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Afrikanisierung


Jazz sei eine großartige Sache, aber sein Rhythmus sei sehr monoton, fand der afro-kubanische Musiker Mario Bauzá,1) der im Jahr 1930 nach New York auswanderte und dort in angesehenen Swing-Bigbands arbeitete. Er brachte seine musikalischen Erfahrungen aus Kuba ein und suchte nach einer Möglichkeit der „Vermählung“ (wie er sagte) von Jazz mit afro-kubanischer Rhythmik. Es gab im Jazz seit jeher manche Anklänge an karibische Musik, zum Beispiel spielte der Pianist Jelly Roll Morton bereits in der Frühzeit des Jazz mitunter mit der linken Hand einen einfachen karibischen Rhythmus2) und setzte ihm mit der rechten Hand ein Blues-gefärbtes Spiel entgegen3). Morton betrachtete solche Elemente aus dem spanisch-sprachigen Raum als wesentlich für den Jazz und bezeichnete sie als „Spanish Tinge“ – spanische (lateinamerikanische) Tünche, Färbung.4) Dem Orchester von Duke Ellington gehörte ab 1929 der aus Puerto-Rico stammende Posaunist Juan Tizol an, der einige hübsche Stücke mit karibischem Flair schrieb.5) Solche lateinamerikanischen Anleihen des Jazz nutzten jedoch nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil das reiche rhythmische Potential afro-karibischer Traditionen. Von den Modewellen lateinamerikanisch gefärbter Popmusik der 1920er und 1930er Jahre6) wurde der Jazz im Übrigen nur wenig berührt7). – In den Jahren 1938 bis 1940 wirkte Bauzá im Orchester des Sängers und Entertainers Cab Calloway mit und seine Bemühungen um eine „Vermählung“ schlugen sich damals vor allem in seinem Stück Chili con Conga nieder, das Calloway im Oktober 1939 aufnahm. Für dieses Stück wurde die Rhythmusgruppe durch kubanische Instrumente (Claves, Maracas und Congas) erweitert8) und sie erzeugte ein Rhythmus-Gewebe in der Art populärer kubanischer Tanzorchester9). Calloway lieferte dazu einen belanglosen Gesang, dessen rhythmische Akzente nicht recht passten und deutlich machten, dass er mit den kubanischen Rhythmen nicht vertraut war.10) Was als Jazz-Anteil des Stückes betrachtet werden kann, beschränkt sich auf ein arrangiertes Spiel der Bläsergruppe im letzten Drittel des Stücks, das Bigband-Sounds im Stil des damaligen Jazz hinzufügte. Die Bläser-Arrangements haben mehr rhythmischen als melodischen Charakter und passen sich mit scharfer Akzentuierung (anstelle der lockeren Art des Swings) der kubanischen Rhythmik an.11) Ein Solo oder sonst einen improvisierten Teil enthält das Stück nicht.

Im selben Jahr (1939) brachte Bauzá den jungen afro-amerikanischen Trompeter Dizzy Gillespie in Calloways Band, nachdem er ihn spielen hörte und sich dachte, dass Gillespie die „Vermählung“ zustande bringen könnte12). Er lehrte ihn kubanische Rhythmen und regte ihn an, sich kubanische Bands anzuhören, was Gillespies Begeisterung für kubanische Polyrhythmik13) entfachte.14) Gillespie war allerdings bereits zuvor mit ihr in Berührung gekommen und letztlich knüpfte diese Begeisterung an Kindheitserfahrungen mit rhythmischer Mehrschichtigkeit in einer Sanctified-Kirche South Carolinas an.15) Unter dem kubanischen Einfluss komponierte Gillespie das Stück Pickin‘ the Cabbage, das im März 1940 von der Calloway-Band aufgenommen wurde. Es zeigt an der Oberfläche keinen kubanischen Charakter, doch enthält es eine polyrhythmische Spannung zwischen Swing-Rhythmus und einem Ostinato16), wie es in kubanischer Musik verwendet wird. Nur in einem Zwischenteil des Themas17) löst sich die Spannung vorübergehend durch einen Wechsel zum geradlinigen Swing auf.18) Das einzige Solo des Stückes spielte Gillespies selbst und er versuchte darin, mit seinen Melodielinien die rhythmisch und harmonisch herausfordernden Strukturen des Stückes elegant zu verarbeiten. Calloway nahm von einem Gesangsbeitrag Abstand.

Gillespies Stück mag noch nicht seiner späteren Meisterschaft entsprochen haben19) und Bauzás Chili con Conga wäre wohl ein wenig anders ausgeführt worden, wenn Bauzá der Leiter der Calloway-Band gewesen wäre, doch zeichneten sich bereits in diesen beiden Stücken die unterschiedlichen Wege ab, auf denen Gillespie20) und Bauzá eine Verbindung von kubanischer Polyrhythmik und Jazz anstrebten: Bauzá übernahm Anfang der 1940er Jahre die musikalische Leitung der Band des ebenfalls ausgewanderten afro-kubanischen Sängers Machito und entwickelte für sie eine eigene Art von Bläser-Arrangements, sodass die Machito and His Afro-Cubans genannte Band schon nach wenigen Jahren mit einer ausgereiften Verbindung von kubanischen Tanzmusik-Songs und Bläser-Sounds aus dem Bigband-Jazz erfolgreich wurde. Diese Musik wurde später als „Latin-Jazz“ bezeichnet, doch beschränkte sich ihr Jazz-Anteil im Wesentlichen wiederum auf Anleihen aus der Arrangier-Praxis der Swing-Orchester, wobei die Bläser-Parts überwiegend rhythmische Funktionen erhielten und in ihrer Ausführung (anstelle der lockeren Art des Jazz) an die kubanische Rhythmik angepasst wurden.21) Soweit Jazz-ähnliche Improvisationen überhaupt vorkamen, spielten sie nur eine geringe Rolle.22) Letztlich war diese Art von „Latin-Jazz“ eine populäre afro-kubanische Tanzmusik mit einer „Färbung“ durch Klänge aus dem Bigband-Jazz – vergleichbar mit der umgekehrten Färbung mancher Jazz-Stücke durch eine „Latin-Tinge“. In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre ließ man die Machito-Band öfters mit Jazz-Solisten zusammenspielen. Die meisten der dabei gemachten Aufnahmen zeigen allerdings mehr die grundsätzlichen Differenzen zwischen kubanischer Musik und Jazz, als dass sie eine organische Verbindung ergaben.23) Im Übrigen wurde „Latin-Jazz“ zu einem Sammelbegriff für recht unterschiedliche Musikarten, die als mehr oder weniger lateinamerikanisch und Jazz-artig wahrgenommen werden. Vieles davon hat nur wenig Jazz-Qualität und erreicht auch bei weitem nicht die Komplexität und Intensität rhythmisch anspruchsvoller afro-kubanischer Traditionen, etwa der echten Rumba24)- und Batá25)-Musik.26)

Dizzy Gillespie entwickelte die dem Stück Pickin‘ the Cabbage zugrundeliegenden Ideen weiter, zunächst vor allem in seiner 1942 geschriebenen Komposition Night in Tunisia. Auch dieses Stück beginnt mit einem Bass-Ostinato sowie einer polyrhythmischen Spannung in kubanischer Art und wechselt in einem Zwischenteil vorübergehend zum swingenden Jazz-Beat.27) Es hat interessante, damals ungewöhnliche Harmonien28) sowie eine exotische, fast orientalische Melodie29) und wurde später von vielen anderen Musikern gespielt. Schon früh waren Gillespies Stücke und Arrangements gefragt, doch kam er wenig zum Schreiben, weil es ihm in erster Linie um das Spielen ging30), um die Jazz-Improvisation, also das spontane Gestalten von Melodielinien als Hauptteil der musikalischen Aussage. In der Musik der kleinen, auf improvisatorische Entfaltung ausgerichteten Gruppen, die Musiker wie Gillespie und Charlie Parker in den 1940er entwickelten, dienten vorgefasste Kompositionen und Arrangements vor allem als Grundlage für Improvisationen, indem sie eine in den Soli zu bewältigende Struktur vorgaben und einen thematischen Ausgangspunkt boten. Viele ihrer Stücke entstanden selbst aus Improvisationen. Gillespie und Parker beteiligten sich neben ihrem Job in einer Bigband an vielen inoffiziellen Zusammenkünften von Jazz-Musikern („Jam-Sessions“), um Erfahrungen zu sammeln und Neues auszuprobieren. Sie hatten sogar Gelegenheit, bei Benefizveranstaltungen für eine Organisation zur Unterstützung von Studenten aus Afrika mit afrikanischen und kubanischen Perkussionisten zusammenzuspielen, nachdem sich Gillespie im Jahr 1945 mit dem Leiter der Organisation, einem politisch engagierten Nigerianer, befreundet hatte. Gillespie erzählte, dass er, Parker und der Schlagzeuger Max Roach gemeinsam mit den afrikanischen und kubanischen Trommlern spielten, ohne Bass oder sonstige Begleitung. Sie hätten auch für den afrikanischen Tänzer Asadata Dafora gespielt. Diese Konzerte seien für sie sehr wichtig gewesen, denn durch sie hätten sie die Zusammenhänge zwischen afro-kubanischer und afrikanischer Musik sowie die Gemeinsamkeiten, die beide mit ihrer Musik verbinden, entdeckt. Es sei großartig gewesen, dadurch die eigene Identität zu entdecken.31) Mit afrikanischer Musik und einer selbstbewussten afrikanischen Bewegung in Berührung zu kommen, war für Gillespie und Parker also sowohl in musikalischer Hinsicht als auch hinsichtlich ihres Selbstverständnisses eine wichtige Erfahrung. Gillespie beklagte, dass den Afro-Amerikanern zuvor eine Kenntnis ihrer afrikanischen Herkunftskulturen verwehrt wurde. Während „weiße“ Amerikaner ihre Abstammung etwa aus Deutschland, Frankreich oder Italien kennen, könnten Afro-Amerikaner über sich nicht mehr sagen, als dass sie „Farbige“ seien. So höre man in ihrer Musik auch wesentlich weniger vom afrikanischen Erbe als in anderen Teilen der Welt, etwa in Brasilien und der Karibik. In Nordamerika hätte man ihnen einfach die Trommeln und damit auch die afrikanische Polyrhythmik weggenommen, sodass sich die afro-amerikanische Musik monorhythmisch entwickelte. Er sei jedoch immer besonders an Rhythmus interessiert gewesen und aufgrund dieses Interesses habe er jede Gelegenheit wahrgenommen, etwas über die Verbindungen zu Afrika und afrikanischer Musik zu erfahren.32)

Bereits die über viele Jahrhunderte im arabischen Raum betriebene Sklavenhaltung unzähliger Menschen aus Afrika33) wurde häufig damit gerechtfertigt, dass die Versklavten primitive, dem Stand von Tieren nahe Wesen seien, die durch die Sklaverei in die Zivilisation und zur wahren Religion gelangen würden34), obwohl sie dabei auf unzivilisierteste Weise missbraucht wurden35). In den USA konnte sich die afro-amerikanische Minderheit gegen das vorherrschende, beschämende36) Bild, aus einem „dunklen“, kulturlosen Afrika zu stammen, erst im Zuge der Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre in stärkerem Maß zur Wehr setzen.37) Die meisten Afro-Amerikaner hatten bis dahin mangels Information selbst keine andere Vorstellung von der Heimat ihrer Vorfahren. Seit jeher waren jedoch manche Afro-Amerikaner in der Lage, sich mit einer wertschätzenden Sichtweise auf ihre Herkunft zu beziehen.38) Im Jazz war vor allem der vom Duke-Ellington-Orchester in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entwickelte „Dschungel“-Stil39) eine frühe Anspielung auf Afrika. Ellington verstand sich bereits damals mit Stolz als Angehöriger eines afrikanischen Volkes, das es in die USA verschlagen hatte, und drückte dieses Selbstverständnis in seiner Musik aus.40) Seine „Dschungel“-Stücke enthielten allerdings keine konkreten Einflüsse aus einer afrikanischen Musikkultur, sondern weckten durch expressive, als wild und sinnlich wahrgenommene Klänge eher die Vorstellung von einem Urzustand in einem aufregenden und betörenden Dschungel. Noch dazu bereitete Ellington mit dieser Musik in einem Nachtklub41), in dem afro-amerikanische Musiker und TänzerInnen einem „weißen“ Publikum eine exotische und erotische Unterhaltung boten, die musikalische Untermalung für kitschige Dschungel-Revuen auf dem Niveau von Tarzan-Filmen.42) Später brauchte Ellington nicht mehr in einem solchen Rahmen aufzutreten. Im Jahr 1947 schuf er im Auftrag der Regierung des west-afrikanischen Staates Liberia zur Feier dessen 100jährigen Bestehens die Liberian Suite, in der zwar mehrmals ein Spiel des Schlagzeugers auf Pauken und Tom-Toms auf die Bedeutung von Trommeln in vielen west-afrikanischen Musiktraditionen anzuspielen scheint, aber ebenfalls keine wirklich afrikanischen Elemente vorkommen.

Gillespies Interesse an afro-kubanischer und afrikanischer Polyrhythmik stellte in musikalischer Hinsicht einen wesentlich tiefer gehenden Bezug auf afrikanische Kultur dar. Nachdem er mit seiner Bigband im Jahr 1947 auf Tourneen Erfolg hatte, wollte er ihr einen kubanischen Trommler hinzufügen und er ersuchte Bauzá, ihm einen zu vermitteln.43) Bauzá schickte ihm Chano Pozo, der aus der afro-kubanischen Unterschicht stammte, ein Meister der dort gepflegten, afrikanisch geprägten Rumba-Musik war und mit seinen Songs bereits in der populären afro-kubanischen Musikszene großen Anklang gefunden hatte,44) bevor er nach New York übersiedelte. Gleich im ersten Konzert, bei dem Pozo mit Gillespies Bigband auftrat, wurde er in einem eigens dafür geschriebenen Stück mit dem Titel Cubana Be, Cubana Bop herausgestellt.45) Gillespie dachte sich für dieses Stück eine Melodie aus und der afro-amerikanische Komponist George Russell baute darum herum unter Anwendung seines modalen Konzepts46) eine Komposition. Russells Einleitung präsentierte schräge, düstere, dramatische Orchesterklänge in der Art einer Filmmusik, die etwa das Herannahen erschreckender afrikanischer Krieger mit Kriegstrommeln und Elefanten untermalen könnte. In rhythmischer Hinsicht wirkte sie zwar irgendwie „afrikanisch“, fügte sich aber nicht recht in Pozos Trommelrhythmen.47) Nach dieser Einleitung wechselte das Stück zu einer Art lateinamerikanisch gefärbter Bigband-Tanzmusik mit Gillespies freundlicher Melodie. Der dritte Teil bestand zunächst aus reiner Perkussionsmusik, die Pozos Trommelkünste in den Mittelpunkt stellte, und dann kamen vorantastende Improvisationen Gillespies auf der Trompete hinzu. Der Rest des Stückes wurde wiederum von Russells surrealer, kriegerischer „Dschungel“-Musik gebildet. – Auf einer nachfolgenden Busfahrt stimmte Pozo rituellen afro-kubanischen Gesang aus seinem Herkunftsmilieu an, der Russell und Gillespie faszinierte und dazu bewog, Pozo bei weiteren Aufführungen des Stückes auch Raum für seinen Gesang zu geben,48) und Pozo baute sein Solo zu einer Bühnenshow aus, die zu einer wesentlichen Attraktion von Gillespies Konzerten wurde. Man sah ihn zum Beispiel in violettes Licht getaucht, mit nacktem Oberkörper und muskulöser Figur auf die Bühne kommen und in ruhiger, getragener Weise mit einer Öllampe das Fell seiner Conga-Trommel erwärmen, um sie zu stimmen, und schließlich versetze er mit seinem Trommeln und Singen das Publikum in Begeisterung.49) Pozo war bereits in Kuba mit der Darstellung „afrikanischer Ursprünglichkeit“ vertraut gewesen, wo er zum Beispiel in Revuen für amerikanische Touristen und eine kubanische Oberschicht als Tänzer einen afrikanischen Jäger in Dschungel-Ambiente spielte.50) Auch wenn solche Show-Elemente und wohl auch Russells Komposition Parallelen zu Ellingtons afrikanischem Dschungel-Bild ergeben, so hatte die Inszenierung von Pozos afro-kubanischem Trommelspiel aber auch eine wichtige musikalische Botschaft: Diese Trommelmusik aus dem kubanischen Untergrund enthielt eine faszinierende Polyrhythmik, die es für den Jazz nutzbar zu machen galt.51) Das war allerdings keineswegs einfach und gelang in diesem Stück noch kaum. Pozos Trommelvorführung selbst bot nur einen Abglanz der Musik, aus der diese Art des Trommelspiels stammte, wie ein Vergleich mit jenen Aufnahmen zeigt, die er einige Monate zuvor unter eigenem Namen mit afro-kubanischen Perkussionisten in New York machen konnte52) (und selbst diese Aufnahmen sind zwar virtuos, scheinen jedoch ein wenig von den Erfahrungen mit dem Showgeschäft beeinflusst zu sein53)). Gillespies Band konnte bei weitem nicht mit Pozos Polyrhythmik mithalten. Pozo klagte darüber und unterrichtete Gillespie sowie andere Bandmitglieder bei Busfahrten auf Tourneen, indem er Perkussionsinstrumente verteilte und jedem Beteiligten einen anderen Rhythmus zeigte, sodass sie erkennen konnten, wie die Rhythmen ineinander verschränkt waren.54) Aber nicht nur die polyrhythmische Komplexität erschwerte das Zusammenspiel, sondern auch ein grundsätzlicher Unterschied in der Art der Rhythmik: Während dem Jazz-Rhythmus ein gleichmäßiger, neutraler Beat zugrunde lag, an dem sich die Musiker in einer lockeren, swingenden, freizügigen Weise orientierten, waren die afro-kubanischen Rhythmen mithilfe der Clave (eines feststehenden rhythmischen Musters) organisiert. Die Kubaner fühlten dieses Muster ständig in ihrer Musik, selbst wenn es nicht gespielt wurde, und die ineinander verzahnten Rhythmen mussten ziemlich exakt gespielt werden, damit das sich ergebende Gewebe eine klare Struktur erhielt. Tatsächlich hatte aber nicht nur Gillespies Band Schwierigkeiten, Pozos Rhythmen zu verstehen, sondern auch Pozo, die Musik der Gillespie-Band richtig wahrzunehmen.55) In den nicht lateinamerikanisch orientierten Stücken wurde sein Spiel von manchen Bandkollegen als Behinderung des Swingens empfunden56), obwohl er auf geschickte Weise einen Kompromiss zwischen den beiden Rhythmusarten entwickelte57). In Manteca, das vor allem auf einer Idee Pozos beruhte und zu Gillespies erfolgreichstem „Latin“-Stück wurde, sorgte Gillespie auf jene Weise für einen Ausgleich, die sich bereits in Pickin‘ the Cabbage und Night in Tunisia bewährt hatte. Er erzählte, dass sich Pozo für den Bass, die Posaunen, Trompeten und Saxofone jeweils eigene, ineinander verzahnte Ostinati ausgedacht hatte, sodass sich ein rein afro-kubanisches Stück ergeben hätte. Doch fügte Gillespie in das Thema einen Zwischenteil mit reichen Harmonien sowie Walking-Bass-Rhythmus ein.58) Sobald das Thema endete und die Improvisationen begannen, setzte sich ebenfalls der swingende Jazz-Rhythmus sowie das Spiel über Akkordfolgen durch, sodass sich der Latin-Charakter auflöste (abgesehen von Pozos Trommelbegleitung im Hintergrund) und erst mit dem Thema am Schluss des Stückes zurückkam.59) – Gillespie war einerseits stolz darauf, dass er (wie er sagte) seine Noten anders phrasierte als andere Trompeter, nämlich lateinamerikanisch, andererseits meinte er, es gebe nur sehr wenige lateinamerikanische Musiker, die ein Gefühl für Jazz hätten. Ihre Artikulation sei anders, nicht locker wie die der US-amerikanischen Jazz-Musiker, sondern steif, und deshalb brauche ihre Musik den Jazz.60)

Der Gegensatz zwischen Latin-Charakter und Jazz-Feeling bildete eine massive Hürde für die Bestrebungen, afro-kubanische Traditionen in organischer Weise mit Jazz zu vereinen. „Mario Bauzá erzählte mir vom Ringkampf, als die Modern-Jazz-Typen in den 1940er Jahren daherkamen und mit den Latin-Musikern zu spielen versuchten. Die Clave und der Swing vermischten sich nicht! Bauzá sagte, dass Charlie Parker die Musik zusammenbringen konnte, aber sobald Bird61) stoppte, habe der Ringkampf wieder begonnen. Mario sagte, dass nicht einmal Diz62) oder Dexter Gordon das konnte, aber Charlie Parker konnte es.“ (Henry Threadgill)63) Parker stand mit Machitos afro-kubanischer Band bereits seit längerer Zeit in Kontakt64), bevor von ihm als Solisten gemeinsam mit Machitos Band im Dezember 1948 und Jänner 1949 drei Stücke aufgenommen wurden65), von denen vor allem Mango Mangue bemerkenswert ist.66) Steve Coleman wies unter anderem auf jenen Abschnitt des Stückes hin, in dem die Blasinstrumente der Machito-Band aussetzen, die Perkussions-Instrumente in den Vordergrund treten und ein kurzer Refrain fortwährend gesungen wird67). Besonders in diesem Abschnitt werde deutlich, wie sich die Rhythmen von Parkers spontanen melodischen Saxofon-Linien perfekt mit den kubanischen Trommelrhythmen verzahnen. Man könne die Clave zwar nicht ausdrücklich hören, doch sei sie in den rhythmischen Mustern der Perkussionisten indirekt enthalten und mit diesen Mustern sowie der Clave würden sich die Akzente der Melodielinien Parkers an Schlüsselpunkten verbinden. Nicht nur in diesem lateinamerikanischen Stück, sondern allgemein enthalte Parkers Spiel häufig Clave-artige, sich verschiebende rhythmische Muster und ähnle damit in rhythmischer Hinsicht der Phrasierung der Meistertrommler West-Afrikas. Parkers Sinn für die Clave in seinem Spiel zu erkennen, sei ein Schlüssel zum Verständnis seines komplexen rhythmischen Konzepts. Außerdem sei Parker mit seiner „intuitiven Gabe für Melodie und melodische Muster“ einer der wenigen Musiker seiner Zeit gewesen, die nicht nur durch eine Abfolge von Akkordwechseln hindurch, sondern auch über einem harmonisch statischen Ostinato, wie es in der afro-kubanischen Musik üblich war, hinreißend spielen konnten. Parkers wichtigster Dialogpartner, der Schlagzeuger Max Roach, sei ebenfalls ein Meister im Verschieben der Balance durch letztlich auf west-afrikanische Traditionen zurückgehende Techniken gewesen, mit denen zunächst die Erwartung einer Gleichmäßigkeit aufgebaut und dann die rhythmische Bewegung durch eine verschobene Phrase überraschend verändert werde.68) Roach sagte später, dass der Einfluss von Machitos Perkussionisten seinen Zugang zum Schlagzeugspiel entscheidend verändert habe. Das Nachahmen der ineinander verzahnten Parts der Conga-, Timbales- und Bongo-Trommeln habe ihm eine Unabhängigkeit der vier Gliedmaßen verschafft.69) – Parker und Roach spielten kaum das, was schließlich als „Latin-Jazz“ bezeichnet wurde, doch kam gerade in ihren Spielweisen eine gelungene, dem Wesen des Jazz entsprechende Integration des afro-kubanischen Einflusses zustande. Da ihre Verarbeitung von afro-kubanischen Einflüssen in eigenem Stil aber weniger leicht erkennbar ist, wurde ihr in der Jazz-Geschichte eine geringere Bedeutung beigemessen als Gillespies spektakulärer Kooperation mit Chano Pozo.

Der Schlagzeuger Art Blakey wurde für seinen kraftvollen, körperbetonten Trommelstil geschätzt, mit dem er für „Drive, Swing, Kraft, Macht und Aufregung in Reinkultur“ (Tony Williams)70) sorgte. Er hielt sich bereits in den 1940er Jahren längere Zeit in Westafrika (insbesondere Ghana) auf71) und machte in den Jahren 1957 bis 1962 mit karibischen, US-amerikanischen und zuletzt auch zwei afrikanischen Perkussionisten Aufnahmen, die Trommelrhythmen, Schlagzeug-Improvisationen und afrikanisches Erbe in den Mittelpunkt stellten.72) Der Saxofonist Wayne Shorter erklärte prägnant: „Dizzys Spezialität war das Afro-Kubanische, aber dann hat Art das Kubanische herausgenommen und Afro! gesagt – und die ganze Jazzwelt hat es verstanden.“73) Die Schlagzeug-Improvisationen dieser Aufnahmen wirken allerdings in der Verbindung mit der karibischen und afrikanischen Perkussion grob, schwerfällig und auf dramatischen Effekt ausgerichtet. Sie durchbrechen das Tanzmusik-Feeling, das die Perkussionisten mitbrachten, mit Vorführungen, die als Versuch der Verbindung unterschiedlicher Musikarten interessant sein mögen, jedoch musikalisch wenig befriedigen. Letztlich bedienten sie zusammen mit exotisch wirkenden Gesängen, Flöten- und Oboen-Klängen sowie folkloristischen Melodien wiederum die bekannten Klischees von „afrikanischer Wildheit“ und idyllischen Urzuständen und boten Jazz-Qualität nur in geringem Maß. Blakey selbst betrachtete diese Experimente später als misslungen74) und sagte schließlich, der Jazz habe nichts mit Afrika zu tun, afrikanische Musik sei ganz anders, afrikanische Musik sei rhythmisch viel weiter entwickelt, der Jazz stattdessen in harmonischer Hinsicht75) und man könne nicht afrikanische Musikkultur mit Jazz vermischen76). Doch blieb sein Schlagzeugspiel von der Auseinandersetzung mit afrikanischen Rhythmen auch danach beeinflusst77) und er gab mit seinen Experimenten wesentliche Impulse für weitere Bemühungen anderer Musiker um eine Verbindung zu afrikanischen Wurzeln78).

Dass die Versuche Blakeys und anderer Amerikaner, afrikanische Rhythmen zu adaptieren, nicht überzeugten, fand auch Guy Warren79), ein versierter Trommler aus Ghana, der im Jahr 1954 in die USA kam80) und selbst eine Verbindung von Rhythmen seiner Heimat mit Jazz versuchte, nachdem er bereits in Afrika in Highlife-Bands Schlagzeug gespielt hatte81). Er nahm in den USA drei Alben auf82), fand jedoch nicht die erhoffte Anerkennung (nicht zuletzt, weil er sich nicht in das populäre Bild von afrikanischer Urwüchsigkeit einfügte83)) und war um 1962 wieder weitgehend aus der amerikanischen Musikszene verschwunden84). Seine Kritik an den Experimenten Blakeys und anderer amerikanischer Musiker sowie auch am Erfolg des aus Nigeria eingewanderten Perkussionisten Michael Babatunde Olatunji85) wurde offensichtlich durch seine Enttäuschung, selbst nicht entsprechend beachtet worden zu sein, verschärft. Doch hatte sich bereits im Jahr 1943 ein nigerianischer Meistertrommler, der seit den 1920er Jahren in den USA afrikanische Rhythmen lehrte, geringschätzig über die „primitiven Rhythmen und Toneffekte des Schlagzeugs“ im Jazz geäußert86). Tatsächlich gelang es Warren selbst überzeugender als den damaligen amerikanischen Musikern, Jazz-Schlagzeugspiel und west-afrikanische Rhythmik zu verbinden. Max Roach, den Warren schätzte87), besuchte ihn im Jahr 1974 in Ghana und erklärte danach: Warren war in der Zeit seines Aufenthalts in den USA „dem, was wir alle machten, so weit voraus, dass keiner von uns verstand, was er sagte, nämlich dass die afro-amerikanische Musik von ihren afrikanischen Ursprüngen befruchtet werden muss, um stärker zu werden“. Mittlerweile habe sich die afro-amerikanische Musik Afrika zugewandt, um Inspiration und Verjüngung zu finden, und Warrens Aufnahmen würden ihren Einfluss entfalten, der noch stärker gewesen wäre, wenn ihm mehr Beachtung geschenkt worden wäre.88) – Eine gelungene Verbindung von afrikanischer Rhythmik mit der Kunst melodischer Jazz-Improvisation kam jedoch auch in Warrens Musik nicht zustande.

Der Jazz-Pianist Randy Weston bekam bereits als Kind von seinem aus der Karibik eingewanderten Vater panafrikanische Sichtweisen vermittelt.89) Als Pianist und Komponist wurde er vor allem von Duke Ellington und Thelonious Monk, den er wegen seiner Originalität, Modernität und in gewissem Sinne „afrikanischen“ Spielweise besonders schätzte, beeinflusst. Weston sagte später, er sei schon früh in erster Linie als Komponist und an zweiter Stelle als Pianist angesehen worden.90) Zu Beginn seiner Laufbahn in den 1950er Jahren ging es ihm vor allem darum, neue, moderne Musik mit vielfältigen Stimmungen hervorzubringen, die sich jedoch nicht zu weit vom Publikum entfernen sollte.91) Deshalb setzte er folkloristische Elemente ein, zum Beispiel Calypso- und Walzer-Rhythmen.92) Dizzy Gillespies Zusammenarbeit mit Chano Pozo sowie Art Blakeys Experimente mit afrikanischen Rhythmen waren für Weston wichtige Anregungen93) und er verstärkte bei einem Auftritt im Jahr 1953 sein Trio vorübergehend94) ebenfalls mit einem afro-kubanischen Perkussionisten95). Auch kam er damals mit dem aus Nigeria stammenden Trommler Babatunde Olatunji, dem afrikanischen Tänzer Asadata Dafora sowie weiteren afrikanischen Musikern, die sich in den USA niedergelassen hatten, in Kontakt96) und er begann, Aufnahmen traditioneller afrikanischer Musik sowie Informationen über sie zu sammeln97). Ab 1958 arbeitete Weston an einer längeren Suite, die die Verbundenheit aller „schwarzen“ Menschen afrikanischer Abstammung sowie Stolz auf die Erfolge der afrikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen ausdrücken sollte. Dementsprechend setzte Weston bei der im November 1960 erfolgten Aufnahme der Suite „schwarze“ Trommler aus unterschiedlichen Teilen der Welt (aus den USA, der Karibik und Nigeria) ein, die ihre Erfahrungen aus ihren jeweiligen Musiktraditionen einbrachten.98) Die Aufnahmen erschienen als Album mit dem Titel Uhuru Afrika. Es beginnt mit einem Ruf nach Freiheit („Uhuru“) sowie einem von Trommelrhythmen begleiteten Aufruf in Form eines „Freiheits-Gedichts“, das der Schriftsteller Langston Hughes für Westons Suite verfasste und das zunächst in Englisch und dann in der afrikanischen Sprache Swahili vorgetragen wird. In dem auf diese Einleitung folgenden ersten Hauptteil der Suite (Uhuru Kwanza) wird zunächst die Trommelgruppe präsentiert, die eine west-afrikanisch anmutende Rhythmik erzeugt. Sie sollte zeigen, „wie alle Trommeln von der afrikanischen Trommel herkommen“ (Weston). Dabei brachte sie weniger die spezielle Stärke west-afrikanischen Tanztrommelns99) oder der afro-kubanischen Rumba100) zum Zug und hatte offensichtlich auch kein spezielles, ausgereiftes Konzept, sondern bildete ein relativ freizügiges, spontanes, an afrikanischer Musik orientiertes Zusammentreffen unterschiedlicher Traditionen ab, das Westons panafrikanische Botschaft vermittelte und einen entsprechenden Perkussions-Sound für seine Suite lieferte.101) Über diese rhythmische Basis legen sich dann laufend wiederholte melodische Figuren des Klaviers und der Bläser mit dramatischer Wirkung, sodass wiederum die Vorstellung von einem wilden, dunklen Afrika naheliegt, wie in Ellingtons Musik und in George Russells Komposition für Cubano Be, Cubano Bop.102) In Westons Stück haben die aufregenden Orchesterklänge aber (zumindest auch) die Bedeutung eines Rufs nach Freiheit.103) – Der zweite Hauptteil104) der Suite besteht aus einer Ballade mit schmalzigem Gesang von Opernsängern zu Ehren der afrikanischen Frau. Die beiden restlichen Teile sind insofern interessant, als hier Afro-Perkussion mit Jazz-Soli verbunden wird. Dabei zeigt sich wiederum die bereits im Zusammenhang mit Gillespies Aufnahmen erwähnte Problematik eines grundlegenden Gegensatzes zwischen dem Swing des Jazz und afrikanischer/afro-kubanischer Rhythmik. Tritt das fließende melodische Spiel der Bläser in den Vordergrund, dann wirkt die Perkussion (besonders wenn ein Walking-Bass hinzutritt) wie ein relativ steifes Tuckern im Hintergrund, das wenig Bezug zum melodischen Geschehen erkennen lässt. Die feingliedrigen Strukturen der Trommelrhythmen werden erst dann wieder deutlich wahrnehmbar, wenn die Jazz-Instrumente zurücktreten. Am besten harmoniert mit ihnen wohl Westons perkussiver, kantiger Klavierstil, der auf Thelonious Monks Einfluss zurückgeht. In beiden Stücken scheint ein Thema mit einem einfachen, eindringlichen Dreier-Rhythmus die auseinanderstrebenden Elemente immer wieder zusammenzuzwingen und ihre Reibung zu übertünchen.

Ungefähr ein Jahr nach der Aufnahme des Albums kam Weston erstmals nach Afrika, und zwar zu einem Auftritt in Nigeria.105) Er musste feststellen, dass seine Verbindung von Jazz mit traditioneller afrikanischer Musik dort nicht überzeugte. Besonders Olatunji, der selbst aus Nigeria stammte, wurde wegen mangelnder Fähigkeiten kritisiert.106) Umgekehrt waren die amerikanischen Musiker von den Musiktraditionen, die sie dort kennenlernten, fasziniert.107) Weston schrieb: „Ich hörte so fantastisch komplexe und subtile Rhythmen und entzückende Melodien, und zwar so viele, dass sie meine Musik für den Rest meines Lebens beeinflussen werden.“108) Er erlebte traditionelle afrikanische Musik bei Aufführungen in Kulturzentren und unternahm kurze Ausflüge in ländliche Dörfer, um sie dort zu hören.109) Vor allem aber verbrachte er die Zeit in der Metropole Lagos, wo er abends in Nachtklubs ging, um die in den Städten beliebte, Highlife genannte Tanzmusik zu hören und mit den Musikern zusammenzuspielen.110) Diese Musik war aus einer Nachahmung westlicher Unterhaltungsmusik, insbesondere karibischer und des Swings, entstanden und hatte dann zunehmend west-afrikanische Perkussion integriert.111) – Nach dieser Afrika-Reise bezog sich Weston bei seinen Verbindungen von Jazz mit afrikanischer Musik vor allem auf diese populäre, städtische Tanzmusik und nannte sein nächstes, im Jahr 1963 aufgenommenes Album Highlife.112) In diesem Album ist das tragende Perkussionsinstrument nun das Schlagzeug, zu dem nur eine dezente Perkussion hinzutritt. Die Rhythmusgruppe hat hier daher nicht mehr wie in Uhuru Afrika den Charakter einer afrikanischen Trommelgruppe, sondern den einer Jazz-Band und klingt trotz der zusätzlichen Perkussion weniger polyrhythmisch.113) Ihr Rhythmus enthält zwar keinen traditionellen Walking-Bass, ist jedoch durchaus mit anderen im Jazz verwendeten, von Tanzmusik beeinflussten Rhythmen vergleichbar, etwa dem des im selben Jahr aufgenommenen Jazz-Hits The Sidewinder von Lee Morgan. Solche Rhythmen wurden mit leichten Variationen das ganze Stück hindurch beibehalten, waren häufig karibisch gefärbt und bildeten einen für viele Hörer attraktiven Kompromiss zwischen Jazz und populärer Musik.114) Damit sie ihren eingängigen Charakter bewahren, müssen sie weitgehend unverändert wiederholt werden, und dadurch ergeben sie ein relativ starres, eintöniges rhythmisches Fundament, das einer vielschichtigen, variationsreichen und kommunikationsstarken Jazz-Improvisation nicht entgegenkommt. Auch die simplen, vielfach wiederholten Melodien, die Weston in den Highlife-Aufnahmen einsetzte115), sowie die wenig spektakulären solistischen Beiträge dieses Albums lassen es zwar als hübsch und abgerundet, jedoch leichtgewichtig erscheinen.

Kurz nach der Aufnahme des Highlife-Albums kam Weston 1963 neuerlich nach Nigeria, spielte nun mit einheimischen Musikern bei zahlreichen Gelegenheiten und erfuhr große Wertschätzung in nigerianischen Medien.116) Zu Beginn des Jahres 1967 startete er mit einer Band aus amerikanischen Jazz-Musikern (unter anderem mit dem Schlagzeuger Ed Blackwell117)) eine dreimonatige Tournee durch West- und Nord-Afrika, bei der sie vor allem mit einem arabisch inspirierten Stück das Publikum in Begeisterung versetzen konnten.118) Nach diesen Erfolgen wollte Weston nicht mehr in den USA leben, zumal ihm die dortige Jazz-Szene ohnehin entweder zu avantgardistisch oder zu kommerziell (in beiden Fällen zu weit vom Leben der Menschen entfernt) erschien. Er übersiedelte im selben Jahr nach Marokko, wohin man ihn zu einem Festival eingeladen hatte. Dort erschloss er sich später eine Zusammenarbeit mit Musikern der Gnawa-Volksgruppe, die ursprünglich aus dem Sub-Sahara-Raum kam und deren auf Lauten sowie Metall-Kastagnetten gespielte Musik sowohl anspruchsvolle Rhythmen als auch besondere Tonarten verwendet.119) Diese Musikkultur dokumentierte er unter anderem im Album The Splendid Master Gnawa Musicians of Marocco (1994), in dem er nur in einem Stück120) ein wenig als Pianist hervortrat und sich ansonsten unterordnete, um die traditionelle Form dieser Musik nicht zu beeinträchtigen.121) – Es war wohl vor allem seine Hingabe an die Idee einer Verwurzelung des Jazz in afrikanischer Kultur und die daraus gezogene Konsequenz, sich in Afrika niederzulassen und mit dortigen Musikern zusammenzuarbeiten, was Weston in der Jazz-Geschichte Bedeutung verlieh. Von den faszinierenden Qualitäten der Musik eines Charlie Parker oder John Coltrane findet sich in Westons Fusionen relativ wenig und die rhythmische Kraft der Tanztrommel-Traditionen an der Guinea-Küste fing er nur in begrenztem Maß ein. Auch er verfügte also offenbar über kein Konzept, das sowohl die Stärken dieser afrikanischen Traditionen als auch die Improvisationskunst des Jazz voll zum Zug bringt und daher für eine entsprechende Weiterentwicklung des Jazz richtungsweisend hätte sein können.

Der Schlagzeuger Elvin Jones entwickelte eine eigene, innovative Spielweise, die zunächst selbst unter Musikern als schwierig galt122) und als komplex123) sowie polyrhythmisch124) beschrieben wurde. Er hatte sich unter anderem damit beschäftigt, wie er lateinamerikanische Rhythmen damals populärer Musik adaptieren könnte125), doch ahmte er nicht einfach Trommelmuster nach, im Gegenteil: Ein wesentliches Merkmal seines Stils bestand gerade darin, dass er von fixen Mustern abging. Er ersetzte die gleichmäßigen Akzente auf der Hi-Hat und das feststehende Schlagmuster auf dem Ride-Becken, mit denen Jazz-Schlagzeuger traditionell zur Bewahrung des Beats (zum Time-Keeping) beitrugen, durch eine Art melodische Phrasierung. Diese Spielweise kam den Improvisationen der Melodie-Instrumente nahe und drückte den zugrundeliegenden Beat auf indirekte Art aus126), was manche Musiker anfangs als desorientierend empfanden.127) Im Jahr 1957, als sein Stil in Grundzügen bereits entwickelt war128), bekam Jones (wie er später erzählte) Tonbandaufnahmen von einem haitianischen Trommler vorgespielt und glaubte zunächst, fünf Leute trommeln zu hören. Das habe ihn fasziniert und er habe begonnen, sich mit traditioneller afrikanischer Musik zu beschäftigen, was ihn zur Musik der Pygmäen und der Dogon sowie zu Musik aus dem Kongo geführt habe. Das seien alles großartige Inspirationsquellen gewesen.129) – Diese Einflüsse trugen offenbar wesentlich zur weiteren Entfaltung seines Stils bei, der in der Zeit seiner Mitwirkung in John Coltranes Quartett (1960-1965) ausreifte. Vor allem seine Kunst der rhythmischen Überlagerung, insbesondere von Zweier- und Dreier-Rhythmen, dürfte zu einem erheblichen Teil auf die Beschäftigung mit afrikanischen Trommelrhythmen zurückzuführen sein.130) Doch waren auch weiterhin in seinem Spiel keine vordergründigen Ähnlichkeiten mit afrikanischer oder afro-karibischer Musik zu erkennen. Er erklärte: Manche Teile der lateinamerikanischen und afrikanischen Rhythmen seien sehr starr. Ihre Flexibilität käme davon, dass sie von mehreren Leuten gespielt werden und dadurch nicht immer synchronisiert seien, was eine gewisse Bewegung hineinbringe, die sie flüssiger mache. Als er diese Rhythmen verwendete, habe er sich mehr für das Fließende als für ihren statischen Anteil entschieden.131) – Jones wies aber auch auf das konstante Element in seiner Spielweise hin, das er allerdings in einer nicht-„statischen“ Weise darstellte: Auch wenn er die traditionellen, feststehenden Muster des Time-Keepings aufgegeben hatte, so versuche er doch stets, auf dem Becken eine Art Kontinuität aufrechtzuhalten. Damit stelle er etwas Ähnliches bereit, wie die Clave in einem Latin-Orchester.132) – Eine Ähnlichkeit zur Clave besteht wohl insofern, als die Clave (wie auch andere Timelines) ein zentrales, konstantes Element bildet und ebenfalls nicht aus einer bloßen Betonung des Beats besteht, sondern aus einer spannungsvollen, melodie-artigen Figur. Im Gegensatz zu Jones Beckenspiel variiert diese Figur allerdings nicht. Dieser Unterschied verschwimmt dadurch ein wenig, dass die Clave oft nicht ausdrücklich dargestellt, sondern von den Musikern nur gedacht wird und daher in einem variierenden Spiel indirekt enthalten sein kann. Aber auch in bloß gedachter Form bleibt die Clave stets eine „statische“ Figur, während Jones offenbar die pulsierende rhythmische Spannung, die der Clave zugrunde liegt und die eine lebendige Form von Kontinuität ergibt, in einer fließenden, improvisierenden Weise erzeugte. Auch spielte Jones all seine Rhythmus-Phrasen mit dem typischen lockeren, swingenden Feeling des Jazz133) und im Übrigen mit hinreißendem Groove134). – Im Jahr 1964 wirkte Jones an Aufnahmen einer Gruppe mit, die von einem aus Nigeria stammenden Musiker geleitet wurde, aus mehreren (überwiegend amerikanischen) Trommlern sowie Jazz-Musikern bestand und Trommelrhythmen in Sub-Sahara-Art in den Mittelpunkt stellte.135) In zwei Stücken trat Jones durch eine Art Solo-Beitrag hervor und es ist bemerkenswert, wie er dabei einerseits in keiner Weise die afrikanischen Trommelrhythmen nachahmte und andererseits mit seiner individuellen, von der Jazz-Tradition geprägten Spielweise einen ausgesprochen stimmigen Beitrag leistete, der eine spannende weitere Ebene rhythmischer Überlagerungen hinzufügte.

In John Coltranes Stück Africa (1961)136) war Elvin Jones der einzige Perkussionist des Orchesters und die Musik klingt trotz des Titels keineswegs afrikanisch, obwohl sich Coltrane damals häufig afrikanische Musik anhörte137). Allenfalls im Abgehen von einer festgelegten Akkord-Struktur, die typisch europäisches Erbe ist, und in der Verwendung eines Bass-Ostinatos anstelle eines Walking-Basses kann eine gewisse Annäherung an afrikanische Musik gesehen werden, aber wohl auch an andere in sehr weitem Sinn „modale“ Musikarten, insbesondere indische Musik, mit der sich Coltrane damals ebenfalls beschäftigte138). Tatsächlich war es offenbar vor allem das Vorbild Ornette Colemans, das ihn zum Abgehen von komplizierten Akkord-Strukturen bewegte.139) Sein Streben nach einem komplexeren, dichteren Rhythmus140) scheint zwar zum Teil von afrikanischen Traditionen inspiriert worden zu sein, doch nutzte er dafür die im Jazz entwickelten Möglichkeiten141), insbesondere Elvin Jones kreatives Potential. Auch McCoy Tyner, der Pianist der Gruppe, trug nicht nur durch seine zunehmend entwickelte, eigene Harmonik entscheidend zum Sound der Coltrane-Band bei142), sondern erfüllte auch eine wichtige rhythmische Funktion. Er kombinierte eine fließende Spielweise mit starken Akzenten, die er mit der linken Hand setzte und die ein klares, stabiles rhythmisches Fundament für Coltranes ausufernde Improvisationen lieferten.143) Bereits als Jugendlicher war er mit afrikanischen und afro-karibischen Rhythmen in Kontakt gekommen, was wesentlich zu seinem perkussiven Stil beitrug.144) Seine Vorbilder waren aber vor allem die Jazz-Pianisten Bud Powell und Thelonious Monk145). So konnte Tyner zwar ausgezeichnet mit einer kubanischen Gruppe spielen146), doch war sein ausgeprägter, individueller Stil unverkennbar Teil der Jazz-Tradition. Seine Harmonien nützte im Übrigen Eric Dolphy, um aus ihnen die Orchester-Arrangements für das Stück Africa zu entwickeln.147) Coltrane ging es in diesem Stück vor allem um einen bestimmten Sound, den er sich vorstellte und offenbar mit Afrika verband.148) Tatsächlich lassen am ehesten die dichten, aufwühlenden Orchesterklänge sowie Coltranes leidenschaftliche Ausrufe auf seinem Saxofon an das Sub-Sahara-Afrika denken, sofern man mit diesen Klängen die bereits bekannten Vorstellungen von Dschungel-Atmosphäre und tropischer Wildnis verknüpft.149) Wie auch immer Coltrane den in diesem Stück ausgedrückten Afrika-Bezug verstand, so war sein Zugang jedenfalls wesentlich ernsthafter und tiefgründiger als die exotischen Klischees von Nachtklub-Shows. Von der Tanztrommelmusik des Sub-Sahara-Raums sind all die dramatischen Klänge des Stückes mit ihrem eher getragenen Charakter jedoch weit entfernt. Eine Verbindung zum Tanz kann wohl im Bewegungsmoment der melodischen Linien gesehen werden, die Coltrane in seinen Improvisationen auf dem Saxofon hervorbrachte. Dass er mit seinem Spiel auf großartige Weise Bewegung ausdrücken konnte, zeigt in diesem Album jedoch weit mehr das Stück Blues Minor. Dieser rasante Jazz-Blues mit Walking-Bass-Rhythmus scheint in seiner typisch afro-amerikanischen Form für Coltrane immer noch am besten geeignet gewesen zu sein, das in afrikanischer Trommelmusik zentrale Tanzelement in einer intensiven, kunstvollen Weise zum Ausdruck bringen.150) – Im selben Jahr (1961) kam Coltrane auch durch den bereits erwähnten nigerianischen Perkussionisten Olatunji mit afrikanischer Musik in Berührung151) und er widmete ihm ein Stück des im darauffolgenden Jahr aufgenommenen Albums152). Doch blieb auch in dieser Aufnahme das Schlagzeug das einzige Perkussionsinstrument und afrikanisch wirkte seine Musik auch weiterhin nicht. Vielmehr entfalteten sich Jones und Tyner in ihrer eigenen, der Jazz-Tradition verbundenen Weise weiter und boten Coltrane einen noch reichhaltigeren und kraftvolleren Rahmen. Erst in den ab Herbst 1965 entstandenen Aufnahmen Coltranes sind Handtrommeln zu hören.153) Damals war seine Musik bereits sehr avantgardistisch, sodass sie besonders wenig mit afrikanischer Tanztrommelmusik gemeinsam hatte. Die letzte veröffentlichte Aufnahme Coltranes kam im April 1967 bei einem Benefizkonzert für und in Olatunjis Zentrum für afrikanische Kultur zustande.154) Zu dem von Rashied Ali gespielten Schlagzeug soll bei diesem Konzert eine Batá-Trommel hinzugetreten sein155), die jedoch im „befreiten“ Tosen der Gruppe untergangen zu sein scheint.

Bereits Anfang der 1960er Jahre, also einige Jahre vor Rashied Ali, entwickelte der Schlagzeuger Sunny156) Murray als Erster eine „freie“ Spielweise, um den „Free-Jazz“-Pianisten Cecil Taylor zu begleiten.157) Als weiterer Begründer des „freien“ Schlagzeugspiels gilt Milford Graves158), der nach Aussage Steve Colemans allerdings starke Wurzeln in afro-karibischer Musik und nur oberflächliche Ähnlichkeiten mit Ali und Murray hat.159) Coleman fand Graves Spiel sehr detailliert160) und betrachtete es als eine Erweiterung von Elvin Jones Spielweise, die wiederum eine Erweiterung von Max Roach Stil sei161). – Tatsächlich spielte Graves in jungen Jahren vor allem Perkussions-Instrumente in afro-karibischer Musik und konzentrierte sich dabei zuletzt auf die kubanischen Timbales-Trommeln, bevor er im Jahr 1962 als 21-Jähriger von einem Freund zu einem Auftritt der Coltrane-Band gebracht wurde und von Elvin Jones Spiel so begeistert war, dass er Schlagzeug zu spielen begann.162) Mitte der 1960er Jahre war Graves wesentlich an der damaligen „Free-Jazz“-Bewegung beteiligt163), der er zeitlebens verbunden blieb. Er befasste sich mit afrikanischem und indischem Trommelspiel164) und veränderte das Schlagzeug, um anstelle des aus europäischer Marschmusik stammenden Charakters einen mehr afrikanischen Klang zu erreichen165). Elvin Jones bezeichnete ihn als „sehr interessanten Innovator“.166) – In den allermeisten veröffentlichten Aufnahmen, in denen Graves zu hören ist, spielte er mit Musikern, die ebenfalls eng mit der „Free-Jazz“-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre verbunden waren, und seine Spielweise wirkt dementsprechend „frei“ von jeder Regelmäßigkeit. Eine Filmaufnahme von einem Auftritt des Milford-Graves-Quartetts im Jahre 1973167) zeigt ihn zum Beispiel mit skurrilem, zum Teil Jodel-artigem Sprechgesang, mit einer Parodie auf Vierer- und Dreier-Rhythmen, mit hektischem Spiel ohne Groove und mit ausschließlich kreischenden und quietschenden Blasinstrumenten. Im Stück Gathering (1997)168) und in anderen reinen Perkussions-Aufnahmen, die Graves in späteren Jahren alleine (offenbar auch mit Playback-Verfahren) machte, erscheint Colemans Aussage über eine Verbindung zu Elvin Jones hingegen als nachvollziehbar: Die fließende, einem melodischen Phrasieren ähnliche Spielweise, die Jones gegenüber statischen Anteilen des Rhythmus bevorzugte, ist in Graves Spiel noch freizügiger, aber es ist auch genug von jener Kontinuität vorhanden, von der Jones sprach, um ein Gefühl von Groove zu vermitteln.169) – Coleman argumentierte für Graves, er habe im Gegensatz zu Jones und Roach leider nie den Vorteil einer Zusammenarbeit mit einem rhythmisch wirklich starken Bläser gehabt.170) Das mag an fehlenden Möglichkeiten gelegen sein, wohl aber auch an Graves stilistischer Ausrichtung und vielleicht auch an seiner Eigenwilligkeit, die der zum Teil dienenden Rolle des Schlagzeugs im Jazz entgegengestanden sein könnte.171)

Graves schätzte Rashied Ali172) und arbeitete mit ihm sowie mit dem Schlagzeuger Andrew Cyrille zusammen, der sich im Jahr 1964 Cecil Taylors Band angeschlossen hatte und ihr 11 Jahre lang verbunden blieb. Im Jahr 1974 wurde ein Konzert, das Graves und Cyrille alleine mit verschiedenen Perkussions-Instrumenten bestritten, aufgezeichnet und die Aufnahme wurde unter dem Titel Dialogue Of The Drums als Album veröffentlicht. Auf der Hülle des Albums ist eine archaisch wirkende, afrikanische Skulptur abgebildet.173) Auch die Titel zweier Stücke beziehen sich auf afrikanische Wurzeln174) und zu einem erheblichen Teil besteht das Album aus Klängen, die üblicherweise mit afrikanischer Musik assoziiert werden. Die Vielfalt der Klangfarben, die Kunst, so komplizierte, ständig variierende Rhythmen hervorzubringen, sowie die Intensität des Trommelns sind beeindruckend. Zusätzlich erzeugte Graves mehrmals mit ein wenig „verrückt“ klingenden stimmlichen Lauten eine aufgeregte Stimmung, insbesondere im letzten Stück, in dem er auch Lautäußerungen des Publikums provozierte, bis es zu einem gemeinschaftlichen Schreien kam.175) Kurz darauf endet das Album mit begeistertem Applaus. Ein Gefühl von Tanzbewegung ruft diese Musik allerdings kaum hervor und bereits darin unterscheidet sie sich grundsätzlich von afrikanischer Musik. Soweit Afrika-Bezüge wachgerufen werden, haken sie beim Hörer letztlich wohl auch hier in Klischees von wildem Trommeln, ungehemmtem Gefühlsausdruck und Dschungel-Atmosphäre ein.

Graves und Cyrilles Trommeldialoge waren aber zumindest streckenweise doch noch deutlich rhythmischer als die „freien“ Spielweisen etwa der Gruppe von Cecil Taylor. Cyrille sprach zwar in Vorträgen und Radiosendungen häufig von der zentralen Bedeutung der Trommel in der afro-amerikanischen Musik. Sie sei die „Urmutter“, der „Herzschlag“ und übertrage den „Pulsschlag, die Energie, die Grundstimmung“ der Musik. Jazz sei eine ganz andere Ausdrucksform als europäische Konzertmusik und das Schlagzeug habe in ihm die gleiche Bedeutung, wie „das Skelett für den Körper“.176) Die von jedem Metrum und Beat „befreite“ Musik Taylors entzog den Hörern aber gerade dieses „Skelett“ und den „Herzschlag“, sodass der Rhythmus für sie zu unberechenbar verlief, um ein Gefühl rhythmischer Bewegung hervorzurufen. Cyrille erklärte, man könne den Rhythmus wie das Sprechen spielen, das ja auch nicht in einem Vierviertel-Metrum verlaufe.177) Tatsächlich enthält auch Trommelmusik in der afrikanischen Guinea-Küstenregion mitunter ein dem Fluss des Sprechens ähnliches Spiel und dort können Trommelschläge sogar konkrete sprachliche Bedeutung haben. Zugleich enthalten diese afrikanischen Rhythmen jedoch auch jene Anteile, die Elvin Jones „statisch“ und „starr“ nannte und die für eine Tanzmusik unverzichtbar sind. Jones wies auch auf die Bedeutung des konstanten Anteils im Jazz hin: Der Schlagzeuger gebe immer irgendwie, auf bewusste oder unbewusste Weise, den Takt vor, was seine Aufgabe sei.178) Auch die anderen Instrumente der Rhythmusgruppe (vor allem der Bass, aber auch das Klavier) trugen im Jazz wesentlich dazu bei, dass ein beständiges rhythmisches Gerüst hörbar blieb. Wenn diese Kontinuität in „freien“ Rhythmen nicht mehr vorhanden oder für Hörer nicht mehr fühlbar ist, ändert sich der Grundcharakter der Musik entscheidend. Sie ermöglicht dann nur ein rein betrachtendes, praktisch bewegungsloses Hören, wie es in europäischen Konzertsälen üblich ist und dort als kultivierte Form des Musikerlebnisses gilt. Die Diskrepanz des Jazz zur Trommelmusik des Sub-Sahara-Raums, die stets dem Tanz dient, ist hier größer als je zuvor in der Jazz-Geschichte. Dennoch wurden auch im Bereich des so genannten „Free-Jazz“ oft afrikanische Wurzeln beschworen, was wohl damit zu erklären ist, dass damals in afro-amerikanischen Kreisen eine Identifikation mit der afrikanischen Herkunft allgemein stark an Bedeutung gewann.179) – Ganz verlor der Bezug zum Tanz aber selbst in diesem Bereich des Jazz nicht an Bedeutung: Cyrille erzählte, dass sich seine Zusammenarbeit mit Taylor daraus ergab, dass sie beide eine Wertschätzung für die Beziehung der Musik zum Tanz hatten.180) Taylor, dessen früh verstorbene Mutter Tänzerin war, sagte, er ahme mit seinem Klavierspiel Luftsprünge von Tänzern nach und denke an Kurse für moderne Tänze, für die er in jungen Jahren Klavier spielte.181) Er tanzte später in seinen Konzerten mitunter selbst ein wenig und trat auch mit Tänzern auf, wie in einer Video-Aufnahme aus dem Jahr 1983182) zu sehen ist: Zu Beginn des Konzerts wurden von den Perkussionisten der Band afrikanisch inspirierte Rhythmen gespielt, zu denen sich die Tänzer entsprechend rhythmisch bewegten. Nach dieser Einleitung begann Taylors eigentliche Musik und zu ihr kam kein wirklich rhythmischer Tanz mehr zustande. Die Tänzer bewegten sich vielmehr in einer „bildhaften und mimetischen“ Weise183), die mehr einem europäischen Ballett entsprach als einem afrikanischen Tanz.

Neben Cecil Taylor war der Alt-Saxofonist Ornette Coleman der wichtigste Initiator der „Free-Jazz“-Bewegung und beide gaben Ende der 1950er Jahre ihre entscheidenden Anstöße. Doch kamen sie aus einem völlig unterschiedlichen Umfeld und entwickelten eine dementsprechend verschiedenartige Musik. Während Taylor in bürgerlichen Verhältnissen aufwuchs, bereits mit fünf Jahren klassischen Klavierunterricht erhielt und an einem Konservatorium in Boston studierte, kam Coleman aus einem sehr armen, rauen, vom Rassismus der Südstaaten geprägten Milieu in Texas. Er brachte sich das Musizieren im Wesentlichen selbst bei und spielte bereits ab dem Alter von 15 Jahren in Kneipen und umherziehenden Minstrelshows. Taylors Innovationen beruhten auf den Errungenschaften der „modernen“ europäischen Konzertmusik des 20. Jahrhunderts, aus denen er mit einer dem Jazz entsprechenden Herangehensweise seinen Stil entwickelte. Ornette Colemans Musik war hingegen eine unbekümmerte, wenig virtuose, aber kreative Verarbeitung der starken Einflüsse aus Blues-verbundener Volksmusik und damals aktuellem Jazz, insbesondere der Musik Charlie Parkers. Seine Musik war vor allem eigenwillig, wohl nur in den Augen anderer avantgardistisch und sie unterschied sich besonders in rhythmischer Hinsicht gravierend von den „freien“ Spielweisen im Stil Taylors: In Ornette Colemans ersten Aufnahmen spielte Billy Higgins das Schlagzeug, der ein Meister stark swingenden Spiels war.184) An seine Stelle trat im Jahr 1960 Colemans bevorzugter Partner am Schlagzeug, Ed Blackwell,185) der schon früher mit Coleman gespielt hatte und von dem Higgins gelernt hatte186). Auch Blackwell begleitete in einer swingenden Weise, doch wechselte er insbesondere in seinen Soli zu einer eigenen Spielart über187), bei der er vor allem die Trommeln des Schlagzeugs, weniger die Becken, einsetzte. Bereits eines der ersten Alben Colemans, an dem er beteiligt war (Ornette!, 1961), enthält ein ausgezeichnetes Beispiel dafür: das Stück T. & T., in dem er das einzige Solo spielte. Schon seinem damaligen Spiel wurde mehrfach ein west-afrikanischer Charakter zugesprochen188), obwohl er vor dieser Aufnahme noch nicht in Afrika war. Erst durch seine Mitgliedschaft in Randy Westons Gruppe kam er im Jahr 1967 dorthin, und zwar für drei Monate unter anderem in zehn west-afrikanische Länder.189) Die Begegnung mit den dortigen Traditionen bestätigte und verstärkte seine bisherigen Auffassungen190) und verschaffte ihm manche neue Kenntnisse und Anregungen191), doch erklärte er, dass man viel länger dort bleiben müsste, um eine umfassende Vorstellung davon zu bekommen, wie die verschiedenen Rhythmen, von denen es sehr viele gebe, zusammengefügt werden.192) Auch ließe sich von diesen Rhythmen nur wenig für das Schlagzeugspiel adaptieren, man könne sich eher nur auf das grundlegende Konzept afrikanischen Trommelns beziehen.193) Blackwell spielte nach seiner Afrikareise nicht wesentlich anders als davor.194) Später kam er durch eine im Jahr 1972 begonnene Lehrtätigkeit an einer Universität mit Trommlern aus Ghana in Kontakt, wodurch sich seine Kenntnisse west-afrikanischer Musik vertieften, und er übertrug dann tatsächlich einzelne afrikanische Tanzrhythmen in sein Spiel.195) So klingt zum Beispiel sein Solo im Stück Togo (1979)196) tatsächlich afrikanischer als frühere Aufnahmen. Im Wesentlichen blieb jedoch sein Trommelstil, den er in jungen Jahren entwickelt hatte, bis zum Ende seiner Laufbahn erhalten.197) Was seiner Spielweise west-afrikanischen Charakter verlieh, war vor allem seine reiche Polyrhythmik, die mit seiner Auffassung des Schlagzeugs als einer Familie aus Trommeln zusammenhing, in der die einzelnen Mitglieder (Mutter, Vater, Tochter, Sohn) ihre eigenen Stimmen und Rhythmen haben und im Zusammenwirken den Gesamtrhythmus bilden. Diese Sichtweise ist in West-Afrika verbreitet, wurde von Blackwell möglicherweise aber schon vor seiner Reise vertreten.198) Blackwell sagte auch, um das spielen zu können, was er in Afrika hörte, müsse man das Schlagzeug als singendes Instrument wahrnehmen.199) Ein dementsprechendes melodisches Verständnis des Schlagzeugspiels zeichnete Blackwells Stil allerdings ebenfalls schon früher aus. – Dass er diese Ähnlichkeiten mit afrikanischer Musik schon vor seiner Reise entwickelte, ist vor allem mit folgenden Einflüssen zu erklären: Sein großes Vorbild war Max Roach, der für dieselben Qualitäten (Polyrhythmik und quasi-melodische Gestaltung) gerühmt wurde und das afrikanische musikalische Erbe verstärkt hatte, indem er Anregungen aus afro-karibischer Musik verarbeitete. Blackwell war der musikalischen Welt der Karibik durch seine Heimatstadt New Orleans schon als Kind und Jugendlicher nahe und nahm durch die spezielle afro-amerikanische Straßenmusik der Stadt und die afro-amerikanischen „Indianer“ des Karnevals Reste ursprünglich aus Afrika stammender Musikkultur in sich auf.200) Auch kam Blackwell schon früh mit kubanischen Musikern in Kontakt und manche polyrhythmischen Ideen scheint er auch aus einem Lehrbuch bezogen zu haben.201) Ein weiterer wichtiger Faktor für Blackwells musikalische Entwicklung war im Übrigen die Herausforderung, mit Ornette Colemans ungewöhnlicher Art der musikalischen Gestaltung zurechtzukommen: Coleman richtete sich nicht nach bestimmten Taktzahlen oder rhythmischen Zyklen, sondern folgte einfach der Logik seiner Phrasen, und so musste Blackwell ihm in sehr flexibler Weise folgen. Umgekehrt begann auch Coleman ihm zuzuhören, sodass sie ein von fixierten Formen losgelöstes Zusammenspiel entwickelten.202) Eine bedeutende Rolle für den afrikanischen Zug seines Stils spielte jedenfalls seine Verbundenheit mit dem Tanz und der kommunikativen, sozialen Funktion der Musik und diese grundsätzliche Haltung geht offensichtlich auf Blackwells Erfahrungen in New Orleans zurück. So sagte Don Cherry, Blackwell kenne sich mit Tanz aus, er habe in den Straßen von New Orleans getanzt und sei durch Afrika gereist. Sein Spiel sei wie Tanz.203) Bezeichnend ist auch, dass Blackwell die Musik von Graves und Cyrilles Album Dialogue Of The Drums, die ihm bei einem Interview vorgespielt wurde, unbefriedigend fand, weil sie zwar für Schlagzeuger interessant sei, aber kaum für Hörer.204) Er sagte, er versuche immer, den Hörern jenes Glücksgefühl zu vermitteln, das er als Kind in New Orleans von der Musik empfing.205) – Blackwell brachte nicht den gewaltigen Groove von Elvin Jones hervor oder Milford Graves Kunst einer vertrackten Flüssigkeit, er war auch nicht wie Jones und Roach der unersetzliche Partner so brillanter Improvisatoren wie Coltrane oder Charlie Parker206) und er ist großteils in Beiträgen zur rauen, schrägen, schrillen Musik Ornette Colemans sowie stilistisch ähnlich orientierter Musiker zu hören. Doch ist es ein Vergnügen, Blackwells „tanzendem“, „singendem“ Trommelspiel zuzuhören, besonders in seinen Soli207). Max Roach erklärte, er habe nie jemanden gehört, der wie Blackwell klingt, Blackwell habe seine eigene musikalische Persönlichkeit und eine bestechende Herangehensweise.208) Und Billy Hart zählte Blackwell aufgrund seiner Verbindung zu den afrikanischen Wurzeln zu den bedeutendsten Schlagzeugeinflüssen des 20. Jahrhunderts.209)

An Blackwells Innovationen knüpfte der Schlagzeuger Doug Hammond an, der ebenfalls von der Karibik-Küste der USA (aus Florida210)) stammte und an afro-kubanischer und afrikanischer Musik interessiert war211). Hammond beschäftigte sich auch eingehend mit früheren Schlagzeugern wie Big Sid Catlett, Chick Webb, Cozy Cole und Baby Dodds. Besonders war er von Max Roach und Ed Blackwell als damals aktuellstem Vertreter dieser Entwicklungslinie beeinflusst und ging in folgender Hinsicht einen Schritt weiter: Jazz-Kompositionen, über die improvisiert wird, legten in der Regel den Beitrag des Schlagzeugers nicht fest. Er erhielt vom Bandleader meistens nur ungefähre Vorgaben, welche Art von rhythmischem Fundament er in einem Stück bereitstellen soll. Hammond begann hingegen, auch für das Schlagzeug einen eigenen Part zu schreiben, der angab, an welchem Punkt im zeitlichen Raster eines Stückes welcher Teil des Schlagzeugs anzuschlagen ist (ähnlich, wie für die anderen Instrumente vorgegeben wird, welche Note an welcher Stelle zu spielen ist). Daraus ergab sich für das Schlagzeug eine Art Rhythmus-Melodie, die Hammond „Drum-Chant“212) nannte. Er stellte sich dabei die einzelnen Schlagzeugteile wie eigene Instrumente vor, die in ihrer Kombination eine komplette Rhythmusgruppe abbilden, zum Beispiel indem die Bass-Trommel die Funktion eines Basses übernimmt, die Snare-Trommel die eines Klaviers sowie Becken oder Kuhglocken die des Schlagzeugs.213) Neben dieser „Melodisierung“ der Perkussions-Instrumente legte er umgekehrt auf eine rhythmisch kunstvolle Gestaltung der Melodie des Stückes Wert. Ihre rhythmisch-melodische Linie und den „Drum-Chant“ verschränkte er auf eine spannende („kontrapunktische“214)) Weise miteinander, die stets auch Auslassungen von Schlägen beziehungsweise von Noten geschickt nutzte, sodass ein anspruchsvoller Groove entstand215). Der „Drum-Chant“ verlieh dem jeweiligen Stück in der rhythmischen Grundstruktur einen spezifischen Charakter und gab dem Schlagzeuger ebenfalls ein Thema, von dem er bei seinen Improvisationen ausgehen konnte. Akkorde wurden für die Improvisationen keine vorgegeben216), sodass ihre Basis im Wesentlichen aus Rhythmus bestand.217) Mit der Loslösung von harmonischen Vorgaben verlor diese Musik an europäischem Charakter und mit der Konzentration auf eine enge Verbindung von Rhythmus-Melodie und Melodie-Rhythmus näherte sie sich west-afrikanischen Musik-Auffassungen, auch wenn sie an der Oberfläche keineswegs afrikanisch klang. – Hammond trat nicht als Begleiter eines bedeutenden Bandleaders hervor218) und auch seine eigenen Gruppen, mit denen er seine Kompositionen spielen und aufnehmen konnte, blieben weitgehend unbekannt. Von seinen Mitspielern erlangte nur einer je größere Aufmerksamkeit – Steve Coleman, der Anfang der 1980er Jahre als junger Saxofonist mit ihm arbeitete219) und aus seinem Konzept entscheidende Anregungen für die Entwicklung seiner eigenen Musik bezog. Über Steve Coleman übten Hammonds Ideen dann aber einen Einfluss auf viele junge Musiker aus.220)

Hammond begann Anfang der 1970er Jahre221), seine Drum-Chants zu entwickeln, und kurz zuvor entstanden in einem ganz anderen Bereich afro-amerikanischer Musik Spielweisen, die noch weit mehr den Musikvorstellungen im Sub-Sahara-Afrika entsprachen: in der Tanzmusik des Sängers James Brown. Seine Band entwickelte in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eine neue, Funk genannte Musik, die weitgehend aus Rhythmus bestand und sich aus mehreren verzahnten, melodie-artigen Figuren zusammensetzte, jedoch nicht auf Trommeln, sondern auf den in der Soul-Musik üblichen Instrumenten gespielt wurde.222) So ergab sich eine spezifisch US-afro-amerikanische Variante des afrikanischen Verzahnungsmodells, die dann bezeichnenderweise bei Afrikanern mehr Anklang fand als jede andere damalige US-amerikanische Musik, wie John Miller Chernoff feststellte223), der ab 1970 in West-Afrika224) von Trommelmeistern Unterricht erhielt. Nach Chernoffs Erfahrung225) kann ein Afrikaner mit einer Jazz-Aufnahme nichts anfangen, selbst wenn sie noch so viel an afrikanischem Charakter hat. Die Frage, ob er eine bestimmte Musik versteht, bejahe ein Afrikaner dann, wenn er den Tanz kennt, der zu ihr gehört.226) Afrikanische Trommelrhythmen sind in der Regel untrennbar mit Tanz verbunden und Tanzmusik braucht rhythmische Elemente, die sich ständig wiederholen. Zyklen227) bieten den Tänzern zusätzlich zu einem bloßen Pulsieren anregende Strukturen, die das Tanzerlebnis bereichern. Solange der Jazz seinen Tanzmusik-Charakter bewahrte, wurde sein statischer Teil vor allem von einer Betonung des Beats gebildet228). Die für ihre kunstvolle Gestaltung bekannte Trommelmusik der afrikanischen Guinea-Küste229) deutet hingegen den Beat häufig nur indirekt an und ihr konstanter Teil setzt sich aus mehreren verschiedenen rhythmischen Mustern (Patterns) zusammen, die so ineinander verzahnt sind, dass sie eine mehrschichtige Rhythmik ergeben. In stärkerem Maß improvisiert meistens nur der führende Meistertrommler, der mitunter auch sprachliche Inhalte in sein Spiel verpackt. Es kommt in diesen afrikanischen Musiktraditionen weniger auf solistische Meisterschaft, Einfallsreichtum und Originalität an als auf die Kunst, das Zusammenwirken der Muster durch subtil gestaltetes, präzises, repetitives Spiel plastisch spürbar zu machen, die Tänzer zu unterstützen und insgesamt für ein befriedigendes Erlebnis aller Beteiligten zu sorgen.230) Im Vergleich zu dieser afrikanischen Musik waren die Rhythmen des Jazz in seiner Geschichte zunächst simpel und die allmählich entwickelte rhythmische Mehrschichtigkeit wurde im Jazz dann weniger durch ein Verzahnen fixer Patterns erreicht als durch ein Überlagern des Beats mit vielfältigen, variierenden, improvisierten Akzenten und Figuren.231) Der vom Walking-Bass wiedergegebene Beat blieb dabei in der Regel die einfache, „monorhythmische“ (nicht polyrhythmische) Basis und klare Leitlinie, während das Schlagzeug zunehmend in ein Wechselspiel mit den Melodie-Instrumenten trat. Es unterstützte damit die melodische Improvisation, die leicht isoliert, seltsam abgehoben und unbeantwortet klingt, wenn sie nur von starren Mustern der Rhythmusgruppe begleitet wird. Außerdem ist das Schlagzeug durch größere Freiheit von fixen Mustern in der Lage, selbst durch Improvisationen hervorzutreten. Die vorrangige Bedeutung der melodischen Improvisation hat somit die statischen Anteile des Rhythmus stark zurückgedrängt und damit den Jazz von seiner ursprünglichen Funktion als Tanzmusik weggeführt. James Browns Musik war hingegen bereits als besonders auf Rhythmus konzentrierte Tanzmusik und zusätzlich durch ihr Verzahnungsprinzip der west-afrikanischen Trommelmusik wesentlich näher, aber wiederum von der Komplexität und Improvisationskunst des Jazz weit entfernt.

Steve Coleman kam Ende der 1960er Jahre gerade in das Jugendalter, als James Browns Funk voll entwickelt war und im afro-amerikanischen Milieu, dem Coleman angehörte, einen starken Widerhall fand. Coleman war von dieser neuartigen Musik fasziniert, tanzte wie seine Altersgenossen zu ihr und wurde von ihr nachhaltig beeinflusst. Ein paar Jahre später fand er als angehender Alt-Saxofonist in der Musik Charlie Parkers ebenfalls ein Verzahnen unterschiedlicher Parts und Ende der 1970er Jahre weckte ein Album mit Trommelmusik von der Elfenbeinküste sein Interesse an afrikanischen Rhythmen dieser Region sowie an ihrer Art der Verzahnung. Er fand es unumgänglich, für seine Musik eine eigene, zeitgemäße rhythmische Basis zu schaffen, und die sollte nach seiner Vorstellung den Charakter von Browns Funk-Grooves haben, aber so anspruchsvoll entwickelt sein, dass sie das Fundament für eine Musik auf Coltranes Niveau bilden kann. Zu diesem Zweck verglich er die verschiedenen Arten der Verzahnung in Browns Funk, Parkers Musik sowie west-afrikanischer Trommelmusik und fand in allen dreien sowohl statische als auch veränderliche, improvisierte Parts. Die „Veränderungsrate“, wie er es nannte, war in diesen drei Musikarten jedoch sehr unterschiedlich: Parkers und Max Roachs Zusammenspiel war hochgradig flexibel und der statische Teil wurde hier vor allem vom nicht improvisierenden Walking-Bass bereitgestellt. James Browns Musik war hingegen überwiegend statisch und die west-afrikanische Trommelmusik nahm mit weitgehend gleichbleibenden Parts und Improvisationen des Meistertrommlers eine Zwischenposition ein. Eine wichtige Anregung, wie Coleman rhythmische Figuren als Grundlage für melodische Improvisation nutzen kann, gaben ihm Doug Hammonds Drum-Chants, die er während seiner 1979 begonnenen Mitarbeit in Hammonds Gruppe kennenlernte. Doch gingen Colemans Bestrebungen deutlich darüber hinaus und er entwickelte im Laufe der 1980er Jahre ein eigenes Rhythmus-Konzept, das unter anderem folgende Besonderheit enthält: Die in seinen Kompositionen verzahnten rhythmischen Figuren haben unterschiedliche Längen, sodass sich ihre Zyklen kontinuierlich gegeneinander verschieben und wechselseitig durchbrechen.232) Auf diese Weise bilden sie ein größeres, sehr dynamisches Gefüge, das zwar wie west-afrikanische Trommelrhythmen aus Kreisläufen besteht und in der Summe eine rotierende Bewegung ergibt, sich jedoch nicht in kurzen Zyklen ständig wiederholt. So verhindern sie eine Eigenschaft afrikanischer Rhythmen, die wesentlich zu ihrem eher starren, steifen Charakter, von dem Elvin Jones sprach, beiträgt.233) Zugleich heben sich in Colemans Musik die übereinander gelagerten Schichten durch die dauernde gegenseitige Verschiebung noch deutlicher voneinander ab, sodass sich der polyrhythmische Charakter, der zu einem großen Teil den Reiz west-afrikanischer Rhythmik ausmacht, noch verstärkt. Die Spannung zwischen den Schichten in Colemans Musik wahrzunehmen und zugleich zu fühlen, wie sie dennoch perfekt ineinandergreifen, kann faszinierend sein.234) Coleman gestaltete die einzelnen rhythmischen Figuren so, dass sie in ihrem Zusammenspiel laufend stark groovende Kombinationen ergeben und damit ein rhythmisches Fundament für seine Musik bilden, das trotz Komplexität ein intensives Bewegungsgefühl vermittelt. Die vielfältigen Ebenen und ihre dynamischen Beziehungen bieten eine besonders reichhaltige Basis für rhythmisch anspruchsvolle Improvisationen der Melodie-Instrumente sowie für die improvisierten Beiträge der Rhythmusgruppe selbst. In den 1990er Jahren arbeitete Coleman an einer weiteren Verstärkung der rhythmischen Basis durch Handtrommler und fand nach längeren Versuchen mit US-amerikanischen und afrikanischen Trommlern schließlich in jungen Afro-Kubanern, die sowohl Folklore-Traditionen beherrschten, als auch für sein Konzept offen waren, bereichernde Mitspieler.235)

Letztlich klingt auch Steve Colemans Musik nicht in einer konkreten Weise nach traditioneller west-afrikanischer Musik. Doch nutzt sein Konzept in besonderem Maß die Stärke des west-afrikanischen polyrhythmischen Modells und erzeugt damit ein organisches rhythmisches Fundament, das sich mit seiner Vielschichtigkeit und Dynamik für kunstvolle Jazz-Improvisation als bestens geeignet erwies.

 

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  1. Mario Bauzá: Als er und Dizzy Gillespie begannen, die Sache voranzutreiben, hätten sie immer gesagt, dass Jazz eine großartige Sache ist, der Rhythmus aber sehr monoton ist. Daher hätten sie immer darüber nachgedacht, wie sie etwas Neues entwickeln können. (QUELLE: John Storm Roberts, The Latin Tinge, 1999/1979, S. 116)
  2. Tresillo
  3. Bruce Boyd Raeburn: Der Autor Charles Hiroshi Garrett sei in seinem Buch Struggling to Define a Nation, 2008, Kapitel Jelly Roll Morton and the Spanish Tinge, der Frage nachgegangen, wie Morton „Spanish Tinge“-Elemente in den Jazz einarbeitete. Morton habe in der Klavier-Interpretation des Stücks New Orleans Blues (New Orleans Joys) einer Tresillo-Bass-Linie Blues-gebeugte Figuren im höheren Register entgegengesetzt. Garrett sei zum Schluss gelangt, dass eine solche rhythmische Flexibilität sowohl auf die dynamischen improvisatorischen Möglichkeiten also auch auf die ständige Spannung, die vom Zusammenprall der unterschiedlichen musikalischen Impulse produziert wird, hindeutet. Wegen des charakteristischen Satzes von rhythmischen Mustern, die durch das Improvisieren über dem Tresillo-Bass hervorgebracht werden, sei es möglicherweise tatsächlich zweckmäßig, diesen Aspekt der Latin-Tinge nicht nur mit dem Vorhandensein einer spezifischen rhythmischen Zelle zu charakterisieren, sondern auch mit dem daraus resultierenden polyrhythmischen Charakter. (QUELLE: Bruce Boyd Raeburn, Beyond the „Spanish Tinge”, in: Luca Cerchiari/Laurent Cugny/Franz Kerschbaumer (Hrsg.), Eurojazzland. Jazz and European Sources, Dynamics, and Contexts, 2012, S. 27)
  4. QUELLE: Transkription der Library of Congress Recordings, Internet-Adresse: http://www.doctorjazz.co.uk/locspeech4.html#locaafs4, Abschnitt 1681 B
  5. Das bekannteste dieser Stücke ist Caravan (erstmals aufgenommen von einer Untergruppe des Ellington-Orchesters unter dem Namen von Barney Bigard im Dezember 1936 und dann vom gesamten Orchester im Mai 1937). Besonders hübsch ist Moon Over Cuba (1939 geschrieben, 1941 vom Ellington-Orchester aufgenommen).
  6. zum Beispiel der Tango-Welle, die bereits vor 1920 begann, und der Welle der so genannten R(h)umba-Musik, die durch das 1930 von Don Azpiazu And His Havana Casino Orchestra aufgenommene Lied El Manisero (The Peanut Vendor) ausgelöst wurde und nichts mit der afro-kubanischen Rumba zu tun hat
  7. QUELLE: John Storm Roberts, Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus Wolbert [Hrsg.], That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 231f.
  8. Nathan Brad Miller: Die Perkussionsgruppe bestehe aus Maracas, Claves, Congas und Schlagzeug, was der Instrumentierung kubanischer Ensembles wie der Band Don Azpiazu And His Havana Casino Orchestra ähnelte, die mit dem 1930 aufgenommenen Lied El Manisero (The Peanut Vendor) international populär wurde. Nur das Schlagzeug sei in afro-kubanischer Musik nicht üblich. Doch seien die darauf gespielten Rhythmen in afro-kubanischen Praktiken verankert und für die gesamte rhythmische Textur wesentlich. – Die mitspielenden Musiker seien zwar nicht angeführt, doch sei aufgrund der rhythmischen Genauigkeit und der Tonproduktion auf den Claves, Maracas und Congas anzunehmen, dass für diese Aufnahme kubanische Musiker hinzugezogen wurden. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 48 und 50, Internet-Adresse: https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
  9. Nathan Brad Miller: Die Perkussionsinstrumente ergeben gemeinsam die rhythmische Polyphonie kubanischer Musik. Die für Stücke der Swing-Ära typische vertikale Anordnung von Rhythmen sei hier nicht zu finden. Stattdessen erzeuge das Überlagern von verschiedenen Ostinati ein dichtes rhythmisches Gewebe. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 49, Internet-Adresse: https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
  10. Nathan Brad Miller wies auf „die falschen Akzente und den kommerziellen Zugang“ hin, die in lateinamerikanisch gefärbten Stücken von Musikern wie Calloway offensichtlich seien. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 56, Internet-Adresse: https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3, eigene Übersetzung)
  11. Nathan Brad Miller: Die Bläsergruppe sei nur einen Chorus der Melodie lang zu hören. Der Melodiegruppe werde in diesem Arrangement nur eine minimale Rolle eingeräumt. Das Ensemble setze ein abgesetztes Staccato-Spiel mit scharfen Attacken und Freilassungen für rhythmische Figuren ein. Durch diese Spielart werde die rhythmische Richtigkeit der Linien gewahrt, was sie über der Perkussionsgruppe leicht wahrnehmbar mache. Das verstärke umgekehrt den Vorwärtsschub der Bläsergruppe. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 50, Internet-Adresse: https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3)
  12. Mario Bauzá: Seit er im Jahr 1930 nach New York kam, versuche er, eine Möglichkeit der Vermählung von kubanischer Musik und Jazz zu finden, und als er Dizzy Gillespie spielen hörte, habe er gewusst, dass Gillespie es war, der das machen kann. (QUELLE: Robert Palmer, The Cuban Connection, Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8, November 1988, S. 28, Internet-Adresse: https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false)
  13. mehrere übereinander gelagerte Rhythmen
  14. Gillespie: Mario Bauzá habe ihn die kubanischen Rhythmen gelehrt und ihn dazu gebracht, Latin-Bands zu hören. (QUELLE: Robert Palmer, The Cuban Connection, Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8, November 1988, S. 28, Internet-Adresse: https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false) – Gillespie: Er habe sich für Latin-Musik zu begeistern begonnen, nachdem er Bauzá traf. Man könne sagen, dass er verrückt nach Latin-Musik ist, da sie multirhythmisch ist. Das sei es, was er möge. Einige Musiker, etwa aus der Rhythmusgruppe, würden denken, dass, wenn sie alle genau zusammenkommen, Bum!, dass das der Inbegriff ist. Sie würden einander ansehen und grinsen. Die Idee des Multirhythmus sei aber subtiler und achte auf alle Beats im Takt und auf alle dazwischenliegenden Beats. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82, Quellenangabe: Fox Interview vom 31. August 1976)
  15. Dizzy Gillespie: Instinktiv habe er immer schon das Latin-Feeling gehabt. Wahrscheinlich würde er einen Psychoanalytiker brauchen, um herauszufinden, woher es kam. Er habe schon lange polyrhythmisch empfunden. Möglicherweise sei er eines dieser „afrikanischen Überbleibsel“, die nach der Sklaverei unter Negern in South Carolina erhalten blieben. – Über seine Kindheit in South Carolina berichtete Gillespie unter anderem, dass er regelmäßig am Sonntag heimlich in die Sanctified-Kirche gegangen sei, der seine Familie nicht angehörte und die verachtet war, weil sie mit ihren Besessenheits-Ritualen als zu afrikanisch galt. Ihre Musik habe eine tiefgehende Bedeutung für ihn gehabt, er habe dort die Bedeutung des Rhythmus kennengelernt und wie Musik die Leute spirituell transportieren konnte. Musiker hätten dort mindestens vier verschiedene Rhythmen gleichzeitig erzeugt und die Gemeinde habe mit Fußstampfen, Händeklatschen und Springen die Zahl der Rhythmen noch erhöht. – 1938 spielte Gillespie in der Band des kubanischen Flötisten Alberto Socarras, der in den USA eine Latin-Band leitete und eher klassisch orientiert war. Gillespie: Er habe bei ihm Maracas und Trompete gespielt und so habe er erstmals den Clave-Beat gelernt. Die Clave sei dieselbe Sache wie „unser Sock-Cymbal-Beat“ (wohl die für den damaligen Jazz typische Ride-Becken-Figur). Man könne auf der Eins beginnen oder auf der Zwei oder sie umdrehen. Die Erfahrung in afro-kubanischer Musik, die er durch das Spielen bei Socarras erhielt, sei für ihn später sehr, sehr nützlich gewesen. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 171, 30f. und 86)
  16. einer ständig wiederholten Figur
  17. des komponierten Teils am Beginn und am Ende des Stückes
  18. Alyn Shipton: Gillespies habe mit Pickin‘ the Cabbage einige polyrhythmische Ideen der Latin-Musik erforscht. Bass und Bariton-Saxofon spielten gemeinsam ein Ostinato-Bass-Muster. Verschiedene Kommentatoren hätten auf die ungewöhnlichen Akkord-Strukturen des Themas hingewiesen, aber selbst Gunther Schullers Notation (in The Swing Era, 1991/1989, S. 345f.) umgehe das Problem, auf dem Papier die verschobenen Akzente des Ostinatos einzufangen – mit den Honks [Huptönen] des Bariton-Saxofons, die gegenüber dem vierten Beat jeden Taktes vorgezogen sind und ihn betonen, und den größtenteils parallel zu den Honks laufenden Rimshots [Schlägen auf den Trommelrand] des Schlagzeugers. Der rhythmische Effekt sei, dass die normale Vierviertel-Swing-Struktur destabilisiert wird. Nur in den acht Takten des Mittelteils setze sich die Vierviertel-Swing-Struktur durch (eine nicht unähnliche Idee werde in Gillespies Bebop-Komposition Salt Peanuts verwendet, wo das Hauptthema mit seinem Antwort-Ruf „Salt Peanuts“ von einem geradlinigen Vierviertel-Teil unterbrochen und abgewechselt werde). Durch das Spielen des Themas mit einer Betonung auf einem etwas vorgezogenen ersten Beat erzeuge das Stück ein Gefühl von entgegengesetzter Bewegung, während darunter ein Latin-Rhythmus angedeutet werde. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82) – Mark Lomanno (Ph.D. in Ethnomusikwissenschaft): Das Bass-Ostinato ahme die kubanische 3-2-Clave nach. Wie in späteren Kompositionen, etwa Night in Tunisia und Manteca, variiere Gillespie das synkopierte Latin-Feeling des A-Teils des Themas mit einer geradlinigen, swingenden Bridge [einem B- oder Zwischenteil]. (QUELLE: Mark Lomanno, Cab Calloway (featuring Dizzy Gillespie): Pickin' the Cabbage, Internetseite jazz.com, Internet-Adresse: http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage)
  19. Alyn Shipton: Gillespies Solo, das am besten in den Moll-Teilen des Stückes funktioniere, sei selbstsicher genug, um in den acht Takten des Mittelteils aus den Schwierigkeiten herauszukommen, aber weniger eindrucksvoll als die Vision, die das gesamte Arrangement zum Ausdruck bringt. Das Stück möge (nach Gunther Schullers Wortspiel) eine „unbedeutende Bemühung“ Gillespies gewesen sein, aber es sei ungewöhnlich im Werk der Calloway-Band gewesen und sei eine Erforschung der rhythmischen Struktur vom Komponieren für Bigband-Sections her – weniger in Bezug auf Klavier, Bass, Schlagzeug und Gitarre als Träger des rhythmischen Antriebs. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 82) – Mark Lomanno fand hingegen, dass Gillespie sein Solo gut spielte und dass es „Anzeichen seines späteren Genies“ zeige. (QUELLE: Mark Lomanno, Cab Calloway (featuring Dizzy Gillespie): Pickin' the Cabbage, Internetseite jazz.com, Internet-Adresse: http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage)
  20. Gillespie: Wenn man genau auf sein Arrangement und sein Solo in Pickin’ the Cabbage hört, könne man den Samen für einige seiner späteren, bekannten Kompositionen wie Night in Tunisia und Manteca hören. Wenn man wirklich gute Ohren hat, werde man noch mehr hören. Sorgfältiges Hören zeige einem in Pickin‘ the Cabbage die musikalische Richtung, die er für den Rest seiner Karriere verfolgte. Das Stück sei ein echter Beginn des Latin-Jazz und wahrscheinlich die erste Verwendung von Polyrhythmus im Jazz seit seiner Entstehung. All die Elemente des Fusionierens und Synthetisierens von afro-amerikanischem Swing mit den verschiedenen lateinamerikanischen und karibischen Beats seien bereits in dieser einen Komposition vorhanden. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 167)
  21. John Storm Roberts: Bauzá habe nach seinem Eintritt in Machitos Band begonnen, den „Sound dieser Band zu formen, indem er sich Jazz-Arrangeure (vor allem den Calloway-Arrangeur John Bartee) und Jazz-Bläser aussuchte, mit denen er eine erste wirkliche Synthese von Jazz und kubanischer Musik schuf, die die kubanischen Rhythmen und Strukturen beibehielt, sie aber mit instrumentalen und vokalen Jazz-Elementen erweiterte.“ (QUELLE: John Storm Roberts, Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus Wolbert [Hrsg.]: That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 232) – Nathan Brad Miller: Das Album Machito and His Afro Cubans 1941 enthalte Aufnahmen von Machitos Band in einem Stil, der sich noch wenig von Aufnahmen von Musikern wie Don Azpiazu unterscheide (Don Azpiazu war mit seinem Havana Casino Orchestra und dem Lied El Manisero/The Peanut Vendor bereits 1930 sehr erfolgreich). Im Jahr 1934 habe Bauzá für das Stück Tanga eine neue Art von Arrangements entwickelt. Tanga werde im Allgemeinen als erstes Stück des Afro-Cuban-Jazz betrachtet (Quellenangabe: Max Salazar bezeichne es so im Begleittext zum Album The Original Mambo Kings; John Storm Roberts zitiere Salazar in Latin Jazz, 1999, S. 67). Der kubanische Einfluss zeige sich vor allem in der Instrumentierung der Perkussionsgruppe, der rhythmischen Polyphonie der Perkussionsteile, dem von diesen Teilen erzeugten Schwung, dem Beruhen auf kubanischen Ostinati in den Bass- und Klavier-Parts, der Clave der Bläser-Arrangements, dem gesamten perkussiven Charakter des Spiels der Bläser, der Übereinstimmung zwischen Rhythmus- und Bläsergruppe, den Montuno- und Mambo-Abschnitten am Ende des Stücks und dem Gesang. Der Einfluss der Arrangier-Tradition des Jazz sei in der Instrumentation der Bläsergruppe, der Gegenüberstellung von Bläser-Riffs und der harmonischen Sprache zu hören. Das Fehlen eines Schlagzeugs stelle ein deutliches Abgehen von den Jazz-Bands dar. Die rhythmische Polyphonie werde genau in derselben Weise erzeugt wie in der damaligen populären Musik Kubas. – Die früheste Aufnahme von Tanga sei die 1948 gemachte und im Album The Jazz Scene von Norman Granz veröffentlichte. Damals seien drei Takes aufgenommen worden, die 4:55, 5:11 und 6:55 Minuten dauern. – Nathan Brad Miller wählte für seine Studie außerdem das 1952 von Machito aufgenommene Stück Mambo Inn, das die Weiterführung des mit Tanga begonnenen Stils veranschauliche. (QUELLE: Nathan Brad Miller, Mario Bauzá. Swing Era Novelty and Afro-Cuban Authenticity, 2007, S. 60-62, 65 und 67, Internet-Adresse: https://mospace.umsystem.edu/xmlui/bitstream/handle/10355/4978/research.pdf?sequence=3) – Das Alt-Saxofon-Solo in Tanga wurde übrigens (entgegen mancher Angaben im Internet) nicht von Charlie Parker, sondern vom US-amerikanischen Saxofonisten Eugene Johnson gespielt (QUELLE: Nathan Brad Miller, S. 65).
  22. Mark C. Gridley zum Thema „Latin-Jazz“: Es gebe eine afro-kubanische Tradition, Bläser-Soli als zusätzliche Ebene der Aktivität zu bieten, um den Reiz zu erhöhen, nicht als primärer Fokus des Interesses wie im meisten modernen Jazz. Bläser-Soli dienten in afro-kubanischer Musik oft als Dekoration, indem sie eine koloristische Funktion erfüllten. Wenn man die Bedeutung von Soli in der traditionellen afro-kubanischen Musik mit der im Jazz vergleicht, so beachte man auch die Kürze der Soli in afro-kubanischer Musik und die Praxis, in einem Stück nicht zahlreiche Soli zu bieten. (QUELLE: Mark C. Gridley, Jazz Styles, 2012, S. 412)
  23. Im März und April 1949 wurden in den vom selben Besitzer geführten Jazz-Lokalen Royal Roost und Bob City Auftritte der Machito-Band mit den „weißen“ Tenor-Saxofonisten Flip Phillips (einem aus einer Band von Woody Herman hervorgegangenen Musiker der Swing-Ära, der vom bedeutenden Platten- und Konzert-Produzenten Norman Granz häufig eingesetzte wurde) und Brew Moore (einem Verehrer von Lester Young) sowie dem afro-amerikanischen Trompeter Howard McGhee (der von Dizzy Gillespie beeinflusst war und mit Charlie Parker spielte) veranstaltet, in Radiosendungen übertragen und als Schallplatten-Aufnahmen veröffentlicht (enthalten im Album Ritmo Caliente von Machito and His Afro-Cubans). Flip Phillips wurde bereits zuvor an den Aufnahmen des Stücks Tanga im Dezember 1948 und des Stücks No Noise im Jänner 1949 beteiligt. Geoffrey Jacques schrieb über Phillips Solo in No Noise: Philips klinge eingeklemmt von den Rhythmen des Machito-Orchesters. Seine Versuche, die Rhythmen zu bewältigen, klängen gezwungen und schwerfällig. (QUELLE: Geoffrey Jacques, CuBop!, in: Lisa Brock/Digna Castañeda Fuertes [Hrsg.], Between Race and Empire, 1998, S. 258) Geoffrey Jacques ist ein Kulturkritiker, Journalist und Essayist, offenbar kein Musiker, doch lässt sich sein Eindruck gut nachvollziehen und auf andere Aufnahmen mit Phillip (Tanga, Bacuba) übertragen. Brew Moores und Howard McGhees Soli (in Vacilando, Howard’s Blues, Cubop City, Idianola, How High the Moon) klingen gewiss flüssiger, aber „vermählen” sich wohl ebenfalls nicht überzeugend mit den kubanischen Rhythmen und entfalten sich auch nicht recht in der Art des Jazz. In Idianola und How High the Moon kommt noch dazu, dass gleichzeitig mit den kubanischen Rhythmen ein Walking-Bass gespielt wird und die Diskrepanz zwischen Jazz- und kubanischer Rhythmik noch gesteigert erscheint, wobei hier mehr die Kubaner deplatziert wirken.
  24. zum Beispiel der Gruppe Los Muñequitos de Matanzas
  25. eine auf so genannten Batá-Trommeln gespielte, religiöse Musik
  26. Als „Latin-Jazz“ wird einerseits von kubanischem und puerto-ricanischem Einfluss dominierte Tanzmusik bis hin zur so genannten Salsa-Musik bezeichnet und andererseits auch zum Beispiel die gefälligen, von europäischer Ästhetik geprägten Klavier-Improvisationen mit karibisch gefärbter Begleitung des in England aufgewachsenen, in den 1950er Jahren bei einem großen Publikum beliebten Pianisten George Shearing sowie die eingängige Musik mit Karibik-Flair des Vibraphonisten Cal Tjader, der in den 1960er Jahren mit einer sehr gedämpften Version des von Chano Pozo und Dizzy Gillespie komponierten Stücks Guachi Guaro (bei Tjader zwecks besserer Verkäuflichkeit Soul Sauce genannt) in kommerzieller Hinsicht sehr erfolgreich war. Noch diffuser wurden die Konturen des Latin-Jazz-Begriffs, als in den 1960er Jahren mit der Bossa-Nova-Welle auch die Verbindungen von brasilianischer Musik mit Jazz dazugezählt wurden, zumal sich die Bossa-Nova-Musik erheblich von karibischer unterscheidet. – John Storm Roberts: „Es mag zum Teil an rassischen Motiven in der Jazzpolitik liegen oder zum Teil auch daran, dass [Stan] Kenton [ein ‚weißer‘ Orchesterleiter] große kommerzielle Erfolge erzielte – was Jazzkritiker immer ärgert –, oder vielleicht auch an seinem enormen Selbstbewusstsein, das paradoxe Reaktionen ausgelöst haben könnte – jedenfalls ist Kentons Beitrag zur Cubop-Ära niemals in angemessener Weise gewürdigt worden (außer von ihm selbst).“ (QUELLE: John Storm Roberts, Die „Latinisierung“ des Jazz, in: Klaus Wolbert [Hrsg.]: That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 233) – Kenton war in Jazz-Kreisen jedoch in Wahrheit aus anderen Gründen umstritten: vor allem wegen seiner aufgeblasenen, pompösen Orchesterklänge und seiner Geringschätzung für swingende Jazz-Rhythmik (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 1, S. 665) sowie wegen seiner Versuche einer „Aufwertung“ des Jazz durch Anleihen bei der neueren sinfonischen Konzertmusik und der Behauptung, damit eine bessere, fortschrittlichere und kunstvollere Art von Jazz zu produzieren. Ekkehard Jost: Kentons Versuche einer Aufwertung seien – so wie Paul Whitemans „Symphonic Jazz“ in den 1920er Jahren – „ästhetisch zum Scheitern verurteilt“ gewesen, denn Kenton habe übersehen, dass er den Jazz damit seiner Substanz beraubte. Wie Whitemans „Symphonic Jazz“ sei Kentons Verbindung von europäischer Sinfonik mit Jazz schließlich „weder Jazz noch Sinfonik“ geworden, sondern ein „kurioses Denkmal euroamerikanischer Kulturrezeption“. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 160) – Diese Kritik an Kentons Werk ist wohl auch hinsichtlich seiner Latin-Experimente der 1940er und 1950er Jahre gerechtfertigt, wie zum Beispiel Kentons 1947 aufgenommene instrumentale Version des kubanischen Lieds El Manisero (The Peanut Vendor), mit der er großen kommerziellen Erfolg hatte, zeigt: Die Melodie des kubanischen Lieds, die Rhythmen der kubanischen Perkussionisten (Machito und Mitglieder seiner Gruppe) sowie das Klavier-Solo in kubanischer Art sind durchaus ansprechend, auch wenn das bloß instrumentale Wiedergeben der Liedmelodie nicht einen ausdrucksvollen Gesang ersetzen kann. Was Kentons Orchester den kubanischen Elementen hinzufügt, besteht jedoch lediglich aus zunehmend gewaltigen Bläser-Klängen, die nichts vom Charme des Lieds übrig lassen und mit Jazz nicht mehr zu tun haben, als dass die Art solcher Klänge aus dem Bigband-Jazz stammt. Die pure Vergröberung des kubanischen Lieds dürfte wohl nur jenen (gewiss zahlreichen) Hörern modern, progressiv und anspruchsvoll erschienen sein, die keinen wirklichen Zugang zum Jazz hatten. Auch mag eine Rolle gespielt haben, dass mächtige, oft pathetische Orchesterklänge in europäischer Sinfonik eindrucksvolle Höhepunkte darstellen und bei entsprechend gebildeten Hörern daher mit Kunstanspruch assoziiert werden. Kenton weckte beim Publikum nicht zuletzt durch eine übertrieben häufige Verwendung des Begriffs „Artistry“ und durch Ausdrücke wie „Innovations“, „Progressive“ und „New Concepts“ in Werktiteln die Vorstellung von Kunst im Sinne europäischer „Hoch“-Kultur. Der in John Storm Roberts Zitat verwendete Ausdruck „Cubop“ meint übrigens eine Verbindung von kubanischer Musik mit „Bebop“, also der Musik afro-amerikanischer Jazzmusiker wie Charlie Parker und Dizzy Gillespie, die in den 1940er Jahren neue Spielweisen entwickelten und unter anderem mit afro-kubanischen Elementen experimentierten. Stan Kenton zählte nicht zu ihnen.
  27. QUELLEN: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 113; Thomas Owens, Bebop, 1995, S. 13
  28. QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 113
  29. Dizzy Gillespie: Die Melodie habe ein sehr lateinamerikanisches, sogar orientalisches Feeling. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 171)
  30. QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 168
  31. QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 290
  32. QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 289f.
  33. Ned Sublette: In den 12 Jahrhunderten der Versklavung von Afrikanern durch Muslime seien fast so viele Sklaven verschleppt worden wie nach Amerika. (QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 24)
  34. QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 13 und 24
  35. Versklavte junge Männer wurden häufig kastriert und als Arbeitstiere und Diener eingesetzt, junge Frauen in Harems als Sex-Spielzeug missbraucht. (QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 24)
  36. Ekkehard Jost zitierte die afro-amerikanische Schriftstellerin Lorraine Hansberry (1930-1965): „Alles Abstoßende und Schmerzliche wurde mit Afrika assoziiert. Das kam von der Schule, den Kinos und unseren eigenen Leuten, die das hinnahmen. … Die meisten Kinder nahmen das in sich auf und schämten sich zutiefst ihrer afrikanischen Vergangenheit. …“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 236, Quellenangabe: Volkhard Brandes, Black Brother. Die Bedeutung Afrikas für den Freiheitskampf des schwarzen Amerika, 1971, S. 187)
  37. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 237
  38. Zum Beispiel wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in New Orleans auf dem Congo Square und danach in geheimen Voodoo-Kulten afrikanische Musiktraditionen aufrechterhalten und in der Küstenregion der Südstaaten South Carolina und Georgia blieben Reste west-afrikanischer Kultur (unter anderem in der „Gullah“ und „Geechee“ genannten Sprache, in Liedern und in den Ring Shout genannten religiösen Ritualen mit christlichem Rahmen) bis heute erhalten. Ekkehard Jost erwähnte, dass bereits im 19. Jahrhundert in den Nordstaaten manche kirchlichen und sozialen Organisationen in ihrer Bezeichnung anstelle des Ausdrucks „Negro“ den Ausdruck „African“ verwendeten (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 235). W. E. B. Du Bois nahm bereits im Jahr 1900 an der ersten Pan-Afrikanischen Konferenz teil und später übten auch die pan-afrikanischen und afrozentristischen Ideen des 1916 aus Jamaika eingewanderten Führers Marcus Garvey einen erheblichen Einfluss aus. In den 1920er Jahren bemühte sich die Harlem Renaissance, eine Bewegung afro-amerikanischer Schriftsteller und Künstler, um eine Korrektur des Afrika-Bildes (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 235).
  39. Ellington gab seinen Stücken unter anderem Titel wie Jungle Jamboree, Jungle Blues, Jungle Nights in Harlem und Echoes of the Jungle. Man sprach damals auch von einer „African craze“ (Afrika-Verrücktheit). (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 75f.)
  40. Näheres im Artikel New Growth: Link
  41. von 1927 bis 1931 im Cotton Club in Harlem (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 75f.); der Name „Cotton Club“ („Baumwoll-Klub“) spielte auf die rassistische Idylle von „primitiven Negern“ auf den Baumwoll-Plantagen der Südstaaten in früheren Zeiten an
  42. Ekkehard Jost gab einen Bericht des Jazz-Historikers Marshall Stearns über eine Szene einer solchen Revue wieder, in der ein hellhäutiger Afro-Amerikaner als notgelandeter Pilot im Dschungel auf eine von „Schwarzen“ unterwürfig angebetete „weiße Göttin“ mit langen blonden Locken stieß, sie befreite und mit ihr einen erotischen Tanz vollführte. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 76, Quellenangabe: Marshall Stearns, The Story of Jazz, 1956, S. 133) – lngrid Kummels: Ab den 1920er Jahren wurden Afro-Amerikaner auf der Bühne und im Film „zwar weiterhin als archaisch und primitiv porträtiert, sie wurden jedoch auch exotisiert und idealisiert und ihre ‚schwarze Kultur‘ wurde dabei erstmals als ein wesentlicher Bestandteil der universellen Moderne konzipiert.“ (QUELLE: lngrid Kummels, Race on Stage: Inszenierungen von Differenz in Musik und Tanz in Paris, Havanna und New York zwischen den beiden Weltkriegen, 2011, Zeitschrift für Ethnologie 136, S. 240, Internet-Adresse: http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/kummels/publikationen/Ingrid_Kummels_Race_on_Stage.pdf)
  43. QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 308 und 317f.
  44. QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 447f., 468 ,484 und 530
  45. Ned Sublette: Pozo sei mit Gillespies Band zum ersten Mal bei einem Konzert in der Carnegie Hall am 29. September 1947 aufgetreten, bei dem sie zum ersten Mal das Stück Cubana Be, Cubana Bop aufführten. (QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 537) – Aufnahmen von diesem Konzert wurden im Album Charlie Parker & Dizzy Gillespie: Diz ’n Bird at Carnegie Hall veröffentlicht, in dem das Stück Cubano Be, Cubano Bop genannt wurde. Die Studio-Aufnahme des Stückes vom 22. Dezember 1947 erschien unter dem Titel Cubana Be, Cubana Bop. Die Live-Version des Stückes vom 28. Februar 1948 aus dem Salle Pleyel, Paris, erhielt den Titel Afro-Cuban Suite. In Gillespies Autobiographie wird das Stück Cubana Be, Cubana Bop genannt.
  46. George Russell: Gillespie habe ein Thema für ein Stück mit Pozo gehabt und ihn ersucht, eine Suite darum herum zu bauen. Es sei ein hübsches Thema gewesen und so habe er nicht lange gebraucht, um eine Idee zu haben, was man damit anfangen kann. Die gesamte Einleitung sei modal gewesen. Er habe sie nicht auf einem Akkord aufgebaut, sondern auf einer Tonleiter, die den Sound eines bestimmten Akkords ergibt. Das ganze Stück, die Harmonie, alles ergebe sich aus dieser Tonleiter oder Umgebung für diesen Akkord. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 200) – Im Jahr 1953 erschien Russells musiktheoretisches Werk Lydian Chromatic Concept of Tonal Organization, das Miles Davis, John Coltrane und andere beeinflusste und zur Entstehung so genannter „modaler“ Stücke wie Davis‘ So What (1959) und „modaler“ Spielweisen beitrug.
  47. Chip Boaz (Bassist, Master in Musikethnologie): Russells Arrangement sei einigermaßen abgelöst von der rhythmischen Basis. Russel und Gillespie hätten damals nur begrenzt kubanische Musik verstanden und die Sprachbarriere zu Pozo, der nicht Englisch sprechen konnte, habe die Sache noch komplizierter gemacht. Wahrscheinlich habe Russell das Material ohne komplettes Clave-Konzept geschrieben und Pozo einfach ersucht, etwas Passendes zu spielen. (QUELLE: Chip Boaz, Setting The Record Straight: George Russell, Cubano Be, Cubano Bop, And The Origin of Latin Jazz, 30. Juli 2009, Boaz Internetseite, Internet-Adresse: http://www.chipboaz.com/blog/2009/07/30/setting-the-record-straight-george-russell-cubano-be-cubano-bop-and-the-origin-of-latin-jazz/)
  48. George Russell: Nach der Uraufführung des Stücks in der Carnegie Hall sei eine Aufführung in der Boston Symphony Hall vorgesehen gewesen. In der Busfahrt dorthin habe Pozo mit diesem schwarzen, magischen, afrikanischen Singen begonnen, mit dieser starken, mysteriösen Volksmusik, und er (Russell) habe Gillespie daraufhin vorgeschlagen, den gesamten Mittelteil des Stückes zu öffnen, um Pozo mit dieser Sache in den Vordergrund zu bringen. Das hätten sie dann in der Boston Symphony Hall ausprobiert. Die „schwarzen“ Leute im Publikum seien allerdings verlegen gewesen und hätten gelacht, als Pozo in seinem Eingeborenen-Kostüm auf die Bühne kam und begann. Die „schwarze Rasse“ sei eben in Amerika völlig von ihrer ursprünglichen Kultur abgetrennt worden und es sei ihr gelehrt worden, dass sie sich für sie zu schämen habe. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 200) – Selbst wenn diese Begründung zu bezweifeln sein sollte, so macht sie jedenfalls deutlich, welche Bedeutung Pozos Auftritten in Bezug auf afro-amerikanische Identität verliehen wurde.
  49. QUELLE: Bericht von Dan Morgenstern über ein Konzert im Apollo Theater, wiedergegeben in: Geoffrey Jacques, CuBop!, in: Lisa Brock/Digna Castañeda Fuertes [Hrsg.], Between Race and Empire, 1998, S. 257, Quellenangabe: Morgensterns Begleittext zum Album The Dizzy Gillespie Orchestra at the Salle Pleyel, Paris, France, Prestige 7818
  50. lngrid Kummels: Pozo habe 1941 in Havanna als Tänzer in dem im selben Jahr eröffneten, berühmt gewordenen Revuetheater Tropicana, das auf die Unterhaltung von US-amerikanischen Touristen und einer Oberschicht Havannas ausgerichtet war, einen afrikanischen Jäger im Dschungel verkörpert. Der Panther, den er jagte, wurde von einer russischen Balletttänzerin dargestellt. Als Pozo in Gillespies Band spielte, habe er die „primitivistische Figur“ des afrikanischen Jägers weiterentwickelt. (QUELLE: lngrid Kummels, Race on Stage: Inszenierungen von Differenz in Musik und Tanz in Paris, Havanna und New York zwischen den beiden Weltkriegen, Zeitschrift für Ethnologie 136, 2011, S. 256f., Internet-Adresse: http://www.lai.fu-berlin.de/homepages/kummels/publikationen/Ingrid_Kummels_Race_on_Stage.pdf, Quellenangabe: Rosa Lowinger/Ofelia Fox, Tropicana Nights, 2005, S. 90f.)
  51. Chip Boaz: Das Stück Cubano Be, Cubano Bop habe der Jazz-Community signalisiert, dass afro-kubanische Rhythmen mehr Potential haben als einfache Tanz-Arrangements, dass sie ein Potential für hohe Kunst enthielten. Außerdem wurde damit Musik aus afro-kubanischen Armenvierteln in angesehene Konzerthallen gebracht. Diese beiden Elemente würden wesentlich mehr von der Bedeutung des Stücks ausmachen als sein musikalischer Inhalt. (QUELLE: Chip Boaz, Setting The Record Straight: George Russell, Cubano Be, Cubano Bop, And The Origin of Latin Jazz, 30. Juli 2009, Boaz Internetseite, Internet-Adresse: http://www.chipboaz.com/blog/2009/07/30/setting-the-record-straight-george-russell-cubano-be-cubano-bop-and-the-origin-of-latin-jazz/)
  52. Chano Pozo y su Ritmo de Tambores; 4 Stücke: Ya no se puede rumbear, Abasí, Tambombararana, Placetas (alle 1947); wiederveröffentlicht im Album Chano Pozo: Tambor de Cuba
  53. Die Instrumenten-Besetzung entspricht nicht der einer kompletten Rumba-Gruppe und der Part der Quinto-Trommel wurde auf Bongo-Trommeln gespielt. Außerdem ist das Tempo der Stücke deutlich höher als das vergleichbarer Guaguancó-Aufnahmen aus der Mitte der 1950er Jahre, was nach David Peñalosa auf einen Einfluss der Varieté-Stil-Rumbas zurückzuführen sein könnte, die Pozo in Nachtklubs wie dem Tropicana aufführte. (QUELLE: David Peñalosa, Rumba Quinto, 2010, S. XVII-XVIII)
  54. Robert Palmer: Pozo habe sich taktlos, aber zutreffend über das Niveau des musikalischen Könnens in Gillespies Orchester geäußert, wie man selbst hören könne, wenn man Gillespies Aufnahmen mit denen vergleicht, die Pozo für den Latin-Markt machte. – Bauzá habe gesagt: Gillespies Musiker hätten zunächst nicht mit Pozo spielen können, da die Rhythmen für sie zu kompliziert waren. Sie wären verloren gewesen und daher habe Pozo sie unterrichtet. Von da an verwendeten sie in ihrem Spiel, was er ihnen gelehrt hatte, und unterrichteten andere. – George Russell habe erzählt: Pozo habe ihnen gezeigt, wie Patterns, die an sich einfach sind, zu einer komplexen, verzahnten Struktur kombiniert werden können. (QUELLE: Robert Palmer, The Cuban Connection, Zeitschrift Spin, Vol. 4, Nr. 8, November 1988, S. 29, Internet-Adresse: https://books.google.at/books?id=4ffg2qNLJucC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=Robert+Palmer+%22The+Cuban+connection%22&source=bl&ots=AN-4aVA2r5&sig=0uSNRwKmqlbOT6rWJ65VrrO71bk&hl=de&sa=X&ei=H1vDVMzrEcWZygO50YCoCA&ved=0CDEQ6AEwAw#v=onepage&q=Robert%20Palmer%20%22The%20Cuban%20connection%22&f=false) – Gillespie berichtete ebenfalls von Pozos Unterricht auf Busfahrten. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 319)
  55. Gillespie: Er habe sich gefragt, wie er Pozo den anderen Beat erklären kann, den sie gehabt haben. Pozo habe keine Noten lesen können. Aber sie hätten ein Stück gehabt, das er genau verstand, Good Bait. Schließlich sei er (Gillespie) immer dann, wenn Pozos Beat nicht stimmte, zu ihm gegangen und habe ihm Good Bait ins Ohr geflüstert, worauf er den Beat sofort korrigiert habe. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 319)
  56. Alyn Shipton: Nicht alle Mitglieder der Gillespie-Band seien von Pozos Beitrag überzeugt gewesen. So habe der Bassist Ray Brown erzählt: Er sei bald nach Pozos Eintritt in die Band ausgestiegen. Tatsache sei, dass eines der Dinge, an die er sich nie richtig gewöhnte, die Mitwirkung eines Conga-Spielers gewesen sei, obwohl Gillespie einen der besten gehabt habe. Pozos Spiel in Manteca oder einem anderen Latin-Stück habe er großartig gefunden, aber nicht sein Spiel zu ihren Arrangements. Es habe nicht in allen Stücken wirklich gut gepasst. Wenn er all diese Sachen machte, während sie versuchten dahinzuswingen, dann habe es sie zu bremsen geschienen. Aber vermutlich habe er sich bloß nicht daran gewöhnt. (QUELLE: Alyn Shipton, Groovin’ High. The Life of Dizzy Gillespie, 1999, S. 201)
  57. Ned Sublette: Pozo habe kein Englisch gesprochen und Gillespie kein Spanisch. Sie hätten auch unterschiedliche musikalische Sprachen gesprochen und Gillespie, der nicht Spanisch lernen wollte, sei immerhin begierig gewesen, zumindest rhythmisch zweisprachig zu werden. Das meiste von Gillespies Repertoire sei in Swing-Time gewesen mit ihren ungleichen Achtelnoten und Vierviertel-Walking-Bass-Linien, die durch komplizierte Akkordfolgen liefen. Pozo habe hingegen kubanische Time gehabt mit ihren geraden Achteln, ihrer Betonung auf der Vier jeden Takts, ihren Bass-Ostinati, die an einer einzigen Tonalität hingen, und der Verwendung spannender Stille in Pausen. Es sei für einen Conga-Spieler unnatürlich gewesen, in Swing-Time zu spielen, doch habe Pozo eine Tasche dafür machen können. Während seiner Jahre bei einem Radio-Netzwerk (RHC-Cadena Azul) habe er Flexibilität entwickelt, da er sich einem ständigen Strom von Gastmusikern aus verschiedenen Ländern anpassen musste, die durch die Studios gingen. Er habe in Kuba in Jazz-Bands gespielt und bereits herausgefunden, wie die beiden Feelings (das afro-amerikanische und das afro-kubanische) sich eher vermischten als einander zu widersprechen. Die Aufnahmen von Pozo mit Gillespies Gruppe seien ein faszinierendes, wenn auch nicht immer konsistentes Tauziehen des Timekeeping. Soweit man Pozo in den Aufnahmen hören kann, habe er nicht auf eine einzige Formel gesetzt, sondern sich in den verschiedenen Stücken unterschiedlich mit der Jazz-Time des Schlagzeugers verbunden. Oft habe er ein Gerades-Achtel-Feeling gespielt, jedoch an der Stelle mancher unbetonten Beats, die ein Conga-Spieler normalerweise ausfüllt, Raum gelassen. So sei er dem Schlagzeuger (Kenny Clarke), der Swing-Time spielte, nicht auf die Füße getreten. Man könne heute einiges von diesem zusammengesetzten Feeling erkennen, da dieser Sound einem mittlerweile vertraut geworden sei. Damals sei er hingegen ungewöhnlich gewesen. (QUELLE: Ned Sublette, Cuba and Its Music, 2004, S. 537f.)
  58. QUELLEN: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 321; Mark Lomanno, Cab Calloway (featuring Dizzy Gillespie): Pickin' the Cabbage, Internetseite jazz.com, Internet-Adresse: http://www.jazz.com/music/2008/2/4/cab-calloway-featuring-dizzy-gillespie-pickin-the-cabbage
  59. QUELLE: Thomas Owens, Bebop, 1995, S. 20f. – bezogen auf die Studio-Aufnahme des Stücks vom 30. Dezember 1947
  60. QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 348f.
  61. Spitzname von Charlie Parker
  62. Dizzy Gillespie
  63. QUELLE: von Ethan Iverson geführtes Interview mit Henry Threadgill, 16. Mai 2011, Iversons Internetseite Do the Math,Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-1-.html, eigene Übersetzung – Threadgill spielte als Sideman bei Bauzá, den er als Meister-Komponisten und –Arrangeur betrachtete. (QUELLE: Henry Threadgill im Interview Ride It, Or Go Under. Henry Threadgill and Jason Moran with George Grella and Raymond Foye, 18. Dezember 2014, Internet-Adresse: http://www.brooklynrail.org/2014/12/criticspage/ride-it-or-go-under-henry-threadgill-and-jason-moran-with-george-grella-and-raymond-foye). Taylor Ho Bynum, der mit Threadgill zusammenarbeitete: Als er erfuhr, dass Threadgill ein alter Freund und Mitarbeiter von Bauzá war, sei das eine Enthüllung gewesen, die viele Dinge klar gemacht habe. (QUELLE: Taylor Ho Bynum, A To Zooid, 7. Februar 2009, Internet-Adresse: http://taylorhobynum.com/a-to-zooid/) – Steve Coleman: Er habe gelesen, wie Bauzá in einem Interview anmerkte, dass Parkers rhythmische Improvisationen ganz natürlich zu den Rhythmen passten, die die kubanischen Musiker damals spielten, und dass Bird einer der ganz wenigen Musiker Amerikas gewesen sei, deren Rhythmen zu ihren passten. (QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/)
  64. Steve Coleman: Machito habe gesagt, dass Parker mit seinem Orchester aus kubanischen Musikern schon lang zu tun hatte, bevor Norman Granz vorschlug, die Aufnahmen von 1948 zu machen. Auch hätten Machito und Bauzá Parkers Musik schon gekannt, bevor sie ihn trafen, und Parker habe ihre Musik gekannt. (QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/)
  65. Am 20. Dezember 1948 wurden die Stücke No Noise, Part 2 und Mango Mangue aufgenommen und im Jänner 1949 Okiedoke.
  66. John Storm Roberts: Parkers erste Aufnahmen mit Machito seien wahrscheinlich die besten. Der Jazz-Historiker Marshall Stearns habe Mango Mangue als „gelungensten Latin-Jazz“ bezeichnet. (QUELLE: John Storm Roberts, The Latin Tinge, 1999/1979, S. 117) – Steve Coleman: Er habe immer schon diese Aufnahme von Parkers Spiel mit dem Machito-Orchester über Mario Bauzás Mango Mangue genanntes Arrangement gemocht. Er habe sie bereits gehört, als er noch in Chicago lebte. Parker sei darin mörderisch. Er (Coleman) habe durch dieses Stück zum ersten Mal gehört, wie die afro-kubanische und die afro-amerikanische Tradition durch gemeinsame Wurzeln zusammenkamen. Diese Musik habe einen großen Eindruck auf ihn gemacht, aber es sollte 20 Jahre dauern, bis diese ursprüngliche Inspiration manifest wurde – in einer ganz anderen Form als der Musik von Parker/Bauzá/Machito: in seiner Zusammenarbeit mit afro-kubanischen Musikern, die in seinem Album The Sign and The Seal festgehalten wurde. (QUELLE: Begleittext zu Steve Colemans Album The Sign and The Seal, 1996) – Coleman wählte Mango Mangue auch als eines jener Stücke, die er in seinem Artikel The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker (2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, eigene Übersetzung: Link) besprach.
  67. ab 2:11 Minuten/Sekunden des Stückes
  68. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, entsprechende Stellen in eigener Übersetzung: Link, Link, Link, Link, Link, Link
  69. Christopher Washburne (Posaunist und Musikprofessor an der Columbia Universität, New York): Max Roach habe es im Jahr 1984 Machitos Perkussionisten zugeschrieben, seinen Zugang zum Schlagzeugspiel verändert zu haben. Durch das Nachahmen der ineinander verzahnten Parts von Conga-Trommeln, Timbales und Bongo-Trommeln habe er die Unabhängigkeit der vier Gliedmaßen erreicht und damit eine Technik hervorgebracht, die das Schlagzeugspiel revolutionierte. (QUELLE: Christopher Washburne, The Clave of Jazz. A Caribbean Contribution to the Rhythmic Foundation of an African-American Music, Zeitschrift Black Music Research Journal, Jahrgang 17, Nr. 1, Frühjahr 1997, S. 78, Internet-Adresse: http://www.jstor.org/stable/779360, Quellenangabe: Max Roach am 12. November 1984 in einer Master-Class an der University of Wisconsin-Madison)
  70. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 109
  71. Blakey dürfte sich von Ende 1946 bis Ende 1947 in Afrika aufgehalten haben, und zwar außer einer Reise nach Nigeria größtenteils in Accra, Ghana. (QUELLE: Ingrid Monson, The African Diaspora, 2003, S. 337 und 349, Fußnote 9)
  72. vor allem: Orgy in Rhythm (1957; 3 Schlagzeuger, 5 Latin-Perkussionisten, Flöte, Klavier, Bass), Holiday for Skins (1958; 3 Schlagzeuger, 7 Latin-Perkussionisten, Trompete, Klavier, Bass) und The African Beat (1962; 1 Schlagzeug, 7 Perkussionisten [2 Nigerianer, 1 Jamaikaner, 4 US-Amerikaner], Yusef Lateef [Oboe, Saxofon, Flöte], Bass)
  73. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 456
  74. QUELLEN: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 110; Ingrid Monson, The African Diaspora, 2003, S. 337
  75. QUELLE: Arthur Taylor, Notes And Tones, 1993, S. 242 – Art Blakey behauptete öfters, er habe sich in den 1940er Jahren in West-Afrika keineswegs mit Trommelrhythmen, sondern lediglich mit religiösen Dingen beschäftigt. Das ist jedoch offensichtlich nicht richtig. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 150-155, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/) – Wynton Marsalis, der Anfang der 1980er Jahre zu Art Blakeys Band gehörte und für ihn als Lehrer offenbar Hochachtung empfand, schrieb unter anderem über ihn: „Er gab die tiefsten Wahrheiten und die originellsten Lügen von sich, und zwar im selben Satz. [...] Er studierte afrikanische Perkussion in Ghana [...]. Auf spezielle Art war er sehr gläubig, wenn das auch angesichts seiner vielen Frauengeschichten, seiner Gewohnheit, nur dann die Wahrheit zu sagen, wenn es ihm passte, und seiner Heroinsucht seltsam klingen mag.” (QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 140)
  76. QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 152, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/, Quellenangabe: Leslie Gourse, Art Blakey, 2002, S. 40
  77. QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 150-155 und 295, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/
  78. für Randy Weston nach dessen eigener Aussage (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, 2009, Dissertation, S. 154, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/); die zitierte Aussage Wayne Shorters deutet auf einen breiteren Einfluss hin
  79. Guy Warren, der sich ab 1974 Kofi Ghanaba nannte (Kelly, S. 40), im Juni 1962: Art Blakey langweile ihn zu Tode. Er beeindrucke einen für die ersten zwei Sekunden und das sei es dann gewesen, denn er könne nicht weitergehen. – Warren fand auch sonst nichts am Jazz authentisch, nicht einmal interessant. Auch die führenden Handtrommler New Yorks beeindruckten ihn nicht, mit Ausnahme von Chief Bey, der nach seiner Meinung afrikanische Rhythmik verstand und den er dann für sein zweites Album, The Guy Warren Soundz: Themes for African Drums (1958), beizog. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 17 und 27f.)
  80. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 17 und 22
  81. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 18 bis 21 – Die Highlife genannte, in West-Afrika verbreitete Musikart entstand in Ghana durch eine Verschmelzung westlicher Musik (unter anderem des Schlagzeugspiels aus dem Jazz) mit einheimischen Traditionen. Warren ahmte ursprünglich vor allem „weiße“ Schlagzeuger des Swing-Stils nach, insbesondere Buddy Rich (Kelly, S. 18f.).
  82. 1.) Afrika Speaks, America Answers (1956; traditionelle afrikanische Elemente und Highlife-Musik werden mit Elementen aus Jazz und Klassik vermischt; die Band wurde von einem „weißen“ Swing- und Blues-Schlagzeuger zusammengestellt, der auch den Vertrag mit der Plattenfirma vermittelte [Kelly, S. 23]) – 2.) The Guy Warren Soundz: Themes for African Drums (1958; mit Chief Bey, zwei weiteren amerikanischen Trommlern und einem Posaunisten aus Duke Ellingtons Orchester, in einem Stück mit Bass und Vibraphon; das Album war insofern ganz anders als das erste, als es nicht eine Fusion mit europäisch/amerikanischer Musik anstrebte, sondern mit traditioneller afrikanischer Musik experimentierte und Trommelspiel sowie Stimme in den Vordergrund stellte [Kelly, S. 28f.]) – 3.) African Rhythms: The Exciting Soundz of Guy Warren and His Talking Drum (1959; mit Richard Davis am Bass und Vibraphon/Marimba, alle anderen Instrumente spielte Warren selbst). – Weitere Alben nahm Warren in Großbritannien auf: 4.) Emergent Drums: The Voice of Africa Speaks Through the Soundz of Guy Warren of Ghana (1963; alle Instrumente von Warren selbst gespielt; weitgehend ohne Jazz-Einflüsse [Kelly, S. 37 und 40]) – In folgenden Alben erforschte er traditionelle Musik aus vielen Teilen Afrikas und arbeitete mit britischen Jazz-Musikern zusammen: 5.) Native Africa Vol. 1 und 2 (1969) – 6.) Afro-Jazz (1969; mit britischen Jazz-Musikern, die zu avantgardistischem Jazz neigten) – 7.) The African Soundz of Guy Warren of Ghana (1972)
  83. Robin D. G. Kelly: Warren habe sich wie ein afro-amerikanischer Hipster gekleidet, keinen afrikanisch klingenden Namen gehabt und im Übrigen eine kompromisslose, egozentrische Art. Vor allem aber habe er musikalisch keine ausschließlich afrikanische Tradition präsentiert, sondern eine hybride, experimentelle Mischung, die eine Synthese mit westlichen Elementen anstrebte. So habe er etwa versucht, eine Talking-Drum wie ein Blasinstrument zu spielen und das Schlagzeug wie eine Zusammensetzung verschiedener afrikanischer Trommeln. Im Stück The Third Phase (drittes Album, African Rhythms: The Exciting Soundz of Guy Warren and His Talking Drum, 1959) habe er sogar das Thema von Beethovens 5. Symphonie verwendet, wiedergegeben auf Trommeln. Seine Musik habe nicht den Klischees von exotischen, ekstatischen afrikanischen Rhythmen und Tänzen entsprochen, die eine Vorstellung von Dschungel, primitiver Wildheit und alten, heidnischen Ritualen wachrief. Die Hülle seines zweiten Albums, The Guy Warren Soundz: Themes for African Drums (1958), versah die Plattenfirma mit einem Foto, das einen dunkelhäutigen Schauspieler mit nacktem Oberkörper und weit aufgerissenem Mund vor einem flammenden Hintergrund und umgeben von Steppengras beim Trommeln auf handgemachten Trommeln zeigt. Offensichtlich sollte dieses geschmacklose Bild die üblichen Klischees wachrufen und bestärkte Warrens Verachtung für die amerikanischen Verhältnisse. Auch afro-amerikanische Musiker schätzten eher die traditionellen und religiösen Elemente in Warrens Musik als seine hybriden Experimente. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 38, 36, 31f., 25)
  84. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 37 – Kelly stellte den Wandel Warrens unter anderem durch eine Gegenüberstellung zweier Filme dar, in denen Warren mitspielte: Im Film The Boy Kumasenu aus dem Jahr 1951, in dem ein Bursche aus einem ruhigen, traditionellen Fischerdorf Ghanas in die aufregende Großstadt Accra zieht, spielte Warren einen Lastwagenfahrer, der das moderne, urbane Leben personifizierte (mit Sonnenbrille, Hut und Anzug) und unter anderem zur westlich orientierten Highlife-Musik tanzte. Zu Beginn und am Ende des Films Sankofa aus dem Jahr 1993 spielt Warren (nun unter dem Namen Ghanaba [Sohn Ghanas]) eine Art Schlagzeug aus riesigen, geschnitzten afrikanischen Trommeln sowie mit zwei Fußpedalen und stellte einen Mahner dar, der auffordert, in die Vergangenheit zur Verschleppung als Sklaven, zu den Quellen, zurückzugehen. Als man ihm damals Bilder aus dem ersten Film zeigte, sagte er: „Wer ist dieser verdammte Idiot?“ In Sankofa könne man sehen, wie er sich verändert habe, von der an Amerika gebundenen Gefangenschaft zu einem freien afrikanischen Leben. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 37)
  85. Robin D. G. Kelly: Warren habe Olatunji, der mit seinem ersten Album, Drums of Passion (1959), großen Erfolg hatte (es verkaufte sich 5 Millionen Mal), als „kompletten Betrüger“ bezeichnet. Warren habe guten Grund gehabt, verärgert zu sein, denn Olatunji sei kein ausgebildeter Trommler gewesen, sondern habe sich zunächst vor allem für Politik interessiert und sei dann unter Jazz-Musikern zum bevorzugten, als authentisch geltenden Trommler geworden, obwohl er stets ein schwacher Vertreter west-afrikanischer Trommelkunst geblieben sei. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 32-34)
  86. Prince Efrom Odok, der bereits in den 1920er Jahren in die USA kam und in Harlem ein kleines Zentrum eröffnete, wo er afrikanische Musik und Tanz lehrte (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 14)
  87. Max Roach: Guy Warren habe ihm vermittelt, dass unter den amerikanischen Schlagzeugern sein Stil dem afrikanischen Trommeln am nächsten gekommen sei. (QUELLE: Max Roach, Ghanaba is Genius, ghanaische Tageszeitung Daily Graphic, 30. August 1974, Internet-Adresse: http://www.ghanansem.org/index.php?option=com_content&task=view&id=224&Itemid=276)
  88. QUELLE: Max Roach, Ghanaba is Genius, ghanaische Tageszeitung Daily Graphic, 30. August 1974, Internet-Adresse: http://www.ghanansem.org/index.php?option=com_content&task=view&id=224&Itemid=276
  89. Randy Weston: Soweit er sich zurückerinnern kann, habe ihm sein Vater gelehrt, dass er ein in Amerika geborener Afrikaner ist. Das sei damals eine sehr revolutionäre Identifikation gewesen. – Robin D. G. Kelly: Westons Vater sei ein stolzer Nachfahre jamaikanischer Maroons gewesen, der in Panama aufwuchs, wo seine Eltern am Panamakanal arbeiteten. Er sei ein entschiedener Anhänger von Marcus Garvey gewesen, dessen Organisation die größte „schwarze“ der Welt gewesen sei, als er (Westons Vater) in die USA einwanderte. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 42) – Die als Panafrikanismus bezeichnete Bewegung beruht auf dem Gedanken, dass alle von Afrikanern Abstammenden eine Einheit bilden, egal wo auf der Erde sie leben. Daher würden die Nachfahren der als Sklaven in die arabische und westliche Welt verschleppten Afrikaner in einer Diaspora lebende Angehörige eines einheitlichen afrikanischen Volkes sein. Diese Sichtweise diente der afro-amerikanischen Identitätsfindung sowie der ideellen Unterstützung sowohl der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung als auch der Unabhängigkeitsbestrebungen der sich aus den afrikanischen Kolonien herausbildenden afrikanischen Staaten. Die bedeutendsten frühen Vertreter des Panafrikanismus waren der US-Afro-Amerikaner W. E. B. Du Bois (1868-1963) und der Jamaikaner Marcus Garvey (1887-1940).
  90. Randy Weston: Duke Ellington und Thelonious Monk hätten einen starken Einfluss auf ihn gehabt. Beide seien Komponisten gewesen, die mehr oder weniger nur ihr eigenes Material spielten. Er habe diese Art von Selbständigkeit bewundert und sie nachahmen wollen. Bereits in seiner Frühzeit sei er zuerst als Komponist und in zweiter Linie als Pianist betrachtet worden. – Er sei sehr stolz, dass er Monk so nahe war und die unbeschreibliche Originalität in Monks Spiel erkennen konnte, bevor das Jazz-Establishment schließlich dorthin gelangte. Monk sei ein Meisterkomponist und ein Meisterpianist gewesen und habe das Mysterium zurück in die Musik gebracht. Monk habe eine Art von Magie, eine wundervolle Art gehabt, zu zeigen, dass man auf diese Weise wunderbar Musik spielen kann. In Monks Spiel habe er etwas gehört, das wahrscheinlich kein Europäer einfangen kann. Wenn man zusah, wie Monk Klavier spielte, dann sei das wie ein ganzes Ballett gewesen. Monk habe nicht einfach nur Klavier gespielt. Wenn man sah, wie Monk sich am Klavier bewegte, dann sei das pures Afrika gewesen, eine Art spontaner Kreativität, die man in der gesamten traditionellen afrikanischen Musik finde. Und der Humor, den man in Monks Musik im Überfluss finden könne, sei ein sehr wichtiger Teil afrikanischer Musik. (QUELLE: Randy Weston/Willard Jenkins, African Rhythm. The Autobiography of Randy Weston, 2010, S. 58 und 61) – Robin D. G. Kelly: Monks dissonante Harmonien und kantige Linien hätten in Westons Ohren einen neuen Modernismus verkörpert. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 50) – Jason John Squinobal: Ellington habe einen wichtigen Einfluss auf Weston ausgeübt, sowohl in musikalischer als auch philosophischer Hinsicht. Weston habe Ellingtons kreative Verwendung von Klangfarben im Klavier-Voicing und in der Orchestration der Band nachgeahmt. Auch hätten Ellingtons Afrika-Bezüge Weston beeinflusst. Ellington und Weston seien beide stark von den Ideen Marcus Garveys beeinflusst worden. Ellington habe sogar angedeutet, dass eine große Mehrheit der Musiker von Garvey beeinflusst war. In seiner Autobiographie habe Ellington geschrieben, dass Bebop eine Art Erweiterung von Marcus Garvey sei [Duke Ellington, Music Is My Mistress, 1973, S. 109]. Weston habe wie Ellington das Konzept des Panafrikanismus verstanden sowie, dass viel vom afrikanischen Erbe der Afro-Amerikaner über die Karibik kam. – In Monk habe Weston den Geist eines afrikanischen Meisters erkannt. Während er Monks Stil absorbierte, habe er durch seine Beziehung zu Monk zugleich einen schärferen Sinn für afrikanische Ästhetik entwickelt. Monk sei zu einem Mentor Westons geworden. Obwohl Monk in seiner Musik nicht bewusst afrikanisches Material verwendete, habe Weston gefühlt, dass Monk eine unbewusste geistige Beziehung zu Afrika hatte. Monk habe einen großen Einfluss auf die Entwicklung Westons als Person und als Musiker ausgeübt und dieser Einfluss sei noch größer geworden, als Weston gegen Ende der 1950er Jahre traditionelle afrikanische Musik und Kultur zu studieren begann. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 5, 100f., 119, 123 und 125, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
  91. In einem Fragebogen, den Weston im Jahr 1954 für den Jazz-Kritiker Leonard Feather ausfüllte, gab er unter anderem an, es sei sein Ziel, eine Menge neues Material in einer Vielfalt von Stimmungen zu spielen, absolut modern, aber nicht zu weit vom Publikum entfernt. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 50)
  92. Im Jahr 1956 erklärte Weston in einem Interview: Was er machen wolle, sei, Folkloremusik für den Jazz einzusetzen. Man könne Folklore-Rhythmen bewahren und dagegen improvisieren. Man könne Calypso, Walzer, alles spielen. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 52)
  93. Randy Weston: Als er hörte, wie Chano Pozo im Jahr 1947 mit Dizzy Gillespies Orchester spielte, habe ihn das in eine neue Richtung gebracht. Seither habe er mit Handtrommlern gearbeitet. (QUELLE: Ted Panken, African Soul, Zeitschrift DownBeat, 10. Jänner 1998, Internet-Adresse: http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-1998.html) – Jason John Squinobal: Weston habe im Jahr 2007 in einem von ihm (Squinobal) geleiteten Interview gesagt, dass Blakeys Verwendung von traditioneller west-afrikanischer Musik in den 1950er Jahren eine starke Inspiration für die Verwendung traditioneller west-afrikanischer Musik in seiner eigenen gewesen sei. Blakeys musikalische Ergebnisse seien in Westons Augen viel wichtiger gewesen als das, was Blakey über die Beziehung zwischen afrikanischer Musik und Jazz sagte. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 154, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
  94. In den vor Uhuru Afrika (1960) aufgenommenen Alben Westons sind keine Handtrommler zu hören (ausgenommen das Album Destry Rides Again, eine Bearbeitung eines Broadway-Musicals, die die Schallplattenfirma Weston mit dem nicht eingehaltenen Versprechen abverlangte, dann Uhuru Afrika aufzunehmen. Uhuru Afrika wurde dann von einer anderen, wesentlich kleineren Firma aufgenommen. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 56f.).
  95. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 48
  96. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 49
  97. Randy Weston: Als er sich in den Berkshire Mountains (Massachusetts) aufhielt [in der ersten Hälfte der 1950er Jahre], habe er Zeit mit dem afrikanischen Choreographen Osadali Duforum verbracht und der habe ihn dazu angeregt, traditionelle afrikanische Musik zu sammeln. Das sei ein natürlicher Prozess des Hörens gewesen, aber nicht notwendigerweise mit den Ohren, sondern fast wie mit der Seele. Als er dann Uhuru Afrika schrieb [ab 1958], sei das einfach aus einem magischen, übernatürlichen Prozess heraus geschehen. (QUELLE: Willard Jenkins, Freeing His Roots. The making of Randy Weston’s landmark opus "Uhuru Afrika", Zeitschrift DownBeat, Februar 2005, Internet-Adresse: http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-2005.html) – Weston nutzte seine freundschaftlichen Verbindungen zu Mitarbeitern der Vereinten Nationen (UNO), um mit Beamten aus verschiedenen afrikanischen Nationen in Kontakt zu kommen. Er erzählte darüber: Er habe sie immer über die Musik befragt und sie hätten ihm manchmal ein Tonband oder ein Buch gegeben. So habe er langsam zu lernen begonnen. Das sei die Inspiration zu Uhuru Afrika gewesen. (QUELLE: Ted Panken, African Soul, Zeitschrift DownBeat, 10. Jänner 1998, Internet-Adresse: http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-1998.html)
  98. QUELLEN: Randy Weston in einem 1968 oder 1970 von Arthur Taylor geführten Interview, in: Arthur Taylor, Notes and Tones, 1993/1977, S. 23; Randy Weston/Willard Jenkins, African Rhythm. The Autobiography of Randy Weston, 2010, S. 82f.
  99. zu diesem Begriff im Artikel Tanztrommeln: Link
  100. zu diesem Begriff im Artikel Tanztrommeln: Link
  101. Der einzige in Afrika aufgewachsene Mitspieler war der aus Nigeria in die USA eingewanderte Olatunji, der kein versierter Trommler war, wie bereits oben im Zusammenhang mit Guy Warrens Kritik an Olatunji in einer Fußnote erwähnt wurde. – Weston: Sie hätten eine Rhythmusgruppe haben wollen, die zeigt, wie alle Trommeln von der afrikanischen Trommel herkommen. Olatunji habe afrikanische Trommel und Perkussion gespielt, die Kubaner Candido und Armando Peraza hätten die afrikanische Trommel via Cuba ausgedrückt, Max Roach habe Marimba gespielt, Charli Persip und G.T. Hogan hätten Schlagzeug gespielt und sie hätten zwei Bassisten, George Duvivier und Ron Carter, dabei gehabt. – Persip: Weston habe zwar davon gesprochen, was er machen werde, aber im Grunde habe er (Persip) keine Idee gehabt, bis sie ins Studio gingen. – Yusef Lateef: Es sei eine Entdeckung und Erfindung in Musik-Ästhetik gewesen, denn es seien im Studio Jahrzehnte von Kenntnissen vorhanden gewesen. Er betrachte es als eine Verschmelzung von Fähigkeiten, die durch Austausch von Ideen zustande kam und zum musikalischen Ergebnis führte. Es habe sich bei dieser Aufnahmesession eine Romanze der Erfahrung abgespielt. – Weston war von der Session begeistert, denn jeder habe den Geist Afrikas erfasst. Einmal hätten sie einen bestimmten Perkussions-Sound gebraucht und einer der Musiker habe daraufhin eine Coca-Cola-Flasche verwendet. Jeder habe seine Ideen eingebracht. Es habe da einen enormen Sinn für Freiheit gegeben. (QUELLE: Willard Jenkins, Freeing His Roots. The making of Randy Weston’s landmark opus "Uhuru Afrika", Zeitschrift DownBeat, Februar 2005, Internet-Adresse: http://www.randyweston.info/randy-weston-press-pages/randy-weston-press-pages-english/randy-weston-downbeat-2005.html) – Das Zusammenspiel der Rhythmusgruppe wurde also erst anlässlich der Aufnahme entwickelt (es gab zwei Proben vor der Aufnahme; QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 58), sodass hier keine über längere Zeit eingespielte Gruppe mit einem ausgefeilten Konzept zu hören ist. Auch war ihr Ziel offensichtlich nicht, wie eine afrikanische Trommelgruppe eine perfekte Tanzmusik hervorzubringen. Im Vergleich zur Uhuru-Perkussion erzeugt anspruchsvolles west-afrikanisches Tanztrommeln (etwa der Gruppe Nsuase Kete aus Ghana im Album Asante Kete Drumming aus 2001) ein deutlich spannungsvolleres, mehrschichtigeres, vielfältigeres und stärker groovendes polyrhythmisches Gewebe. Ein ähnlicher Kontrast ergibt sich bei einem Vergleich mit Rumba (etwa dem Album Congo Yambumba der Gruppe Los Muñequitos de Matanzas, aufgenommen 1983, veröffentlicht 1994) – Jason John Squinobal: In gewisser Hinsicht habe Westons Erforschung traditioneller afrikanischer Musik in seiner Komposition und Aufnahme von Uhuru Afrika ihren Höhepunkt erreicht. Abgesehen von seiner politischen Aussage habe Weston darin viele Aspekte traditioneller west-afrikanischer Musik eingearbeitet. Es sei wahrscheinlich seine vollständigste Synthese traditioneller west-afrikanischer Musik mit Jazz. Das Stück Uhuru Kwanza beginne mit Perkussion, wobei afrikanische Handtrommeln und Perkussions-Instrumente die Rhythmusgruppe dominieren und das Schlagzeug eine geringere Rolle spiele. Die Rhythmen dieses Stücks seien nicht unbedingt von irgendeiner spezifischen traditionellen Gruppe. Vielmehr würde Westons Rhythmusgruppe eine Synthese west-afrikanischer Rhythmen schaffen, indem die einzelnen Perkussionisten auf ihre eigenen Kulturen zurückgreifen, um ein traditionell klingendes rhythmisches Feeling hervorzubringen. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 249f., Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf)
  102. Jason John Squinobal: Die Posaunen würden eine Klangfarbe liefern, die als schroff und nach europäischen Standards unkonventionell betrachtet werden könne. Die Verwendung der Posaunen ähnle hier der Art, wie Ellington Blechblasinstrumente einsetzte, um die primitiven und wilden Aspekte Afrikas zu symbolisieren. Weston habe damit auch versucht, den Klang afrikanischer Hörner wie der Kakaki zu erzeugen, einer königlichen Trompete, die die Haussa Nigerias verwenden. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 253, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf, Quellenangabe bezüglich der Nachbildung des Klangs afrikanischer Hörner: von Squinobal im Jahr 2007 geführtes Interview mit Weston)
  103. Robin D. G. Kelly: Die Blasinstrumente würden buchstäblich „Uhuru” rufen und im Laufe des Stücks einen zunehmend militanten, trotzigen Ton annehmen. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 58f.) Langston Hughes schrieb im Begleittext des Uhuru-Afrika-Albums ebenfalls von einem anschwellenden Ruf der Bläser nach Freiheit. In seinem (in der Einleitung vorgetragenen) „Freiheits-Gedicht“ klingen allerdings ein wenig die altbekannten Afrika-Assoziationen an: Afrika, wo der große Kongo fließt! Afrika, wo der ganze Dschungel weiß, eine neue Morgendämmerung bricht an, Afrika! Eine junge Nation erwacht! Afrika! Der Freiheits-Wind bläst aus der vergangenen Nacht, Freiheit! (eigene Übersetzung)
  104. 3. Stück des Albums
  105. Weston trat mit alten Freunden an Bass und Schlagzeug, dem Tenor-Saxofonisten Booker Erwin (bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Charles Mingus) sowie mit Olatunji auf, der ein kleines Ensemble aus „Talking Drummers“ leitete. Am letzten Abend der Konzertreihe spielte Weston und Olatunji in einer Band des Vibrafonisten Lionel Hampton. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 66-68)
  106. Robin D. G. Kelly: Die nigerianischen Kritiker seien keineswegs vom Experiment des kulturellen Austauschs beeindruckt gewesen. Das Festival sei in der lokalen Presse als „schlecht organisiert“, „regelrechte Beleidigung“ und „unqualifizierter Reinfall“ getadelt worden. Eine Zeitung habe ihre schärfste Kritik gegen den nigerianischen Landsmann Olatunji gerichtet und damit Guy Warrens Kritik an Olatunji bestätigt. Sie schrieb, es sei ein „trauriges Spektakel“ gewesen, zu sehen, wie Olatunji versuchte, vor einem nigerianischen Publikum Talking Drums zu spielen. Lionel Hamptons Show wurde als „billige Clownerie eines Entertainers“ mit „idiotischem Gesichtsausdruck, herausgestreckter Zunge und unartikulierten Äußerungen aus seinem Mund“ kritisiert. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 68f.)
  107. Robin D. G. Kelly: Die amerikanischen Musiker hätten Nigeria erleuchtet verlassen, von Gefühlen überwältigt und begierig, wieder zurück zu kommen. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 69)
  108. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 70
  109. QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 258, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf, Quellenangabe: Weston, Solo-Performance beim Symposium of Composition in Africa and the Diaspora, Cambridge, England, am 7. August 2005
  110. QUELLEN: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 70-74; Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 156f., 254 und 258, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf
  111. Zur Entstehung des nigerianischen Highlife, mit dem Weston in Berührung kam: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 160-173, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf; Wolfgang Bender, Der nigerianische Highlife, 2007, S. 99-165; Wolfgang Bender, Sweet Mother. Moderne afrikanische Musik, 2000, S. 134-158; Edmund John Collins, Jazz Feedback to Africa, Zeitschrift American Music, Jahrgang 5, Nr. 2, Sommer 1987, S. 176-193, Internet-Adresse: http://www.jstor.org/stable/3052161; Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 20-22 und 70-73
  112. Der ursprüngliche Titel des Albums war Music from the New African Nations Featuring the Highlife. – Von Highlife inspiriert sind vor allem folgende Stücke des Albums: 1. Caban Bamboo Highlife, 2. Niger Mambo und 5. Congolese Children. Das letztgenannte Stück beruht außerdem auf einer Melodie von Pygmäen. Das Stück 7. Mystery of Love ist eine Komposition von Guy Warren (bei Warren: Love, the Mystery Of), die Weston später in Konzerten häufig als Schlussstück spielte. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 77) Stück 3. Zulu ist eine bereits früher aufgenommene Komposition Westons, die hier im Highlife-Stil umgestaltet ist. (QUELLE: Westons Internetseite, Internet-Adresse: http://www.randyweston.info/randy-weston-discography-pages/1963highlife.html) Die Stücke 4. In Memory Of (eine von Weston komponierte Art Begräbnismusik) und 6. Blues to Africa (ein von Weston komponierter Blues) beziehen sich musikalisch nicht direkt auf Afrika. – Das erste Stück (Caban Bamboo Highlife) widmete Weston dem nigerianischen Musiker Bobby Benson, der als Vater des nigerianischen Highlife gilt. Weston hielt sich bei seinem Nigeria-Besuch nahezu allabendlich in Bensons Nachtklub Caban Bamboo auf und befreundete sich mit ihm. (QUELLE: Kelly, S. 73). Das zweite Stück (Niger Mambo) ist eine Komposition von Bobby Benson. Näheres zu Bobby Benson: Wolfgang Bender, Der nigerianische Highlife, 2007, S. 99-125
  113. Jason John Squinobal bezogen auf das Stück Caban Bamboo Highlife, das das Highlife-Thema repräsentiere: In der Perkussionsgruppe habe Weston für dieses Stück ein Rhythmus-Pattern eingesetzt, das mehr dem Highlife zugeordnet werden könne als irgendeinem speziellen traditionellen Tanztrommelstil. Die rhythmische Begleitung dieses Stücks unterscheide sich von der des Stücks Uhuru Kwanza [Album Uhuru Afrika] dadurch, dass hier das Schlagzeug die dominante Rolle in der Rhythmusgruppe spielt, nicht Handtrommeln und Perkussion wie in Uhuru Kwanza. Das Stück Caban Bamboo Highlife enthalte zwar einige rhythmische Patterns, die mit traditionellem west-afrikanischem Tanztrommeln verbunden sind, einschließlich des zugrundeliegenden Standard-Timeline-Patterns, doch werde es auch von einem gleichförmigen Basstrommel-Beat und den wiederholten Achtelnoten der Rassel begleitet. Außerdem werde das Standard-Timeline-Pattern hier auf einer mittelgroßen Trommel gespielt, die nicht wie die [in traditioneller west-afrikanischer Musik als Timeline-Instrument übliche] Glocke aus der Perkussionsgruppe herausgehört wird und auch nicht die Macht einer tief klingenden Meistertrommel hat. Westons Verständnis vom Highlife zeige sich auch darin, dass Caban Bamboo Highlife in einem einfachen 4/4-Metrum ohne viel Polyrhythmus gespielt wird. So ergebe sich eine Rhythmusgruppe, die mehr wie eine Jazz-Rhythmusgruppe funktioniert. Das stehe im Gegensatz zu Uhuru Kwanza, wo es sowohl in der Perkussion als auch in der Band einen hohen Grad von Polyrhythmik gab. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 256f., Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf) – Eine deutlich geringere Polyrhythmik der Rhythmusgruppe zeigt auch ein Vergleich der im Highlife-Album enthaltenen Bearbeitung des Highlife-Stücks Niger Mambo mit der Originalversion des nigerianischen Komponisten Bobby Benson.
  114. siehe Billy Harts Erzählung von seinem Gespräch mit Lee Morgan über The Sidewinder: Link
  115. Jason John Squinobal: Die Melodie von Westons Stück Caban Bamboo Highlife sei ein schlichtes diatonisches Thema in der Tonart F. Die Einfachheit der Melodie sei typisch für Highlife-Melodien, die oft kurze diatonische Phrasen seien. – In Uhuru Kwanza [Album Uhuru Afrika] hätten die Bläser eine Ellington-artige Darstellung von afrikanischen Dschungel-Hörnern bereitgestellt, während das Klavier die melodische Hauptrolle übernommen habe. In Caban Bamboo Highlife hingegen würden die Bläser mehr wie die Bläsergruppe einer Highlife-Band funktionieren. Das Sopran-Saxofon und die Trompete würden den Großteil der Melodie tragen, während die tiefen Blechblasinstrumente und Rohrblattinstrumente harmonische Einwürfe liefern. (QUELLE: Jason John Squinobal, West African Music in the Music of Art Blakey, Yusef Lateef, and Randy Weston, Dissertation, 2009, S. 255 und 257, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/7367/1/SquinobalDissertation4-14-2009.pdf) – Einfache, vielfach wiederholte Melodien haben auch die meisten anderen Stücke des Highlife-Albums. Sowohl die Einfachheit als auch der repetitive Charakter sind ein von Weston offenbar bewusst übernommenes Merkmal west-afrikanischer Musik (QUELLE: Jason John Squinobal, S. 236-240).
  116. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 78
  117. außerdem Trompeter Ray Copeland, Tenor-Saxofonist Clifford Jordan, Bassist Bill Vishnu Wood und Perkussionist Chief Bey
  118. Robin D. G. Kelly: Die Band habe meistens den zweiten Teil ihres Auftritts der Geschichte des Jazz gewidmet, was in einer lebendigen Darbietung des Stückes African Cookbook [Album African Cookbook, 1964] gegipfelt habe. Die Melodie dieses Stücks erinnere an Nord-Afrika und der Rhythmus stamme aus Sub-Sahara. In jedem Land, das sie besuchten (Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger, Ghana, Kamerun, Gabun, Liberia, Sierra Leone, Elfenbeinküste, Ägypten, Algerien und Marokko), habe dieses Stück das Publikum fast in Ekstase versetzt. Die Kombination von Westons kreativer Verarbeitung afrikanischer Rhythmen und Tonleitern mit der mittlerweile globalen Reichweite des Einflusses der Black-Power-Bewegung habe Kritiker und Publikum dazu veranlasst, die Jazz-Afrika-Verknüpfung sofort zu erkennen und aufzugreifen. Die Reaktion sei meilenweit von den erstarrten Gesichtern der Nigerianer entfernt gewesen, die sechs Jahre zuvor Lionel Hampton ertragen hatten. Bei einem Konzert an einer Universität in Liberia habe ein Solo von Chief Bey im Stück Congolese Children [Album Highlife; eines der von Highlife inspirierten Stücke] in wilde Begeisterung versetzt. (QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 81, 83 und 86)
  119. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 88-90
  120. Chalabati
  121. QUELLE: Robin D. G. Kelly, Africa Speaks, America Answers, 2012, S. 90
  122. QUELLEN: Elvin Jones in: Rick Mattingly, The Drummer’s Time, 1998, S. 25f. (Harry „Sweets" Edison, der absolut von der „alten Schule“ war, habe keine Probleme mit seiner Spielweise gehabt, weil er mitzählte. Andere hätten es nicht getan und seien hinausgefallen. S. 26); Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 97f., Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf
  123. QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 6, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf
  124. Barry W. Elmes: Zum Beispiel habe Paul Berliner Elvin Jones als führenden Vertreter der „polyrhythmischen Schule” dargestellt. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 1, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf, Quellenangabe: Paul F. Berliner, Thinking in Jazz, 1994, S. 332) – Martin Kunzler: Elvin Jones habe den Beat „durch eine polyrhythmisch komplexere Verschränkung durchbrochen“ dargestellt. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 1, S. 634) – Lewis Porter: Die zunehmende rhythmische Komplexität der Musik Coltranes, seine Adaptierung von afrikanischen Rhythmen und die Förderung von Elvin Jones Polyrhythmen hätten gegen Ende des Jahres 1965 zur Aufhebung des strikten Time-Keepings in Coltranes Gruppe geführt. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 214)
  125. QUELLE: Rick Mattingly, Elvin Jones. Once More, with Feeling, Zeitschrift Modern Drummer, Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27 und 53-66
  126. Barry W. Elmes: Elvin Jones Phrasen würden oft mehr um den Puls herum spielen als ihn offensichtlich darzustellen. Der Puls werde gefühlt, aber nicht unbedingt ausgedrückt. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 112, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
  127. Barry W. Elmes: Statt der üblichen Darstellung des Viertel-Beat-Pulses oder des üblichen Ride-Becken-Musters habe Elvin Jones eine Linie aus Achtelnoten-Phrasen mit rhythmischen sowie auch dynamischen Variationen erzeugt. Diese Phrasen seien rhythmisch in der gleichen Art gestaltet wie die von melodischen Solisten, indem sie Achtel- und/oder Viertelnoten verwenden, die auf den Downbeats und/oder Upbeats platziert sind. Mangels der Tonhöhen-Möglichkeit verleihe Jones seinen Phrasen eine gewisse Musikalität durch Akzentuierungen mit wesentlich größerer Bandbreite, als es im Schlagzeugspiel seiner Zeitgenossen und Vorgänger zu hören ist. Jones habe seine Phrasen in erster Linie, aber nicht ausschließlich, auf dem Ride-Becken ausgedrückt. – Tatsächlich habe er das Ride-Becken in Verbindung mit (nicht unabhängig von) den anderen Komponenten des Schlagzeugs eingesetzt. Mit der Entwicklung dieser Herangehensweise habe Jones ein Konzept geschaffen, das die Funktionen aller vier Gliedmaßen integriert, um fließende rhythmische Phrasen auszudrücken. Dieser Aspekt seines Stils sei sehr bedeutsam, denn er ermögliche es, komplexe Rhythmen auf dem Schlagzeug klar und flüssig auszudrücken. Wie „geschäftig“ oder „polyrhythmisch“ Elvin Jones Spiel manchen Hörern auch erscheinen mag, so habe er doch stets alle vier Gliedmaßen verwendet, um nur eine musikalische Idee auszudrücken. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 47 und 58, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf) – Elvin Jones stellte seine Auffassung vom Schlagzeug als einem einzigen Instrument in einem Interview selbst dar: Rick Mattingly, The Drummer’s Time, 1998, S. 26f.
  128. Barry W. Elmes: Vor 1960 sei Jones von vielen unterschiedlichen Bandleitern für Aufnahmen engagiert worden und sein Stil zu begleiten zeige in dieser Zeit eine viel größere Bandbreite als später während seiner (1960 begonnenen) Zusammenarbeit mit Coltrane. – Elmes erwähnte unter anderem, dass Jones in einer Aufnahme von Pepper Adams aus 1957 bereits in einem Stil spielte, der fast identisch mit seinem späteren Spiel bei Coltrane sei. – Jones Stil sei bereits Jahre vor seiner Zusammenarbeit mit Coltrane geformt worden, doch hätten die Bands, in denen er damals spielte, (so gut sie auch waren) anscheinend nicht die für weitere Entwicklungen notwendige Umgebung geboten. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 98-102, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
  129. Elvin Jones: Als er den haitianischen Trommler in den Tonbandaufnahmen hörte, habe er gedacht, es wären fünf Leute. Das habe ihn echt fasziniert und von da an habe er begonnen, sich mit traditioneller afrikanischer Musik zu beschäftigen. Er sei auf die Musik der Pygmäen und der Dogon gestoßen. Es gebe eine Menge Musik in Belgisch-Kongo [Demokratische Republik Kongo], und das seien alles großartige Inspirationsquellen gewesen. (QUELLE: Mike Joyce: Elvin Jones – Interview, Zeitschrift Cadence, Nr. 7/2, Februar 1981, S. 9-10, 12)
  130. Barry W. Elmes: Nach seiner ersten Aufnahme-Session in Detroit am Ende der 1940er Jahre habe Jones bei vielen Aufnahmen verschiedener Band-Leader mitgewirkt, bevor er sich im Jahr 1960 Coltrane anschloss. In den Aufnahmen dieser Periode seien nur kleinere Entwicklungen von Jones Stil erkennbar, doch habe er eine Erfahrung gemacht, die schließlich von zentraler Bedeutung für die Entwicklung seines Zwei-über-Drei-Konzepts und anderer rhythmischer Überlagerungen, die später in seinem Trommelspiel bei Coltrane auftauchten, gewesen sein könnte. Im Jahr 1957 habe Jones eine Tonbandaufnahme von einem haitianischen Trommler gehört, die ihn sehr beeindruckte. Welcher Samen durch diese Erfahrung auch immer gesät worden sein mag, so sei jedenfalls keine unmittelbare Veränderung seines Stils eingetreten. – Coltrane habe sein Quartett um ein zentrales, kraftvolles Duo aus Saxofon und Schlagzeug herum gebildet. Das Klavier sollte mehr als üblich die Rolle eines harmonischen Hintergrunds erfüllen. Der Bass sollte als Fundament für Jones Schlagzeugspiel dienen. Elvin Jones habe wahrscheinlich zum ersten Mal in seiner Kariere die Freiheit gehabt, das Schlagzeug so zu spielen, wie er es schon immer wollte. Jones Stil sei offensichtlich in den frühen 1960er Jahren zur Reife gelangt und um 1965 voll ausgereift gewesen. Möglicherweise habe seine Spielweise in Coltranes Album A Love Supreme (1964) ihren Höhepunkt erreicht. Danach habe Jones seinen Stil in keinem bedeutenden Maß mehr weiterentwickelt. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 97, 109 118 und 15, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
  131. Elvin Jones: Er habe oft Xavier Cugats Band gehört, weil sie im Radio und in den Filmen gewesen sei. Natürlich habe auch Cole Porter eine Menge Musik komponiert, die lateinamerikanische Rhythmen enthielt. So habe er sich immer gefragt, wie es wäre, wenn er das selbst machen würde, als Teil seiner Aufgabe. Manche Teile der Latin-Musik seien sehr starr, wie auch manche Aspekte der afrikanischen Rhythmen. Die Flexibilität komme davon, dass der Rhythmus von mehreren Leuten gespielt wird. Das sei nicht immer synchronisiert, was eine gewisse Bewegung hineinbringe, die ihn flüssiger mache. Als er es einsetzte, habe er sich mehr für das Fließende entschieden als für den statischen Anteil der Rhythmen. (QUELLE: Rick Mattingly, Elvin Jones. Once More, with Feeling, Zeitschrift Modern Drummer, Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27, 53-66)
  132. Elvin Jones: Er versuche immer, auf dem Becken eine Art Kontinuität aufrechtzuhalten. Von daher komme tatsächlich die Beständigkeit, denn die Band verwende keinen starken Vierviertel-Bass-Beat mehr oder dieses starre Auf-und-Ab auf der Zwei und der Vier auf der Hi-Hat. Das Schwergewicht liege also auf der Beständigkeit des Tempos und der Kontinuität des Beckenspiels. Das stelle das bereit, was in einem Latin-Orchester die Clave ist. (QUELLE: Rick Mattingly, Elvin Jones. Once More, with Feeling, Zeitschrift Modern Drummer, Nr. 16/3, März 1992, S. 22-27, 53-66)
  133. Barry W. Elmes: Jones habe sein gesamtes Spiel mit dem Raster der Triolen im Swing-Feeling unterlegt. Während er durch das Triolen-Raster eine „konsequente 12/8-Dichte“ einsetzte, gebe es in seinem gesamten Spiel kleinste, momentane Tempo-Veränderungen, die ein Gefühl von Steifheit verhindern. Diese Lockerheit oder Flexibilität in seinem Schlagzeugspiel werde nicht durch Ungenauigkeit erzeugt, sondern mehr durch ein Wegspielen vom stetigen innerlichen Puls. – Der Schlagzeuger Charlie Persip habe Jones Verwendung von Triolen auf folgende Weise kommentiert: Die Triolen würden einen zurückhalten. Man könne Triolen nicht antreiben. Jones gehe in alle Arten von Triolen-Feeling gegen die Rhythmen, die er spielt und die meistens in Viervierteln sind. Erstaunlich! Und das sei es, was seine Musik so komplex klingen lässt. Gleichzeitig sei es so, als würde eine ganze Masse von Rhythmus auf einen zukommen, aber weil er so triolisch ist, klinge er immer entspannt. (Quellenangabe: Paul F. Berliner, Thinking in Jazz, S. 153) – Elmes weiter: Das ständige Ausfüllen und Unterstützen der Becken-Phrase durch Achtelnoten-Triolen, das ein Kennzeichen von Jones Stil sei, scheine von anderen Schlagzeugern, die ihre eigenen Arten entwickelten, das Becken-Phrasierungs-System zu verwenden, aufgegeben worden zu sein. Zum Beispiel verwende Jack DeJohnette häufig eine editierte Form von Jones Becken-Phrasierung, die den Puls weniger direkt ausdrückt als Jones Schlagzeugspiel. (QUELLE: Barry W. Elmes, Elvin Jones: Defining His Essential Contributions to Jazz, 2005, Dissertation, S. 113, 58 und 118, Internet-Adresse: http://www.barryelmes.com/stuff/4stuff/Thesis-Elvin%20Jones.pdf)
  134. Steve Coleman: Elvin Jones habe Flüssigkeit gehabt, sei locker und der Inbegriff von Groove gewesen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3306 vom 5. August 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  135. „Bonus“-Stücke 7-9 des Albums African High Life von Solomon Ilori, aufgenommen am 30. Oktober 1964, Besetzung: Solomon Ilori (Gesang, Pennywhistle, Talking-Drum, Gitarre), Chief Bey, Roger Sanders, Ladji Camara, Sonny Morgan (Perkussion), Donald Byrd (Trompete), Hubert Laws (Tenor-Saxofon, Flöte), Bob Cranshaw (Bass), Elvin Jones (Schlagzeug); Ilori hatte bereits für Art Blakeys Album The African Beat (1962) eine wesentliche Rolle gespielt.
  136. Im ursprünglich veröffentlichten Album Africa/Brass war die am 7. Juni 1961 aufgenommene, 16:29 Minuten lange Version des Stückes enthalten. Im Album The Complete Africa/Brass Sessions wurden auch die 16:08 Minuten lange Version von derselben Aufnahme-Session sowie die 14:08 Minuten lange Version vom 23. Mai 1961 veröffentlicht.
  137. Im ursprünglichen Begleittext des Albums (der auch im Begleitheft des Albums The Complete Africa/Brass Sessions enthalten ist) wurde angegeben, dass Coltrane damals seit Längerem Aufnahmen von afrikanischer Musik gehört habe. In einem am 2. Mai 1961 (also einige Wochen vor den Aufnahmen) stattgefundenen Interview sprach Coltrane selbst von einer Schallplatte mit afrikanischer Musik, die er zuhause habe. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213, Quellenangabe: von Ralph J. Gleason am 2. Mai 1961 geführtes Interview mit John Coltrane)
  138. Lewis Porter: Coltrane habe bereits Anfang 1961 begonnen, eingehend nord-indische Musik zu hören, insbesondere Aufnahmen des Sitar-Virtuosen Ravi Shankar. – Im Jahr 1963 habe Coltrane in einem Interview gesagt: Er scheine durch eine modale Phase zu gehen. … Es gebe eine Menge modaler Musik, die jeden Tag überall in der Welt gespielt werde. Sie sei besonders in Afrika offensichtlich, aber man könne sie auch in Spanien und Schottland, Indien und China finden. Wenn man über ihre stilistischen Unterschiede hinaus sehe, dann werde man bestätigen, dass es eine gemeinsame Basis gibt. Das sei sehr wichtig. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 209 und 211). – Martin Pfleiderer: „Vergleicht man die verschiedenen Modalitätsauffassungen von Musiktheoretikern, Ethnomusikologen und Jazzforschern miteinander, so wird jedoch schnell deutlich, dass die Praxis des modalen Jazz nur auf einer sehr allgemeinen Ebene Gemeinsamkeiten mit Modalitätskonzepten und -praktiken in den Kunstmusiktraditionen Asiens aufweist. […] Angesichts der vielgestaltigen Modalitätspraktiken und -auffassungen in den asiatischen Kunstmusiktraditionen […], in der europäischen Volksmusik sowie in der abendländischen Musiktheorie scheint ‚Modalität‘ zu einer musiktheoretischen Residualkategorie zu werden, die sämtliche melodischen Gestaltungsprinzipien umfasst, welche sich nicht als funktionsharmonisch oder atonal im Sinne der abendländischen Musik der letzten dreihundert Jahre verstehen lassen.“ (QUELLE: Martin Pfleiderer, Zwischen Exotismus und Weltmusik, 1998, S. 104)
  139. John Coltrane (1963): Er sei so sehr in dieser Sache [den komplizierten Akkord-Strukturen, die er in seinem Album Giant Steps verwendete] gewesen und habe nicht gewusst, wohin er weitergehen kann. Er hätte wahrscheinlich nicht an die Möglichkeit gedacht, das Akkord-System aufzugeben. Ornette Coleman sei dahergekommen, er (Coltrane) habe ihn gehört und sich gesagt, dass das die Antwort ist. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 203)
  140. John Coltrane (gegen Ende 1961): Er möge den Beat nicht in einem strengen Sinn. Er fühle, dass er den Beat schon irgendwo brauche, aber er möge nicht den geradlinigen Vierviertel-Rhythmus. Er möge es, wenn die Rhythmusgruppe Schubkraft und ein Gefühl von Schwung unter und um das Saxofon herum sowie einen Auftrieb erzeugt. Wenn es mehr ein Gefühl von Puls ist als ein Beat, dann bewahre das einen vor einem langweiligen Zugang. Und man könne natürlich auch über anderen Metren als einem Vierviertel-Takt swingen. – In einem anderen Interview (November 1961) erläuterte Coltrane: Man brauche einen standfesten Beat, doch müsse nicht jeder starr Vierviertel spielen. Zwischen den Musikern der Rhythmusgruppe solle es genug Zusammenspiel geben, damit stets derselbe Zusammenhalt entsteht, den die Vierviertel ergeben, doch könne das manchmal indirekt statt tatsächlich gespielt sein. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213)
  141. Dom Cerulli: Coltranes Gruppe habe bereits vor der Aufnahme des Africa/Brass-Albums eine Bass-Linie, die aus Aufnahmen von afrikanischer Musik stammte und Gesang-Charakter hatte, in verschiedene Stücke eingearbeitet und mit Rhythmen experimentiert, die vom swingenden Vierviertel-Stil abgingen und „afrikanisch“ gewesen seien. (QUELLE: ursprünglicher Begleittext des Albums) – Lewis Porter: Coltrane habe es Ralph J. Gleason in einem am 2. Mai 1961 (also einige Wochen vor den Aufnahmen) geführten Interview ein wenig anders erzählt, als es Cerulli darstellte. Coltrane habe darauf hingewiesen, dass er davon weggekommen sei, Kompositionen auf komplizierten Akkordfolgen aufzubauen. Er habe sich mehr auf die Melodie konzentrieren wollen und der Rhythmus sei oft der Startpunkt gewesen. Coltrane habe gesagt: Er habe eine afrikanische Schallplatte zuhause, auf der „sie diese Rhythmen singen, einige ihrer einheimischen Rhythmen“. Er habe einen Teil davon genommen und ihn dem Bassisten gegeben. Elvin Jones habe einen Part gespielt und McCoy Tyner (der Pianist der Gruppe) habe etwas gefunden, das er spielen konnte, eine Art von Akkorden. Er (Coltrane) habe ihm nicht gesagt, welche Akkorde. Er habe gesagt, er sei damit [mit komplizierten, vorgegebenen Akkordfolgen] fertig. Er suche nach einer Melodie, ohne sich auf Akkorde zu beziehen. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 213, Quellenangabe: von Ralph J. Gleason am 2. Mai 1961 geführtes Interview mit John Coltrane, der damals mit seiner Band in San Francisco ein zwei-wöchiges Engagement in einem Jazzclub hatte)
  142. Lewis Porter: Tyner habe in den ersten beiden Jahren seiner Zugehörigkeit zu Coltranes Band (ab ungefähr Mai 1960) eine spezielle Art von Voicing (Akkord-Struktur) in Quarten entwickelt, die dann für den Sound der Gruppe charakteristisch wurde. Quartakkorde seien bereits zuvor von einer Reihe von klassischen Komponisten, insbesondere von Paul Hindemith, verwendet worden, allerdings in einem offensichtlich anderen Zusammenhang. Während Terzen einen vertrauten, bodenständigen Charakter hätten, würden Quarten abstrakt wirken. Die Quarten hätten möglicherweise dadurch, dass sie den vertrauten, auf Terzen beruhenden Klang von populären Liedern vermieden, zum spirituellen Charakter der Musik Coltranes beigetragen. Außerdem habe Tyner mit seiner linken Hand im tiefen Register dramatische Orgelpunkte gespielt. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 177)
  143. McCoy Tyner: Die Tatsache, dass er in seinen Anfangsjahren sehr stark von Thelonious Monks faszinierendem Spiel beeindruckt und beeinflusst wurde, dürfte ihm geholfen haben, nach seinem Eintritt in Coltranes Band für ihn einen ähnlichen Boden bereitzustellen, wie Coltrane ihn von Monk her kannte. Die Musik Monks sei außergewöhnlich, flüchtig und weise die Besonderheit auf, dass sie sehr veränderlich und gleichzeitig sehr verankert ist, mit einem sehr sicheren Tempo. Sein (Tyners) Spiel besitze (so glaube er) ebenfalls diese Metronom-artige rhythmische Genauigkeit, denn er habe eine gute, starke linke Hand. Coltrane habe gewusst, dass er auf dieses rhythmische Fundament zählen konnte, auf diesen Teppich, und dass er selbst dann, wenn er sich in seine wildesten Improvisationen warf, das regelmäßige Tempo des Pianisten unerschütterlich hinter sich haben würde. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 178)
  144. McCoy Tyner: Er sei aus einem in musikalischer Hinsicht sehr aktivem Umfeld gekommen – mit all den Musikern und den Jam-Sessions, die abliefen. Sie hätten den Musiker Saka Acquaye gehabt, der aus Ghana gekommen sei und in Philadelphia (wo Tyner aufwuchs) Trommler unterrichtete. Er habe ihnen eine Menge unterschiedlicher afrikanischer Rhythmen gelehrt und wie sie miteinander verbunden werden, wie die verschiedenen rhythmischen Schichten gebildet werden. Seine Schwester habe afrikanischen Tanz gelehrt. Er sei damals (Anfang der 1950er Jahre) 14/15 Jahre alt gewesen. Er habe diese Rhythmen in seinen Stil integriert. Zwar habe er nicht selbst von Acquaye Unterricht erhalten, jedoch beobachtet, wie Acquaye die Leute unterrichtete, die Congas spielten. Es habe damals viel kulturelle Identifikation mit den Afrikanern gegeben. – Einer der Musiker, die dann in seiner (Tyners) R&B-Band regelmäßig Schlagzeug spielten, als er zum Jazz überging, sei der Conga-Spieler Garvin Masseaux gewesen, der von Acquaye lernte, sowie ein anderer namens Bobby Crowder. Sie hätten viel zusammen gespielt und seien gute Freunde gewesen. Er (Tyner) sei also bereits in jungen Jahren von afrikanischer Musik beeinflusst gewesen. – Coltrane und Olatunji seien sehr gute Freunde gewesen. Es habe damals ein ausgeprägtes Interesse an afrikanischer Kultur gegeben. Es sei gut gewesen, sich mit den Wurzeln zu identifizieren. – Er habe über die Jahre mit vielen lateinamerikanischen Musikern gespielt und es würde sie nach ihrem Gefühl viel mehr verbinden als sie trenne. (QUELLE: von Ted Panken am 10. Juni 2003 geführtes Interview mit McCoy Tyner, Internetseite von Ted Panken, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2011/12/11/) Robert Crowder und Garvin Masseaux waren übrigens später an Art Blakeys Album The African Beat, 1962, beteiligt. – Vernon Clark: Crowder habe afrikanische, brasilianische und haitianische Trommeltraditionen von einheimischen Musikern gelernt, sei stark von Acquaye beeinflusst worden und schließlich „Baba“ (Vater) genannt worden, weil er in Philadelphia zum Vater des afrikanischen Trommelns wurde. (QUELLE: Vernon Clark, Robert "Baba" Crowder, 82, Philly drummer, founder of drum and dance ensemble, 9. Dezember 2012, Internetseite philly.com, Internet-Adresse: http://articles.philly.com/2012-12-09/news/35707587_1_robert-baba-crowder-drum-ensemble-brazilian-tambourine)
  145. Lewis Porter: Tyners frühe musikalische Idole seien Bud Powell, der eine Zeit lang in seiner Nachbarschaft wohnte, und Thelonious Monk gewesen – so sehr, dass er manchmal „Bud Monk“ genannt wurde. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 177)
  146. Ted Panken: Tyner habe als Gast mit einer 1974 gegründeten Latin-Band portorikanisch-stämmiger, in New York aufgewachsener Musiker gespielt (der Band Libre von Perkussionist Manny Oquendo und Bassist Andy González). Einer der beiden Leiter der Latin-Band habe erzählt: Der Pianist der Band habe Tyner einen echten kubanischen Montuno-Tanzrhythmus zugespielt und es sei faszinierend gewesen, wie Tyner mit seinen eigenen Akkorden und seinem rhythmischen Gefühl antwortete. Es sei mühelos gewesen. Montunos seien mit der Art von pentatonischen, modalen Tonleitern verwandt, mit denen Coltrane arbeitete, und in dieser Art von Modi zu improvisieren, sei wirklich Tyners Stärke. Das sei sehr afrikanisch, tief verwurzelt und gehe zu den Anfängen der Musik zurück. (QUELLE: Ted Panken, A Jazziz Article on McCoy Tyner from 2003, Internetseite von Ted Panken, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2011/12/11/)
  147. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 212f.
  148. John Coltrane: Er habe einen Sound gehabt, den er hören wollte. Er habe gewollt, dass die Band einen Orgelpunkt hat, und zwei Bassisten eingesetzt, von denen einer eine Bass-Linie spielte, die sich praktisch durch das gesamte Stück zieht. Der andere Bassist habe rhythmische Linien darum herum gespielt. – Nach dem Anhören der Aufnahme-Tonbänder soll Coltrane gesagt haben: Es sei das erste Mal, dass er ein Stück mit dieser Art von rhythmischem Background gemacht hat. Zuvor habe er Sachen in Vierviertel und Dreiviertel gemacht. Insgesamt sei er recht zufrieden mit dem Stück Africa. (QUELLE: ursprünglicher Begleittext des Albums, der auch im Album The Complete Africa/Brass Sessions wiedergegeben ist, verfasst vom Musik-Journalisten Dom Cerulli) – Dass Coltrane den Sound, den er sich vorstellte, mit Afrika verband, ergibt sich aus dem Titel des Stückes.
  149. Der Buchautor Gerd Filtgen fand, dass bereits die Rhythmusgruppe für sich einen „ungewöhnlich erregenden Sound“ produzierte. Die Orchesterklänge würden „unwillkürlich an Afrika denken lassen“, an „flimmernde Hitze“, „tropische Schwüle“, „Dschungelgeräusche“, die „Vielstimmigkeit von Steppe und Urwald“, das „Trompeten von Elefanten“ und „Surren von Insekten“. (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 154) – Die intensiven Klänge könnten aber wohl genauso gut mit anderen Vorstellungen verbunden werden, etwa mit dem Schicksal und dem Überlebenswillen der über Jahrhunderte als Sklaven ausgebeuteten und gedemütigten afro-amerikanischen Bevölkerung (wie wohl im Stück Song of the Underground Railroad desselben Albums), mit einer Suche nach ihren kulturellen und ethischen Wurzeln oder mit einem spirituellen Streben. Hätte das Stück nicht den Titel Africa, so wäre wohl nicht ohne weiteres ein Afrika-Bezug ersichtlich.
  150. J.C. Thomas: Coltranes „unglaublich erdhafte-urwüchsige Linien“ in Blues Minor würden dieses Stück zur „überzeugendsten, wenn nicht sogar interessantesten Nummer des Albums” machen. (QUELLE: J.C. Thomas, Chasin' The Trane, dtsch., 1986, S. 113)
  151. Lewis Porter: Coltrane habe auch von Olatunji aufgenommene afrikanische Musik studiert. Coltranes Band, Olatunjis Gruppe sowie Art Blakeys Jazz Messengers hätten im August 1961 im New Yorker Lokal Village Gate (getrennt voneinander) gespielt. 1962 habe Coltrane das Stück Tunji für Olatunji geschrieben. Coltrane scheine manche der Konzepte, die er in Olatunjis Musik und in Aufnahmen von folkloristischer afrikanischer Musik hörte, in seine eigene Musik übernommen zu haben – in erster Linie die Verwendung von Ostinati, wobei jedes Instrument mit seinem eigenen Rhythmus zum Gesamten beitrug. Strukturelle afrikanische Konzepte könnten ihn ebenfalls beeinflusst haben: West-afrikanische Trommelgruppen würden einen Abschnitt so lange wiederholen, bis der Leiter ein Zeichen zum Wechsel in den nächsten Abschnitt gibt. Coltrane habe es im Stück My Favorite Things ähnlich gemacht. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999/1998, S. 212)
  152. das Stück Tunji des Albums Coltrane (1962)
  153. im Album Kulu Se Mama (aufgenommen am 14. Oktober 1965); Coltrane setzte dann häufig mehrere Perkussionisten ein, zum Beispiel berichtete der Bruder von Rashied Ali, Muhammad Ali, der ebenfalls Schlagzeuger war, dass unter anderem er sowie eine aus fünf Trommlern bestehende Gruppe von Baba Robert Crowder im Jahr 1966 in Philadelphia mit Coltrane spielten. (QUELLE: Clifford Allen, Muhammad Ali: From a Family of Percussionists, 7. Juli 2010, Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse: http://www.allaboutjazz.com/muhammad-ali-from-a-family-of-percussionists-muhammad-ali-by-clifford-allen.php)
  154. Album The Olatunji Concert. The Last Live Recording
  155. QUELLE: J.C. Thomas, Chasin' The Trane, dtsch., 1986, S. 171 sowie Foto zwischen den Seiten 148 und 149
  156. öfters auch Sonny geschrieben
  157. Cecil Taylor: Ein Konzert im Lincoln Center im Jahr 1963 sei das letzte Mal gewesen, dass er mit Sunny Murray spielte, der sich damals zu einem ungemein bedeutenden Schlagzeuger entwickelt hätte, denn er habe mit der Time gewisse Dinge machen können, die nicht von einem Metrum reguliert wurden. Die Idee der Trommel als einem Metronom sei zu Ende gewesen und Murray sei einer der ersten Schlagzeuger gewesen, der das realisierte und einen neuen Zugang entwickelte. (QUELLE: A. B. Spellman, Four Jazz Lives, 2004/1966, S. 75)
  158. Zum Beispiel sprach Muhammad Ali (Schlagzeuger, Bruder von Rashied Ali) davon, dass er Sunny Murray, Milford Graves, Andrew Cyrille [und natürlich seinen Bruder Rashied Ali] – all die „freien Schlagzeuger“ – gehört habe. (QUELLE: Clifford Allen, Muhammad Ali: From a Family of Percussionists, 7. Juli 2010, Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse: http://www.allaboutjazz.com/muhammad-ali-from-a-family-of-percussionists-muhammad-ali-by-clifford-allen.php)
  159. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom 31. August 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net
  160. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 20: Musical Details, Audio im Abschnitt 1:01:55 bis 1:02:32 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net
  161. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom 31. August 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net
  162. QUELLE: Mark Jacobson, The Heartbeat of Queens: Milford Graves, 2001, Internetseite Jazz Journalists Association Library, Internet-Adresse: http://www.jazzhouse.org/library/?read=jacobson1
  163. Milford Graves spielte unter anderem im 1964 gegründeten New York Art Quartet, das neben ihm aus dem Saxofonisten John Tchicai, dem Posaunisten Roswell Rudd und einem (wechselnden) Bassisten bestand. Graves erzählte über seine Mitwirkung in dieser Band: Er habe in einer bestimmten freien Weise gespielt und dabei verschiedene Rhythmen eingesetzt, was die Bläser der Band durcheinander gebracht habe. – Tchicai sagte jedoch auch, dass Graves Spiel „rhythmische Kohäsion und Polyrhythmik“ verband und Intensität sowie Musikalität zeigte. (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 180 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977])
  164. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 453
  165. Graves beklagte im Jahr 1966, dass die afrikanische Identität verloren gegangen sei, das Schlagzeugspiel wenig mit afrikanischer Herkunft zu tun habe und der Jazz in einer abendländischen Tradition stehe. Er vermied den schnarrenden Klang der aus der europäischen Marschmusik stammenden Snare-Drum und veränderte den Klang der Trommeln, indem er sie durch die Entfernung des zweiten Fells öffnete. (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 180-182 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977])
  166. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 453
  167. Aufnahme des belgischen Senders BRT (Belgische Radio- en Televisieomroep, seit 1991 Vlaamse Radio- en Televisieomroep – VRT) von einem Auftritt des Milford Graves Quartets beim Jazz-Festival Jazz Middelheim in Antwerpen, Belgien, am 15. August 1973, angeblich mit den Saxofonisten Joe Rigby und Hugh Glover (auch Orgel) sowie dem Trompeter Art Williams, verfügbar als YouTube-Video, Internet-Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=JwkHCLI1j1w
  168. Album Grand Unification (1997)
  169. Steve Coleman sah in dem, was Schlagzeuger wie Milford Graves machten, grundsätzlich ein Opfern des Grooves (Näheres: Link). Doch hätten einige von Graves Sachen einen starken Groove. Selbst in seinem „verrückten Zeug“ gebe es Momente mit Groove oder einem Anschein von Groove. (Näheres: Link)
  170. Steve Coleman: Er sehe Graves Spiel als eine Erweiterung von dem, was Elvin Jones machte, so wie Jones wiederum eine Erweiterung von Max Roach war. Nach seinem Empfinden habe Graves allerdings nicht so wie Roach und Jones den Vorteil gehabt, mit einem Bläser zu spielen, der im Rhythmus wirklich stark ist. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3344 vom 31. August 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  171. Mark Jacobson: Der Jazz-Kritiker Whitney Balliett habe Graves bereits im Jahr 1965 als den besten Schlagzeuger des „New Thing“ (Free-Jazz) bezeichnet, aber auch gemeint, dass sein Spiel keine Begleitung brauche und auch niemanden, den er begleitet. Er sei eine Ein-Mann-Trommeltruppe. – Jacobson: Diese Einschätzung habe sich bewahrheitet, vor allem in jüngerer Zeit. Die meisten Konzerte Graves seien Solo-Auftritte und die letzten beiden Alben Solo-Sessions. Letztlich sei er ein einsamer Wolf, der nicht allzu gut mit anderen zusammenspiele. Ein bekannter Musiker der Neo-Avantgarde-Szene habe gesagt: Niemand sage, dass Graves nicht ein großartiger Schlagzeuger ist, aber wenn man mit ihm spielt, spüre man all sein Ego aus ihm herausströmen. Das mache es schwierig. – Jacobson: Graves entgegne dem, dass er diese Kritik von Leuten höre, aber sie nicht für richtig halte. Bei dieser Musik gehe es um das Experimentieren und Weiterkommen. Er wolle sich nicht zurückhalten und dort bleiben, wo sich alle komfortabel eingerichtet haben. (QUELLE: Mark Jacobson, The Heartbeat of Queens: Milford Graves, 2001, Internetseite Jazz Journalists Association Library, Internet-Adresse: http://www.jazzhouse.org/library/?read=jacobson1)
  172. Milford Graves: Er spiele nicht gerne mit x-beliebigen Schlagzeugern, da es ihn irritiere, wenn jemand nicht richtig spielen kann. Mit Rashied Ali und Andrew Cyrille sei das jedoch ganz anders gewesen. (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 185 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977])
  173. Die Abbildung wurde vom Ishangi Razak Institute of African Sciences zur Verfügung gestellt (QUELLE: Begleittext des Albums, Internet-Adresse: http://www.discogs.com/Andrew-Cyrille-Milford-Graves-Dialogue-Of-The-Drums/release/1536299), was darauf hindeutet, dass es sich tatsächlich um eine afrikanische Skulptur handelte.
  174. Message To The Ancestors (Botschaft an die Ahnen) und Blessing from the Rain Forest (Segen aus dem Regenwald)
  175. Das Konzert fand in der New Yorker Columbia Universität statt. Demnach dürfte das Publikum wohl großteils aus StudentInnen bestanden haben, die wahrscheinlich eher bereit waren, mitzumachen.
  176. QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 169f. [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
  177. QUELLE: von Ted Panken am 22. Juli 2003 geführtes Interview mit Andrew Cyrille, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2013/11/10/for-andrew-cyrilles-74th-birthday-a-2004-downbeat-feature-and-several-verbatim-interviews/ sowie http://www.intaktrec.ch/intercyrille-a.htm
  178. QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 172 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
  179. Der afro-amerikanische Jazz-Kritiker Stanley Crouch (der für sein eng gefasstes, traditionsbezogenes Jazz-Verständnis und seine provokanten Äußerungen bekannt ist) erzählte: Anthony Braxton habe ihm gesagt, dass „sie sich alle“ europäische Musik anhörten, doch als die Black-Power-Bewegung aufkam, hätten viele von ihnen vorgegeben, ihre Ideen aus Afrika oder anderen nicht-„weißen“ Bereichen bezogen zu haben. Er sei zu einem Außenseiter geworden, weil er es ablehnte, seine wahren Interessen zu verleugnen. Wenn es Stockhausen war, dann sei es eben Stockhausen gewesen. Crouch: Der in dieser Hinsicht schlimmste Missetäter sei Cecil Taylor gewesen, dessen gesamter Stil aus der europäischen Musik stammte, besonders von [Olivier] Messiaen, außer einem bisschen dies und das von Duke Ellington, Thelonious Monk und Bud Powell. Er (Crouch) habe sowohl Jimmy Lyons als auch Andrew Cyrille [die beide viele Jahre lang Mitglieder von Taylors Band waren] Catalogue d'Oiseaux [von Messiaen] vorgespielt. Sie seien erstaunt gewesen, hätten gefragt, was das für eine Aufnahme ist, und hätten erklärt, das bereits oft gehört zu haben. Crouch: Sie hätten moderne klassische Musik nicht gekannt und Taylors Wort für sein eigenes gehalten. Er (Crouch) habe im Bradley’s [einem New Yorker Jazzclub] ein Streitgespräch mit Cecil Taylor gehabt und glaube, es gewonnen zu haben, aber möglicherweise glaube das Taylor auch für sich. Wie auch immer, er (Crouch) habe gesagt, es laufe auf folgenden Punkt hinaus: „All dieses Zeug, das du über Afrika sagst – Afrika hin, Afrika her: Wenn du nach Afrika fährst und dort spielst, dann wird ein neuer Rekord im Leeren eines Saals aufgestellt. Wie groß auch immer der Konzertsaal wäre, du würdest ihn in fünf Minuten leeren.“ – Ethan Iverson, der Crouch interviewte: Er müsse zu Taylors Verteidigung sagen, dass (was auch immer Cyrille sagte) Taylors harmonische Sprache nicht die irgendeines bedeutenden europäischen Komponisten ist, Oliver Messiaen eingeschlossen. Er (Iverson) kenne Messiaens Sprache und auch die Sprachen von Bartok, Schönberg, Webern, Stockhausen und anderen. Er habe sich all diese Notenblätter angesehen, die Noten gespielt und so weiter. Taylor sei anders. Abgesehen von der offensichtlichen Tatsache, dass er improvisiert und seine Klavier-Klangfülle massiv und eigenständig ist, seien seine tatsächlichen Tonhöhen anders. – Crouch: Braxton habe ihm das auch gesagt. Crouch: Taylor sei ein viel zu intelligenter Kerl, um irgendwen gänzlich zu kopieren. Er sei nicht bloß ein intelligenter Kerl, sondern eine Art Genie, das viele eigenständige Ideen zu sehr vielen Dingen habe. ABER der Sound seiner Musik sei nicht Jazz, sondern etwas anderes, das in europäischer Musik gegründet ist. Auch glaube er nicht, dass Taylor irgendeinen echten heutigen Jazz beeinflusste. Deshalb hätten er und all diese Musiker das, was sie machten, „Black Music“ genannt. Sie hätten gewusst, dass es kein Jazz war, auch wenn sich diese Rhetorik über die Jahre verändert habe. – Iverson: Ja, sie hätten den Ausdruck „Black Music“ schon vor Längerem aufgegeben, aber es sei interessant sich daran zu erinnern, dass es diese Rhetorik mindestens ein Jahrzehnt lang gab. Er glaube nicht, dass Taylor heute noch oft „Afrika“ sage, zumal jede Aufnahme von „weißestem“ britischem Rock mehr mit Afrika zu tun habe als irgendeine Aufnahme von Taylor in den letzten 40 Jahren. Wenn man ihn aber auf der Stelle fragen würde, ob Taylors Musik Jazz ist, würde er ja sagen. (QUELLE: von Ethan Iverson geführtes Interview mit Stanley Crouch, Februar 2007, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-stanley-crouch.html)
  180. Andrew Cyrille: Er und Taylor hätten sich im Jahr 1957 getroffen. Er habe für eine Tanzschule gearbeitet und es sei lehrreich gewesen, für Tänzer zu spielen. Auch habe er mit Babatunde Olatunji gespielt. Als ihn Taylor fragte, wie er über das Musikspielen denke, habe er gesagt, er sehe es in Bezug auf das Tanzen. Das habe sie zusammengebracht, abgesehen davon, dass Taylor ihn mit vielen anderen Musikern zusammenspielen hörte und seine Spielweise mochte. (QUELLE: Michael J. West, “All That’s Rhythm!” A Chat With Drummer Andrew Cyrille, 14. März 2012, Internet-Adresse: http://www.washingtoncitypaper.com/blogs/artsdesk/music/2012/03/14/all-thats-rhythm-a-chat-with-drummer-andrew-cyrille/)
  181. QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 56 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
  182. QUELLE: YouTube-Video von einem Auftritt der Cecil Taylor Unit mit Tänzern in Deutschland im Jahr 1983, Internet-Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=LAbAD8R3_94
  183. John Miller Chernoff: Westlicher Tanz sei im Gegensatz zu afrikanischem „grundsätzlich bildhaft und mimetisch”. (QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 171)
  184. Billy Hart: Wenn Higgins überhaupt von der Musik Ornette Colemans beeindruckt worden sein sollte, so habe er sie jedenfalls zum Swingen bringen wollen, was nicht einfach gewesen sei. Warum Higgins statt Ed Blackwell in Colemans Band war, als Coleman nach New York kam, wisse er nicht. Möglicherweise habe es die Band annehmbarer gemacht, weil sie so hart swingte. (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link – Der wahre Grund war nach Ed Blackwells Aussage folgender: Als sich Ornette Coleman für seine erste Aufnahme bereitmachte, sei er (Blackwell) in New Orleans gewesen. Coleman habe ihm eine Fahrkarte geschickt, damit er zu ihm nach Los Angeles komme, aber er sei gerade mitten in einem anderen Projekt gewesen, aus dem er nicht aussteigen wollte, und außerdem habe er von Kalifornien genug gehabt, nachdem er und Coleman bei ihrem früheren Aufenthalt dort nicht gut ankamen. Higgins [der seit seiner Geburt in Los Angeles lebte] sei vor Ort gewesen und habe (gemeinsam mit Don Cherry) zuvor oft zugehört, wie Coleman und Blackwell miteinander spielten. So sei Higgins die logische Wahl gewesen. Higgins sei dann mit Colemans Band nach New York gegangen. Dort hätten viele nicht gewusst, dass er (Blackwell) schon viel mit Coleman gespielt hatte, und hätten Higgins als Colemans ersten Schlagzeuger betrachtet. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 44 und 46, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  185. Ethan Iverson: Ornette Coleman habe ihm auf seine Frage geantwortet, dass er lieber mit Blackwell spielte als mit Higgins, da Blackwell die „wahrhaftigsten Phrasen“ gespielt habe. (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  186. QUELLE: Ted Panken, Edward Blackwell, WKCR, May 4, 1986, Ted Pankens Internetseite, 21. Juli 2011, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2011/07/21/edward-blackwell-wkcr-may-4-1986/
  187. Steve Coleman: Blackwell sei ein echter Art Form-Musiker gewesen. Er habe eine natürliche Form gehabt, in dem, was er machte, und außerdem diese „Drum-Chant“-Sache [ein Ausdruck von Doug Hammond für eine gewisse Art melodischen Trommelns]. Blackwell habe das in die Gruppe Ornette Colemans eingebracht, sodass sie (zumindest die frühe Gruppe) nicht diese wogende Art von Schlagzeugern wie Rashied Ali hatte, sondern Grooves und so weiter, obwohl es all das „verrückte Ornette-Zeug“ obendrauf gab. Später habe sich Blackwell mit ihm (Steve Coleman) und dem Schlagzeuger Marvin „Smitty“ Smith zusammengesetzt und ihnen einiges von seiner Spielweise gezeigt. Er habe geswingt und sei ganz plötzlich in diese Chants und so weiter gegangen und dann wieder zurück in den Swing. So sei er hin und her gegangen. (QUELLE: von Ronan Guilfoyle am 9. März 2013 geführtes Interview mit Steve Coleman, eigene Übersetzung: Link
  188. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 55, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  189. Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger, Ghana, Kamerun, Gabun, Liberia, Sierra Leone, Elfenbeinküste; außerdem in drei nord-afrikanische und in den Libanon; im selben und im darauffolgenden Jahr war er an zwei weiteren Tourneen Westons nach Marokko beteiligt (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 71 und 73, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  190. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 67, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  191. Zum Beispiel lernte er eine Reihe von Rhythmen, unter anderem ein Glocken-Muster, das er im Stück Amejelo (Album Mu, 1969) verwendete. Er erzählte auch, dass er sich nach der Afrika-Reise verstärkt auf die Entwicklung einer „koordinierten Unabhängigkeit“ der Gliedmaßen konzentrierte (um noch mehr an Polyrhythmik zu erreichen). (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 90, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  192. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 90, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  193. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 96, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  194. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 96, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  195. Zum Beispiel adaptierte Blackwell einen Rhythmus der königlichen Hofmusik der Aschanti in Ghana und verwendete ihn (zum Teil in Variationen) häufig, unter anderem im Stück Duet von David Murrays Album Morning Song aus 1983. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 97 und 116f., Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  196. Album Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed Blackwell, Old And New Dreams (1979)
  197. David J. Schmalenberger: Seine Analyse von Aufnahmen, die die Entwicklung von Blackwells Trommelstil zwischen 1976 und seinem Tod im Jahr 1992 abbilden, bestätige, dass Blackwells Trommelsprache zum größten Teil in frühen Jahren seiner Karriere etabliert wurde. Die Transkriptionen würden zeigen, dass er auch nach seinen Afrikareisen (1967/1968) überwiegend rhythmische Strukturen und Beat-Muster einsetzte, die bereits in seinem Trommel-Vokabular etabliert waren. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 99, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  198. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 60f, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  199. QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 201 [orig.: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, 1977]
  200. Ed Blackwell: Sein größter Einfluss im Jazz sei gewesen, dass er den Straßenparaden in New Orleans folgen konnte. Die Rhythmen, die bei diesen Paraden gespielt wurden, seien so schön gewesen, dass er immer noch die rhythmische Inspiration fühle, die er erhielt, als er hinter den Paraden, die manchmal von Beerdigungen kamen, herlief. Es sei so toll gewesen. Praktisch bei jedem Schlagzeuger aus New Orleans könne man die Paraden- und Straßen-Beats in seinem Spiel hören. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 6, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0, Quellenangabe: Valerie Wilmer, The Drummer: Street Parade Fan, Melody Maker, 9. März 1968, S. 10) – David J. Schmalenberger: Blackwell habe auch die Mardi-Gras-Indianer als frühen Einfluss genannt. Blackwells musikalische Ausbildung seiner Jugendzeit habe vor allem auf den Einflüssen der Parade-Rhythmen, der afro-amerikanischen Karnevalsgesellschaften, der Lehrer Paul Barbarin (der unter anderem an Aufnahmen von Louis Armstrong, Jelly Roll Morton und King Oliver beteiligt war) und Wilber Hogan (der unter anderem mit Lionel Hampton und Ray Charles spielte) sowie der damaligen Rhythm-and-Blues-Szene von New Orleans beruht. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 6 und 11, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0) – Billy Hart: Blackwell habe einen der klarsten Becken-Beats gehabt. Nun, er sei von New Orleans gekommen. Schlagzeuger aus dieser Stadt, würden von Geburt an, gleich nach dem Durchschneiden der Nabelschnur, ein spezielles Abzeichen mitbekommen. Es besage: „Du wirst für den Rest deines Lebens großartige Time haben.“ (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html, eigene Übersetzung: Link
  201. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 56, 68 und 89, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  202. Ed Blackwell: Vor der Zusammenarbeit mit Ornette Coleman habe er im Allgemeinen in der üblichen Weise gespielt: 32, 12 oder 16 Takte, dann den Turnaround [ein paar Akkorde, die zwischen dem Ende und dem Neubeginn der Akkordfolge eines Stückes eingeschoben werden, da Schluss- und Anfangsakkord häufig dieselben sind] und dann beginne man wieder von vorne. Bei Coleman sei das aber anders gewesen, denn der habe nicht in dieser Art gespielt, sondern mehr oder weniger in Phrasen. Er habe einfach gespielt und Phrasen verwendet. Sein Turnaround habe zum Beispiel auf 11 ½ Takte ausgedehnt sein können und er (Blackwell) habe genau hinhören müssen, um den Turnaround mitzuvollziehen. Das sei eine Lernerfahrung gewesen, denn Colemans Art von Musik habe einen ganz anderen Zugang zum Schlagzeugspiel erfordert. Dieser Lernprozess habe in den Jahren von 1953 bis 1956 stattgefunden. (QUELLE: Ted Panken, Edward Blackwell, WKCR, May 4, 1986, Ted Pankens Internetseite, 21. Juli 2011, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2011/07/21/edward-blackwell-wkcr-may-4-1986/) – Ed Blackwell: Coleman habe mit der „Eins” einmal hier und das nächste Mal woanders begonnen. Man habe also hören müssen, wo er die „Eins“ hin setzt, um ihm zu folgen. Richtete man sich danach, wo für einen selbst die „Eins“ war, und spielte man eine AABA-Form, dann funktionierte das nicht. – Schmalenberger: Diese Erfahrungen mit flexiblen Songformen und „beweglichen“ Downbeats hätten Blackwell zu einem „freieren“ Schlagzeugspiel geführt. Umgekehrt begann auch Coleman, auf Blackwell zu hören, was wiederum Coleman als Gewinn an Freiheit empfand. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 43; Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0)
  203. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 98, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0, Quellenangabe: Kalamu ya Salaam, Edward Blackwell.The Rhythm King, Zeitschrift Coda, Nummer 218, Februar/März 1988, S. 4
  204. Ed Blackwell zum Stück Message to the Ancestors: Es brauche immer etwas, mit dem sich die Hörer identifizieren können, etwas, das sie mitnehmen können, nachdem sie das Album gehört haben, etwas, das sie behalten können. Die Musiker müssten nach etwas streben, das sie den Hörern ins Ohr geben können. So sei Graves und Cyrilles Album zwar sehr interessant, aber wenn man nicht selbst ein Schlagzeuger ist, dann könne man darin nur wenig Interessantes finden. Einfach nur eine Menge unterschiedlicher Klänge auszuprobieren … das sei nichts wirklich Neues. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 36, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0, Quellenangabe: Howard Mandel, Blindfold Test – Ed Blackwell, Zeitschrift Down Beat, Jahrgang 47, Nr. 7, Juli 1980, S. 51)
  205. Ed Blackwell: Er versuche immer, das Feeling zu erzeugen, das er als Kind in New Orleans hatte. Er versuche immer, sich des Hörers bewusst zu sein, zumal er selbst als Junger ein so begeisterter Hörer war. Wenn er die gleiche Art von Glücksgefühl vermitteln kann, wie er es als Kind hatte, dann mache er wirklich Musik. (QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 101, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0, Quellenangabe: Valerie Wilmer, The Drummer: Street Parade Fan, Melody Maker, 9. März 1968, S. 10)
  206. Er war zwar an dem unter Coltranes und Don Cherrys Namen erschienen Album The Avant-Garde (1960) beteiligt, doch war dieser Versuch einer Kombination von Coltrane mit Ornette Colemans Band nicht sehr gelungen und Blackwell wirkt als Begleiter Coltranes im Vergleich zu Elvin Jones leichtgewichtig.
  207. zum Beispiel in: Ornette Coleman, Ornette! (1961), Stück 2-T. & T.; Eric Dolphy/Booker Little, Memorial Album (1961), Stück 1-Number Eight; Charles Brackeen, Rhythm X (1968), Stücke 1-Rhythm X, 2-Hour Glass, 3-Charles Concept, 4-C. B. Blues; Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed Blackwell, Old And New Dreams (1979), Stück 2-Togo; Don Cherry/Dewey Redman/Charlie Haden/Ed Blackwell, Old And New Dreams – Playing (1980), Stücke 2-Mopti, 1-Happy House, 4-Rushour; Don Cherry/Ed Blackwell, El Corazón (1982), Stück 4-Street Dancing; David Murray, Morning Song (1983), Stücke 3-Light Blue Frolic, 5-Off Season; Ed Blackwell Project, What It Is? (1992), Stück 6-Mallet Song
  208. QUELLE: David J. Schmalenberger, Stylistic Evolution of Jazz Drummer Ed Blackwell: The Cultural Intersection of New Orleans and West Africa, 2000, Dissertation, S. 46, Internet-Adresse: http://www.pas.org/docs/default-source/thesisDissertations/schmalenbergerdj_2000.pdf?sfvrsn=0
  209. Billy Hart: Ed Blackwell sei einer der Haupt-Schlagzeugeinflüsse des 20. Jahrhunderts. Durch seine Verbindung zur afrikanischen Diaspora habe sein so genanntes Avantgarde-Schlagzeugspiel alle [künftige] Weltmusik angedeutet – „ancient to the future“ [aus uralter Zeit in die Zukunft; ein Leitspruch der Avantgarde-Musiker der Chicagoer AACM-Vereinigung]. (QUELLE: Willard Jenkins [als „The Independent Ear“], Remembering Ed Blackwell, 18. September 2013, Internetseite Open Sky Jazz, Internet-Adresse: http://www.openskyjazz.com/2013/09/remembering-ed-blackwell/)
  210. wo seit den 1960er Jahren sehr viele Lateinamerikaner, insbesondere Kubaner leben
  211. Steve Coleman: Doug Hammond sei immer an west-afrikanischer Musik, am Diaspora-Zeug, an afro-kubanischer Musik und so weiter interessiert gewesen. Er sei früher mit einigen kubanischen Musikern beisammen gewesen und sei aus Florida gekommen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 1: Overview, Part I, Audio ab 03:26 Minuten, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  212. Ein „Chant” ist eine Art rhythmischer Sprechgesang, der oft um bestimmte Töne kreist sowie sehr repetitiv ist und in Gebeten (buddhistischen, christlichen, islamischen usw.) verwendet wird.
  213. Doug Hammond: Die Komposition Perspicuity [Klarheit, Deutlichkeit, Durchsichtigkeit] führe den „Trommel-Chant“ als modernen Stil für den Vierer-Rhythmus ein, bei dem die Funktionen des Schlagzeugs eine komplette Rhythmusgruppe bilden, etwa die Bass-Trommel als Bass, die Snare-Trommel als Klavier, Becken oder Kuhglocken als Schlagzeug. (QUELLE: Begleittext zu Doug Hammonds Album Perspicuity, 1981/1982)
  214. nach Steve Colemans Beschreibung, die miteinander verflochtene melodische Linien wie in Johann Sebastian Bachs Musik meint
  215. Steve Coleman: Er habe [bevor er 1979 als 23-Jähriger mit Hammond zu spielen begann] Folkways- und UNESCO-Aufnahmen von west-afrikanischen Regenwald-Leuten gehört und mit verschiedenen Formen experimentiert, doch habe etwas gefehlt. Hammonds Musik habe dann perfekt zu all dem gepasst. Es sei nicht bloß das rhythmische Konzept und die Melodiosität gewesen, sondern wie er von Punkt zu Punkt gelangte – die Platzierung, wie Dizzy Gillespie es bezeichnete, nachdem er Parker hörte [siehe nachfolgendes Zitat von Gillespie]. Die effektiven Rhythmen, die Verwurzelung, der tiefgehende Groove seien überzeugend gewesen. Es habe sich hip angefühlt, nicht bloß wie eine intellektuelle Übung. Was Hammond machte, sei für die Musik sehr bedeutend. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 20) – Coleman scheint folgende Aussage Dizzy Gillespies gemeint zu haben (die Coleman in seinem Artikel über Parker im Zusammenhang mit dem Stück 52nd Street Theme zitierte), obwohl Gillespie darin nicht ausdrücklich von Platzierung sprach: Er glaube, dass er harmonisch ein wenig fortgeschrittener war als Charlie Parker. Aber rhythmisch sei Parker wesentlich fortgeschrittener gewesen, hinsichtlich des Aufbauens einer Phrase und wie man von einer Note zur nächsten gelangt. Wie man von einer Note zur nächsten gelangt, das mache wirklich den Unterschied aus. Parker habe Rhythmen und rhythmische Muster anders gehört und nachdem sie miteinander zu spielen begannen, habe er (Gillespie) begonnen, rhythmisch mehr wie Parker zu spielen. In diesem Sinn habe er ihn und alle von ihnen beeinflusst, denn was den Stil ausmacht, sei nicht, was man spielt, sondern wie man es spielt. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be or Not to Bop, 2009/1979, S. 177)
  216. Steve Coleman: Hammond habe das Schlagzeug in einer Weise gespielt, die Harmonien ersetzte. – Doug Hammond: Er betrachte das Schlagzeug wie ein Orchester. Die Idee des Drum-Chants sei, vom Song und dem Rhythmus wegzuspielen statt von Akkordwechseln. Alle hätten ihn angesehen, als wäre er verrückt, aber Steve Coleman sei daran interessiert gewesen, diese Sachen zu machen. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 20f.) – Steve Coleman: Aus Hammonds Sicht bildeten einfach die Rhythmen die „Changes“ [Wechsel, Akkordwechsel als Improvisationsgrundlage]. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 1 im Abschnitt 20:03 bis 20:37 Minuten, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  217. QUELLE der Darstellung von Hammonds Innovationen (soweit nicht anders angegeben): Steve Coleman in dem von Ronan Guilfoyle am 9. März 2013 geführten Interview, eigene Übersetzung: Link
  218. Er bestritt im Jahr 1968 einmal mit Sonny Rollins ein Engagement im Village Gate (Rollins spielte mit vielen wechselnden Begleitern) und ersetzte in den Jahren 1972/1973 eine Zeit lang Charles Mingus‘ bevorzugten Schlagzeuger Dannie Richmond, bis dieser wieder in die Mingus-Band zurückkehrte. Das von Mingus im Oktober 1973 aufgenommene Album Mingus Moves enthält Hammonds Komposition Moves und in diesem Stück sang Hammond, das Schlagzeug wurde in diesem Album jedoch von Dannie Richmond gespielt. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 21).
  219. Doug Hammond: Er sei sehr überrascht gewesen, dass Steve Coleman [der sich ihm 1979 als 23-Jähriger anschloss] seine Musik lesen und interpretieren konnte. Mit ihm habe er die Möglichkeit gehabt, alles zu machen, was er Hammond wollte, denn alles, was er schrieb, habe Coleman gespielt. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 21)
  220. Zum Beispiel Vijay Iyer: Er schreibe – anders als viele Jazz-Komponisten – spezifische Parts für das Schlagzeug. Das habe er aus der Zusammenarbeit mit Steve Coleman gelernt, der es von Doug Hammond habe, und letztlich hätten sie es natürlich alle von afrikanischer Musik. (QUELLE: Dean Christesen, Vijay Iyer: Intellect Meets Creativity, 2009, Internet-Adresse: http://rvanews.com/etc/vijay-iyer-intellect-meets-creativity/21440) – Marvin „Smitty” Smith: Das Wichtigste sei, horizontal, linear zu denken. Dieser Zugang beruhe auf einem Einfluss eines Schlagzeugers namens Doug Hammond, mit dem Steve Coleman spielte. Hammond habe für jedes Stück einen speziellen Schlagzeug-Part gehabt, statt einfach für 32 Takte oder wie auch immer Time zu spielen. Es habe spezifische Stellen gegeben, an denen die Bass-Trommel, die Snare-Trommel, das Becken, die Hi-Hat und so weiter spielen. Hammond habe es einen „Chant“ genannt, offenbar weil es sein eigenes Ostinato hat. Wenn man einen solchen Part hat, dann sei das wie das Spielen einer Melodie. Man denke nicht, was man auf jeder einzelnen Achtel- oder Sechzehntelnote macht, sondern an die Melodie, die man spielt. Statt dass man dasitzt und in seinem Kopf mathematisch zählt, spiele man Phrasen. Diese würden einem im Kopf haften bleiben, denn man höre sie als Musik, nicht als isolierte Schläge. Wenn man auf diese Ebene gelangt, dann sei man in der Lage, mehr innerhalb der Musik zu spielen. (QUELLE: Dokumentarfilm Doug Hammond – The Talking Drum von Helmut Schönleitner, YouTube-Trailer, Internet-Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=PXvNgFD7uFM) – Steve Coleman: Was Schlagzeuger wie Marcus Gilmore und Tyshawn Sorey heute [2012] machen, sei in seinen Augen eine aktualisierte Version von dem, was Doug Hammond machte. (QUELLE: Ted Panken, Overdue Ovation: Doug Hammond, 2012, Internet-Adresse: http://jazztimes.com/articles/62614-overdue-ovation-doug-hammond)
  221. Ted Panken: Im Jahr 1971 habe Hammond mit dem Gitarristen James Blood Ulmer und dem Bassisten John Dana im Minton’s Playhouse in Harlem ein ausgedehntes Engagement als Hausband bestritten. Hammond: Ulmer habe zu ihm gesagt, sie beide müssten „gleichzeitig zwei Instrumente spielen“, um den Sound auszufüllen. Das habe er ernst genommen und damit habe die Drum-Chant-Sache begonnen. Er sei es überdrüssig gewesen, alles in 4/4 zu spielen, und habe beschlossen, nicht zu jammern, sondern etwas zu komponieren, um es interessant zu machen. (QUELLE: Ted Panken, Doug Hammond: A Little-known Lodestar, Zeitschrift JazzTimes, November 2012, Jahrgang 42, Nummer 9, S. 21)
  222. Näheres im Artikel Funk: Link
  223. QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 140
  224. insbesondere in Ghana, wo besonders reiche Trommeltraditionen beheimatet sind
  225. John Miller Chernoffs Buch African Rhythm and African Sensibility. Aesthetics and Social Action in African Idioms wurde in den Jahren 1973/1974 verfasst und erschien 1979 (deutsche Ausgabe: Rhythmen der Gemeinschaft. Musik und Sensibilität im afrikanischen Leben, 1994).
  226. John Miller Chernoff: „Fragt man einen Afrikaner, ob er eine bestimmte Art von Musik ‚verstehe’, dann sagt er ‚ja’, wenn er den Tanz kennt, der zu dieser Musik gehört.“ – „Wer einem afrikanischen Freund eine Schallplatte mit amerikanischem Jazz – selbst mit allen Charakteristika afrikanischer Musik – vorspielt, kann von dem unruhig auf seinem Stuhl Herumrutschenden hören: ‚Was nur, sollen wir damit anfangen?’“ (QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 43)
  227. zum Begriff des Zyklus: Link
  228. insbesondere durch Walking-Bass und Ride-Becken-Figur
  229. des Küstenstreifens entlang des Golfs von Guinea (von Sierra Leone ostwärts, besonders im Süden von Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin bis Ost-Nigeria)
  230. QUELLE: John Miller Chernoff, Rhythmen der Gemeinschaft, 1994, S. 137 – Näheres zu west-afrikanischer Trommelmusik im Artikel Tanztrommeln: Link
  231. Martin Pfleiderer: Im neueren Jazz seien viele Möglichkeiten der Rhythmusgestaltung entstanden. „Während ein metrischer Bezugsrahmen aufgrund eines regelmäßigen harmonischen Formschemas sowie konventioneller Begleittechniken (Walking Bass und Ride Cymbal-Pattern) durchweg bestehen bleibt, ergeben sich im Spiel der Rhythmusgruppe und in den Improvisationen der Solisten große rhythmische Gestaltungsfreiheiten, die von den Musikern in unterschiedlichem Maße und unter Einsatz verschiedener Strategien genutzt werden: durch Betonung von Offbeats [Schläge zwischen dem Beat], durch unregelmäßige Akzentuierungsstrukturen, durch ein variierendes und desorientierendes Spiel mit rhythmischen Zellen sowie durch kreuzrhythmische Überlagerungen und metrische Ambivalenzen.“ (QUELLE: Martin Pfleiderer, Rhythmus, 2006, S. 334)
  232. Nähere Erklärung dazu im Artikel Steve Colemans Substrat: Link
  233. Steve Coleman: Jede Musik könne starr oder steif erscheinen und es gebe unterschiedliche Auffassungen von solchen Begriffen, wie auch etwa von funky. Er habe kürzlich mit Doug Hammond darüber gesprochen, dass Leute aus verschiedenen Erdteilen unterschiedliche Auffassungen von diesen Wörtern haben. Letztlich hänge ihre Auffassung von ihrer Kultur und davon ab, wie sich Leute aufeinander beziehen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/The Function of Clave, Beitrag Nr. 3306 vom 5. August 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net) – In einer anderen Aussage erwähnte Steve Coleman, dass bei Musikern wie Charlie Parker, Elvin Jones und so weiter Lockerheit eine Grundhaltung sei. Auch brachte er Jones Aussage mit Folgendem in Zusammenhang: West-afrikanische Trommelmusik ist innerhalb ihrer Zyklen sehr dicht strukturiert, enthält jedoch kaum größere Formen und längere musikalische Entwicklungen. Im Jazz hingegen werden durchaus übergreifende Strukturen (früher etwa die Form populärer Songs mit ihren verschiedenen wiederkehrenden Teilen) verwendet und die große Bedeutung der melodischen Improvisation bedingt zwangsläufig eine Tendenz zu längeren, fließenden Entwicklungen, die das strenge Raster der Zyklen überdecken. Coleman beobachtete in klassischer indischer und europäischer Musik eine Neigung zu weiträumigeren Strukturen sowie längeren Linien und führte sie auf die Schriftlichkeit der dortigen Kulturen zurück, während die im Wesentlichen auf mündlicher Überlieferung beruhenden west-afrikanischen Traditionen eine einzigartig hochentwickelte, jedoch sehr zyklische Polyrhythmik hervorbrachten. Die afro-amerikanischen Musikkulturen seien hybrid, sodass die Musiker hier gute Chancen hätten, mit beidem umzugehen. Zudem hätten Musiker wie Max Roach die besondere Fähigkeit entwickelt, einerseits ein gewisses rhythmisches Konstrukt aufrechtzuhalten und gleichzeitig darüber in einer spontanen Weise zu komponieren (improvisieren). Näheres dazu: Link – Wohl könnte der im Vergleich zu klassischer indischer und europäischer Musik sehr zyklische Charakter west-afrikanischer Trommelmusik auch auf ihre Tanzfunktion zurückzuführen sein. Schriftlichkeit könnte dabei insofern eine Rolle spielen, als Schriftkulturen möglicherweise mehr zu Musikereignissen in Form von Vortrag, Aufführung und Betrachtung als zu gemeinschaftlichem rhythmischem Tanz neigen. Einen sehr zyklischen Charakter hat wohl auch James Browns Funk und Brown wuchs in derselben westlichen Kultur auf wie Charlie Parker und Elvin Jones, deren Musik über enge zyklische Strukturen hinausgeht.
  234. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Beginn des Stücks Fortitude and Chaos (Album The Opening of The Way, 1997): Wenn zum Conga-Spiel und der auf der Glocke geschlagenen Rumba-Clave der Bass und das Schlagzeug hinzutreten, ergibt sich eine zunächst verwirrende Spannung, doch wird bald spürbar, dass sich die unterschiedlichen rhythmischen Schichten sehr wohl ineinanderfügen und einen mächtigen Gesamtrhythmus bilden.
  235. Näheres zu Steve Colemans Rhythmuskonzept sowie entsprechende Quellen im Artikel Steve Colemans Substrat: Link

 

 

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