist. Das sei es, was er möge. Einige Musiker, etwa aus der
Rhythmusgruppe, würden denken, dass, wenn sie alle genau zusammenkommen,
Bum!, dass das der Inbegriff ist. Sie würden einander ansehen und
grinsen. Die Idee des Multirhythmus sei aber subtiler und achte auf alle
Beats im Takt und auf alle dazwischenliegenden Beats. (QUELLE: Alyn Shipton,
Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82, Quellenangabe:
Fox Interview vom 31. August 1976)
-
Dizzy Gillespie: Instinktiv habe er immer schon das Latin-Feeling gehabt.
Wahrscheinlich würde er einen Psychoanalytiker brauchen, um herauszufinden,
woher es kam. Er habe schon lange polyrhythmisch empfunden. Möglicherweise
sei er eines dieser „afrikanischen Überbleibsel“, die nach der Sklaverei
unter Negern in South Carolina erhalten blieben. – Über seine Kindheit in
South Carolina berichtete Gillespie unter anderem, dass er regelmäßig am
Sonntag heimlich in die Sanctified-Kirche gegangen sei, der seine Familie
nicht angehörte und die verachtet war, weil sie mit ihren
Besessenheits-Ritualen als zu afrikanisch galt. Ihre Musik habe eine
tiefgehende Bedeutung für ihn gehabt, er habe dort die Bedeutung des
Rhythmus kennengelernt und wie Musik die Leute spirituell transportieren
konnte. Musiker hätten dort mindestens vier verschiedene Rhythmen
gleichzeitig erzeugt und die Gemeinde habe mit Fußstampfen, Händeklatschen
und Springen die Zahl der Rhythmen noch erhöht. – 1938 spielte Gillespie in
der Band des kubanischen Flötisten Alberto Socarras, der in den USA eine
Latin-Band leitete und eher klassisch orientiert war. Gillespie: Er habe bei
ihm Maracas und Trompete gespielt und so habe er erstmals den Clave-Beat
gelernt. Die Clave sei dieselbe Sache wie „unser Sock-Cymbal-Beat“ (wohl die
für den damaligen Jazz typische Ride-Becken-Figur). Man könne auf der Eins
beginnen oder auf der Zwei oder sie umdrehen. Die Erfahrung in
afro-kubanischer Musik, die er durch das Spielen bei Socarras erhielt, sei
für ihn später sehr, sehr nützlich gewesen. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al
Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 171, 30f. und 86)
-
einer ständig wiederholten Figur
-
des komponierten Teils am Beginn und am Ende des Stückes
-
Alyn Shipton: Gillespies habe mit Pickin‘ the Cabbage einige
polyrhythmische Ideen der Latin-Musik erforscht. Bass und Bariton-Saxofon
spielten gemeinsam ein Ostinato-Bass-Muster. Verschiedene Kommentatoren
hätten auf die ungewöhnlichen Akkord-Strukturen des Themas hingewiesen, aber
selbst Gunther Schullers Notation (in The Swing Era, 1991/1989,
S. 345f.) umgehe das Problem, auf dem Papier die verschobenen Akzente des
Ostinatos einzufangen – mit den Honks [Huptönen] des Bariton-Saxofons, die
gegenüber dem vierten Beat jeden Taktes vorgezogen sind und ihn betonen, und
den größtenteils parallel zu den Honks laufenden Rimshots [Schlägen auf den
Trommelrand] des Schlagzeugers. Der rhythmische Effekt sei, dass die normale
Vierviertel-Swing-Struktur destabilisiert wird. Nur in den acht Takten des
Mittelteils setze sich die Vierviertel-Swing-Struktur durch (eine nicht
unähnliche Idee werde in Gillespies Bebop-Komposition Salt Peanuts
verwendet, wo das Hauptthema mit seinem Antwort-Ruf „Salt Peanuts“ von einem
geradlinigen Vierviertel-Teil unterbrochen und abgewechselt werde). Durch
das Spielen des Themas mit einer Betonung auf einem etwas vorgezogenen
ersten Beat erzeuge das Stück ein Gefühl von entgegengesetzter Bewegung,
während darunter ein Latin-Rhythmus angedeutet werde. (QUELLE: Alyn Shipton,
Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82) – Mark Lomanno
(Ph.D. in Ethnomusikwissenschaft): Das Bass-Ostinato ahme die kubanische
3-2-Clave nach. Wie in späteren Kompositionen, etwa Night in Tunisia
und Manteca, variiere Gillespie das synkopierte Latin-Feeling des
A-Teils des Themas mit einer geradlinigen, swingenden Bridge [einem B- oder
Zwischenteil]. (QUELLE: Mark Lomanno, Cab Calloway (featuring Dizzy
Gillespie): Pickin' the Cabbage, Internetseite jazz.com,
Internet-Adresse:
http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage)
-
Alyn Shipton: Gillespies Solo, das am besten in den Moll-Teilen des Stückes
funktioniere, sei selbstsicher genug, um in den acht Takten des Mittelteils
aus den Schwierigkeiten herauszukommen, aber weniger eindrucksvoll als die
Vision, die das gesamte Arrangement zum Ausdruck bringt. Das Stück möge
(nach Gunther Schullers Wortspiel) eine „unbedeutende Bemühung“ Gillespies
gewesen sein, aber es sei ungewöhnlich im Werk der Calloway-Band gewesen und
sei eine Erforschung der rhythmischen Struktur vom Komponieren für
Bigband-Sections her – weniger in Bezug auf Klavier, Bass, Schlagzeug und
Gitarre als Träger des rhythmischen Antriebs. (QUELLE: Alyn Shipton,
Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82) – Mark Lomanno
fand hingegen, dass Gillespie sein Solo gut spielte und dass es „Anzeichen
seines späteren Genies“ zeige. (QUELLE: Mark Lomanno, Cab Calloway
(featuring Dizzy Gillespie): Pickin' the Cabbage, Internetseite
jazz.com, Internet-Adresse:
http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage)
-
Gillespie: Wenn man genau auf sein Arrangement und sein Solo in Pickin’
the Cabbage hört, könne man den Samen für einige seiner späteren,
bekannten Kompositionen wie Night in Tunisia und Manteca
hören. Wenn man wirklich gute Ohren hat, werde man noch mehr hören.
Sorgfältiges Hören zeige einem in Pickin‘ the Cabbage die
musikalische Richtung, die er für den Rest seiner Karriere verfolgte. Das
Stück sei ein echter Beginn des Latin-Jazz und wahrscheinlich die erste
Verwendung von Polyrhythmus im Jazz seit seiner Entstehung. All die Elemente
des Fusionierens und Synthetisierens von afro-amerikanischem Swing mit den
verschiedenen lateinamerikanischen und karibischen Beats seien bereits in
dieser einen Komposition vorhanden. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser,
To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 167)
-
John Storm Roberts: Bauzá habe nach seinem Eintritt in Machitos Band
begonnen, den „Sound dieser Band zu formen, indem er sich Jazz-Arrangeure
(vor allem den Calloway-Arrangeur John Bartee) und Jazz-Bläser aussuchte,
mit denen er eine erste wirkliche Synthese von Jazz und kubanischer Musik
schuf, die die kubanischen Rhythmen und Strukturen beibehielt, sie aber mit
instrumentalen und vokalen Jazz-Elementen erweiterte.“ (QUELLE: John Storm
Roberts, Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus Wolbert [Hrsg.]:
That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 232) – Nathan
Brad Miller: Das Album Machito and His Afro Cubans 1941 enthalte
Aufnahmen von Machitos Band in einem Stil, der sich noch wenig von Aufnahmen
von Musikern wie Don Azpiazu unterscheide (Don Azpiazu war
mit seinem Havana Casino Orchestra und dem Lied El Manisero/The
Peanut Vendor bereits 1930 sehr erfolgreich). Im Jahr 1934 habe Bauzá
für das Stück Tanga eine neue Art von Arrangements entwickelt.
Tanga werde im Allgemeinen als erstes Stück des Afro-Cuban-Jazz
betrachtet (Quellenangabe: Max Salazar bezeichne es so im Begleittext zum
Album The Original Mambo Kings; John Storm Roberts zitiere Salazar
in Latin Jazz, 1999, S. 67). Der kubanische Einfluss zeige sich vor
allem in der Instrumentierung der Perkussionsgruppe, der rhythmischen
Polyphonie der Perkussionsteile, dem von diesen Teilen erzeugten Schwung,
dem Beruhen auf kubanischen Ostinati in den Bass- und Klavier-Parts, der
Clave der Bläser-Arrangements, dem gesamten perkussiven Charakter des Spiels
der Bläser, der Übereinstimmung zwischen Rhythmus- und Bläsergruppe, den
Montuno- und Mambo-Abschnitten am Ende des Stücks und dem Gesang. Der
Einfluss der Arrangier-Tradition des Jazz sei in der Instrumentation der
Bläsergruppe, der Gegenüberstellung von Bläser-Riffs und der harmonischen
Sprache zu hören. Das Fehlen eines Schlagzeugs stelle ein deutliches Abgehen
von den Jazz-Bands dar. Die rhythmische Polyphonie werde genau in derselben
Weise erzeugt wie in der damaligen populären Musik Kubas. – Die früheste
Aufnahme von Tanga sei die 1948 gemachte und im Album The Jazz
Scene von Norman Granz veröffentlichte. Damals seien drei Takes
aufgenommen worden, die 4:55, 5:11 und 6:55 Minuten dauern. – Nathan Brad
Miller wählte für seine Studie außerdem das 1952 von Machito aufgenommene
Stück Mambo Inn, das die Weiterführung des mit Tanga
begonnenen Stils veranschauliche. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario
Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 60-62,
65 und 67, Internet-Adresse:
https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
– Das Alt-Saxofon-Solo in Tanga wurde übrigens (entgegen mancher
Angaben im Internet) nicht von Charlie Parker, sondern vom US-amerikanischen
Saxofonisten Eugene Johnson gespielt (QUELLE: Nathan Brad Miller, S. 65).
-
Mark C. Gridley zum Thema „Latin-Jazz“: Es gebe eine afro-kubanische
Tradition, Bläser-Soli als zusätzliche Ebene der Aktivität zu bieten, um den
Reiz zu erhöhen, nicht als primärer Fokus des Interesses wie im meisten
modernen Jazz. Bläser-Soli dienten in afro-kubanischer Musik oft als
Dekoration, indem sie eine koloristische Funktion erfüllten. Wenn man die
Bedeutung von Soli in der traditionellen afro-kubanischen Musik mit der im
Jazz vergleicht, so beachte man auch die Kürze der Soli in afro-kubanischer
Musik und die Praxis, in einem Stück nicht zahlreiche Soli zu bieten.
(QUELLE: Mark C. Gridley, Jazz Styles, 2012, S. 412)
-
Im März und April 1949 wurden in den vom selben Besitzer geführten
Jazz-Lokalen Royal Roost und Bob City Auftritte der
Machito-Band mit den „weißen“ Tenor-Saxofonisten Flip Phillips (einem aus
einer Band von Woody Herman hervorgegangenen Musiker der Swing-Ära, der vom
bedeutenden Platten- und Konzert-Produzenten Norman Granz häufig eingesetzte
wurde) und Brew Moore (einem Verehrer von Lester Young) sowie dem
afro-amerikanischen Trompeter Howard McGhee (der von Dizzy Gillespie
beeinflusst war und mit Charlie Parker spielte) veranstaltet, in
Radiosendungen übertragen und als Schallplatten-Aufnahmen veröffentlicht
(enthalten im Album Ritmo Caliente von Machito and His
Afro-Cubans). Flip Phillips wurde bereits zuvor an den Aufnahmen des Stücks
Tanga im Dezember 1948 und des Stücks No Noise im Jänner 1949
beteiligt. Geoffrey Jacques schrieb über Phillips Solo in No Noise:
Philips klinge eingeklemmt von den Rhythmen des Machito-Orchesters. Seine
Versuche, die Rhythmen zu bewältigen, klängen gezwungen und schwerfällig.
(QUELLE: Geoffrey Jacques, CuBop!, in: Lisa Brock/Digna Castañeda
Fuertes [Hrsg.], Between Race and Empire, 1998, S. 258) Geoffrey
Jacques ist ein Kulturkritiker, Journalist und Essayist, offenbar kein
Musiker, doch lässt sich sein Eindruck gut nachvollziehen und auf andere
Aufnahmen mit Phillip (Tanga, Bacuba) übertragen. Brew
Moores und Howard McGhees Soli (in Vacilando, Howard’s Blues,
Cubop City, Idianola, How High the Moon) klingen
gewiss flüssiger, aber „vermählen” sich wohl ebenfalls nicht überzeugend mit
den kubanischen Rhythmen und entfalten sich auch nicht recht in der Art des
Jazz. In Idianola und How High the Moon kommt noch dazu,
dass gleichzeitig mit den kubanischen Rhythmen ein Walking-Bass gespielt
wird und die Diskrepanz zwischen Jazz- und kubanischer Rhythmik noch
gesteigert erscheint, wobei hier mehr die Kubaner deplatziert wirken.
-
zum Beispiel der Gruppe Los Muñequitos de Matanzas
-
eine auf so genannten Batá-Trommeln gespielte, religiöse Musik
-
Als „Latin-Jazz“ wird einerseits von kubanischem und puerto-ricanischem
Einfluss dominierte Tanzmusik bis hin zur so genannten Salsa-Musik
bezeichnet und andererseits auch zum Beispiel die gefälligen, von
europäischer Ästhetik geprägten Klavier-Improvisationen mit karibisch
gefärbter Begleitung des in England aufgewachsenen, in den 1950er Jahren bei
einem großen Publikum beliebten Pianisten George Shearing sowie die
eingängige Musik mit Karibik-Flair des Vibraphonisten Cal Tjader, der in den
1960er Jahren mit einer sehr gedämpften Version des von Chano Pozo und Dizzy
Gillespie komponierten Stücks Guachi Guaro (bei Tjader zwecks
besserer Verkäuflichkeit Soul Sauce genannt) in kommerzieller
Hinsicht sehr erfolgreich war. Noch diffuser wurden die Konturen des
Latin-Jazz-Begriffs, als in den 1960er Jahren mit der Bossa-Nova-Welle auch
die Verbindungen von brasilianischer Musik mit Jazz dazugezählt wurden,
zumal sich die Bossa-Nova-Musik erheblich von karibischer unterscheidet. –
John Storm Roberts: „Es mag zum Teil an rassischen Motiven in der
Jazzpolitik liegen oder zum Teil auch daran, dass [Stan] Kenton [ein
‚weißer‘ Orchesterleiter] große kommerzielle Erfolge erzielte – was
Jazzkritiker immer ärgert –, oder vielleicht auch an seinem enormen
Selbstbewusstsein, das paradoxe Reaktionen ausgelöst haben könnte –
jedenfalls ist Kentons Beitrag zur Cubop-Ära niemals in angemessener Weise
gewürdigt worden (außer von ihm selbst).“ (QUELLE: John Storm Roberts,
Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus Wolbert [Hrsg.]: That’s
Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 233) – Kenton war in
Jazz-Kreisen jedoch in Wahrheit aus anderen Gründen umstritten: vor allem
wegen seiner aufgeblasenen, pompösen Orchesterklänge und seiner
Geringschätzung für swingende Jazz-Rhythmik (QUELLE: Martin Kunzler,
Jazz-Lexikon, 2002, Band 1, S. 665) sowie wegen seiner Versuche einer
„Aufwertung“ des Jazz durch Anleihen bei der neueren sinfonischen
Konzertmusik und der Behauptung, damit eine bessere, fortschrittlichere und
kunstvollere Art von Jazz zu produzieren. Ekkehard Jost: Kentons Versuche
einer Aufwertung seien – so wie Paul Whitemans „Symphonic Jazz“ in den
1920er Jahren – „ästhetisch zum Scheitern verurteilt“ gewesen, denn Kenton
habe übersehen, dass er den Jazz damit seiner Substanz beraubte. Wie
Whitemans „Symphonic Jazz“ sei Kentons Verbindung von europäischer Sinfonik
mit Jazz schließlich „weder Jazz noch Sinfonik“ geworden, sondern ein
„kurioses Denkmal euroamerikanischer Kulturrezeption“. (QUELLE: Ekkehard
Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 160) – Diese Kritik an
Kentons Werk ist wohl auch hinsichtlich seiner Latin-Experimente der 1940er
und 1950er Jahre gerechtfertigt, wie zum Beispiel Kentons 1947 aufgenommene
instrumentale Version des kubanischen Lieds El Manisero (The
Peanut Vendor), mit der er großen kommerziellen Erfolg hatte, zeigt:
Die Melodie des kubanischen Lieds, die Rhythmen der kubanischen
Perkussionisten (Machito und Mitglieder seiner Gruppe) sowie das
Klavier-Solo in kubanischer Art sind durchaus ansprechend, auch wenn das
bloß instrumentale Wiedergeben der Liedmelodie nicht einen ausdrucksvollen
Gesang ersetzen kann. Was Kentons Orchester den kubanischen Elementen
hinzufügt, besteht jedoch lediglich aus zunehmend gewaltigen Bläser-Klängen,
die nichts vom Charme des Lieds übrig lassen und mit Jazz nicht mehr zu tun
haben, als dass die Art solcher Klänge aus dem Bigband-Jazz stammt. Die pure
Vergröberung des kubanischen Lieds dürfte wohl nur jenen (gewiss
zahlreichen) Hörern modern, progressiv und anspruchsvoll erschienen sein,
die keinen wirklichen Zugang zum Jazz hatten. Auch mag eine Rolle gespielt
haben, dass mächtige, oft pathetische Orchesterklänge in europäischer
Sinfonik eindrucksvolle Höhepunkte darstellen und bei entsprechend
gebildeten Hörern daher mit Kunstanspruch assoziiert werden. Kenton weckte
beim Publikum nicht zuletzt durch eine übertrieben häufige Verwendung des
Begriffs „Artistry“ und durch Ausdrücke wie „Innovations“, „Progressive“ und
„New Concepts“ in Werktiteln die Vorstellung von Kunst im Sinne europäischer
„Hoch“-Kultur. Der in John Storm Roberts Zitat verwendete Ausdruck „Cubop“
meint übrigens eine Verbindung von kubanischer Musik mit „Bebop“, also der
Musik afro-amerikanischer Jazzmusiker wie Charlie Parker und Dizzy
Gillespie, die in den 1940er Jahren neue Spielweisen entwickelten und unter
anderem mit afro-kubanischen Elementen experimentierten. Stan Kenton zählte
nicht zu ihnen.
-
QUELLEN: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie,
1999, S. 113; Thomas Owens, Bebop, 1995, S. 13
-
QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie,
1999, S. 113
-
Dizzy Gillespie: Die Melodie habe ein sehr lateinamerikanisches, sogar
orientalisches Feeling. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not
to Bop, 2009/1979, S. 171)
-
QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 168
-
QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 290
-
QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 289f.
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Ned Sublette: In den 12 Jahrhunderten der Versklavung von Afrikanern durch
Muslime seien fast so viele Sklaven verschleppt worden wie nach Amerika.
(QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 24)
-
QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 13 und 24
-
Versklavte junge Männer wurden häufig kastriert und als Arbeitstiere und
Diener eingesetzt, junge Frauen in Harems als Sex-Spielzeug missbraucht.
(QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 24)
-
Ekkehard Jost zitierte die afro-amerikanische Schriftstellerin Lorraine
Hansberry (1930-1965): „Alles Abstoßende und Schmerzliche wurde mit Afrika
assoziiert. Das kam von der Schule, den Kinos und unseren eigenen Leuten,
die das hinnahmen. … Die meisten Kinder nahmen das in sich auf und schämten
sich zutiefst ihrer afrikanischen Vergangenheit. …“ (QUELLE: Ekkehard Jost,
Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 236, Quellenangabe: Volkhard
Brandes, Black Brother. Die Bedeutung Afrikas für den Freiheitskampf des
schwarzen Amerika, 1971, S. 187)
-
QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 237
-
Zum Beispiel wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in New Orleans
auf dem Congo Square und danach in geheimen Voodoo-Kulten
afrikanische Musiktraditionen aufrechterhalten und in der Küstenregion der
Südstaaten South Carolina und Georgia blieben Reste west-afrikanischer
Kultur (unter anderem in der „Gullah“ und „Geechee“ genannten Sprache, in
Liedern und in den Ring Shout genannten religiösen Ritualen mit
christlichem Rahmen) bis heute erhalten. Ekkehard Jost erwähnte, dass
bereits im 19. Jahrhundert in den Nordstaaten manche kirchlichen und
sozialen Organisationen in ihrer Bezeichnung anstelle des Ausdrucks „Negro“
den Ausdruck „African“ verwendeten (QUELLE: Ekkehard Jost,
Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 235). W. E. B. Du Bois nahm bereits
im Jahr 1900 an der ersten Pan-Afrikanischen Konferenz teil und
später übten auch die pan-afrikanischen und afrozentristischen Ideen des
1916 aus Jamaika eingewanderten Führers Marcus Garvey einen erheblichen
Einfluss aus. In den 1920er Jahren bemühte sich die Harlem Renaissance,
eine Bewegung afro-amerikanischer Schriftsteller und Künstler, um eine
Korrektur des Afrika-Bildes (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des
Jazz, 2003, S. 235).
-
Ellington gab seinen Stücken unter anderem Titel wie Jungle Jamboree,
Jungle Blues, Jungle Nights in Harlem und Echoes of the
Jungle. Man sprach damals auch von einer „African craze“
(Afrika-Verrücktheit). (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz,
2003, S. 75f.)
- Näheres im Artikel New Growth:
Link
-
von 1927 bis 1931 im Cotton Club in Harlem (QUELLE: Ekkehard Jost,
Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 75f.); der Name „Cotton Club“
(„Baumwoll-Klub“) spielte auf die rassistische Idylle von „primitiven
Negern“ auf den Baumwoll-Plantagen der Südstaaten in früheren Zeiten an
-
Ekkehard Jost gab einen Bericht des Jazz-Historikers Marshall Stearns über
eine Szene einer solchen Revue wieder, in der ein hellhäutiger
Afro-Amerikaner als notgelandeter Pilot im Dschungel auf eine von
„Schwarzen“ unterwürfig angebetete „weiße Göttin“ mit langen blonden Locken
stieß, sie befreite und mit ihr einen erotischen Tanz vollführte. (QUELLE:
Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 76,
Quellenangabe: Marshall Stearns, The Story of Jazz, 1956, S. 133) –
lngrid Kummels: Ab den 1920er Jahren wurden Afro-Amerikaner auf der Bühne
und im Film „zwar weiterhin als archaisch und primitiv porträtiert, sie
wurden jedoch auch exotisiert und idealisiert und ihre ‚schwarze Kultur‘
wurde dabei erstmals als ein wesentlicher Bestandteil der universellen
Moderne konzipiert.“ (QUELLE: lngrid Kummels, Race on Stage:
Inszenierungen von Differenz in Musik und Tanz in Paris, Havanna und New
York zwischen den beiden Weltkriegen, 2011, Zeitschrift für Ethnologie
136, S. 240, Internet-Adresse:
http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/kummels/publikationen/Ingrid_Kummels_Race_on_Stage.pdf)
-
QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 308 und 317f.
-
QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 447f., 468 ,484
und 530
-
Ned Sublette: Pozo sei mit Gillespies Band zum ersten Mal bei einem Konzert
in der Carnegie Hall am 29. September 1947 aufgetreten, bei dem sie zum
ersten Mal das Stück Cubana Be, Cubana Bop aufführten. (QUELLE: Ned
Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 537) – Aufnahmen von diesem
Konzert wurden im Album Charlie Parker & Dizzy Gillespie: Diz ’n Bird at
Carnegie Hall veröffentlicht, in dem das Stück Cubano
Be, Cubano Bop genannt wurde. Die Studio-Aufnahme des
Stückes vom 22. Dezember 1947 erschien unter dem Titel Cubana
Be, Cubana Bop. Die Live-Version des Stückes vom
28. Februar 1948 aus dem Salle Pleyel, Paris, erhielt den Titel
Afro-Cuban Suite. In Gillespies Autobiographie wird das Stück Cubana
Be, Cubana Bop genannt.
-
George Russell: Gillespie habe ein Thema für ein Stück mit Pozo gehabt und
ihn ersucht, eine Suite darum herum zu bauen. Es sei ein hübsches Thema
gewesen und so habe er nicht lange gebraucht, um eine Idee zu haben, was man
damit anfangen kann. Die gesamte Einleitung sei modal gewesen. Er habe sie
nicht auf einem Akkord aufgebaut, sondern auf einer Tonleiter, die den Sound
eines bestimmten Akkords ergibt. Das ganze Stück, die Harmonie, alles ergebe
sich aus dieser Tonleiter oder Umgebung für diesen Akkord. (QUELLE: Alyn
Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 200)
– Im Jahr 1953 erschien Russells musiktheoretisches Werk Lydian
Chromatic Concept of Tonal Organization, das Miles Davis, John Coltrane
und andere beeinflusste und zur Entstehung so genannter „modaler“ Stücke wie
Davis‘ So What (1959) und „modaler“ Spielweisen beitrug.
-
Chip Boaz (Bassist, Master in Musikethnologie): Russells Arrangement sei
einigermaßen abgelöst von der rhythmischen Basis. Russel und Gillespie
hätten damals nur begrenzt kubanische Musik verstanden und die
Sprachbarriere zu Pozo, der nicht Englisch sprechen konnte, habe die Sache
noch komplizierter gemacht. Wahrscheinlich habe Russell das Material ohne
komplettes Clave-Konzept geschrieben und Pozo einfach ersucht, etwas
Passendes zu spielen. (QUELLE: Chip Boaz, Setting The Record Straight:
George Russell, Cubano Be, Cubano Bop, And The Origin of Latin Jazz,
30. Juli 2009, Boaz Internetseite, Internet-Adresse:
http://www.chipboaz.com/blog/2009/07/30/setting-the-record-straight-george-russell-cubano-be-cubano-bop-and-the-origin-of-latin-jazz/)
-
George Russell: Nach der Uraufführung des Stücks in der Carnegie Hall sei
eine Aufführung in der Boston Symphony Hall vorgesehen gewesen. In der
Busfahrt dorthin habe Pozo mit diesem schwarzen, magischen, afrikanischen
Singen begonnen, mit dieser starken, mysteriösen Volksmusik, und er
(Russell) habe Gillespie daraufhin vorgeschlagen, den gesamten Mittelteil
des Stückes zu öffnen, um Pozo mit dieser Sache in den Vordergrund zu
bringen. Das hätten sie dann in der Boston Symphony Hall ausprobiert. Die
„schwarzen“ Leute im Publikum seien allerdings verlegen gewesen und hätten
gelacht, als Pozo in seinem Eingeborenen-Kostüm auf die Bühne kam und
begann. Die „schwarze Rasse“ sei eben in Amerika völlig von ihrer
ursprünglichen Kultur abgetrennt worden und es sei ihr gelehrt worden, dass
sie sich für sie zu schämen habe. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High.
The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 200) – Selbst wenn diese
Begründung zu bezweifeln sein sollte, so macht sie jedenfalls deutlich,
welche Bedeutung Pozos Auftritten in Bezug auf afro-amerikanische Identität
verliehen wurde.
-
QUELLE: Bericht von Dan Morgenstern über ein Konzert im Apollo Theater,
wiedergegeben in: Geoffrey Jacques, CuBop!, in: Lisa Brock/Digna
Castañeda Fuertes [Hrsg.], Between Race and Empire, 1998, S. 257,
Quellenangabe: Morgensterns Begleittext zum Album The Dizzy Gillespie
Orchestra at the Salle Pleyel, Paris, France, Prestige 7818
-
lngrid Kummels: Pozo habe 1941 in Havanna als Tänzer in dem im selben Jahr
eröffneten, berühmt gewordenen Revuetheater Tropicana, das auf die
Unterhaltung von US-amerikanischen Touristen und einer Oberschicht Havannas
ausgerichtet war, einen afrikanischen Jäger im Dschungel verkörpert. Der
Panther, den er jagte, wurde von einer russischen Balletttänzerin
dargestellt. Als Pozo in Gillespies Band spielte, habe er die
„primitivistische Figur“ des afrikanischen Jägers weiterentwickelt. (QUELLE:
lngrid Kummels, Race on Stage: Inszenierungen von Differenz in Musik und
Tanz in Paris, Havanna und New York zwischen den beiden Weltkriegen,
Zeitschrift für Ethnologie 136, 2011, S. 256f., Internet-Adresse:
http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/kummels/publikationen/Ingrid_Kummels_Race_on_Stage.pdf,
Quellenangabe: Rosa Lowinger/Ofelia Fox, Tropicana Nights, 2005,
S. 90f.)
-
Chip Boaz: Das Stück Cubano Be, Cubano Bop habe der Jazz-Community
signalisiert, dass afro-kubanische Rhythmen mehr Potential haben als
einfache Tanz-Arrangements, dass sie ein Potential für hohe Kunst
enthielten. Außerdem wurde damit Musik aus afro-kubanischen Armenvierteln in
angesehene Konzerthallen gebracht. Diese beiden Elemente würden wesentlich
mehr von der Bedeutung des Stücks ausmachen als sein musikalischer Inhalt.
(QUELLE: Chip Boaz, Setting The Record Straight: George Russell, Cubano
Be, Cubano Bop, And The Origin of Latin Jazz, 30. Juli 2009, Boaz
Internetseite, Internet-Adresse:
http://www.chipboaz.com/blog/2009/07/30/setting-the-record-straight-george-russell-cubano-be-cubano-bop-and-the-origin-of-latin-jazz/)
-
Chano Pozo y su Ritmo de Tambores; 4 Stücke: Ya no se puede rumbear,
Abasí, Tambombararana, Placetas (alle 1947);
wiederveröffentlicht im Album Chano Pozo: Tambor de Cuba
-
Die Instrumenten-Besetzung entspricht nicht der einer kompletten
Rumba-Gruppe und der Part der Quinto-Trommel wurde auf Bongo-Trommeln
gespielt. Außerdem ist das Tempo der Stücke deutlich höher als das
vergleichbarer Guaguancó-Aufnahmen aus der Mitte der 1950er Jahre, was nach
David Peñalosa auf einen Einfluss der Varieté-Stil-Rumbas zurückzuführen
sein könnte, die Pozo in Nachtklubs wie dem Tropicana aufführte. (QUELLE:
David Peñalosa, Rumba Quinto, 2010, S. XVII-XVIII)
-
Robert Palmer: Pozo habe sich taktlos, aber zutreffend über das Niveau des
musikalischen Könnens in Gillespies Orchester geäußert, wie man selbst hören
könne, wenn man Gillespies Aufnahmen mit denen vergleicht, die Pozo für den
Latin-Markt machte. – Bauzá habe gesagt: Gillespies Musiker hätten zunächst
nicht mit Pozo spielen können, da die Rhythmen für sie zu kompliziert waren.
Sie wären verloren gewesen und daher habe Pozo sie unterrichtet. Von da an
verwendeten sie in ihrem Spiel, was er ihnen gelehrt hatte, und
unterrichteten andere. – George Russell habe erzählt: Pozo habe ihnen
gezeigt, wie Patterns, die an sich einfach sind, zu einer komplexen,
verzahnten Struktur kombiniert werden können. (QUELLE: Robert Palmer,
The Cuban Connection, Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8,
November 1988, S. 29, Internet-Adresse:
https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false)
– Gillespie berichtete ebenfalls von Pozos Unterricht auf Busfahrten.
(QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 319)
-
Gillespie: Er habe sich gefragt, wie er Pozo den anderen Beat erklären kann,
den sie gehabt haben. Pozo habe keine Noten lesen können. Aber sie hätten
ein Stück gehabt, das er genau verstand, Good Bait. Schließlich sei
er (Gillespie) immer dann, wenn Pozos Beat nicht stimmte, zu ihm gegangen
und habe ihm Good Bait ins Ohr geflüstert, worauf er den Beat
sofort korrigiert habe. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not
to Bop, 2009/1979, S. 319)
-
Alyn Shipton: Nicht alle Mitglieder der Gillespie-Band seien von Pozos
Beitrag überzeugt gewesen. So habe der Bassist Ray Brown erzählt: Er sei
bald nach Pozos Eintritt in die Band ausgestiegen. Tatsache sei, dass eines
der Dinge, an die er sich nie richtig gewöhnte, die Mitwirkung eines
Conga-Spielers gewesen sei, obwohl Gillespie einen der besten gehabt habe.
Pozos Spiel in Manteca oder einem anderen Latin-Stück habe er
großartig gefunden, aber nicht sein Spiel zu ihren Arrangements. Es habe
nicht in allen Stücken wirklich gut gepasst. Wenn er all diese Sachen
machte, während sie versuchten dahinzuswingen, dann habe es sie zu bremsen
geschienen. Aber vermutlich habe er sich bloß nicht daran gewöhnt. (QUELLE:
Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999,
S. 201)
-
Ned Sublette: Pozo habe kein Englisch gesprochen und Gillespie kein
Spanisch. Sie hätten auch unterschiedliche musikalische Sprachen gesprochen
und Gillespie, der nicht Spanisch lernen wollte, sei immerhin begierig
gewesen, zumindest rhythmisch zweisprachig zu werden. Das meiste von
Gillespies Repertoire sei in Swing-Time gewesen mit ihren ungleichen
Achtelnoten und Vierviertel-Walking-Bass-Linien, die durch komplizierte
Akkordfolgen liefen. Pozo habe hingegen kubanische Time gehabt mit ihren
geraden Achteln, ihrer Betonung auf der Vier jeden Takts, ihren
Bass-Ostinati, die an einer einzigen Tonalität hingen, und der Verwendung
spannender Stille in Pausen. Es sei für einen Conga-Spieler unnatürlich
gewesen, in Swing-Time zu spielen, doch habe Pozo eine Tasche dafür machen
können. Während seiner Jahre bei einem Radio-Netzwerk (RHC-Cadena Azul) habe
er Flexibilität entwickelt, da er sich einem ständigen Strom von
Gastmusikern aus verschiedenen Ländern anpassen musste, die durch die
Studios gingen. Er habe in Kuba in Jazz-Bands gespielt und bereits
herausgefunden, wie die beiden Feelings (das afro-amerikanische und das
afro-kubanische) sich eher vermischten als einander zu widersprechen. Die
Aufnahmen von Pozo mit Gillespies Gruppe seien ein faszinierendes, wenn auch
nicht immer konsistentes Tauziehen des Timekeeping. Soweit man Pozo in den
Aufnahmen hören kann, habe er nicht auf eine einzige Formel gesetzt, sondern
sich in den verschiedenen Stücken unterschiedlich mit der Jazz-Time des
Schlagzeugers verbunden. Oft habe er ein Gerades-Achtel-Feeling gespielt,
jedoch an der Stelle mancher unbetonten Beats, die ein Conga-Spieler
normalerweise ausfüllt, Raum gelassen. So sei er dem Schlagzeuger (Kenny
Clarke), der Swing-Time spielte, nicht auf die Füße getreten. Man könne
heute einiges von diesem zusammengesetzten Feeling erkennen, da dieser Sound
einem mittlerweile vertraut geworden sei. Damals sei er hingegen
ungewöhnlich gewesen. (QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music,
2004, S. 537f.)
-
QUELLEN: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 321; Mark Lomanno, Cab Calloway (featuring Dizzy Gillespie): Pickin'
the Cabbage, Internetseite jazz.com, Internet-Adresse:
http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage
-
QUELLE: Thomas Owens, Bebop, 1995, S. 20f. – bezogen auf die
Studio-Aufnahme des Stücks vom 30. Dezember 1947
-
QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979,
S. 348f.
-
Spitzname von Charlie Parker
-
Dizzy Gillespie
-
QUELLE: von Ethan Iverson geführtes Interview mit Henry Threadgill, 16. Mai
2011, Iversons Internetseite Do the Math,Internet-Adresse:
http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-1-.html,
eigene Übersetzung – Threadgill spielte als Sideman bei Bauzá, den er als
Meister-Komponisten und –Arrangeur betrachtete. (QUELLE: Henry Threadgill im
Interview Ride It, Or Go Under. Henry Threadgill and Jason Moran with
George Grella and Raymond Foye, 18. Dezember 2014, Internet-Adresse:
http://www.brooklynrail.org/2014/12/criticspage/ride-it-or-go-under-henry-threadgill-and-jason-moran-with-george-grella-and-raymond-foye).
Taylor Ho Bynum, der mit Threadgill zusammenarbeitete: Als er erfuhr, dass
Threadgill ein alter Freund und Mitarbeiter von Bauzá war, sei das eine
Enthüllung gewesen, die viele Dinge klar gemacht habe. (QUELLE: Taylor Ho
Bynum, A To Zooid, 7. Februar 2009, Internet-Adresse:
http://taylorhobynum.com/a-to-zooid/) – Steve Coleman: Er habe gelesen,
wie Bauzá in einem Interview anmerkte, dass Parkers rhythmische
Improvisationen ganz natürlich zu den Rhythmen passten, die die kubanischen
Musiker damals spielten, und dass Bird einer der ganz wenigen Musiker
Amerikas gewesen sei, deren Rhythmen zu ihren passten. (QUELLE: Steve
Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009,
Internet-Adresse:
http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/)
-
Steve Coleman: Machito habe gesagt, dass Parker mit seinem Orchester aus
kubanischen Musikern schon lang zu tun hatte, bevor Norman Granz vorschlug,
die Aufnahmen von 1948 zu machen. Auch hätten Machito und Bauzá Parkers
Musik schon gekannt, bevor sie ihn trafen, und Parker habe ihre Musik
gekannt. (QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie
Parker, 2009, Internet-Adresse:
http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/)
-
Am 20. Dezember 1948 wurden die Stücke No Noise, Part 2 und
Mango Mangue aufgenommen und im Jänner 1949 Okiedoke.
-
John Storm Roberts: Parkers erste Aufnahmen mit Machito seien wahrscheinlich
die besten. Der Jazz-Historiker Marshall Stearns habe Mango Mangue
als „gelungensten Latin-Jazz“ bezeichnet. (QUELLE: John Storm Roberts,
The Latin Tinge, 1999/1979, S. 117) – Steve Coleman: Er habe immer
schon diese Aufnahme von Parkers Spiel mit dem Machito-Orchester über Mario
Bauzás Mango Mangue genanntes Arrangement gemocht. Er habe sie
bereits gehört, als er noch in Chicago lebte. Parker sei darin mörderisch.
Er (Coleman) habe durch dieses Stück zum ersten Mal gehört, wie die
afro-kubanische und die afro-amerikanische Tradition durch gemeinsame
Wurzeln zusammenkamen. Diese Musik habe einen großen Eindruck auf ihn
gemacht, aber es sollte 20 Jahre dauern, bis diese ursprüngliche Inspiration
manifest wurde – in einer ganz anderen Form als der Musik von
Parker/Bauzá/Machito: in seiner Zusammenarbeit mit afro-kubanischen
Musikern, die in seinem Album The Sign and The Seal festgehalten
wurde. (QUELLE: Begleittext zu Steve Colemans Album The Sign and The
Seal, 1996) – Coleman wählte Mango Mangue auch als eines jener
Stücke, die er in seinem Artikel The Dozens: Steve Coleman on Charlie
Parker (2009, Internet-Adresse:
http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, eigene
Übersetzung:
Link) besprach.
-
ab 2:11 Minuten/Sekunden des Stückes
-
QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker,
2009, Internet-Adresse:
http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/,
entsprechende Stellen in eigener Übersetzung:
Link,
Link,
Link,
Link,
Link,
Link
-
Christopher Washburne (Posaunist und Musikprofessor an der Columbia
Universität, New York): Max Roach habe es im Jahr 1984 Machitos
Perkussionisten zugeschrieben, seinen Zugang zum Schlagzeugspiel verändert
zu haben. Durch das Nachahmen der ineinander verzahnten Parts von
Conga-Trommeln, Timbales und Bongo-Trommeln habe er die Unabhängigkeit der
vier Gliedmaßen erreicht und damit eine Technik hervorgebracht, die das
Schlagzeugspiel revolutionierte. (QUELLE: Christopher Washburne, The
Clave of Jazz. A Caribbean Contribution to the Rhythmic Foundation of an
African-American Music, Zeitschrift Black Music Research Journal,
Jahrgang 17, Nr. 1, Frühjahr 1997, S. 78, Internet-Adresse:
http://www.jstor.org/stable/779360, Quellenangabe: Max Roach am
12. November 1984 in einer Master-Class an der University of
Wisconsin-Madison)
-
QUELLE: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 109
-
Blakey dürfte sich von Ende 1946 bis Ende 1947 in Afrika aufgehalten haben,
und zwar außer einer Reise nach Nigeria größtenteils in Accra, Ghana.
(QUELLE: Ingrid Monson, The African Diaspora, 2003, S. 337 und 349,
Fußnote 9)
-
vor allem: Orgy in Rhythm (1957; 3 Schlagzeuger, 5
Latin-Perkussionisten, Flöte, Klavier, Bass), Holiday for Skins
(1958; 3 Schlagzeuger, 7 Latin-Perkussionisten, Trompete, Klavier, Bass) und
The African Beat (1962; 1 Schlagzeug, 7 Perkussionisten [2 Nigerianer,
1 Jamaikaner, 4 US-Amerikaner], Yusef Lateef [Oboe, Saxofon, Flöte], Bass)
-
QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989,
S. 456
-
QUELLEN: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 110; Ingrid
Monson, The African Diaspora, 2003, S. 337
-
QUELLE: Arthur Taylor, Notes And Tones, 1993, S. 242 – Art Blakey
behauptete öfters, er habe sich in den 1940er Jahren in West-Afrika
keineswegs mit Trommelrhythmen, sondern lediglich mit religiösen Dingen
beschäftigt. Das ist jedoch offensichtlich nicht richtig. (QUELLE: Jason
John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef
Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 150-155,
Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/) – Wynton Marsalis, der Anfang der
1980er Jahre zu Art Blakeys Band gehörte und für ihn als Lehrer offenbar
Hochachtung empfand, schrieb unter anderem über ihn: „Er gab die tiefsten
Wahrheiten und die originellsten Lügen von sich, und zwar im selben Satz.
[...] Er studierte afrikanische Perkussion in Ghana [...]. Auf spezielle Art
war er sehr gläubig, wenn das auch angesichts seiner vielen
Frauengeschichten, seiner Gewohnheit, nur dann die Wahrheit zu sagen, wenn
es ihm passte, und seiner Heroinsucht seltsam klingen mag.” (QUELLE: Wynton
Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 140)
-
QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art
Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 152,
Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/, Quellenangabe: Leslie Gourse,
Art Blakey, 2002, S. 40
-
QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art
Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 150-155
und 295, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/
-
für Randy Weston nach dessen eigener Aussage (QUELLE: Jason John Squinobal,
West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy
Weston, 2009, Dissertation, S. 154, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/); die zitierte Aussage Wayne
Shorters deutet auf einen breiteren Einfluss hin
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Guy Warren, der sich ab 1974 Kofi Ghanaba nannte (Kelly, S. 40), im Juni
1962: Art Blakey langweile ihn zu Tode. Er beeindrucke einen für die ersten
zwei Sekunden und das sei es dann gewesen, denn er könne nicht weitergehen.
– Warren fand auch sonst nichts am Jazz authentisch, nicht einmal
interessant. Auch die führenden Handtrommler New Yorks beeindruckten ihn
nicht, mit Ausnahme von Chief Bey, der nach seiner Meinung afrikanische
Rhythmik verstand und den er dann für sein zweites Album, The Guy Warren
Soundz: Themes for African Drums (1958), beizog. (QUELLE: Robin D. G.
Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 17 und 27f.)
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 17 und 22
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 18 bis 21 – Die Highlife genannte, in West-Afrika verbreitete
Musikart entstand in Ghana durch eine Verschmelzung westlicher Musik (unter
anderem des Schlagzeugspiels aus dem Jazz) mit einheimischen Traditionen.
Warren ahmte ursprünglich vor allem „weiße“ Schlagzeuger des Swing-Stils
nach, insbesondere Buddy Rich (Kelly, S. 18f.).
-
1.) Afrika Speaks, America Answers (1956; traditionelle
afrikanische Elemente und Highlife-Musik werden mit Elementen aus Jazz und
Klassik vermischt; die Band wurde von einem „weißen“ Swing- und
Blues-Schlagzeuger zusammengestellt, der auch den Vertrag mit der
Plattenfirma vermittelte [Kelly, S. 23]) – 2.) The Guy Warren Soundz:
Themes for African Drums (1958; mit Chief Bey, zwei weiteren
amerikanischen Trommlern und einem Posaunisten aus Duke Ellingtons
Orchester, in einem Stück mit Bass und Vibraphon; das Album war insofern
ganz anders als das erste, als es nicht eine Fusion mit
europäisch/amerikanischer Musik anstrebte, sondern mit traditioneller
afrikanischer Musik experimentierte und Trommelspiel sowie Stimme in den
Vordergrund stellte [Kelly, S. 28f.]) – 3.) African Rhythms: The
Exciting Soundz of Guy Warren and His Talking Drum (1959; mit Richard
Davis am Bass und Vibraphon/Marimba, alle anderen Instrumente spielte Warren
selbst). – Weitere Alben nahm Warren in Großbritannien auf: 4.) Emergent
Drums: The Voice of Africa Speaks Through the Soundz of Guy Warren of Ghana
(1963; alle Instrumente von Warren selbst gespielt; weitgehend ohne
Jazz-Einflüsse [Kelly, S. 37 und 40]) – In folgenden Alben erforschte er
traditionelle Musik aus vielen Teilen Afrikas und arbeitete mit britischen
Jazz-Musikern zusammen: 5.) Native Africa Vol. 1 und 2 (1969) – 6.)
Afro-Jazz (1969; mit britischen Jazz-Musikern, die zu
avantgardistischem Jazz neigten) – 7.) The African Soundz of Guy Warren
of Ghana (1972)
-
Robin D. G. Kelly: Warren habe sich wie ein afro-amerikanischer Hipster
gekleidet, keinen afrikanisch klingenden Namen gehabt und im Übrigen eine
kompromisslose, egozentrische Art. Vor allem aber habe er musikalisch keine
ausschließlich afrikanische Tradition präsentiert, sondern eine hybride,
experimentelle Mischung, die eine Synthese mit westlichen Elementen
anstrebte. So habe er etwa versucht, eine Talking-Drum wie ein
Blasinstrument zu spielen und das Schlagzeug wie eine Zusammensetzung
verschiedener afrikanischer Trommeln. Im Stück The Third Phase
(drittes Album, African Rhythms: The Exciting Soundz of Guy Warren and
His Talking Drum, 1959) habe er sogar das Thema von Beethovens
5. Symphonie verwendet, wiedergegeben auf Trommeln. Seine Musik habe nicht
den Klischees von exotischen, ekstatischen afrikanischen Rhythmen und Tänzen
entsprochen, die eine Vorstellung von Dschungel, primitiver Wildheit und
alten, heidnischen Ritualen wachrief. Die Hülle seines zweiten Albums,
The Guy Warren Soundz: Themes for African Drums (1958), versah die
Plattenfirma mit einem Foto, das einen dunkelhäutigen Schauspieler mit
nacktem Oberkörper und weit aufgerissenem Mund vor einem flammenden
Hintergrund und umgeben von Steppengras beim Trommeln auf handgemachten
Trommeln zeigt. Offensichtlich sollte dieses geschmacklose Bild die üblichen
Klischees wachrufen und bestärkte Warrens Verachtung für die amerikanischen
Verhältnisse. Auch afro-amerikanische Musiker schätzten eher die
traditionellen und religiösen Elemente in Warrens Musik als seine hybriden
Experimente. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers,
2012, S. 38, 36, 31f., 25)
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 37 – Kelly stellte den Wandel Warrens unter anderem durch eine
Gegenüberstellung zweier Filme dar, in denen Warren mitspielte: Im Film
The Boy Kumasenu aus dem Jahr 1951, in dem ein Bursche aus einem
ruhigen, traditionellen Fischerdorf Ghanas in die aufregende Großstadt Accra
zieht, spielte Warren einen Lastwagenfahrer, der das moderne, urbane Leben
personifizierte (mit Sonnenbrille, Hut und Anzug) und unter anderem zur
westlich orientierten Highlife-Musik tanzte. Zu Beginn und am Ende des Films
Sankofa aus dem Jahr 1993 spielt Warren (nun unter dem Namen Ghanaba
[Sohn Ghanas]) eine Art Schlagzeug aus riesigen, geschnitzten afrikanischen
Trommeln sowie mit zwei Fußpedalen und stellte einen Mahner dar, der
auffordert, in die Vergangenheit zur Verschleppung als Sklaven, zu den
Quellen, zurückzugehen. Als man ihm damals Bilder aus dem ersten Film
zeigte, sagte er: „Wer ist dieser verdammte Idiot?“ In Sankofa
könne man sehen, wie er sich verändert habe, von der an Amerika gebundenen
Gefangenschaft zu einem freien afrikanischen Leben. (QUELLE: Robin D. G.
Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 37)
-
Robin D. G. Kelly: Warren habe Olatunji, der mit seinem ersten Album,
Drums of Passion (1959), großen Erfolg hatte (es verkaufte sich 5
Millionen Mal), als „kompletten Betrüger“ bezeichnet. Warren habe guten
Grund gehabt, verärgert zu sein, denn Olatunji sei kein ausgebildeter
Trommler gewesen, sondern habe sich zunächst vor allem für Politik
interessiert und sei dann unter Jazz-Musikern zum bevorzugten, als
authentisch geltenden Trommler geworden, obwohl er stets ein schwacher
Vertreter west-afrikanischer Trommelkunst geblieben sei. (QUELLE: Robin D.
G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 32-34)
-
Prince Efrom Odok, der bereits in den 1920er Jahren in die USA kam und in
Harlem ein kleines Zentrum eröffnete, wo er afrikanische Musik und Tanz
lehrte (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers,
2012, S. 14)
-
Max Roach: Guy Warren habe ihm vermittelt, dass unter den amerikanischen
Schlagzeugern sein Stil dem afrikanischen Trommeln am nächsten gekommen sei.
(QUELLE: Max Roach, Ghanaba is Genius, ghanaische Tageszeitung
Daily Graphic, 30. August 1974, Internet-Adresse:
http://www.ghanansem.org/index.php?option=com_content&task=view&id=224&Itemid=276)
-
QUELLE: Max Roach, Ghanaba is Genius, ghanaische Tageszeitung
Daily Graphic, 30. August 1974, Internet-Adresse:
http://www.ghanansem.org/index.php?option=com_content&task=view&id=224&Itemid=276
-
Randy Weston: Soweit er sich zurückerinnern kann, habe ihm sein Vater
gelehrt, dass er ein in Amerika geborener Afrikaner ist. Das sei damals eine
sehr revolutionäre Identifikation gewesen. – Robin D. G. Kelly: Westons
Vater sei ein stolzer Nachfahre jamaikanischer Maroons gewesen, der in
Panama aufwuchs, wo seine Eltern am Panamakanal arbeiteten. Er sei ein
entschiedener Anhänger von Marcus Garvey gewesen, dessen Organisation die
größte „schwarze“ der Welt gewesen sei, als er (Westons Vater) in die USA
einwanderte. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers,
2012, S. 42) – Die als Panafrikanismus bezeichnete Bewegung beruht auf dem
Gedanken, dass alle von Afrikanern Abstammenden eine Einheit bilden, egal wo
auf der Erde sie leben. Daher würden die Nachfahren der als Sklaven in die
arabische und westliche Welt verschleppten Afrikaner in einer Diaspora
lebende Angehörige eines einheitlichen afrikanischen Volkes sein. Diese
Sichtweise diente der afro-amerikanischen Identitätsfindung sowie der
ideellen Unterstützung sowohl der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung als
auch der Unabhängigkeitsbestrebungen der sich aus den afrikanischen Kolonien
herausbildenden afrikanischen Staaten. Die bedeutendsten frühen Vertreter
des Panafrikanismus waren der US-Afro-Amerikaner W. E. B. Du Bois
(1868-1963) und der Jamaikaner Marcus Garvey (1887-1940).
-
Randy Weston: Duke Ellington und Thelonious Monk hätten einen starken
Einfluss auf ihn gehabt. Beide seien Komponisten gewesen, die mehr oder
weniger nur ihr eigenes Material spielten. Er habe diese Art von
Selbständigkeit bewundert und sie nachahmen wollen. Bereits in seiner
Frühzeit sei er zuerst als Komponist und in zweiter Linie als Pianist
betrachtet worden. – Er sei sehr stolz, dass er Monk so nahe war und die
unbeschreibliche Originalität in Monks Spiel erkennen konnte, bevor das
Jazz-Establishment schließlich dorthin gelangte. Monk sei ein
Meisterkomponist und ein Meisterpianist gewesen und habe das Mysterium
zurück in die Musik gebracht. Monk habe eine Art von Magie, eine wundervolle
Art gehabt, zu zeigen, dass man auf diese Weise wunderbar Musik spielen
kann. In Monks Spiel habe er etwas gehört, das wahrscheinlich kein Europäer
einfangen kann. Wenn man zusah, wie Monk Klavier spielte, dann sei das wie
ein ganzes Ballett gewesen. Monk habe nicht einfach nur Klavier gespielt.
Wenn man sah, wie Monk sich am Klavier bewegte, dann sei das pures Afrika
gewesen, eine Art spontaner Kreativität, die man in der gesamten
traditionellen afrikanischen Musik finde. Und der Humor, den man in Monks
Musik im Überfluss finden könne, sei ein sehr wichtiger Teil afrikanischer
Musik. (QUELLE: Randy Weston/Willard Jenkins, African Rhythm. The
Autobiography of Randy Weston, 2010, S. 58 und 61) – Robin D. G. Kelly:
Monks dissonante Harmonien und kantige Linien hätten in Westons Ohren einen
neuen Modernismus verkörpert. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks,
America Answers, 2012, S. 50) – Jason John Squinobal: Ellington habe
einen wichtigen Einfluss auf Weston ausgeübt, sowohl in musikalischer als
auch philosophischer Hinsicht. Weston habe Ellingtons kreative Verwendung
von Klangfarben im Klavier-Voicing und in der Orchestration der Band
nachgeahmt. Auch hätten Ellingtons Afrika-Bezüge Weston beeinflusst.
Ellington und Weston seien beide stark von den Ideen Marcus Garveys
beeinflusst worden. Ellington habe sogar angedeutet, dass eine große
Mehrheit der Musiker von Garvey beeinflusst war. In seiner Autobiographie
habe Ellington geschrieben, dass Bebop eine Art Erweiterung von Marcus
Garvey sei [Duke Ellington, Music Is My Mistress, 1973, S. 109].
Weston habe wie Ellington das Konzept des Panafrikanismus verstanden sowie,
dass viel vom afrikanischen Erbe der Afro-Amerikaner über die Karibik kam. –
In Monk habe Weston den Geist eines afrikanischen Meisters erkannt. Während
er Monks Stil absorbierte, habe er durch seine Beziehung zu Monk zugleich
einen schärferen Sinn für afrikanische Ästhetik entwickelt. Monk sei zu
einem Mentor Westons geworden. Obwohl Monk in seiner Musik nicht bewusst
afrikanisches Material verwendete, habe Weston gefühlt, dass Monk eine
unbewusste geistige Beziehung zu Afrika hatte. Monk habe einen großen
Einfluss auf die Entwicklung Westons als Person und als Musiker ausgeübt und
dieser Einfluss sei noch größer geworden, als Weston gegen Ende der 1950er
Jahre traditionelle afrikanische Musik und Kultur zu studieren begann.
(QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art
Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 5,
100f., 119, 123 und 125, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
-
In einem Fragebogen, den Weston im Jahr 1954 für den Jazz-Kritiker Leonard
Feather ausfüllte, gab er unter anderem an, es sei sein Ziel, eine Menge
neues Material in einer Vielfalt von Stimmungen zu spielen, absolut modern,
aber nicht zu weit vom Publikum entfernt. (QUELLE: Robin D. G. Kelly,
Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 50)
-
Im Jahr 1956 erklärte Weston in einem Interview: Was er machen wolle, sei,
Folkloremusik für den Jazz einzusetzen. Man könne Folklore-Rhythmen bewahren
und dagegen improvisieren. Man könne Calypso, Walzer, alles spielen.
(QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 52)
-
Randy Weston: Als er hörte, wie Chano Pozo im Jahr 1947 mit Dizzy Gillespies
Orchester spielte, habe ihn das in eine neue Richtung gebracht. Seither habe
er mit Handtrommlern gearbeitet. (QUELLE: Ted Panken, African Soul,
Zeitschrift DownBeat, 10. Jänner 1998, Internet-Adresse:
http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-1998.html)
– Jason John Squinobal: Weston habe im Jahr 2007 in einem von ihm
(Squinobal) geleiteten Interview gesagt, dass Blakeys Verwendung von
traditioneller west-afrikanischer Musik in den 1950er Jahren eine starke
Inspiration für die Verwendung traditioneller west-afrikanischer Musik in
seiner eigenen gewesen sei. Blakeys musikalische Ergebnisse seien in Westons
Augen viel wichtiger gewesen als das, was Blakey über die Beziehung zwischen
afrikanischer Musik und Jazz sagte. (QUELLE: Jason John Squinobal, West
African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston,
Dissertation, 2009, S. 154, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
-
In den vor Uhuru Afrika (1960) aufgenommenen Alben Westons sind
keine Handtrommler zu hören (ausgenommen das Album Destry Rides Again,
eine Bearbeitung eines Broadway-Musicals, die die Schallplattenfirma Weston
mit dem nicht eingehaltenen Versprechen abverlangte, dann Uhuru Afrika
aufzunehmen. Uhuru Afrika wurde dann von einer anderen, wesentlich
kleineren Firma aufgenommen. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks,
America Answers, 2012, S. 56f.).
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 48
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 49
-
Randy Weston: Als er sich in den Berkshire Mountains (Massachusetts)
aufhielt [in der ersten Hälfte der 1950er Jahre], habe er Zeit mit dem
afrikanischen Choreographen Osadali Duforum verbracht und der habe ihn dazu
angeregt, traditionelle afrikanische Musik zu sammeln. Das sei ein
natürlicher Prozess des Hörens gewesen, aber nicht notwendigerweise mit den
Ohren, sondern fast wie mit der Seele. Als er dann Uhuru Afrika
schrieb [ab 1958], sei das einfach aus einem magischen, übernatürlichen
Prozess heraus geschehen. (QUELLE: Willard Jenkins, Freeing His Roots.
The making of Randy Weston’s landmark opus "Uhuru Afrika", Zeitschrift
DownBeat, Februar 2005, Internet-Adresse:
http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-2005.html)
– Weston nutzte seine freundschaftlichen Verbindungen zu Mitarbeitern der
Vereinten Nationen (UNO), um mit Beamten aus verschiedenen afrikanischen
Nationen in Kontakt zu kommen. Er erzählte darüber: Er habe sie immer über
die Musik befragt und sie hätten ihm manchmal ein Tonband oder ein Buch
gegeben. So habe er langsam zu lernen begonnen. Das sei die Inspiration zu
Uhuru Afrika gewesen. (QUELLE: Ted Panken, African Soul,
Zeitschrift DownBeat, 10. Jänner 1998, Internet-Adresse:
http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-1998.html)
-
QUELLEN: Randy Weston in einem 1968 oder 1970 von Arthur Taylor geführten
Interview, in: Arthur Taylor, Notes and Tones, 1993/1977, S. 23;
Randy Weston/Willard Jenkins, African Rhythm. The Autobiography of Randy
Weston, 2010, S. 82f.
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zu diesem Begriff im Artikel Tanztrommeln:
Link
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zu diesem Begriff im Artikel Tanztrommeln:
Link
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Der einzige in Afrika aufgewachsene Mitspieler war der aus Nigeria in die
USA eingewanderte Olatunji, der kein versierter Trommler war, wie bereits
oben im Zusammenhang mit Guy Warrens Kritik an Olatunji in einer Fußnote
erwähnt wurde. – Weston: Sie hätten eine Rhythmusgruppe haben wollen, die
zeigt, wie alle Trommeln von der afrikanischen Trommel herkommen. Olatunji
habe afrikanische Trommel und Perkussion gespielt, die Kubaner Candido und
Armando Peraza hätten die afrikanische Trommel via Cuba ausgedrückt, Max
Roach habe Marimba gespielt, Charli Persip und G.T. Hogan hätten Schlagzeug
gespielt und sie hätten zwei Bassisten, George Duvivier und Ron Carter,
dabei gehabt. – Persip: Weston habe zwar davon gesprochen, was er machen
werde, aber im Grunde habe er (Persip) keine Idee gehabt, bis sie ins Studio
gingen. – Yusef Lateef: Es sei eine Entdeckung und Erfindung in
Musik-Ästhetik gewesen, denn es seien im Studio Jahrzehnte von Kenntnissen
vorhanden gewesen. Er betrachte es als eine Verschmelzung von Fähigkeiten,
die durch Austausch von Ideen zustande kam und zum musikalischen Ergebnis
führte. Es habe sich bei dieser Aufnahmesession eine Romanze der Erfahrung
abgespielt. – Weston war von der Session begeistert, denn jeder habe den
Geist Afrikas erfasst. Einmal hätten sie einen bestimmten Perkussions-Sound
gebraucht und einer der Musiker habe daraufhin eine Coca-Cola-Flasche
verwendet. Jeder habe seine Ideen eingebracht. Es habe da einen enormen Sinn
für Freiheit gegeben. (QUELLE: Willard Jenkins, Freeing His Roots. The
making of Randy Weston’s landmark opus "Uhuru Afrika", Zeitschrift
DownBeat, Februar 2005, Internet-Adresse:
http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-2005.html)
– Das Zusammenspiel der Rhythmusgruppe wurde also erst anlässlich der
Aufnahme entwickelt (es gab zwei Proben vor der Aufnahme; QUELLE: Robin D.
G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 58), sodass hier
keine über längere Zeit eingespielte Gruppe mit einem ausgefeilten Konzept
zu hören ist. Auch war ihr Ziel offensichtlich nicht, wie eine afrikanische
Trommelgruppe eine perfekte Tanzmusik hervorzubringen. Im Vergleich zur
Uhuru-Perkussion erzeugt anspruchsvolles west-afrikanisches
Tanztrommeln (etwa der Gruppe Nsuase Kete aus Ghana im Album Asante Kete
Drumming aus 2001) ein deutlich spannungsvolleres, mehrschichtigeres,
vielfältigeres und stärker groovendes polyrhythmisches Gewebe. Ein ähnlicher
Kontrast ergibt sich bei einem Vergleich mit Rumba (etwa dem Album Congo
Yambumba der Gruppe Los Muñequitos de Matanzas, aufgenommen 1983,
veröffentlicht 1994) – Jason John Squinobal: In gewisser Hinsicht habe
Westons Erforschung traditioneller afrikanischer Musik in seiner Komposition
und Aufnahme von Uhuru Afrika ihren Höhepunkt erreicht. Abgesehen
von seiner politischen Aussage habe Weston darin viele Aspekte
traditioneller west-afrikanischer Musik eingearbeitet. Es sei wahrscheinlich
seine vollständigste Synthese traditioneller west-afrikanischer Musik mit
Jazz. Das Stück Uhuru Kwanza beginne mit Perkussion, wobei
afrikanische Handtrommeln und Perkussions-Instrumente die Rhythmusgruppe
dominieren und das Schlagzeug eine geringere Rolle spiele. Die Rhythmen
dieses Stücks seien nicht unbedingt von irgendeiner spezifischen
traditionellen Gruppe. Vielmehr würde Westons Rhythmusgruppe eine Synthese
west-afrikanischer Rhythmen schaffen, indem die einzelnen Perkussionisten
auf ihre eigenen Kulturen zurückgreifen, um ein traditionell klingendes
rhythmisches Feeling hervorzubringen. (QUELLE: Jason John Squinobal,
West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy
Weston, Dissertation, 2009, S. 249f., Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
-
Jason John Squinobal: Die Posaunen würden eine Klangfarbe liefern, die als
schroff und nach europäischen Standards unkonventionell betrachtet werden
könne. Die Verwendung der Posaunen ähnle hier der Art, wie Ellington
Blechblasinstrumente einsetzte, um die primitiven und wilden Aspekte Afrikas
zu symbolisieren. Weston habe damit auch versucht, den Klang afrikanischer
Hörner wie der Kakaki zu erzeugen, einer königlichen Trompete, die die
Haussa Nigerias verwenden. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African
Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston,
Dissertation, 2009, S. 253, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf,
Quellenangabe bezüglich der Nachbildung des Klangs afrikanischer Hörner: von
Squinobal im Jahr 2007 geführtes Interview mit Weston)
-
Robin D. G. Kelly: Die Blasinstrumente würden buchstäblich „Uhuru” rufen und
im Laufe des Stücks einen zunehmend militanten, trotzigen Ton annehmen.
(QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 58f.) Langston Hughes schrieb im Begleittext des Uhuru-Afrika-Albums
ebenfalls von einem anschwellenden Ruf der Bläser nach Freiheit. In seinem
(in der Einleitung vorgetragenen) „Freiheits-Gedicht“ klingen allerdings ein
wenig die altbekannten Afrika-Assoziationen an: Afrika, wo der große Kongo
fließt! Afrika, wo der ganze Dschungel weiß, eine neue Morgendämmerung
bricht an, Afrika! Eine junge Nation erwacht! Afrika! Der Freiheits-Wind
bläst aus der vergangenen Nacht, Freiheit! (eigene Übersetzung)
-
3. Stück des Albums
-
Weston trat mit alten Freunden an Bass und Schlagzeug, dem
Tenor-Saxofonisten Booker Erwin (bekannt durch seine Zusammenarbeit mit
Charles Mingus) sowie mit Olatunji auf, der ein kleines Ensemble aus
„Talking Drummers“ leitete. Am letzten Abend der Konzertreihe spielte Weston
und Olatunji in einer Band des Vibrafonisten Lionel Hampton. (QUELLE: Robin
D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 66-68)
-
Robin D. G. Kelly: Die nigerianischen Kritiker seien keineswegs vom
Experiment des kulturellen Austauschs beeindruckt gewesen. Das Festival sei
in der lokalen Presse als „schlecht organisiert“, „regelrechte Beleidigung“
und „unqualifizierter Reinfall“ getadelt worden. Eine Zeitung habe ihre
schärfste Kritik gegen den nigerianischen Landsmann Olatunji gerichtet und
damit Guy Warrens Kritik an Olatunji bestätigt. Sie schrieb, es sei ein
„trauriges Spektakel“ gewesen, zu sehen, wie Olatunji versuchte, vor einem
nigerianischen Publikum Talking Drums zu spielen. Lionel Hamptons Show wurde
als „billige Clownerie eines Entertainers“ mit „idiotischem
Gesichtsausdruck, herausgestreckter Zunge und unartikulierten Äußerungen aus
seinem Mund“ kritisiert. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks,
America Answers, 2012, S. 68f.)
-
Robin D. G. Kelly: Die amerikanischen Musiker hätten Nigeria erleuchtet
verlassen, von Gefühlen überwältigt und begierig, wieder zurück zu kommen.
(QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 69)
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 70
-
QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art
Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 258,
Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf,
Quellenangabe: Weston, Solo-Performance beim Symposium of Composition in
Africa and the Diaspora, Cambridge, England, am 7. August 2005
-
QUELLEN: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 70-74; Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art
Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 156f.,
254 und 258, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf
-
Zur Entstehung des nigerianischen Highlife, mit dem Weston in Berührung kam:
Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey,
Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 160-173,
Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf;
Wolfgang Bender, Der nigerianische Highlife, 2007, S. 99-165;
Wolfgang Bender, Sweet Mother. Moderne afrikanische Musik, 2000,
S. 134-158; Edmund John Collins, Jazz Feedback to Africa,
Zeitschrift American Music, Jahrgang 5, Nr. 2, Sommer 1987,
S. 176-193, Internet-Adresse:
http://www.jstor.org/stable/3052161; Robin D. G. Kelly, Africa
Speaks, America Answers, 2012, S. 20-22 und 70-73
-
Der ursprüngliche Titel des Albums war Music from the New African
Nations Featuring the Highlife. – Von Highlife inspiriert sind vor
allem folgende Stücke des Albums: 1. Caban Bamboo Highlife, 2. Niger
Mambo und 5. Congolese Children. Das letztgenannte Stück
beruht außerdem auf einer Melodie von Pygmäen. Das Stück 7. Mystery of
Love ist eine Komposition von Guy Warren (bei Warren: Love, the
Mystery Of), die Weston später in Konzerten häufig als Schlussstück
spielte. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers,
2012, S. 77) Stück 3. Zulu ist eine bereits früher aufgenommene
Komposition Westons, die hier im Highlife-Stil umgestaltet ist. (QUELLE:
Westons Internetseite, Internet-Adresse:
http://www.randyweston.info/randy-weston-discography-pages/1963highlife.html)
Die Stücke 4. In Memory Of (eine von Weston komponierte Art
Begräbnismusik) und 6. Blues to Africa (ein von Weston komponierter
Blues) beziehen sich musikalisch nicht direkt auf Afrika. – Das erste Stück
(Caban Bamboo Highlife) widmete Weston dem nigerianischen Musiker
Bobby Benson, der als Vater des nigerianischen Highlife gilt. Weston hielt
sich bei seinem Nigeria-Besuch nahezu allabendlich in Bensons Nachtklub
Caban Bamboo auf und befreundete sich mit ihm. (QUELLE: Kelly, S. 73).
Das zweite Stück (Niger Mambo) ist eine Komposition von Bobby
Benson. Näheres zu Bobby Benson: Wolfgang Bender, Der nigerianische
Highlife, 2007, S. 99-125
-
Jason John Squinobal bezogen auf das Stück Caban Bamboo Highlife,
das das Highlife-Thema repräsentiere: In der Perkussionsgruppe habe Weston
für dieses Stück ein Rhythmus-Pattern eingesetzt, das mehr dem Highlife
zugeordnet werden könne als irgendeinem speziellen traditionellen
Tanztrommelstil. Die rhythmische Begleitung dieses Stücks unterscheide sich
von der des Stücks Uhuru Kwanza [Album Uhuru Afrika]
dadurch, dass hier das Schlagzeug die dominante Rolle in der Rhythmusgruppe
spielt, nicht Handtrommeln und Perkussion wie in Uhuru Kwanza. Das
Stück Caban Bamboo Highlife enthalte zwar einige rhythmische
Patterns, die mit traditionellem west-afrikanischem Tanztrommeln verbunden
sind, einschließlich des zugrundeliegenden Standard-Timeline-Patterns, doch
werde es auch von einem gleichförmigen Basstrommel-Beat und den wiederholten
Achtelnoten der Rassel begleitet. Außerdem werde das
Standard-Timeline-Pattern hier auf einer mittelgroßen Trommel gespielt, die
nicht wie die [in traditioneller west-afrikanischer Musik als
Timeline-Instrument übliche] Glocke aus der Perkussionsgruppe herausgehört
wird und auch nicht die Macht einer tief klingenden Meistertrommel hat.
Westons Verständnis vom Highlife zeige sich auch darin, dass Caban
Bamboo Highlife in einem einfachen 4/4-Metrum ohne viel Polyrhythmus
gespielt wird. So ergebe sich eine Rhythmusgruppe, die mehr wie eine
Jazz-Rhythmusgruppe funktioniert. Das stehe im Gegensatz zu Uhuru Kwanza,
wo es sowohl in der Perkussion als auch in der Band einen hohen Grad von
Polyrhythmik gab. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in
the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation,
2009, S. 256f., Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
– Eine deutlich geringere Polyrhythmik der Rhythmusgruppe zeigt auch ein
Vergleich der im Highlife-Album enthaltenen Bearbeitung des
Highlife-Stücks Niger Mambo mit der Originalversion des
nigerianischen Komponisten Bobby Benson.
-
siehe Billy Harts Erzählung von seinem Gespräch mit Lee Morgan über The
Sidewinder:
Link
-
Jason John Squinobal: Die Melodie von Westons Stück Caban Bamboo
Highlife sei ein schlichtes diatonisches Thema in der Tonart F. Die
Einfachheit der Melodie sei typisch für Highlife-Melodien, die oft kurze
diatonische Phrasen seien. – In Uhuru Kwanza [Album Uhuru
Afrika] hätten die Bläser eine Ellington-artige Darstellung von
afrikanischen Dschungel-Hörnern bereitgestellt, während das Klavier die
melodische Hauptrolle übernommen habe. In Caban Bamboo Highlife
hingegen würden die Bläser mehr wie die Bläsergruppe einer Highlife-Band
funktionieren. Das Sopran-Saxofon und die Trompete würden den Großteil der
Melodie tragen, während die tiefen Blechblasinstrumente und
Rohrblattinstrumente harmonische Einwürfe liefern. (QUELLE: Jason John
Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef,
and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 255 und 257, Internet-Adresse:
http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
– Einfache, vielfach wiederholte Melodien haben auch die meisten anderen
Stücke des Highlife-Albums. Sowohl die Einfachheit als auch der
repetitive Charakter sind ein von Weston offenbar bewusst übernommenes
Merkmal west-afrikanischer Musik (QUELLE: Jason John Squinobal, S. 236-240).
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 78
-
außerdem Trompeter Ray Copeland, Tenor-Saxofonist Clifford Jordan, Bassist
Bill Vishnu Wood und Perkussionist Chief Bey
-
Robin D. G. Kelly: Die Band habe meistens den zweiten Teil ihres Auftritts
der Geschichte des Jazz gewidmet, was in einer lebendigen Darbietung des
Stückes African Cookbook [Album African Cookbook, 1964]
gegipfelt habe. Die Melodie dieses Stücks erinnere an Nord-Afrika und der
Rhythmus stamme aus Sub-Sahara. In jedem Land, das sie besuchten (Senegal,
Mali, Burkina Faso, Niger, Ghana, Kamerun, Gabun, Liberia, Sierra Leone,
Elfenbeinküste, Ägypten, Algerien und Marokko), habe dieses Stück das
Publikum fast in Ekstase versetzt. Die Kombination von Westons kreativer
Verarbeitung afrikanischer Rhythmen und Tonleitern mit der mittlerweile
globalen Reichweite des Einflusses der Black-Power-Bewegung habe Kritiker
und Publikum dazu veranlasst, die Jazz-Afrika-Verknüpfung sofort zu erkennen
und aufzugreifen. Die Reaktion sei meilenweit von den erstarrten Gesichtern
der Nigerianer entfernt gewesen, die sechs Jahre zuvor Lionel Hampton
ertragen hatten. Bei einem Konzert an einer Universität in Liberia habe ein
Solo von Chief Bey im Stück Congolese Children [Album Highlife;
eines der von Highlife inspirierten Stücke] in wilde Begeisterung versetzt.
(QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 81, 83 und 86)
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 88-90
-
Chalabati
-
QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012,
S. 90
-
QUELLEN: Elvin Jones in: Rick Mattingly, The Drummer’s Time, 1998,
S. 25f. (Harry „Sweets" Edison, der absolut von der „alten Schule“ war, habe
keine Probleme mit seiner Spielweise gehabt, weil er mitzählte. Andere
hätten es nicht getan und seien hinausgefallen. S. 26); Barry W. Elmes,
Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005,
Dissertation, S. 97f., Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf
-
QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential
Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 6, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf
-
Barry W. Elmes: Zum Beispiel habe Paul Berliner Elvin Jones als führenden
Vertreter der „polyrhythmischen Schule” dargestellt. (QUELLE: Barry W.
Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz,
2005, Dissertation, S. 1, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf,
Quellenangabe: Paul F. Berliner, Thinking in Jazz, 1994, S. 332) –
Martin Kunzler: Elvin Jones habe den Beat „durch eine polyrhythmisch
komplexere Verschränkung durchbrochen“ dargestellt. (QUELLE: Martin
Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 634) – Lewis Porter: Die
zunehmende rhythmische Komplexität der Musik Coltranes, seine Adaptierung
von afrikanischen Rhythmen und die Förderung von Elvin Jones Polyrhythmen
hätten gegen Ende des Jahres 1965 zur Aufhebung des strikten Time-Keepings
in Coltranes Gruppe geführt. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His
Life and Music, 1999/1998, S. 214)
-
QUELLE: Rick Mattingly, Elvin Jones. Once More, with Feeling,
Zeitschrift Modern Drummer, Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27 und 53-66
-
Barry W. Elmes: Elvin Jones Phrasen würden oft mehr um den Puls herum
spielen als ihn offensichtlich darzustellen. Der Puls werde gefühlt, aber
nicht unbedingt ausgedrückt. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones:
Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation,
S. 112, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
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Barry W. Elmes: Statt der üblichen Darstellung des Viertel-Beat-Pulses oder
des üblichen Ride-Becken-Musters habe Elvin Jones eine Linie aus
Achtelnoten-Phrasen mit rhythmischen sowie auch dynamischen Variationen
erzeugt. Diese Phrasen seien rhythmisch in der gleichen Art gestaltet wie
die von melodischen Solisten, indem sie Achtel- und/oder Viertelnoten
verwenden, die auf den Downbeats und/oder Upbeats platziert sind. Mangels
der Tonhöhen-Möglichkeit verleihe Jones seinen Phrasen eine gewisse
Musikalität durch Akzentuierungen mit wesentlich größerer Bandbreite, als es
im Schlagzeugspiel seiner Zeitgenossen und Vorgänger zu hören ist. Jones
habe seine Phrasen in erster Linie, aber nicht ausschließlich, auf dem
Ride-Becken ausgedrückt. – Tatsächlich habe er das Ride-Becken in Verbindung
mit (nicht unabhängig von) den anderen Komponenten des Schlagzeugs
eingesetzt. Mit der Entwicklung dieser Herangehensweise habe Jones ein
Konzept geschaffen, das die Funktionen aller vier Gliedmaßen integriert, um
fließende rhythmische Phrasen auszudrücken. Dieser Aspekt seines Stils sei
sehr bedeutsam, denn er ermögliche es, komplexe Rhythmen auf dem Schlagzeug
klar und flüssig auszudrücken. Wie „geschäftig“ oder „polyrhythmisch“ Elvin
Jones Spiel manchen Hörern auch erscheinen mag, so habe er doch stets alle
vier Gliedmaßen verwendet, um nur eine musikalische Idee auszudrücken.
(QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential
Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 47 und 58,
Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf) – Elvin
Jones stellte seine Auffassung vom Schlagzeug als einem einzigen Instrument
in einem Interview selbst dar: Rick Mattingly, The Drummer’s Time,
1998, S. 26f.
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Barry W. Elmes: Vor 1960 sei Jones von vielen unterschiedlichen Bandleitern
für Aufnahmen engagiert worden und sein Stil zu begleiten zeige in dieser
Zeit eine viel größere Bandbreite als später während seiner (1960
begonnenen) Zusammenarbeit mit Coltrane. – Elmes erwähnte unter anderem,
dass Jones in einer Aufnahme von Pepper Adams aus 1957 bereits in einem Stil
spielte, der fast identisch mit seinem späteren Spiel bei Coltrane sei. –
Jones Stil sei bereits Jahre vor seiner Zusammenarbeit mit Coltrane geformt
worden, doch hätten die Bands, in denen er damals spielte, (so gut sie auch
waren) anscheinend nicht die für weitere Entwicklungen notwendige Umgebung
geboten. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential
Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 98-102, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
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Elvin Jones: Als er den haitianischen Trommler in den Tonbandaufnahmen
hörte, habe er gedacht, es wären fünf Leute. Das habe ihn echt fasziniert
und von da an habe er begonnen, sich mit traditioneller afrikanischer Musik
zu beschäftigen. Er sei auf die Musik der Pygmäen und der Dogon gestoßen. Es
gebe eine Menge Musik in Belgisch-Kongo [Demokratische Republik Kongo], und
das seien alles großartige Inspirationsquellen gewesen. (QUELLE: Mike Joyce:
Elvin Jones – Interview, Zeitschrift Cadence, Nr. 7/2, Februar
1981, S. 9-10, 12)
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Barry W. Elmes: Nach seiner ersten Aufnahme-Session in Detroit am Ende der
1940er Jahre habe Jones bei vielen Aufnahmen verschiedener Band-Leader
mitgewirkt, bevor er sich im Jahr 1960 Coltrane anschloss. In den Aufnahmen
dieser Periode seien nur kleinere Entwicklungen von Jones Stil erkennbar,
doch habe er eine Erfahrung gemacht, die schließlich von zentraler Bedeutung
für die Entwicklung seines Zwei-über-Drei-Konzepts und anderer rhythmischer
Überlagerungen, die später in seinem Trommelspiel bei Coltrane auftauchten,
gewesen sein könnte. Im Jahr 1957 habe Jones eine Tonbandaufnahme von einem
haitianischen Trommler gehört, die ihn sehr beeindruckte. Welcher Samen
durch diese Erfahrung auch immer gesät worden sein mag, so sei jedenfalls
keine unmittelbare Veränderung seines Stils eingetreten. – Coltrane habe
sein Quartett um ein zentrales, kraftvolles Duo aus Saxofon und Schlagzeug
herum gebildet. Das Klavier sollte mehr als üblich die Rolle eines
harmonischen Hintergrunds erfüllen. Der Bass sollte als Fundament für Jones
Schlagzeugspiel dienen. Elvin Jones habe wahrscheinlich zum ersten Mal in
seiner Kariere die Freiheit gehabt, das Schlagzeug so zu spielen, wie er es
schon immer wollte. Jones Stil sei offensichtlich in den frühen 1960er
Jahren zur Reife gelangt und um 1965 voll ausgereift gewesen. Möglicherweise
habe seine Spielweise in Coltranes Album A Love Supreme (1964)
ihren Höhepunkt erreicht. Danach habe Jones seinen Stil in keinem
bedeutenden Maß mehr weiterentwickelt. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin
Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005,
Dissertation, S. 97, 109 118 und 15, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
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Elvin Jones: Er habe oft Xavier Cugats Band gehört, weil sie im Radio und in
den Filmen gewesen sei. Natürlich habe auch Cole Porter eine Menge Musik
komponiert, die lateinamerikanische Rhythmen enthielt. So habe er sich immer
gefragt, wie es wäre, wenn er das selbst machen würde, als Teil seiner
Aufgabe. Manche Teile der Latin-Musik seien sehr starr, wie auch manche
Aspekte der afrikanischen Rhythmen. Die Flexibilität komme davon, dass der
Rhythmus von mehreren Leuten gespielt wird. Das sei nicht immer
synchronisiert, was eine gewisse Bewegung hineinbringe, die ihn flüssiger
mache. Als er es einsetzte, habe er sich mehr für das Fließende entschieden
als für den statischen Anteil der Rhythmen. (QUELLE: Rick Mattingly,
Elvin Jones. Once More, with Feeling, Zeitschrift Modern Drummer,
Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27, 53-66)
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Elvin Jones: Er versuche immer, auf dem Becken eine Art Kontinuität
aufrechtzuhalten. Von daher komme tatsächlich die Beständigkeit, denn die
Band verwende keinen starken Vierviertel-Bass-Beat mehr oder dieses starre
Auf-und-Ab auf der Zwei und der Vier auf der Hi-Hat. Das Schwergewicht liege
also auf der Beständigkeit des Tempos und der Kontinuität des Beckenspiels.
Das stelle das bereit, was in einem Latin-Orchester die Clave ist. (QUELLE:
Rick Mattingly, Elvin Jones. Once More, with Feeling, Zeitschrift
Modern Drummer, Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27, 53-66)
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Barry W. Elmes: Jones habe sein gesamtes Spiel mit dem Raster der Triolen im
Swing-Feeling unterlegt. Während er durch das Triolen-Raster eine
„konsequente 12/8-Dichte“ einsetzte, gebe es in seinem gesamten Spiel
kleinste, momentane Tempo-Veränderungen, die ein Gefühl von Steifheit
verhindern. Diese Lockerheit oder Flexibilität in seinem Schlagzeugspiel
werde nicht durch Ungenauigkeit erzeugt, sondern mehr durch ein Wegspielen
vom stetigen innerlichen Puls. – Der Schlagzeuger Charlie Persip habe Jones
Verwendung von Triolen auf folgende Weise kommentiert: Die Triolen würden
einen zurückhalten. Man könne Triolen nicht antreiben. Jones gehe in alle
Arten von Triolen-Feeling gegen die Rhythmen, die er spielt und die meistens
in Viervierteln sind. Erstaunlich! Und das sei es, was seine Musik so
komplex klingen lässt. Gleichzeitig sei es so, als würde eine ganze Masse
von Rhythmus auf einen zukommen, aber weil er so triolisch ist, klinge er
immer entspannt. (Quellenangabe: Paul F. Berliner, Thinking in Jazz,
S. 153) – Elmes weiter: Das ständige Ausfüllen und Unterstützen der
Becken-Phrase durch Achtelnoten-Triolen, das ein Kennzeichen von Jones Stil
sei, scheine von anderen Schlagzeugern, die ihre eigenen Arten entwickelten,
das Becken-Phrasierungs-System zu verwenden, aufgegeben worden zu sein. Zum
Beispiel verwende Jack DeJohnette häufig eine editierte Form von Jones
Becken-Phrasierung, die den Puls weniger direkt ausdrückt als Jones
Schlagzeugspiel. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His
Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 113, 58 und
118, Internet-Adresse:
http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
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Steve Coleman: Elvin Jones habe Flüssigkeit gehabt, sei locker und der
Inbegriff von Groove gewesen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite
M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave,
Beitrag Nr. 3306 vom 5. August 2014, Internet-Adresse:
http://m-base.net)
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„Bonus“-Stücke 7-9 des Albums African High Life von Solomon Ilori,
aufgenommen am 30. Oktober 1964, Besetzung: Solomon Ilori (Gesang,
Pennywhistle, Talking-Drum, Gitarre), Chief Bey, Roger Sanders, Ladji Camara,
Sonny Morgan (Perkussion), Donald Byrd (Trompete), Hubert Laws (Tenor-Saxofon,
Flöte), Bob Cranshaw (Bass), Elvin Jones (Schlagzeug); Ilori hatte bereits für
Art Blakeys Album The African Beat (1962) eine wesentliche Rolle
gespielt.
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Im ursprünglich veröffentlichten Album Africa/Brass war die am
7. Juni 1961 aufgenommene, 16:29 Minuten lange Version des Stückes
enthalten. Im Album The Complete Africa/Brass Sessions wurden auch
die 16:08 Minuten lange Version von derselben Aufnahme-Session sowie die
14:08 Minuten lange Version vom 23. Mai 1961 veröffentlicht.
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Im ursprünglichen Begleittext des Albums (der auch im Begleitheft des Albums
The Complete Africa/Brass Sessions enthalten ist) wurde angegeben, dass
Coltrane damals seit Längerem Aufnahmen von afrikanischer Musik gehört habe.
In einem am 2. Mai 1961 (also einige Wochen vor den Aufnahmen)
stattgefundenen Interview sprach Coltrane selbst von einer Schallplatte mit
afrikanischer Musik, die er zuhause habe. (QUELLE: Lewis Porter, John
Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213, Quellenangabe: von
Ralph J. Gleason am 2. Mai 1961 geführtes Interview mit John Coltrane)
-
Lewis Porter: Coltrane habe bereits Anfang 1961 begonnen, eingehend
nord-indische Musik zu hören, insbesondere Aufnahmen des Sitar-Virtuosen
Ravi Shankar. – Im Jahr 1963 habe Coltrane in einem Interview gesagt: Er
scheine durch eine modale Phase zu gehen. … Es gebe eine Menge modaler
Musik, die jeden Tag überall in der Welt gespielt werde. Sie sei besonders
in Afrika offensichtlich, aber man könne sie auch in Spanien und Schottland,
Indien und China finden. Wenn man über ihre stilistischen Unterschiede
hinaus sehe, dann werde man bestätigen, dass es eine gemeinsame Basis gibt.
Das sei sehr wichtig. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and
Music, 1999/1998, S. 209 und 211). – Martin Pfleiderer: „Vergleicht man
die verschiedenen Modalitätsauffassungen von Musiktheoretikern,
Ethnomusikologen und Jazzforschern miteinander, so wird jedoch schnell
deutlich, dass die Praxis des modalen Jazz nur auf einer sehr allgemeinen
Ebene Gemeinsamkeiten mit Modalitätskonzepten und -praktiken in den
Kunstmusiktraditionen Asiens aufweist. […] Angesichts der vielgestaltigen
Modalitätspraktiken und -auffassungen in den asiatischen
Kunstmusiktraditionen […], in der europäischen Volksmusik sowie in der
abendländischen Musiktheorie scheint ‚Modalität‘ zu einer musiktheoretischen
Residualkategorie zu werden, die sämtliche melodischen Gestaltungsprinzipien
umfasst, welche sich nicht als funktionsharmonisch oder atonal im Sinne der
abendländischen Musik der letzten dreihundert Jahre verstehen lassen.“
(QUELLE: Martin Pfleiderer, Zwischen Exotismus und Weltmusik, 1998,
S. 104)
-
John Coltrane (1963): Er sei so sehr in dieser Sache [den komplizierten
Akkord-Strukturen, die er in seinem Album Giant Steps verwendete]
gewesen und habe nicht gewusst, wohin er weitergehen kann. Er hätte
wahrscheinlich nicht an die Möglichkeit gedacht, das Akkord-System
aufzugeben. Ornette Coleman sei dahergekommen, er (Coltrane) habe ihn gehört
und sich gesagt, dass das die Antwort ist. (QUELLE: Lewis Porter, John
Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 203)
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John Coltrane (gegen Ende 1961): Er möge den Beat nicht in einem strengen
Sinn. Er fühle, dass er den Beat schon irgendwo brauche, aber er möge nicht
den geradlinigen Vierviertel-Rhythmus. Er möge es, wenn die Rhythmusgruppe
Schubkraft und ein Gefühl von Schwung unter und um das Saxofon herum sowie
einen Auftrieb erzeugt. Wenn es mehr ein Gefühl von Puls ist als ein Beat,
dann bewahre das einen vor einem langweiligen Zugang. Und man könne
natürlich auch über anderen Metren als einem Vierviertel-Takt swingen. – In
einem anderen Interview (November 1961) erläuterte Coltrane: Man brauche
einen standfesten Beat, doch müsse nicht jeder starr Vierviertel spielen.
Zwischen den Musikern der Rhythmusgruppe solle es genug Zusammenspiel geben,
damit stets derselbe Zusammenhalt entsteht, den die Vierviertel ergeben,
doch könne das manchmal indirekt statt tatsächlich gespielt sein. (QUELLE:
Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213)
-
Dom Cerulli: Coltranes Gruppe habe bereits vor der Aufnahme des
Africa/Brass-Albums eine Bass-Linie, die aus Aufnahmen von
afrikanischer Musik stammte und Gesang-Charakter hatte, in verschiedene
Stücke eingearbeitet und mit Rhythmen experimentiert, die vom swingenden
Vierviertel-Stil abgingen und „afrikanisch“ gewesen seien. (QUELLE:
ursprünglicher Begleittext des Albums) – Lewis Porter: Coltrane habe es
Ralph J. Gleason in einem am 2. Mai 1961 (also einige Wochen vor den
Aufnahmen) geführten Interview ein wenig anders erzählt, als es Cerulli
darstellte. Coltrane habe darauf hingewiesen, dass er davon weggekommen sei,
Kompositionen auf komplizierten Akkordfolgen aufzubauen. Er habe sich mehr
auf die Melodie konzentrieren wollen und der Rhythmus sei oft der Startpunkt
gewesen. Coltrane habe gesagt: Er habe eine afrikanische Schallplatte
zuhause, auf der „sie diese Rhythmen singen, einige ihrer einheimischen
Rhythmen“. Er habe einen Teil davon genommen und ihn dem Bassisten gegeben.
Elvin Jones habe einen Part gespielt und McCoy Tyner (der Pianist der
Gruppe) habe etwas gefunden, das er spielen konnte, eine Art von Akkorden.
Er (Coltrane) habe ihm nicht gesagt, welche Akkorde. Er habe gesagt, er sei
damit [mit komplizierten, vorgegebenen Akkordfolgen] fertig. Er suche nach
einer Melodie, ohne sich auf Akkorde zu beziehen. (QUELLE: Lewis Porter,
John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213, Quellenangabe:
von Ralph J. Gleason am 2. Mai 1961 geführtes Interview mit John Coltrane,
der damals mit seiner Band in San Francisco ein zwei-wöchiges Engagement in
einem Jazzclub hatte)
-
Lewis Porter: Tyner habe in den ersten beiden Jahren seiner Zugehörigkeit zu
Coltranes Band (ab ungefähr Mai 1960) eine spezielle Art von Voicing
(Akkord-Struktur) in Quarten entwickelt, die dann für den Sound der Gruppe
charakteristisch wurde. Quartakkorde seien bereits zuvor von einer Reihe von
klassischen Komponisten, insbesondere von Paul Hindemith, verwendet worden,
allerdings in einem offensichtlich anderen Zusammenhang. Während Terzen
einen vertrauten, bodenständigen Charakter hätten, würden Quarten abstrakt
wirken. Die Quarten hätten möglicherweise dadurch, dass sie den vertrauten,
auf Terzen beruhenden Klang von populären Liedern vermieden, zum
spirituellen Charakter der Musik Coltranes beigetragen. Außerdem habe Tyner
mit seiner linken Hand im tiefen Register dramatische Orgelpunkte gespielt.
(QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music,
1999/1998, S. 177)
-
McCoy Tyner: Die Tatsache, dass er in seinen Anfangsjahren sehr stark von
Thelonious Monks faszinierendem Spiel beeindruckt und beeinflusst wurde,
dürfte ihm geholfen haben, nach seinem Eintritt in Coltranes Band für ihn
einen ähnlichen Boden bereitzustellen, wie Coltrane ihn von Monk her kannte.
Die Musik Monks sei außergewöhnlich, flüchtig und weise die Besonderheit
auf, dass sie sehr veränderlich und gleichzeitig sehr verankert ist, mit
einem sehr sicheren Tempo. Sein (Tyners) Spiel besitze (so glaube er)
ebenfalls diese Metronom-artige rhythmische Genauigkeit, denn er habe eine
gute, starke linke Hand. Coltrane habe gewusst, dass er auf dieses
rhythmische Fundament zählen konnte, auf diesen Teppich, und dass er selbst
dann, wenn er sich in seine wildesten Improvisationen warf, das regelmäßige
Tempo des Pianisten unerschütterlich hinter sich haben würde. (QUELLE: Lewis
Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 178)
-
McCoy Tyner: Er sei aus einem in musikalischer Hinsicht sehr aktivem Umfeld
gekommen – mit all den Musikern und den Jam-Sessions, die abliefen. Sie
hätten den Musiker Saka Acquaye gehabt, der aus Ghana gekommen sei und in
Philadelphia (wo Tyner aufwuchs) Trommler unterrichtete. Er habe ihnen eine
Menge unterschiedlicher afrikanischer Rhythmen gelehrt und wie sie
miteinander verbunden werden, wie die verschiedenen rhythmischen Schichten
gebildet werden. Seine Schwester habe afrikanischen Tanz gelehrt. Er sei
damals (Anfang der 1950er Jahre) 14/15 Jahre alt gewesen. Er habe diese
Rhythmen in seinen Stil integriert. Zwar habe er nicht selbst von Acquaye
Unterricht erhalten, jedoch beobachtet, wie Acquaye die Leute unterrichtete,
die Congas spielten. Es habe damals viel kulturelle Identifikation mit den
Afrikanern gegeben. – Einer der Musiker, die dann in seiner (Tyners)
R&B-Band regelmäßig Schlagzeug spielten, als er zum Jazz überging, sei der
Conga-Spieler Garvin Masseaux gewesen, der von Acquaye lernte, sowie ein
anderer namens Bobby Crowder. Sie hätten viel zusammen gespielt und seien
gute Freunde gewesen. Er (Tyner) sei also bereits in jungen Jahren von
afrikanischer Musik beeinflusst gewesen. – Coltrane und Olatunji seien sehr
gute Freunde gewesen. Es habe damals ein ausgeprägtes Interesse an
afrikanischer Kultur gegeben. Es sei gut gewesen, sich mit den Wurzeln zu
identifizieren. – Er habe über die Jahre mit vielen lateinamerikanischen
Musikern gespielt und es würde sie nach ihrem Gefühl viel mehr verbinden als
sie trenne. (QUELLE: von Ted Panken am 10. Juni 2003 geführtes Interview mit
McCoy Tyner, Internetseite von Ted Panken, Internet-Adresse:
https://tedpanken.wordpress.com/2011/12/11/) Robert Crowder und Garvin
Masseaux waren übrigens später an Art Blakeys Album The African Beat,
1962, beteiligt. – Vernon Clark: Crowder habe afrikanische, brasilianische
und haitianische Trommeltraditionen von einheimischen Musikern gelernt, sei
stark von Acquaye beeinflusst worden und schließlich „Baba“ (Vater) genannt
worden, weil er in Philadelphia zum Vater des afrikanischen Trommelns wurde.
(QUELLE: Vernon Clark, Robert "Baba" Crowder, 82, Philly drummer,
founder of drum and dance ensemble, 9. Dezember 2012, Internetseite
philly.com, Internet-Adresse:
http://articles.philly.com/2012-12-09/news/35707587_1_robert-baba-crowder-drum-ensemble-brazilian-tambourine)
-
Lewis Porter: Tyners frühe musikalische Idole seien Bud Powell, der eine
Zeit lang in seiner Nachbarschaft wohnte, und Thelonious Monk gewesen – so
sehr, dass er manchmal „Bud Monk“ genannt wurde. (QUELLE: Lewis Porter,
John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 177)
-
Ted Panken: Tyner habe als Gast mit einer 1974 gegründeten Latin-Band
portorikanisch-stämmiger, in New York aufgewachsener Musiker gespielt (der
Band Libre von Perkussionist Manny Oquendo und Bassist Andy
González). Einer der beiden Leiter der Latin-Band habe erzählt: Der Pianist
der Band habe Tyner einen echten kubanischen Montuno-Tanzrhythmus zugespielt
und es sei faszinierend gewesen, wie Tyner mit seinen eigenen Akkorden und
seinem rhythmischen Gefühl antwortete. Es sei mühelos gewesen. Montunos
seien mit der Art von pentatonischen, modalen Tonleitern verwandt, mit denen
Coltrane arbeitete, und in dieser Art von Modi zu improvisieren, sei
wirklich Tyners Stärke. Das sei sehr afrikanisch, tief verwurzelt und gehe
zu den Anfängen der Musik zurück. (QUELLE: Ted Panken, A Jazziz Article
on McCoy Tyner from 2003, Internetseite von Ted Panken,
Internet-Adresse:
https://tedpanken.wordpress.com/2011/12/11/)
-
QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998,
S. 212f.
-
John Coltrane: Er habe einen Sound gehabt, den er hören wollte. Er habe
gewollt, dass die Band einen Orgelpunkt hat, und zwei Bassisten eingesetzt,
von denen einer eine Bass-Linie spielte, die sich praktisch durch das
gesamte Stück zieht. Der andere Bassist habe rhythmische Linien darum herum
gespielt. – Nach dem Anhören der Aufnahme-Tonbänder soll Coltrane gesagt
haben: Es sei das erste Mal, dass er ein Stück mit dieser Art von
rhythmischem Background gemacht hat. Zuvor habe er Sachen in Vierviertel und
Dreiviertel gemacht. Insgesamt sei er recht zufrieden mit dem Stück
Africa. (QUELLE: ursprünglicher Begleittext des Albums, der auch im
Album The Complete Africa/Brass Sessions wiedergegeben ist,
verfasst vom Musik-Journalisten Dom Cerulli) – Dass Coltrane den Sound, den
er sich vorstellte, mit Afrika verband, ergibt sich aus dem Titel des
Stückes.
-
Der Buchautor Gerd Filtgen fand, dass bereits die Rhythmusgruppe für sich
einen „ungewöhnlich erregenden Sound“ produzierte. Die Orchesterklänge
würden „unwillkürlich an Afrika denken lassen“, an „flimmernde Hitze“,
„tropische Schwüle“, „Dschungelgeräusche“, die „Vielstimmigkeit von Steppe
und Urwald“, das „Trompeten von Elefanten“ und „Surren von Insekten“.
(QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben,
seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 154) – Die intensiven Klänge
könnten aber wohl genauso gut mit anderen Vorstellungen verbunden werden,
etwa mit dem Schicksal und dem Überlebenswillen der über Jahrhunderte als
Sklaven ausgebeuteten und gedemütigten afro-amerikanischen Bevölkerung (wie
wohl im Stück Song of the Underground Railroad desselben Albums),
mit einer Suche nach ihren kulturellen und ethischen Wurzeln oder mit einem
spirituellen Streben. Hätte das Stück nicht den Titel Africa, so
wäre wohl nicht ohne weiteres ein Afrika-Bezug ersichtlich.
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J.C. Thomas: Coltranes „unglaublich erdhafte-urwüchsige Linien“ in Blues
Minor würden dieses Stück zur „überzeugendsten, wenn nicht sogar
interessantesten Nummer des Albums” machen. (QUELLE: J.C. Thomas,
Chasin' The Trane, dtsch., 1986, S. 113)
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Lewis Porter: Coltrane habe auch von Olatunji aufgenommene afrikanische
Musik studiert. Coltranes Band, Olatunjis Gruppe sowie Art Blakeys Jazz
Messengers hätten im August 1961 im New Yorker Lokal Village Gate
(getrennt voneinander) gespielt. 1962 habe Coltrane das Stück Tunji
für Olatunji geschrieben. Coltrane scheine manche der Konzepte, die
er in Olatunjis Musik und in Aufnahmen von folkloristischer afrikanischer
Musik hörte, in seine eigene Musik übernommen zu haben – in erster Linie die
Verwendung von Ostinati, wobei jedes Instrument mit seinem eigenen Rhythmus
zum Gesamten beitrug. Strukturelle afrikanische Konzepte könnten ihn
ebenfalls beeinflusst haben: West-afrikanische Trommelgruppen würden einen
Abschnitt so lange wiederholen, bis der Leiter ein Zeichen zum Wechsel in
den nächsten Abschnitt gibt. Coltrane habe es im Stück My Favorite
Things ähnlich gemacht. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His
Life and Music, 1999/1998, S. 212)
-
das Stück Tunji des Albums Coltrane (1962)
-
im Album Kulu Se Mama (aufgenommen am 14. Oktober 1965); Coltrane
setzte dann häufig mehrere Perkussionisten ein, zum Beispiel berichtete der
Bruder von Rashied Ali, Muhammad Ali, der ebenfalls Schlagzeuger war, dass
unter anderem er sowie eine aus fünf Trommlern bestehende Gruppe von Baba
Robert Crowder im Jahr 1966 in Philadelphia mit Coltrane spielten. (QUELLE:
Clifford Allen, Muhammad Ali: From a Family of Percussionists,
7. Juli 2010, Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse:
http://www.allaboutjazz.com/muhammad-ali-from-a-family-of-percussionists-muhammad-ali-by-clifford-allen.php)
-
Album The Olatunji Concert. The Last Live Recording
-
QUELLE: J.C. Thomas, Chasin' The Trane, dtsch., 1986, S. 171 sowie
Foto zwischen den Seiten 148 und 149
-
öfters auch Sonny geschrieben
-
Cecil Taylor: Ein Konzert im Lincoln Center im Jahr 1963 sei das letzte Mal
gewesen, dass er mit Sunny Murray spielte, der sich damals zu einem ungemein
bedeutenden Schlagzeuger entwickelt hätte, denn er habe mit der Time gewisse
Dinge machen können, die nicht von einem Metrum reguliert wurden. Die Idee
der Trommel als einem Metronom sei zu Ende gewesen und Murray sei einer der
ersten Schlagzeuger gewesen, der das realisierte und einen neuen Zugang
entwickelte. (QUELLE: A. B. Spellman, Four Jazz Lives, 2004/1966,
S. 75)
-
Zum Beispiel sprach Muhammad Ali (Schlagzeuger, Bruder von Rashied Ali)
davon, dass er Sunny Murray, Milford Graves, Andrew Cyrille [und natürlich
seinen Bruder Rashied Ali] – all die „freien Schlagzeuger“ – gehört habe.
(QUELLE: Clifford Allen, Muhammad Ali: From a Family of Percussionists,
7. Juli 2010, Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse:
http://www.allaboutjazz.com/muhammad-ali-from-a-family-of-percussionists-muhammad-ali-by-clifford-allen.php)
-
QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community
Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom 31. August
2014, Internet-Adresse:
http://m-base.net
-
QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog
Episode 20: Musical Details, Audio im Abschnitt 1:01:55 bis 1:02:32
Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse:
http://m-base.net
-
QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community
Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom 31. August
2014, Internet-Adresse:
http://m-base.net
-
QUELLE: Mark Jacobson, The Heartbeat of Queens: Milford Graves,
2001, Internetseite Jazz Journalists Association Library,
Internet-Adresse:
http://www.jazzhouse.org/library/?read=jacobson1
-
Milford Graves spielte unter anderem im 1964 gegründeten New York Art
Quartet, das neben ihm aus dem Saxofonisten John Tchicai, dem
Posaunisten Roswell Rudd und einem (wechselnden) Bassisten bestand. Graves
erzählte über seine Mitwirkung in dieser Band: Er habe in einer bestimmten
freien Weise gespielt und dabei verschiedene Rhythmen eingesetzt, was die
Bläser der Band durcheinander gebracht habe. – Tchicai sagte jedoch auch,
dass Graves Spiel „rhythmische Kohäsion und Polyrhythmik“ verband und
Intensität sowie Musikalität zeigte. (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und
die jungen Wilden, 2001, S. 180 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious
as Your Life, 1977])
-
QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 453
-
Graves beklagte im Jahr 1966, dass die afrikanische Identität verloren
gegangen sei, das Schlagzeugspiel wenig mit afrikanischer Herkunft zu tun
habe und der Jazz in einer abendländischen Tradition stehe. Er vermied den
schnarrenden Klang der aus der europäischen Marschmusik stammenden
Snare-Drum und veränderte den Klang der Trommeln, indem er sie durch die
Entfernung des zweiten Fells öffnete. (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und
die jungen Wilden, 2001, S. 180-182 [orig.: Valerie Wilmer, As
Serious as Your Life, 1977])
-
QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 453
-
Aufnahme des belgischen Senders BRT (Belgische Radio- en Televisieomroep,
seit 1991 Vlaamse Radio- en Televisieomroep – VRT) von einem Auftritt des
Milford Graves Quartets beim Jazz-Festival Jazz Middelheim in
Antwerpen, Belgien, am 15. August 1973, angeblich mit den Saxofonisten Joe
Rigby und Hugh Glover (auch Orgel) sowie dem Trompeter Art Williams,
verfügbar als YouTube-Video, Internet-Adresse:
https://www.youtube.com/watch?v=JwkHCLI1j1w
-
Album Grand Unification (1997)
-
Steve Coleman sah in dem, was Schlagzeuger wie Milford Graves machten,
grundsätzlich ein Opfern des Grooves (Näheres:
Link). Doch hätten einige von Graves Sachen einen starken Groove. Selbst
in seinem „verrückten Zeug“ gebe es Momente mit Groove oder einem Anschein
von Groove. (Näheres:
Link)
-
Steve Coleman: Er sehe Graves Spiel als eine Erweiterung von dem, was Elvin
Jones machte, so wie Jones wiederum eine Erweiterung von Max Roach war. Nach
seinem Empfinden habe Graves allerdings nicht so wie Roach und Jones den
Vorteil gehabt, mit einem Bläser zu spielen, der im Rhythmus wirklich
stark ist. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways,
Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom
31. August 2014, Internet-Adresse:
http://m-base.net)
-
Mark Jacobson: Der Jazz-Kritiker Whitney Balliett habe Graves bereits im
Jahr 1965 als den besten Schlagzeuger des „New Thing“ (Free-Jazz)
bezeichnet, aber auch gemeint, dass sein Spiel keine Begleitung brauche und
auch niemanden, den er begleitet. Er sei eine Ein-Mann-Trommeltruppe. –
Jacobson: Diese Einschätzung habe sich bewahrheitet, vor allem in jüngerer
Zeit. Die meisten Konzerte Graves seien Solo-Auftritte und die letzten
beiden Alben Solo-Sessions. Letztlich sei er ein einsamer Wolf, der nicht
allzu gut mit anderen zusammenspiele. Ein bekannter Musiker der
Neo-Avantgarde-Szene habe gesagt: Niemand sage, dass Graves nicht ein
großartiger Schlagzeuger ist, aber wenn man mit ihm spielt, spüre man all
sein Ego aus ihm herausströmen. Das mache es schwierig. – Jacobson: Graves
entgegne dem, dass er diese Kritik von Leuten höre, aber sie nicht für
richtig halte. Bei dieser Musik gehe es um das Experimentieren und
Weiterkommen. Er wolle sich nicht zurückhalten und dort bleiben, wo sich
alle komfortabel eingerichtet haben. (QUELLE: Mark Jacobson, The
Heartbeat of Queens: Milford Graves, 2001, Internetseite Jazz
Journalists Association Library, Internet-Adresse:
http://www.jazzhouse.org/library/?read=jacobson1)
-
Milford Graves: Er spiele nicht gerne mit x-beliebigen Schlagzeugern, da es
ihn irritiere, wenn jemand nicht richtig spielen kann. Mit Rashied Ali und
Andrew Cyrille sei das jedoch ganz anders gewesen. (QUELLE: Val Wilmer,
Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 185 [orig.: Valerie Wilmer,
As Serious as Your Life, 1977])
-
Die Abbildung wurde vom Ishangi Razak Institute of African Sciences
zur Verfügung gestellt (QUELLE: Begleittext des Albums, Internet-Adresse:
http://www.discogs.com/Andrew-Cyrille-Milford-Graves-Dialogue-Of-The-Drums/release/1536299),
was darauf hindeutet, dass es sich tatsächlich um eine afrikanische Skulptur
handelte.
-
Message To The Ancestors (Botschaft an die Ahnen) und Blessing
from the Rain Forest (Segen aus dem Regenwald)
-
Das Konzert fand in der New Yorker Columbia Universität statt. Demnach
dürfte das Publikum wohl großteils aus StudentInnen bestanden haben, die
wahrscheinlich eher bereit waren, mitzumachen.
-
QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 169f.
[orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
-
QUELLE: von Ted Panken am 22. Juli 2003 geführtes Interview mit Andrew
Cyrille, Internet-Adresse:
https://tedpanken.wordpress.com/2013/11/10/for-andrew-cyrilles-74th-birthday-a-2004-downbeat-feature-and-several-verbatim-interviews/
sowie
http://www.intaktrec.ch/intercyrille-a.htm
-
QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 172
[orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
-
Der afro-amerikanische Jazz-Kritiker Stanley Crouch (der für sein eng
gefasstes, traditionsbezogenes Jazz-Verständnis und seine provokanten
Äußerungen bekannt ist) erzählte: Anthony Braxton habe ihm gesagt, dass „sie
sich alle“ europäische Musik anhörten, doch als die Black-Power-Bewegung
aufkam, hätten viele von ihnen vorgegeben, ihre Ideen aus Afrika oder
anderen nicht-„weißen“ Bereichen bezogen zu haben. Er sei zu einem
Außenseiter geworden, weil er es ablehnte, seine wahren Interessen zu
verleugnen. Wenn es Stockhausen war, dann sei es eben Stockhausen gewesen.
Crouch: Der in dieser Hinsicht schlimmste Missetäter sei Cecil Taylor
gewesen, dessen gesamter Stil aus der europäischen Musik stammte, besonders
von [Olivier] Messiaen, außer einem bisschen dies und das von Duke
Ellington, Thelonious Monk und Bud Powell. Er (Crouch) habe sowohl Jimmy
Lyons als auch Andrew Cyrille [die beide viele Jahre lang Mitglieder von
Taylors Band waren] Catalogue d'Oiseaux [von Messiaen] vorgespielt.
Sie seien erstaunt gewesen, hätten gefragt, was das für eine Aufnahme ist,
und hätten erklärt, das bereits oft gehört zu haben. Crouch: Sie hätten
moderne klassische Musik nicht gekannt und Taylors Wort für sein eigenes
gehalten. Er (Crouch) habe im Bradley’s [einem New Yorker Jazzclub] ein
Streitgespräch mit Cecil Taylor gehabt und glaube, es gewonnen zu haben,
aber möglicherweise glaube das Taylor auch für sich. Wie auch immer, er
(Crouch) habe gesagt, es laufe auf folgenden Punkt hinaus: „All dieses Zeug,
das du über Afrika sagst – Afrika hin, Afrika her: Wenn du nach Afrika
fährst und dort spielst, dann wird ein neuer Rekord im Leeren eines Saals
aufgestellt. Wie groß auch immer der Konzertsaal wäre, du würdest ihn in
fünf Minuten leeren.“ – Ethan Iverson, der Crouch interviewte: Er müsse zu
Taylors Verteidigung sagen, dass (was auch immer Cyrille sagte) Taylors
harmonische Sprache nicht die irgendeines bedeutenden europäischen
Komponisten ist, Oliver Messiaen eingeschlossen. Er (Iverson) kenne
Messiaens Sprache und auch die Sprachen von Bartok, Schönberg, Webern,
Stockhausen und anderen. Er habe sich all diese Notenblätter angesehen, die
Noten gespielt und so weiter. Taylor sei anders. Abgesehen von der
offensichtlichen Tatsache, dass er improvisiert und seine Klavier-Klangfülle
massiv und eigenständig ist, seien seine tatsächlichen Tonhöhen anders. –
Crouch: Braxton habe ihm das auch gesagt. Crouch: Taylor sei ein viel zu
intelligenter Kerl, um irgendwen gänzlich zu kopieren. Er sei nicht bloß ein
intelligenter Kerl, sondern eine Art Genie, das viele eigenständige Ideen zu
sehr vielen Dingen habe. ABER der Sound seiner Musik sei nicht Jazz, sondern
etwas anderes, das in europäischer Musik gegründet ist. Auch glaube er
nicht, dass Taylor irgendeinen echten heutigen Jazz beeinflusste. Deshalb
hätten er und all diese Musiker das, was sie machten, „Black Music“ genannt.
Sie hätten gewusst, dass es kein Jazz war, auch wenn sich diese Rhetorik
über die Jahre verändert habe. – Iverson: Ja, sie hätten den Ausdruck „Black
Music“ schon vor Längerem aufgegeben, aber es sei interessant sich daran zu
erinnern, dass es diese Rhetorik mindestens ein Jahrzehnt lang gab. Er
glaube nicht, dass Taylor heute noch oft „Afrika“ sage, zumal jede Aufnahme
von „weißestem“ britischem Rock mehr mit Afrika zu tun habe als irgendeine
Aufnahme von Taylor in den letzten 40 Jahren. Wenn man ihn aber auf der
Stelle fragen würde, ob Taylors Musik Jazz ist, würde er ja sagen. (QUELLE:
von Ethan Iverson geführtes Interview mit Stanley Crouch, Februar 2007,
Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse:
http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-stanley-crouch.html)
-
Andrew Cyrille: Er und Taylor hätten sich im Jahr 1957 getroffen. Er habe
für eine Tanzschule gearbeitet und es sei lehrreich gewesen, für Tänzer zu
spielen. Auch habe er mit Babatunde Olatunji gespielt. Als ihn Taylor
fragte, wie er über das Musikspielen denke, habe er gesagt, er sehe es in
Bezug auf das Tanzen. Das habe sie zusammengebracht, abgesehen davon, dass
Taylor ihn mit vielen anderen Musikern zusammenspielen hörte und seine
Spielweise mochte. (QUELLE: Michael J. West, “All That’s Rhythm!” A Chat
With Drummer Andrew Cyrille, 14. März 2012, Internet-Adresse:
http://www.washingtoncitypaper.com/blogs/artsdesk/music/2012/03/14/all-thats-rhythm-a-chat-with-drummer-andrew-cyrille/)
-
QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 56
[orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
-
QUELLE: YouTube-Video von einem Auftritt der Cecil Taylor Unit mit
Tänzern in Deutschland im Jahr 1983, Internet-Adresse:
https://www.youtube.com/watch?v=LAbAD8R3_94
-
John Miller Chernoff: Westlicher Tanz sei im Gegensatz zu afrikanischem
„grundsätzlich bildhaft und mimetisch”. (QUELLE: John Miller Chernoff,
Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 171)
-
Billy Hart: Wenn Higgins überhaupt von der Musik Ornette Colemans
beeindruckt worden sein sollte, so habe er sie jedenfalls zum Swingen
bringen wollen, was nicht einfach gewesen sei. Warum Higgins statt Ed
Blackwell in Colemans Band war, als Coleman nach New York kam, wisse er
nicht. Möglicherweise habe es die Band annehmbarer gemacht, weil sie so hart
swingte. (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Jänner
2006, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse:
http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html,
betreffende Stelle in eigener Übersetzung:
Link – Der wahre Grund war nach Ed Blackwells Aussage folgender: Als
sich Ornette Coleman für seine erste Aufnahme bereitmachte, sei er
(Blackwell) in New Orleans gewesen. Coleman habe ihm eine Fahrkarte
geschickt, damit er zu ihm nach Los Angeles komme, aber er sei gerade mitten
in einem anderen Projekt gewesen, aus dem er nicht aussteigen wollte, und
außerdem habe er von Kalifornien genug gehabt, nachdem er und Coleman bei
ihrem früheren Aufenthalt dort nicht gut ankamen. Higgins [der seit seiner
Geburt in Los Angeles lebte] sei vor Ort gewesen und habe (gemeinsam mit Don
Cherry) zuvor oft zugehört, wie Coleman und Blackwell miteinander spielten.
So sei Higgins die logische Wahl gewesen. Higgins sei dann mit Colemans Band
nach New York gegangen. Dort hätten viele nicht gewusst, dass er (Blackwell)
schon viel mit Coleman gespielt hatte, und hätten Higgins als Colemans
ersten Schlagzeuger betrachtet. (QUELLE: David J. Schmalenberger,
Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection
of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 44 und 46,
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
Ethan Iverson: Ornette Coleman habe ihm auf seine Frage geantwortet, dass er
lieber mit Blackwell spielte als mit Higgins, da Blackwell die
„wahrhaftigsten Phrasen“ gespielt habe. (QUELLE: Ethan Iverson,
Interview with Billy Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do
the Math, Internet-Adresse:
http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html,
betreffende Stelle in eigener Übersetzung:
Link
-
QUELLE: Ted Panken, Edward Blackwell, WKCR, May 4, 1986, Ted
Pankens Internetseite, 21. Juli 2011, Internet-Adresse:
https://tedpanken.wordpress.com/2011/07/21/edward-blackwell-wkcr-may-4-1986/
-
Steve Coleman: Blackwell sei ein echter Art Form-Musiker gewesen. Er habe
eine natürliche Form gehabt, in dem, was er machte, und außerdem diese
„Drum-Chant“-Sache [ein Ausdruck von Doug Hammond für eine gewisse Art
melodischen Trommelns]. Blackwell habe das in die Gruppe Ornette Colemans
eingebracht, sodass sie (zumindest die frühe Gruppe) nicht diese wogende Art
von Schlagzeugern wie Rashied Ali hatte, sondern Grooves und so weiter,
obwohl es all das „verrückte Ornette-Zeug“ obendrauf gab. Später habe sich
Blackwell mit ihm (Steve Coleman) und dem Schlagzeuger Marvin „Smitty“ Smith
zusammengesetzt und ihnen einiges von seiner Spielweise gezeigt. Er habe
geswingt und sei ganz plötzlich in diese Chants und so weiter gegangen und
dann wieder zurück in den Swing. So sei er hin und her gegangen. (QUELLE:
von Ronan Guilfoyle am 9. März 2013 geführtes Interview mit Steve Coleman,
eigene Übersetzung:
Link
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 55, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger, Ghana, Kamerun, Gabun, Liberia, Sierra
Leone, Elfenbeinküste; außerdem in drei nord-afrikanische und in den
Libanon; im selben und im darauffolgenden Jahr war er an zwei weiteren
Tourneen Westons nach Marokko beteiligt (QUELLE: David J. Schmalenberger,
Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection
of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 71 und 73,
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 67, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
Zum Beispiel lernte er eine Reihe von Rhythmen, unter anderem ein
Glocken-Muster, das er im Stück Amejelo (Album Mu, 1969)
verwendete. Er erzählte auch, dass er sich nach der Afrika-Reise verstärkt
auf die Entwicklung einer „koordinierten Unabhängigkeit“ der Gliedmaßen
konzentrierte (um noch mehr an Polyrhythmik zu erreichen). (QUELLE: David J.
Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The
Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000,
Dissertation, S. 90, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 90, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 96, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 96, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
Zum Beispiel adaptierte Blackwell einen Rhythmus der königlichen Hofmusik
der Aschanti in Ghana und verwendete ihn (zum Teil in Variationen) häufig,
unter anderem im Stück Duet von David Murrays Album Morning
Song aus 1983. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic
Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New
Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 97 und 116f.,
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
Album Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed Blackwell, Old And New
Dreams (1979)
-
David J. Schmalenberger: Seine Analyse von Aufnahmen, die die Entwicklung
von Blackwells Trommelstil zwischen 1976 und seinem Tod im Jahr 1992
abbilden, bestätige, dass Blackwells Trommelsprache zum größten Teil in
frühen Jahren seiner Karriere etabliert wurde. Die Transkriptionen würden
zeigen, dass er auch nach seinen Afrikareisen (1967/1968) überwiegend
rhythmische Strukturen und Beat-Muster einsetzte, die bereits in seinem
Trommel-Vokabular etabliert waren. (QUELLE: David J. Schmalenberger,
Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection
of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 99,
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 60f, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 201
[orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
-
Ed Blackwell: Sein größter Einfluss im Jazz sei gewesen, dass er den
Straßenparaden in New Orleans folgen konnte. Die Rhythmen, die bei diesen
Paraden gespielt wurden, seien so schön gewesen, dass er immer noch die
rhythmische Inspiration fühle, die er erhielt, als er hinter den Paraden,
die manchmal von Beerdigungen kamen, herlief. Es sei so toll gewesen.
Praktisch bei jedem Schlagzeuger aus New Orleans könne man die Paraden- und
Straßen-Beats in seinem Spiel hören. (QUELLE: David J. Schmalenberger,
Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection
of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 6,
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0,
Quellenangabe: Valerie Wilmer, The Drummer: Street Parade Fan,
Melody Maker, 9. März 1968, S. 10) – David J. Schmalenberger: Blackwell habe
auch die Mardi-Gras-Indianer als frühen Einfluss genannt. Blackwells
musikalische Ausbildung seiner Jugendzeit habe vor allem auf den Einflüssen
der Parade-Rhythmen, der afro-amerikanischen Karnevalsgesellschaften, der
Lehrer Paul Barbarin (der unter anderem an Aufnahmen von Louis Armstrong,
Jelly Roll Morton und King Oliver beteiligt war) und Wilber Hogan (der unter
anderem mit Lionel Hampton und Ray Charles spielte) sowie der damaligen
Rhythm-and-Blues-Szene von New Orleans beruht. (QUELLE: David J.
Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The
Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000,
Dissertation, S. 6 und 11, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
– Billy Hart: Blackwell habe einen der klarsten Becken-Beats gehabt. Nun, er
sei von New Orleans gekommen. Schlagzeuger aus dieser Stadt, würden von
Geburt an, gleich nach dem Durchschneiden der Nabelschnur, ein spezielles
Abzeichen mitbekommen. Es besage: „Du wirst für den Rest deines Lebens
großartige Time haben.“ (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy
Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do the Math,
Internet-Adresse:
http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html, eigene
Übersetzung:
Link
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 56, 68 und 89, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
Ed Blackwell: Vor der Zusammenarbeit mit Ornette Coleman habe er im
Allgemeinen in der üblichen Weise gespielt: 32, 12 oder 16 Takte, dann den
Turnaround [ein paar Akkorde, die zwischen dem Ende und dem Neubeginn der
Akkordfolge eines Stückes eingeschoben werden, da Schluss- und Anfangsakkord
häufig dieselben sind] und dann beginne man wieder von vorne. Bei Coleman
sei das aber anders gewesen, denn der habe nicht in dieser Art gespielt,
sondern mehr oder weniger in Phrasen. Er habe einfach gespielt und Phrasen
verwendet. Sein Turnaround habe zum Beispiel auf 11 ½ Takte ausgedehnt sein
können und er (Blackwell) habe genau hinhören müssen, um den Turnaround
mitzuvollziehen. Das sei eine Lernerfahrung gewesen, denn Colemans Art von
Musik habe einen ganz anderen Zugang zum Schlagzeugspiel erfordert. Dieser
Lernprozess habe in den Jahren von 1953 bis 1956 stattgefunden. (QUELLE: Ted
Panken, Edward Blackwell, WKCR, May 4, 1986, Ted Pankens
Internetseite, 21. Juli 2011, Internet-Adresse:
https://tedpanken.wordpress.com/2011/07/21/edward-blackwell-wkcr-may-4-1986/)
– Ed Blackwell: Coleman habe mit der „Eins” einmal hier und das nächste Mal
woanders begonnen. Man habe also hören müssen, wo er die „Eins“ hin setzt,
um ihm zu folgen. Richtete man sich danach, wo für einen selbst die „Eins“
war, und spielte man eine AABA-Form, dann funktionierte das nicht. –
Schmalenberger: Diese Erfahrungen mit flexiblen Songformen und „beweglichen“
Downbeats hätten Blackwell zu einem „freieren“ Schlagzeugspiel geführt.
Umgekehrt begann auch Coleman, auf Blackwell zu hören, was wiederum Coleman
als Gewinn an Freiheit empfand. (QUELLE: David J. Schmalenberger,
Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection
of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 43;
Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 98, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0,
Quellenangabe: Kalamu ya Salaam, Edward Blackwell.The Rhythm King,
Zeitschrift Coda, Nummer 218, Februar/März 1988, S. 4
-
Ed Blackwell zum Stück Message to the Ancestors: Es brauche immer
etwas, mit dem sich die Hörer identifizieren können, etwas, das sie
mitnehmen können, nachdem sie das Album gehört haben, etwas, das sie
behalten können. Die Musiker müssten nach etwas streben, das sie den Hörern
ins Ohr geben können. So sei Graves und Cyrilles Album zwar sehr
interessant, aber wenn man nicht selbst ein Schlagzeuger ist, dann könne man
darin nur wenig Interessantes finden. Einfach nur eine Menge
unterschiedlicher Klänge auszuprobieren … das sei nichts wirklich Neues.
(QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 36, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0,
Quellenangabe: Howard Mandel, Blindfold Test – Ed Blackwell,
Zeitschrift Down Beat, Jahrgang 47, Nr. 7, Juli 1980, S. 51)
-
Ed Blackwell: Er versuche immer, das Feeling zu erzeugen, das er als Kind in
New Orleans hatte. Er versuche immer, sich des Hörers bewusst zu sein, zumal
er selbst als Junger ein so begeisterter Hörer war. Wenn er die gleiche Art
von Glücksgefühl vermitteln kann, wie er es als Kind hatte, dann mache er
wirklich Musik. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of
Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West
Africa, 2000, Dissertation, S. 101, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0,
Quellenangabe: Valerie Wilmer, The Drummer: Street Parade Fan,
Melody Maker, 9. März 1968, S. 10)
-
Er war zwar an dem unter Coltranes und Don Cherrys Namen erschienen Album
The Avant-Garde (1960) beteiligt, doch war dieser Versuch einer
Kombination von Coltrane mit Ornette Colemans Band nicht sehr gelungen und
Blackwell wirkt als Begleiter Coltranes im Vergleich zu Elvin Jones
leichtgewichtig.
-
zum Beispiel in: Ornette Coleman, Ornette! (1961), Stück 2-T. &
T.; Eric Dolphy/Booker Little, Memorial Album (1961), Stück 1-Number
Eight; Charles Brackeen, Rhythm X (1968), Stücke 1-Rhythm
X, 2-Hour Glass, 3-Charles Concept, 4-C. B. Blues;
Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed Blackwell, Old And New Dreams
(1979), Stück 2-Togo; Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed
Blackwell, Old And New Dreams – Playing (1980), Stücke 2-Mopti,
1-Happy House, 4-Rushour; Don Cherry/Ed Blackwell, El
Corazón (1982), Stück 4-Street Dancing; David Murray,
Morning Song (1983), Stücke 3-Light Blue Frolic, 5-Off
Season; Ed Blackwell Project, What It Is? (1992), Stück 6-Mallet
Song
-
QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed
Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa,
2000, Dissertation, S. 46, Internet-Adresse:
http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
-
Billy Hart: Ed Blackwell sei einer der Haupt-Schlagzeugeinflüsse des
20. Jahrhunderts. Durch seine Verbindung zur afrikanischen Diaspora habe
sein so genanntes Avantgarde-Schlagzeugspiel alle [künftige] Weltmusik
angedeutet – „ancient to the future“ [aus uralter Zeit in die Zukunft; ein
Leitspruch der Avantgarde-Musiker der Chicagoer AACM-Vereinigung]. (QUELLE:
Willard Jenkins [als „The Independent Ear“], Remembering Ed Blackwell,
18. September 2013, Internetseite Open Sky Jazz, Internet-Adresse:
http://www.openskyjazz.com/2013/09/remembering-ed-blackwell/)
-
wo seit den 1960er Jahren sehr viele Lateinamerikaner, insbesondere Kubaner
leben
-
Steve Coleman: Doug Hammond sei immer an west-afrikanischer Musik, am
Diaspora-Zeug, an afro-kubanischer Musik und so weiter interessiert gewesen.
Er sei früher mit einigen kubanischen Musikern beisammen gewesen und sei aus
Florida gekommen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways,
Blog/M-Blog Episode 1: Overview, Part I, Audio ab 03:26 Minuten,
veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse:
http://m-base.net)
-
Ein „Chant” ist eine Art rhythmischer Sprechgesang, der oft um bestimmte
Töne kreist sowie sehr repetitiv ist und in Gebeten (buddhistischen,
christlichen, islamischen usw.) verwendet wird.
-
Doug Hammond: Die Komposition Perspicuity [Klarheit, Deutlichkeit,
Durchsichtigkeit] führe den „Trommel-Chant“ als modernen Stil für den
Vierer-Rhythmus ein, bei dem die Funktionen des Schlagzeugs eine komplette
Rhythmusgruppe bilden, etwa die Bass-Trommel als Bass, die Snare-Trommel als
Klavier, Becken oder Kuhglocken als Schlagzeug. (QUELLE: Begleittext zu Doug
Hammonds Album Perspicuity, 1981/1982)
-
nach Steve Colemans Beschreibung, die miteinander verflochtene melodische
Linien wie in Johann Sebastian Bachs Musik meint
-
Steve Coleman: Er habe [bevor er 1979 als 23-Jähriger mit Hammond zu spielen
begann] Folkways- und UNESCO-Aufnahmen von west-afrikanischen
Regenwald-Leuten gehört und mit verschiedenen Formen experimentiert, doch
habe etwas gefehlt. Hammonds Musik habe dann perfekt zu all dem gepasst. Es
sei nicht bloß das rhythmische Konzept und die Melodiosität gewesen, sondern
wie er von Punkt zu Punkt gelangte – die Platzierung, wie Dizzy Gillespie es
bezeichnete, nachdem er Parker hörte [siehe nachfolgendes Zitat von
Gillespie]. Die effektiven Rhythmen, die Verwurzelung, der tiefgehende
Groove seien überzeugend gewesen. Es habe sich hip angefühlt, nicht bloß wie
eine intellektuelle Übung. Was Hammond machte, sei für die Musik sehr
bedeutend. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar,
Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 20)
– Coleman scheint folgende Aussage Dizzy Gillespies gemeint zu haben (die
Coleman in seinem Artikel über Parker im Zusammenhang mit dem Stück 52nd
Street Theme zitierte), obwohl Gillespie darin nicht ausdrücklich von
Platzierung sprach: Er glaube, dass er harmonisch ein wenig
fortgeschrittener war als Charlie Parker. Aber rhythmisch sei Parker
wesentlich fortgeschrittener gewesen, hinsichtlich des Aufbauens einer
Phrase und wie man von einer Note zur nächsten gelangt. Wie man von einer
Note zur nächsten gelangt, das mache wirklich den Unterschied aus. Parker
habe Rhythmen und rhythmische Muster anders gehört und nachdem sie
miteinander zu spielen begannen, habe er (Gillespie) begonnen, rhythmisch
mehr wie Parker zu spielen. In diesem Sinn habe er ihn und alle von ihnen
beeinflusst, denn was den Stil ausmacht, sei nicht, was man spielt, sondern
wie man es spielt. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to
Bop, 2009/1979, S. 177)
-
Steve Coleman: Hammond habe das Schlagzeug in einer Weise gespielt, die
Harmonien ersetzte. – Doug Hammond: Er betrachte das Schlagzeug wie ein
Orchester. Die Idee des Drum-Chants sei, vom Song und dem Rhythmus
wegzuspielen statt von Akkordwechseln. Alle hätten ihn angesehen, als wäre
er verrückt, aber Steve Coleman sei daran interessiert gewesen, diese Sachen
zu machen. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar,
Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9,
S. 20f.) – Steve Coleman: Aus Hammonds Sicht bildeten einfach die Rhythmen
die „Changes“ [Wechsel, Akkordwechsel als Improvisationsgrundlage]. (QUELLE:
Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog
Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 1 im Abschnitt 20:03 bis
20:37 Minuten, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse:
http://m-base.net)
-
QUELLE der Darstellung von Hammonds Innovationen (soweit nicht anders
angegeben): Steve Coleman in dem von Ronan Guilfoyle am 9. März 2013
geführten Interview, eigene Übersetzung:
Link
-
Er bestritt im Jahr 1968 einmal mit Sonny Rollins ein Engagement im
Village Gate (Rollins spielte mit vielen wechselnden Begleitern) und
ersetzte in den Jahren 1972/1973 eine Zeit lang Charles Mingus‘ bevorzugten
Schlagzeuger Dannie Richmond, bis dieser wieder in die Mingus-Band
zurückkehrte. Das von Mingus im Oktober 1973 aufgenommene Album Mingus
Moves enthält Hammonds Komposition Moves und in diesem Stück
sang Hammond, das Schlagzeug wurde in diesem Album jedoch von Dannie
Richmond gespielt. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known
Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42,
Nummer 9, S. 21).
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Doug Hammond: Er sei sehr überrascht gewesen, dass Steve Coleman [der sich
ihm 1979 als 23-Jähriger anschloss] seine Musik lesen und interpretieren
konnte. Mit ihm habe er die Möglichkeit gehabt, alles zu machen, was er
Hammond wollte, denn alles, was er schrieb, habe Coleman gespielt. (QUELLE:
Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift
JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 21)
-
Zum Beispiel Vijay Iyer: Er schreibe – anders als viele Jazz-Komponisten –
spezifische Parts für das Schlagzeug. Das habe er aus der Zusammenarbeit mit
Steve Coleman gelernt, der es von Doug Hammond habe, und letztlich hätten
sie es natürlich alle von afrikanischer Musik. (QUELLE: Dean Christesen,
Vijay Iyer: Intellect Meets Creativity, 2009, Internet-Adresse:
http://rvanews.com/etc/vijay-iyer-intellect-meets-creativity/21440) –
Marvin „Smitty” Smith: Das Wichtigste sei, horizontal, linear zu denken.
Dieser Zugang beruhe auf einem Einfluss eines Schlagzeugers namens Doug
Hammond, mit dem Steve Coleman spielte. Hammond habe für jedes Stück einen
speziellen Schlagzeug-Part gehabt, statt einfach für 32 Takte oder wie auch
immer Time zu spielen. Es habe spezifische Stellen gegeben, an denen die
Bass-Trommel, die Snare-Trommel, das Becken, die Hi-Hat und so weiter
spielen. Hammond habe es einen „Chant“ genannt, offenbar weil es sein
eigenes Ostinato hat. Wenn man einen solchen Part hat, dann sei das wie das
Spielen einer Melodie. Man denke nicht, was man auf jeder einzelnen Achtel-
oder Sechzehntelnote macht, sondern an die Melodie, die man spielt. Statt
dass man dasitzt und in seinem Kopf mathematisch zählt, spiele man Phrasen.
Diese würden einem im Kopf haften bleiben, denn man höre sie als Musik,
nicht als isolierte Schläge. Wenn man auf diese Ebene gelangt, dann sei man
in der Lage, mehr innerhalb der Musik zu spielen. (QUELLE: Dokumentarfilm
Doug Hammond – The Talking Drum von Helmut Schönleitner,
YouTube-Trailer, Internet-Adresse:
https://www.youtube.com/watch?v=PXvNgFD7uFM) – Steve Coleman: Was
Schlagzeuger wie Marcus Gilmore und Tyshawn Sorey heute [2012] machen, sei
in seinen Augen eine aktualisierte Version von dem, was Doug Hammond machte.
(QUELLE: Ted Panken, Overdue Ovation: Doug Hammond, 2012, Internet-Adresse:
http://jazztimes.com/articles/62614-overdue-ovation-doug-hammond)
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Ted Panken: Im Jahr 1971 habe Hammond mit dem Gitarristen James Blood Ulmer
und dem Bassisten John Dana im Minton’s Playhouse in Harlem ein
ausgedehntes Engagement als Hausband bestritten. Hammond: Ulmer habe zu ihm
gesagt, sie beide müssten „gleichzeitig zwei Instrumente spielen“, um den
Sound auszufüllen. Das habe er ernst genommen und damit habe die
Drum-Chant-Sache begonnen. Er sei es überdrüssig gewesen, alles in 4/4 zu
spielen, und habe beschlossen, nicht zu jammern, sondern etwas zu
komponieren, um es interessant zu machen. (QUELLE: Ted Panken, Doug
Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes,
November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 21)
-
Näheres im Artikel Funk:
Link
-
QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994,
S. 140
-
insbesondere in Ghana, wo besonders reiche Trommeltraditionen beheimatet
sind
-
John Miller Chernoffs Buch African Rhythm and African Sensibility.
Aesthetics and Social Action in African Idioms wurde in den Jahren
1973/1974 verfasst und erschien 1979 (deutsche Ausgabe: Rhythmen der
Gemeinschaft. Musik und Sensibilität im afrikanischen Leben, 1994).
-
John Miller Chernoff: „Fragt man einen Afrikaner, ob er eine bestimmte Art
von Musik ‚verstehe’, dann sagt er ‚ja’, wenn er den Tanz kennt, der zu
dieser Musik gehört.“ – „Wer einem afrikanischen Freund eine Schallplatte
mit amerikanischem Jazz – selbst mit allen Charakteristika afrikanischer
Musik – vorspielt, kann von dem unruhig auf seinem Stuhl Herumrutschenden
hören: ‚Was nur, sollen wir damit anfangen?’“ (QUELLE: John Miller Chernoff,
Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 43)
-
zum Begriff des Zyklus:
Link
-
insbesondere durch Walking-Bass und Ride-Becken-Figur
-
des Küstenstreifens entlang des Golfs von Guinea (von Sierra Leone ostwärts,
besonders im Süden von Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin bis Ost-Nigeria)
-
QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994,
S. 137 – Näheres zu west-afrikanischer Trommelmusik im Artikel
Tanztrommeln:
Link
-
Martin Pfleiderer: Im neueren Jazz seien viele Möglichkeiten der
Rhythmusgestaltung entstanden. „Während ein metrischer Bezugsrahmen aufgrund
eines regelmäßigen harmonischen Formschemas sowie konventioneller
Begleittechniken (Walking Bass und Ride Cymbal-Pattern) durchweg bestehen
bleibt, ergeben sich im Spiel der Rhythmusgruppe und in den Improvisationen
der Solisten große rhythmische Gestaltungsfreiheiten, die von den Musikern
in unterschiedlichem Maße und unter Einsatz verschiedener Strategien genutzt
werden: durch Betonung von Offbeats [Schläge zwischen dem Beat], durch
unregelmäßige Akzentuierungsstrukturen, durch ein variierendes und
desorientierendes Spiel mit rhythmischen Zellen sowie durch kreuzrhythmische
Überlagerungen und metrische Ambivalenzen.“ (QUELLE: Martin Pfleiderer,
Rhythmus, 2006, S. 334)
-
Nähere Erklärung dazu im Artikel Steve Colemans Substrat:
Link
-
Steve Coleman: Jede Musik könne starr oder steif erscheinen und es gebe
unterschiedliche Auffassungen von solchen Begriffen, wie auch etwa von
funky. Er habe kürzlich mit Doug Hammond darüber gesprochen, dass Leute
aus verschiedenen Erdteilen unterschiedliche Auffassungen von diesen Wörtern
haben. Letztlich hänge ihre Auffassung von ihrer Kultur und davon ab, wie
sich Leute aufeinander beziehen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite
M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave,
Beitrag Nr. 3306 vom 5. August 2014, Internet-Adresse:
http://m-base.net) – In einer anderen Aussage erwähnte Steve Coleman,
dass bei Musikern wie Charlie Parker, Elvin Jones und so weiter Lockerheit
eine Grundhaltung sei. Auch brachte er Jones Aussage mit Folgendem in
Zusammenhang: West-afrikanische Trommelmusik ist innerhalb ihrer Zyklen sehr
dicht strukturiert, enthält jedoch kaum größere Formen und längere
musikalische Entwicklungen. Im Jazz hingegen werden durchaus übergreifende
Strukturen (früher etwa die Form populärer Songs mit ihren verschiedenen
wiederkehrenden Teilen) verwendet und die große Bedeutung der melodischen
Improvisation bedingt zwangsläufig eine Tendenz zu längeren, fließenden
Entwicklungen, die das strenge Raster der Zyklen überdecken. Coleman
beobachtete in klassischer indischer und europäischer Musik eine Neigung zu
weiträumigeren Strukturen sowie längeren Linien und führte sie auf die
Schriftlichkeit der dortigen Kulturen zurück, während die im Wesentlichen
auf mündlicher Überlieferung beruhenden west-afrikanischen Traditionen eine
einzigartig hochentwickelte, jedoch sehr zyklische Polyrhythmik
hervorbrachten. Die afro-amerikanischen Musikkulturen seien hybrid, sodass
die Musiker hier gute Chancen hätten, mit beidem umzugehen. Zudem hätten
Musiker wie Max Roach die besondere Fähigkeit entwickelt, einerseits ein
gewisses rhythmisches Konstrukt aufrechtzuhalten und gleichzeitig darüber in
einer spontanen Weise zu komponieren (improvisieren). Näheres dazu:
Link – Wohl könnte der im Vergleich zu klassischer indischer und
europäischer Musik sehr zyklische Charakter west-afrikanischer Trommelmusik
auch auf ihre Tanzfunktion zurückzuführen sein. Schriftlichkeit könnte dabei
insofern eine Rolle spielen, als Schriftkulturen möglicherweise mehr zu
Musikereignissen in Form von Vortrag, Aufführung und Betrachtung als zu
gemeinschaftlichem rhythmischem Tanz neigen. Einen sehr zyklischen Charakter
hat wohl auch James Browns Funk und Brown wuchs in derselben westlichen
Kultur auf wie Charlie Parker und Elvin Jones, deren Musik über enge
zyklische Strukturen hinausgeht.
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Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Beginn des Stücks Fortitude
and Chaos (Album The Opening of The Way, 1997): Wenn zum
Conga-Spiel und der auf der Glocke geschlagenen Rumba-Clave der Bass und das
Schlagzeug hinzutreten, ergibt sich eine zunächst verwirrende Spannung, doch
wird bald spürbar, dass sich die unterschiedlichen rhythmischen Schichten
sehr wohl ineinanderfügen und einen mächtigen Gesamtrhythmus bilden.
-
Näheres zu Steve Colemans Rhythmuskonzept sowie entsprechende Quellen im
Artikel Steve Colemans Substrat:
Link
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