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Unsichtbare Formen


„Eine der Schwierigkeiten, die ich hatte, als ich begann, Charlie Parker zu hören, war, dass ich nicht die unsichtbaren Formen kannte, die die Grundlage von dem waren, was [die Musiker] spielten. So klang es zunächst einfach wie eine Menge verrückter Noten“, sagte Steve Coleman.1) Er fand auch, dass „die offenkundige Geschwindigkeit und Virtuosität dieser Musik ihre subtileren Dimensionen für viele Hörer verschleiert, fast so, dass nur die Eingeweihten einer Art Geheimorden sie verstehen können.“2) Tatsächlich wird die zwar großteils rasante, aber zugleich wunderbar entspannt und elegant fließende Musik Parkers selbst noch in manchen Jazz-Büchern, die in den 2000er Jahren weitergeführt wurden, in abwegiger Weise charakterisiert, etwa als „nervös“3) oder gar „krankhaft“4). Auch unter Musikern, die sich dieser Musik mit größerem Wissen nähern, scheinen oft Missverständnisse zu bestehen, indem etwa der harmonische Aspekt überbewertet und wichtige andere Qualitäten nicht ausreichend gewürdigt werden.5)


John Coltrane

Im Zusammenhang mit den „unsichtbaren Formen“, die hochentwickeltem Jazz zugrunde liegen, sagte Steve Coleman auch: „Es gibt immer noch Elemente von John Coltranes Musik, die das breite Publikum überhaupt nicht versteht. Sie sprechen von so genanntem Free-Jazz. Coltrane spielte nicht frei. Er spielte nie frei. Leute, die seine Musik rezensierten, verstanden die Musik als frei und das schrieben sie in diesen Musikgeschichtsbüchern. Als ich diese Musik studierte, bemerkte ich jedoch, dass es nicht frei ist, was Trane [Coltrane] machte. Trane machte dieselbe Sache, die er schon davor machte, und in Interviews sagte er auch, dass er dieselbe Sache macht, die er schon davor machte. Aber das ist nicht die Art und Weise, wie es die so genannten Jazz-Historiker hören. Manchmal wissen es die Leute also einfach nicht.“6)

Bereits als Coltrane noch Mitglied der Miles-Davis-Band war, kristallisierten sich wesentliche Elemente seiner stilistischen Entwicklung heraus. Er wurde im September 1955 als 29-Jähriger in die Band des fast gleichaltrigen Davis aufgenommen, spielte in der zweiten Hälfte des Jahres 1957 mit Thelonious Monk (den er als „Architekten höchsten Rangs“ bezeichnete7)) und kam Anfang 1958 wieder zu Miles Davis zurück. Über die Zeit seiner Rückkehr zu Davis erzählte Coltrane: „Ich fand Miles mitten in einem neuen Stadium seiner musikalischen Entwicklung vor. In der Vergangenheit gab es eine Zeit, da widmete er sich Multi-Akkord-Strukturen. Er interessierte sich für Akkorde ihrer selbst willen. Aber nun schien er sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, hin zu immer weniger Akkordwechseln in Songs. Er verwendete Melodien mit frei fließenden Linien und akkordischer Richtung. Dieser Ansatz erlaubte dem Solisten zu wählen, ob er akkordisch (vertikal8)) oder melodisch (horizontal) spielen möchte.9) Dank der direkten und frei fließenden Linien in der Musik fand ich es leicht, die harmonischen Ideen, die ich hatte, umzusetzen. Ich konnte Akkorde aufstapeln [… er nannte ein Beispiel]. Auf diese Weise konnte ich drei Akkorde über einem spielen. Und andererseits konnte ich, wenn ich wollte, melodisch spielen. Miles Musik gab mir eine Menge Freiheit.“10) Coltrane nutzte besonders die harmonischen (vertikalen) Möglichkeiten, indem er seine Improvisationen nicht direkt auf die Akkorde des jeweiligen Stückes bezog, sondern sich zu ihnen andere, harmonisch interessante Akkorde vorstellte, aus denen er dann die Töne für seine Melodielinien gewann. So konnte er neue, unerwartete Linien mit komplexen, oft mehrdeutigen harmonischen Bezügen bilden11) und weit vom tonalen Zentrum12) wegführen, um dann wieder zu ihm zurückzukehren. Damit erreichte er eine dynamische und doch geordnet und logisch wirkende harmonische Bereicherung.13) Allerdings musste der begleitende Pianist entsprechend vieldeutig spielen, um den Eindruck von Unstimmigkeit zu vermeiden.14) Davis sagte Ende 1958 über Coltrane: „Er hat mit diesen Arpeggios15) gearbeitet und dem Spielen von Akkorden, die in andere Akkorde führen. Er spielt sie auf 50 verschiedene Arten und alle auf einmal.“16) Miles Davis selbst hingegen ging (nach Aussage Steve Colemans) „in die entgegengesetzte Richtung […], indem er sich mit dem beschäftigte, was ich Farben-Musik nenne. Das machte aus Miles Perspektive mehr Sinn, denn Miles war nie wirklich so etwas wie ein technischer Spieler, er war immer eine Art Farben-Spieler, mehr wie Lester Young, selbst als er Birds17) Musik spielte und als er Rhythm-Changes18) oder was auch immer spielte. So machte es Sinn, dass er von dieser Sache angezogen wurde, von der so genannten modalen Musik.“19)

Wie unterschiedlich die Richtungen waren, in die Davis und Coltrane strebten, wird im Vergleich ihrer beiden im Frühjahr 1959 aufgenommenen Alben deutlich: Giant Steps von John Coltrane und Kind of Blue von Miles Davis (mit Coltrane als Bandmitglied). Die Struktur des Stücks So What, mit dem Davis' Album beginnt, ist zum Beispiel extrem vereinfacht20), und Davis bildete aus geschickten, kurzen, melodiösen Motiven ein einprägsames Solo. Dabei vermittelte er vor allem „durch eine Abfolge von expressiven Klangfarben und Artikulationen Gefühl“21). Coltrane hingegen komponierte für sein Album Giant Steps harmonisch komplexe Stücke, so wie er in Improvisationen Akkorde „aufstapelte“. Im Titelstück Giant Steps und in Count Down sind die Akkordfolgen derart dicht und unkonventionell22), dass das Improvisieren sehr schwierig wurde23), besonders beim „halsbrecherischen“24) Tempo, das Coltrane vorgab. In rhythmischer und melodischer Hinsicht musste Coltrane daher sein Spiel vereinfachen und er konnte auch nicht mehr zusätzliche Harmonien andeuten.25) Vielmehr war er in solchen Stücken gezwungen, seine Soli großteils aus kurzen, oft nur aus vier Noten bestehenden Mustern („pentatonischen Patterns“26)) aufzubauen, die leicht in die verschiedenen Akkorde übertragen werden konnten, und er musste sich für diese Aufnahmen lange und gründlich vorbereiten.27) Dementsprechend werden diese anspruchsvollen Stücke (bei aller Hochachtung für ihre Meisterschaft und Schönheit) oft als Art „Etüden“ bezeichnet.28) Die in ihnen verwendeten kurzen Muster bildeten in späteren Jahren ein wesentliches Element in Coltranes Spiel29) und sind durch seinen Einfluss im Jazz weit verbreitet30). Lockerer und spontaner als in Giant Steps konnte Coltrane seine Improvisationen in den einfachen Stücken von Miles Davis entfalten, etwa in So What, wo ihm die langsame harmonische Bewegung erlaubte, lange genug über jedem Akkord beziehungsweise Modus31) zu verweilen, um seine Ideen zu entfalten und sich auch auf den Rhythmus zu konzentrieren.32) Sein Solo in So What ist gut nachvollziehbar, bannt den Hörer33) und besticht sowohl „durch die abstrakte Qualität seiner melodischen Motive als auch durch die Art, wie er jedes von ihnen entwickelt“34).

Zu den Giant-Steps-Aufnahmen erhielt Coltrane Kritik von Musikern, die das Spielen all dieser Akkorde als eher steif empfanden35), und Miles Davis riet ihm, in Zukunft nur selbst all die Akkorde zu durchlaufen, die Rhythmus-Gruppe hingegen davon zu befreien. Auch das Vorbild Ornette Colemans, der die Verwendung eines Akkordgerüsts überhaupt aufgegeben hatte, half Coltrane nach eigener Aussage36) in den folgenden Jahren, ein erfolgreiches Konzept zu entwickeln. Steve Coleman erläuterte: „[Coltrane] sagte, okay, die Band braucht nicht unbedingt all diese Strukturen zu spielen. Aber er fuhr damit fort. Und er wurde […] darin immer fließender.“ Coltrane habe das sowohl über modalem37) Material als auch über Akkordwechsel gemacht und es sei fast so gewesen, als würde „ich sagen: Gehen wir, du und ich, zum Geschäft, und du sagst: Weißt du was, ich muss zuerst etwas anderes machen, wir treffen uns beim Geschäft. So gehe ich los und mach einige Dinge, aber wenn du zum Geschäft kommst, werde ich da sein. Oder ich komme eine Minute nach dir an oder so ungefähr. Ich schlage also einen anderen Weg zum Geschäft ein, aber meine Absicht ist nach wie vor, dich beim Geschäft zu treffen. Das ist im Grunde genommen das, was Coltrane melodisch und harmonisch gemacht hat. Er wusste, wo die Akkordwechsel umgingen, natürlich, er hatte ja sein Leben lang Akkordwechsel gespielt. Er wusste exakt, was vor sich ging. So kommt er etwa zur Überleitung und geht von da aus diese alternativen Wege. Und wo die meisten Musiker ein oder zwei Akkorde substituieren38) würden, da substituiert er eine ganze Reihe von Akkorden. […] Diese Dinge wurden länger und länger, denn die Strukturen selbst schufen Wege. Es war fast, als würde er seine eigene Straße bauen, aber es ist nach wie vor Struktur. Es ist einfach so, dass die Struktur sehr verformbar geworden ist. Er konnte sie formen, gewissermaßen spontan, während er sie durchlief.“39)

Coltranes Konzept, seine komplexen Improvisationen mit einer harmonisch reduzierten Basis40) zu verbinden, die von der Rhythmusgruppe bereitgestellt wird, war entscheidend für den Erfolg41) seines berühmten Quartetts der ersten Hälfte der 1960er Jahre (mit McCoy Tyner42), Jimmy Garrison43) und Elvin Jones44)). Die relativ einfache, stabile harmonische Grundstruktur machte die Musik für das Publikum zugänglich, während Coltrane selbst komplizierte Harmonien auftürmte und Elvin Jones das „Metrum in Polyrhythmen auffächerte“45). So erhielt Coltranes Meisterschaft und Emotionalität eine ideale Plattform.46) Er bildete aus kurzen, häufig auf Quarten beruhenden Motiven47) logisch wirkende Phrasen48), die lange, anspruchsvoll strukturierte Linien voller Energie, Blues-Feeling und Prediger-Qualität49) ergaben50).

Coltrane suchte ständig nach Möglichkeiten der Weiterentwicklung und er sah sie bereits Anfang der 1960er Jahre vor allem in jenem Bereich, der als Free-Jazz bezeichnet wird. Im Jahr 1961 sagte er: „Veränderung ist in unserer Musik unvermeidbar, die Dinge ändern sich.“ Charlie Parker und Dizzy Gillespie hätten in den 1940er Jahren einen Bruch mit der Tanztradition des Jazz herbeigeführt. Fast 10 Jahre später sei Miles Davis, der mit Parker und Gillespie begonnen hatte, in die entgegengesetzte Richtung gependelt. Zu den meisten populären Sachen von Davis könne man durchaus tanzen. Nun gehe es in der Musik des Pianisten Cecil Taylor und des Alt-Saxofonisten Ornette Coleman wiederum in die andere Richtung. Taylors Stil fand er „viel zu kompliziert“, doch von den Ideen Ornette Colemans, der ohne vorgegebene Akkorde spielte und erst im Zuge der Improvisation eine logische Struktur entwickelte51), war er angetan.52) Bereits im Sommer 1960 hatte Coltrane Aufnahmen mit Mitgliedern der Band Ornette Colemans53) gemacht, ohne jedoch Colemans „freie“ Spielweise zu übernehmen. Über ein 12-minütiges Zusammenspiel mit Coleman selbst sagte er später, er glaube, das sei „definitiv der intensivste Moment seines Lebens“ gewesen.54)

In den Jahren 1961 und 1962 brachte Eric Dolphy die „ungezügelte Freiheit seiner harmonischen Herangehensweise“55), die jedoch auf gründlichen musiktheoretischen Kenntnissen beruhte, in Coltranes Band ein. Dolphys Vorbild regte Coltrane verstärkt zu Ausflügen in dissonante Bereiche ein, was seine Improvisationen noch vielfältiger werden ließ.56) Dolphys Beiträge sowie Coltranes Veränderungen wurden von Jazz-Journalisten heftig kritisiert, vor allem im Zusammenhang mit Coltranes Village-Vanguard-Aufnahmen aus November 196157). Ein Jazz-Kritiker, der zuvor ein Förderer Coltranes war, meinte: „Coltrane mag auf der Suche nach neuen Wegen des Ausdrucks sein, aber wenn er diese Form von Aufschrei, Gekreische und endlos wiederholten Läufen annimmt, dann sollte es auf das Üben beschränkt bleiben.“58) Die Kritiken betrafen besonders auch Coltranes langes Solo in Chasin‘ the Trane59), das vom Tenor-Saxofonisten John Gilmore beeinflusst war60). Gilmore experimentierte mit „Free“-Sounds bereits Mitte der 1950er Jahre in der Band des umstrittenen61) Pianisten Sun Ra62) und arbeitete unter anderem mit kleinen melodischen Zellen. Coltrane improvisierte schon im Jahr 1960, als er noch Miles Davis‘ Gruppe angehörte, ebenfalls mit Zellen, variierte sie dabei vielfältig und kombinierte sie abwechselnd mit Linien in der Art Charlie Parkers.63) In den Folgejahren wurden solche Zellen zu einem wesentlichen Bestandteilt seiner Musik.64)

Die Einflüsse aus dem avantgardistischen Bereich bewirkten nicht, dass Coltrane die anspruchsvolle Strukturierung seiner Improvisationen aufgegeben hätte. Er sagte zum Beispiel im November 1961 in seiner selbstkritischen Art: „Akkorde sind für mich zu einer Art Obsession geworden, was mir den Eindruck vermittelt, dass ich die Musik vom falschen Ende eines Fernglases her betrachte.“65) Aber noch Jahre später erwähnte er: „Ich würde nicht die Verwendung von Akkorden aufgeben wollen, wenn das, was ich machen möchte, durch diese Mittel erreicht werden kann. Ich bin mir nicht sicher, ob das Akkordsystem überleben wird, aber ich weiß, es wird sehr anders verwendet werden. Ich möchte nicht irgendetwas aus der Musik wegnehmen, ich möchte ihr etwas hinzufügen.“66) Diese Zweischneidigkeit prägte die weitere Entwicklung seiner Musik: Einerseits nahm der Einfluss der Avantgarde zu und zugleich bewahrte er die diffizilen Techniken der Strukturierung, die er sich über die Jahre gründlich erarbeitet hatte und laufend erweiterte. Die stetige Weiterentwicklung seiner Spielweise wurde Ende 1964 im Zusammenhang mit der Aufnahme seines herausragenden67) Albums A Love Supreme beschleunigt.68) Mit diesem Album, das aus einer vierteiligen Suite besteht, stellte er zum ersten Mal seine Musik ganz in den Dienst seiner tiefgehenden Religiosität.69) Das ist aus den Titeln der Stücke und des Albums sowie dem von Coltrane selbst verfassten Begleittext ersichtlich und zeigt sich auch in der sakralen Atmosphäre sowie der musikalischen Gestaltung des ersten und des vierten Teils der Suite70). Durch diesen Rahmen erhalten auch die beiden mittleren Suite-Teile zwei und drei, die mehr Coltranes sonstiger damaliger Musik entsprachen71), religiöse Bedeutung. So vermittelt Coltranes langes Solo im dritten Teil (Pursuance), mit seinen rasenden, zunehmend dissonanten72) Linien und seinem Ton, der sich Schreilauten annähert73), den Eindruck einer Art religiösen Ekstase74) und bildet damit den emotionalen Höhepunkt der Suite. Auch wenn seine Musik gewiss schon lange zuvor einen Ausdruck seines spirituellen Empfindens und Strebens enthielt, so wurde die tief bewegende, überwältigende spirituelle Erfahrung nun für die restlichen zweieinhalb Jahre seines Lebens zu einer zentralen Botschaft seiner Musik. Allerdings entsprach das, was er vermittelte, absolut nicht den gängigen Vorstellungen von spiritueller, mit ruhiger Versenkung verbundener Atmosphäre.75)

Am 28. März 1965, also rund drei Monate nach der Aufnahme von A Love Supreme, trat Coltrane mit seinem Quartett neben den Bands junger Free-Jazz-Musiker wie Albert Ayler, Archie Shepp, Sun Ra und Cecil Taylor als ein Vertreter der „New Black Music“ auf76). Weitere drei Monate später wirkten Archie Shepp, Pharoah Sanders und andere Musiker aus dem Free-Jazz-Bereich an Coltranes Album Ascension („Himmelfahrt“) mit. Einer der an diesem Album beteiligten Musiker, Marion Brown, sagte später: „Solche Art von Musik zwingt die Leute zu schreien; und die im [Aufnahme-]Studio dabei waren, schrien tatsächlich […].“77) Eine besondere Bedeutung für Coltrane hatte der Tenorsaxofonist Albert Ayler, der sich mit extrem verwischten Tönen, einer Art Grunzen, Quäken, Quietschen und Schreien, besonders weit von herkömmlichem Saxofonspiel entfernte und dessen Musik ein „Dualismus von Horror und Euphorie immanent“78) war. Coltrane sagte, er glaube sehr an Ayler79), er habe bereits im Jahr 1957 in einem Traum gespielt, wie es dann später Ayler tat, und habe gespürt, dass diese Art zu spielen kommen wird.80) Nach Aussage Archie Shepps war Coltrane einer der allerersten, der die Bedeutung Aylers und seines Sounds erkannte. Coltrane habe möglicherweise mehr als Ayler selbst dafür gesorgt, dass sich sein Einfluss verbreitete.81) Ayler ist in veröffentlichten Aufnahmen Coltranes nicht zu hören, wohl aber eine Reihe weiterer junger Musiker der damaligen Free-Jazz-Bewegung, mit denen Coltrane sein Quartett im Jahr 1965 wiederholt verstärkte.82) Coltrane wollte nun keinen swingenden Rhythmus mehr in seiner Musik haben und so begann der Bassist Jimmy Garrison, anstelle eines Walking-Bass-Spiels „den Beat mit kurzen Phrasen und durch Schlagen mehrerer Saiten [Strumming] aufzubrechen“.83) McCoy Tyners Klavier-Begleitung gab bereits seit Längerem durch „harmonische Indeterminiertheit“84) dem Solisten großen Spielraum und ging nun immer öfter im tosenden Gruppengeschehen unter85). Im Herbst 1965 begann Coltrane, einen zweiten Schlagzeuger und manchmal weitere Perkussionisten einzusetzen, wodurch das gesamte „rhythmische Gefüge“ an „Eindeutigkeit“ verlor und „weit diffuser“ wurde.86) Ende des Jahres 1965 verließ McCoy Tyner frustriert die Band und rund einen Monat später Elvin Jones. Beide begründeten ihr Ausscheiden damit, dass sie zeitweise überhaupt nicht mehr erkennen konnten, was in der Musik der Band vor sich ging, und nur mehr „Lärm“ hörten.87)

In Coltranes verbleibenden Lebensjahren, 1966 und 1967 (bis Mai88)), bestand seine reguläre Band aus seiner Frau Alice89) am Klavier, dem Schlagzeuger Rashied Ali, Jimmy Garrison am Bass und Pharoah Sanders als zweiten Saxofonisten. Diese Band spielte ohne durchgehenden Beat, ohne beständiges Tempo, allerdings legten die meisten Stücke einen grundlegenden Puls nahe.90) Ali lieferte nach Coltranes Aussage „multi-direktionale“ Rhythmen, die dem Solisten „maximale Freiheit“ gewährten,91) und das Klavier erzeugte einen „freien“, harfenartigen klanglichen Hintergrund, der mit seiner konstanten Dissonanz jeden beliebigen Beitrag der Bandmitglieder zuließ, sodass sie sich alle in eigene Richtungen bewegen konnten.92) Coltrane schrieb zwar noch tonale Melodien, gab aber keine Akkorde mehr vor, sondern forderte die Solisten auf, in jeder beliebigen Tonart zu spielen. Während früher dissonante Teile zur Bereicherung eines etablierten tonalen Zentrums dienten, legten sie nun wechselnde Grundtöne nahe. Die Solisten konnten jetzt in jeder Tonart so lange verweilen, wie sie wollten, und mussten nicht zu einer ursprünglichen zurückkehren.93) Pharoah Sanders ekstatisches Saxofonspiel war fast ausschließlich klangbezogen und geradezu „melodiefeindlich"94). Auch Coltranes Saxofonton war nun dramatischer als je zuvor95), doch setzte er weiterhin seine über viele Jahre erarbeitete Improvisationskunst ein und neigte nach wie vor dazu, in seinen Improvisationen tonale Strukturen zu entwickeln, indem er sein Spiel auf Tonarten bezog96). Seine Soli waren immer noch großteils aus „harmonischen Variationen relativ einfacher melodischer Fragmente oder eines erkennbaren Elements einer zugrundeliegenden Form“ gebaut, obwohl er nun selbst verstärkt die stimmähnlichen, kreischenden Sounds einsetzte, die für die jungen „freien“ Saxofonisten typisch waren.97) Nach Aussage von Elvin Jones war sich Coltrane „absolut darüber im Klaren, was er machte, und hatte schon fast übernatürliche Kontrolle über das, was er machte. Auch wenn sich ein Eindruck von Freiheit ergab, so war es doch im Grunde ein wohl durchdachtes und hochgradig diszipliniertes Stück Arbeit“.98) Archie Shepp erklärte, Coltrane habe es gemocht, immer zu wissen, wo er ist. Selbst als er frei spielte, habe er es gemocht, in der Lage zu sein, sich auf Harmonien zu beziehen, mit denen er vertraut war.99) Coltranes Sohn Ravi100) nahm bei der Analyse der Aufnahmen seines Vaters ebenfalls das beständige Vorherrschen von Struktur in dessen Spiel wahr und fand in vielen Aufnahmen der letzten Phase sogar harmonische Ideen, die John Coltrane in seinem Album Giant Steps (1959) verwendet hatte.101) Lewis Porter102) analysierte eines der Duette (Venus103)) mit dem Schlagzeuger Rashied Ali (Album Interstellar Space, 1967), in denen leicht zu hören sei, was Coltrane machte. In harmonischer Hinsicht nahm Porter vor allem eine Reihe wechselnder, manchmal ambivalenter und teilweise schwer interpretierbarer Tonalitäten mit chromatischen Elementen wahr. Schließlich bezeichnete er dieses Stück als tiefgründiges und tief bewegendes Werk.104) Was in Coltranes Spiel seiner letzten Phase chaotisch erscheint, sei in Wahrheit das völlige Gegenteil. Allerdings verdecke das Sperrfeuer aus Sound leider für viele Hörer die umwerfende Kraft von Coltranes Spiel.105) Steve Coleman sagte, Coltrane habe nichts von seinen früher entwickelten Spielweisen aufgegeben und so sei seine Musik immer „fetter“, seine Welt immer größer geworden. Er habe nach wie vor seine straff strukturierten, harmonisch-funktionellen Sachen mit ihrer internen melodischen Logik gemacht und sie dem, was seine Bandmitglieder spielten, aufgesetzt.106)

KLANG ODER STRUKTUR IM FOKUS
Der Musikwissenschaftler Ekkehard Jost wies ebenfalls darauf hin, dass Coltrane in seinen letzten Jahren nicht „zu einer grundsätzlich neuen Improvisationsweise fand“, sondern aus seinem „reichhaltigen Reservoir an musikalischen Erfahrungen schöpfend, […] alles in seine Spielweise einbezog, was er sich in der vergangenen Zeit erarbeitet hatte, und es dem veränderten Bezugsrahmen anpasste.“107) Dennoch bezeichnete Jost Coltranes letzte Phase, die mit den Aufnahmen des Albums Ascension (Juni 1965) begonnen habe, als Phase der „klanglichen Exploration“. Denn in ihr sei allmählich der Klang zum „bestimmenden Prinzip“ geworden, während „alte Kategorien der musikalischen Organisation“ an Bedeutung verloren hätten.108) Dass Coltrane in seinen Improvisationen die „alten“ Strukturen durchaus weiterhin einsetzte, war für Jost somit weniger bedeutend als die „freien“ Klänge, die zunehmend den Gesamtcharakter von Coltranes Musik dominierten.109) Jost sah in Coltranes Laufbahn eine schrittweise, aber konsequente Entwicklung zum Free-Jazz110), der das Thema seines 1975 erschienen Buchs war und den er als „zeitgenössische“ Form von Jazz besonders schätzte. – Was Coltranes Spiel jedoch hohe Qualität verlieh und gegenüber dem der jungen „freien“ Saxofonisten auszeichnete, war seine über viele Jahre erarbeitete Meisterschaft, die sich gerade nicht in „klanglicher Exploration“ erschöpfte. Vielmehr beherrschte er gründlich die „alte“ Kunst des Jonglierens mit Strukturen und gab sie nie auf, sodass zwar die Beiträge seiner letzten Bandmitglieder „frei“ gewesen sein mögen, aber nicht sein eigenes Spiel, wie Steve Coleman betonte111). Coleman wurde 18 Jahre nach Jost geboren, legte bereits in jungen Jahren auf herausfordernde musikalische Strukturen Wert und betrachtete die Vorliebe für ihre Auflösung als typisch für die 1960er Jahre, die bereits lange zurücklagen.112) Er schätzte es, dass Coltrane – eingehüllt in eine Art Kokon aus heulenden Sounds, die auf den Einfluss von Ayler und ähnlicher Saxofonisten zurückgingen – weiterhin seine „Wissenschaft“ anspruchsvoll strukturierter Improvisation betrieb.113) – Dass diese Kunst in Coltranes letzter Phase überhört wird, ist allerdings nicht verwunderlich:

VERHÜLLTE STRUKTUR
Vordergründig dominierten damals in Coltranes Spiel oft die wilden Saxofon-Klänge der damaligen Free-Jazz-Bewegung und gewisse dramatische Spielweisen114). Außerdem war er in den Jahren 1966 und 1967 von einer Band umgeben, die so gut wie jede beständige Struktur vermied, sodass dem Hörer rhythmische und harmonische Bezugspunkte völlig entzogen wurden. Das noch im Album A Love Supreme erfolgreiche Konzept der Verbindung komplexer Improvisation mit einer relativ einfachen, zuverlässigen Grundstruktur hatte Coltrane nun durch ein ekstatisches Spiel in einem äußerst diffusen Umfeld ersetzt. So ist es schwierig, seine Saxofon-Laute als kunstvolle melodische Linien mit vielfältigen harmonischen Bezügen wahrzunehmen. Selbst Ravi Coltrane, ein versierter Saxofonist, hatte beim Studium des Spätwerks seines Vaters erhebliche Schwierigkeiten, wie seine folgende Aussage zeigt: „In vielem seiner letzten Periode ist die Palette so breit, lief so viel ab, dass ich die Musik hörte, ohne wirklich zu hören, was vor sich ging. Durch [das Album] Stellar Regions [aufgenommen im Februar 1967] erhielt ich jedoch eine Reihe von Assoziationen, die ich dann beim Hören der anderen Musik aus dieser Zeit verwenden konnte. Ich denke, wenn man einige seiner längeren Soli hört, dann steigt man irgendwann aus, dann schaltet das Gehirn nach 20 Minuten oder so aufgrund der schieren Überlastung mit Ideen einfach ab. Aber diese Stücke [von Stellar Regions] sind alle 4 oder 5 Minuten lang, was im Werk meines Vaters sehr ungewöhnlich war. Sie zu hören, schärfte mein Ohr für das, was in der Gruppe mit Rashied [Ali] und meiner Mutter [Alice Coltrane] vor sich ging, und als ich dann zu seinen anderen Scheiben dieser Zeit zurückkehrte, fand ich, dass ich besser in der Lage war, in das einzudringen, was vor sich ging, selbst in die breitesten Paletten.“115)

SPIRITUELLER „VIBE"
Warum hüllte Coltrane seine Improvisationskunst in derart nebulose Klänge? Warum verschleierte er musikalische Strukturen in seinem Spiel durch klangliche Expression im Stil der Free-Jazzer und ließ sie in der Begleitung durch seine Band gänzlich beseitigen? Viele Musiker aus Coltranes Altersgruppe, die ihn schätzten, verstanden nicht, warum er sich mit den jüngeren Free-Jazz-Saxofonisten, deren musikalische Kenntnisse und Erfahrungen unter seinem Niveau waren, umgab und sich von ihnen beeinflussen ließ. Steve Coleman, der Coltrane nicht erlebte116), erklärte es sich rückblickend damit, dass Coltrane an ihrem rauen, spirituellen „Vibe“117) (Zu diesem Begriff: Steve Coleman über Vibe) interessiert gewesen sein dürfte.118) Coltranes Musik sei in seinen letzten Jahren zu einer Form von Gebet, Meditation oder einem Ausdruck seiner Beziehung zum Universum und eines „erweiterten Bewusstseins“ geworden.119) Diese Erklärung stimmt mit dem überein, was Coltrane nach eigener Aussage an Pharoah Sanders schätzte: Sanders sei ein Mann mit großem spirituellem Reservoir und versuche immer, zur Wahrheit vorzudringen, sich von seinem spirituellen Selbst führen zu lassen und immer tiefer in die menschlichen Grundlagen der Musik einzudringen. Sanders verfüge über eine große Stärke in seinem Spiel und sei außerdem einer der Innovatoren.120) Der Saxofonist Frank Foster, der Coltranes Altersgruppe angehörte, fand seine Musik der Spätphase zwar extrem, dachte sich jedoch, dass Coltrane experimentiert und es ihm darum geht, sich selbst spirituell zu finden.121) – Coltrane scheint in dieser Phase nicht nur spirituelle Erfahrungen ausgedrückt, sondern die Musik verstärkt dazu genutzt zu haben, sich in einen entsprechenden Zustand zu versetzen. In einer Video-Aufnahme aus dem Jahr 1966 ist zu sehen, wie Coltrane beim Spielen seinen Oberkörper heftig vor und zurück sowie auf und ab bewegte122), und in einer Tonaufnahme von einem anderen Auftritt im selben Jahr hört man ihn sogar in einer erregten, gebetsartigen Weise singen, wobei er durch rasches Schlagen auf die Brust seine Stimme vibrieren ließ123). Ein junger Saxofonist, der bei diesem Konzert von Coltrane zu einem Solo eingeladen wurde, sprang beim Spielen auf und ab, da er von der erhebenden Wirkung der Musik so ergriffen war.124) Ein großer Teil des überwiegend aus wackeren Coltrane-Anhängern bestehenden Publikums verließ jedoch das Konzert vorzeitig.125)

ABLEHNUNG UND HINGABE
Coltrane hatte in der ersten Hälfte der 1960er Jahre eine beträchtliche Anhängerschaft126), von der er in seinen letzten Jahren aufgrund der Veränderung seiner Musik einen Großteil verlor. Alice Coltrane berichtete: Als Coltrane „Avantgarde wurde, wie sie es nannten, verlor er viele Leute, viele Anhänger.“127) Darunter waren auch viele Musiker, wie sich aus Frank Fosters Erzählung ergibt: „Die hauptsächlichen Einwände kamen nach Ascension128). Das war der Wendepunkt für viele Musiker, die bis zu jenem Zeitpunkt begeisterte Coltrane-Anhänger gewesen waren; danach wandten sie sich ab.“129) Bis heute haben viele Musiker Vorbehalte gegenüber Coltranes Spätwerk. Wynton Marsalis, der als Traditionalist nicht nur meinungsbildend wirkte, sondern wohl auch die Meinung vieler zum Ausdruck brachte, verehrte Coltrane, betrachtete seine letzte Entwicklung jedoch als Irrweg. Er schrieb über ihn: „Etwas in seinem Sound berührt uns mit seiner Tiefe, Menschlichkeit und reinen Schönheit – es hat etwas Erhabenes, Unwiderstehliches. Und Trane130) ist so aufrichtig, dass man weinen möchte.“131) Coltrane sei ein meisterhafter Saxofonist, ein „Genie in der Integration anderer Musikkulturen, ein Bluesmann mit hoch entwickelter Harmonik und ein ehrlicher spiritueller Suchender […] all das und mehr“ gewesen. Doch habe ihn etwas „weit, sehr weit hinaus in den interstellaren Raum [getrieben], in dem er sehr persönliche Entdeckungen machte. Seine Musik wurde zu reiner Energie […]“, er habe seine Musik nur mehr „als Mittel zum Ausdruck tieferer Bewusstseinszustände“ eingesetzt und schließlich habe sie nach „organisiertem Chaos“ und zu „abstrakt“ geklungen.132) – Doch gab es in Coltranes letzten Jahren durchaus auch begeisterte Anhänger, die seine Musik keineswegs „abstrakt“ fanden, sondern von ihr tief bewegt wurden.133) Sie waren häufig keine Jazz-Hörer.134) Manche verglichen ihn in einer Art „kultischen Hingabe“ gar mit Jesus Christus, der dieselben Initialen „J.C.“ hatte.135) Coltranes Musik erschöpfte sich allerdings nicht in spiritueller Atmosphäre:

GESTALTUNGSFREIHEIT
Nach Lewis Porters Darstellung kam Coltrane dadurch, dass er vorgegebene Akkordwechsel sowie die „Einengung“ durch einen durchgehenden Beat aufgab und eine bruchlose, nicht in Chorusse teilbare musikalische Konstruktion schuf, „voran“.136) Der Fortschritt bestand wohl darin, dass sich Coltrane damit mehr Freiraum verschaffte, das auszudrücken, was ihm am Herzen lag. Das ist bereits im letzten Teil seiner Suite A Love Supreme zu beobachten. Dieses Psalm genannte Stück enthält keinen beständigen Beat mehr und folgt in seinem rhythmischen Fluss ganz Coltranes Saxofon-Improvisationen, mit denen er den Text seines Gott gewidmeten Gedichts137) in ausdrucksstarker Weise „rezitierte“.138) Coltranes Musik war aber nie bloßer Ausdruck religiöser Inhalte oder purer Emotionen, auch wenn Autoren häufig dazu neigen, seine Musik der letzten Jahre lediglich als spirituelle Stimmung zu beschreiben, wie Lewis Porter feststellte. Die Reaktionen auf Coltranes Spätwerk sind nach Porters Beobachtung polarisiert: Entweder man liebt es oder hasst es. Die, die es lieben, würden sagen, es sei spirituelle Stimmung. Die, die es hassen, würden sagen, es sei eine Menge Lärm. Und dann gebe es einige wenige wie den Saxofonisten Dave Liebman und ihn selbst, die sagen: Moment mal, das ist Musik.139) Steve Coleman erläuterte, wie Coltrane die erweiterte Gestaltungsfreiheit in musikalischer Hinsicht nutzte: Er habe im Freiraum selbst eine Struktur-Straße gebildet, die er wie in einem Fantasy-Film vor sich entstehen ließ, während er auf ihr voranging. So habe er nach wie vor mit Struktur gespielt, nur sei die eben sehr verformbar geworden. Ein Beispiel dafür seien Coltranes „knackige“ Phrasen im Stück Ogunde (Album Expression, 1967).140) – Ohne rhythmische und harmonische Vorgaben war Coltrane zuletzt somit frei, seine „Straßen“ in jede beliebige Richtung zu bauen, aber durch diese Unbeständigkeit wurden die Strukturen schwer erkennbar. Die Begleitung durch die Band musste neutral, also mehr oder weniger konstant dissonant sein und der Groove ging verloren.

HERAUSFORDERUNG
Steve Colemans und Lewis Porters Hinweise, dass sich in Coltranes Spätwerk hinter dem „Sperrfeuer aus Sound“ wie in einen Kokon gehüllt große Kunst verbirgt, laden ein, sich um Zugang zu bemühen. Coleman fand sogar, dass Coltranes Spielweise erst in den letzten Jahren vor seinem Tod ausgereift war. Seine hippesten Aufnahmen seien 1965 und 1966 zustande gekommen und selbst im Jahr 1967, als Coltrane bereits unter gesundheitlichen Beschwerden litt, habe er einige großartige Sachen gemacht141), wobei sich der emotionale Charakter seiner Musik im Laufe dieser Jahre sehr verändert habe.142) Allerdings versprach Coleman kein leichtes Hörvergnügen, sondern ein Teilhaben an etwas Tiefgründigem, das von Coltranes früheren erfolgreichen Aufnahmen wie Blue Train (aufgenommen 1957) und My Favorite Things (aufgenommen 1960) weit entfernt ist. Es sei Coltrane nicht mehr um Unterhaltung gegangen, vielmehr sei seine Musik zu Meditation und Gebet geworden. Das hätten damals viele nicht verstanden, aber mittlerweile sei genug Zeit vergangen um „nachzuziehen“.143) Der ältere Schlagzeuger Billy Hart, der Coltranes Laufbahn in den 1960er Jahren selbst mitverfolgen konnte, erzählte: Einige Leute hätten sich bereits bei Giant Steps von Coltrane abgewandt, andere bei A Love Supreme und „natürlich“ viele bei Meditations (aufgenommen November 1965). Er habe jedoch durchgehalten und sei Coltranes letzter Musik in ebenso tiefgehender Weise verbunden gewesen wie Cecil Taylors Musik. Harts Interviewer, der Pianist Ethan Iverson, fügte hinzu: Eine der schönsten Sachen am Coltrane-Vermächtnis sei, dass man im Grunde genommen nicht die Möglichkeit habe, ihn bei Giant Steps oder A Love Supreme zu verlassen. Man müsse alles akzeptieren. Coltrane sage einem sehr klar, dass es das ist, wohin zu gehen notwendig ist. Eine Menge Leute würden es vorziehen, wenn diese zwei letzten Jahre nicht diese Art von Musik hätten, aber Coltrane sei jeden Tag da und sage einem: „Das ist es, wohin es geht!“ Billy Hart antwortete:Oh Mann, du hast recht.“144)

Coltrane schritt in seiner musikalischen Entwicklung kontinuierlich, konsequent und mit tiefer Überzeugung voran, sodass es für ein Verständnis seines Werks tatsächlich unumgänglich ist, sich auch mit seiner Musik und Botschaft der letzten Jahre auseinanderzusetzen. Auch spielen die damaligen Entwicklungen im Jazz für die Jazz-Geschichte eine so bedeutende Rolle, dass sie trotz ihrer Problematik, die sie für Hörer mit sich brachten, nicht übergangen werden können. Andererseits sind die schrillen, „freien“ Klänge von Coltranes letzter Phase in der eigenen Musik der zitierten Musiker, die sich für Coltranes Spätwerk aussprachen, nicht (mehr145)) zu finden.146) Steve Coleman verkörpert sogar regelrecht einen Gegentrend zur Free-Jazz-Bewegung der 1960er Jahre, von der sich Coltrane in entrückte Sphären tragen ließ. In Colemans Musik gibt es nichts vom kreischenden Saxofonspiel der 1960er Jahre und es sind nicht nur seine eigenen Improvisationen, sondern auch die Beiträge seiner gesamten Band anspruchsvoll strukturiert und Groove-betont. Er sagte, er könne zwar in der „Amöben-artigen“ Weise spielen, womit er offenbar so genanntes „freies“, nicht strukturgebundenes Improvisieren meinte147). Aber er stehe „einfach absolut nicht“ auf diese Art.148)

Coltrane blieb mit seiner Meisterschaft, Tiefgründigkeit und kompromisslosen Verfolgung seines Wegs jedoch bis heute ein wichtiges Vorbild für viele Musiker. Seine Spiritualität, die besonders in der Musik seiner letzten Jahre zum Ausdruck kam, bildete einen Gegenpol zur Unterhaltungsfunktion, die bereits in seiner Zeit nicht mehr dem Selbstverständnis anspruchsvoller Jazz-Musiker entsprach, aber häufig weiterhin von ihnen erwartet wurde.149) Zugleich war seine Spiritualität eine Alternative zum typischen westlichen Kunstverständnis und sie schien an die Rolle von Musik und Predigt in afro-amerikanischer Religionsausübung anzuknüpfen150). Durch den spirituellen Aspekt hatte seine Musik auch eine tiefergehende Bedeutung als all jener Free-Jazz, der als Protest und Befreiung von ästhetischen und politischen Werten verstanden wurde. Außerdem war Coltranes Weg insofern beeindruckend und beispielgebend, als er seine Weiterentwicklung bis zum Ende seines (kurzen) Lebens in Gang hielt und dabei keinerlei Zugeständnisse an geschäftliche Erwartungen machte. Da er sich gänzlich der Musik widmete, sich durch sie ausdrückte und die musikalischen Möglichkeiten immer weiter auslotete, gelangte er wohl zwangsläufig in nicht mehr leicht nachvollziehbare Bereiche.

HÖRER-PERSPEKTIVE
Viele begeisterte Anhänger Coltranes konnten ihm bald nach A Love Supreme nicht mehr folgen, obwohl sie es gerne getan hätten. Jene Hörer, denen es gelang, missverstanden diese Musik zu einem erheblichen Teil, da die Stimmung und die Free-Jazz-Elemente, die sie beeindruckten, nur die Oberfläche dieser Musik bildeten. So mancher, der von der ekstatischen, psychedelischen Atmosphäre angezogen wurde, mag Ähnliches bei Rockmusik erlebt haben. Wer mit einem Sinn für abstrakte Klanggebilde oder aus einer Vorliebe für extreme Sounds mit Außenseiter-Charakter151) an Coltranes Musik seiner Spätphase Gefallen fand, muss sie keineswegs besser erfasst haben als jemand, dem sie zu abgründig war.

Die Aufnahmen aus dem Jahr 1965, die Coltrane noch mit seinem Quartett152) machte153), sind zwar ziemlich avanciert, aber Coltranes Improvisationen sind so reichhaltig, meisterhaft und leidenschaftlich, dass sich ein Bemühen um Zugang doch zum Teil lohnen kann. Beeindruckend ist an dieser Musik auch, wie die Band einen enormen Drive entwickelte, obwohl sie beständige, eindeutige rhythmische Muster vermied. Vor allem Elvin Jones‘ Schlagzeugspiel ist in dieser Hinsicht sowie im Dialog mit Coltrane großartig. Allerdings ist diese Musik bereits ziemlich „schräg“154) und Coltrane spielte zunehmend in der schreienden Art der Free-Jazz-Saxofonisten, was nicht nur seine Improvisationen verunklarte, sondern ihnen auch einen Sound verlieh, der ziemlich unangenehm sein kann. Denn naturgemäß haben Schreie eine durchdringende emotionale Wirkung, der man sich nicht entziehen kann. Sie sind ja meistens ein alarmierender Ausdruck von Schmerz oder Aggression und dementsprechend beunruhigend und bei längerem Andauern schwer erträglich. Kurze Schreilaute können in der Musik eindrucksvolle emotionale Höhepunkte bilden und auch lustvollen Charakter haben. Das andauernde Saxofon-Kreischen der Free-Jazz-Bewegung hingegen war zwar anfangs wegen der urwüchsigen Bedeutung entsprechender menschlicher Laute spektakulär, doch ebenso abschreckend und für Hörer überwiegend quälend. Es scheint kaum möglich zu sein, Coltranes leidenschaftliche Improvisationen seiner letzten Jahre ohne diesen beeinträchtigenden klanglich-emotionalen Effekt zu hören. Sich im Bemühen um eine Wertschätzung für diese Musik zu überfordern, birgt die Gefahr, dass einem Coltranes Art generell nicht mehr gefällt und man dann auch seine früheren Aufnahmen nicht mehr hören mag. Coltranes kompromisslose Entwicklung verlangt vom Hörer wohl, dass er selbst herausfindet, wie weit er ihm folgen möchte und dabei befriedigende Musikerlebnisse haben kann. Die jeweilige Grenze kann sich im Lauf der Zeit und je nach momentaner Verfassung etwas verschieben, doch lässt sich nicht außer Kraft setzen, dass Musikhören eine Kommunikation ist, deren Gelingen von einer Verständigung zwischen Sendern und Empfängern abhängt155), und letztlich Freude bereiten soll.

Wenn Musiker die Strukturen ihrer Musik indirekt ausdrücken und geschickt mit ihnen jonglieren, kann das auch für Hörer eine bereichernde Kunst sein. Sie zu erkennen setzt Vertraut-Werden voraus, was bei Hörern in der Regel rein intuitiv erfolgt. Sind die Strukturen in einer Musik jedoch so versteckt, dass sie nur mehr für Experten erkennbar sind, dann wird die Kunst zu einem fragwürdigen Spiel. So haftet Coltranes Spätwerk dadurch, dass seine „unsichtbaren Formen“ nach einem halben Jahrhundert von den meisten Hörern immer noch nicht erkannt werden156), eine gravierende Problematik an. Wynton Marsalis bemerkte zu Coltranes letzter Phase: Wenn man „irgendwann die Abstraktion einer Abstraktion abstrahiert, sollte man sich schon mal fragen, was man da eigentlich macht.“157) – Ob Coltranes Aufnahmen seiner letzten Jahre für Hörer befriedigender wären, wenn sie die „unsichtbaren Formen“ besser erkennen könnten, ist allerdings zu bezweifeln: Wie bereits dargestellt, veränderte Coltrane seine zuvor erarbeitete Spielweise nicht schlagartig, sondern führte sie im Wesentlichen auch in seiner letzten Phase weiter. Zumindest die Musiker unter seinen langjährigen Anhängern müssen mit seiner Art der Strukturierung vertraut gewesen sein und sie somit auch in seinem Spätwerk erkannt haben. Dennoch lehnten viele von ihnen seine Musik der letzten Jahre ebenso ab wie ein Großteil der Hörer. Mangelnde Sichtbarkeit der Formen scheint also nicht das eigentliche Problem zu sein. Darüber hinaus haben Strukturen, die zwar raffiniert sind, aber kein befriedigendes musikalisches Erleben bewirken, für Hörer geringeren Wert als für die Musiker, die sich auch mit der musiktechnischen Seite der Gestaltung befassen.

Je stärker Coltranes Musik vom Einfluss der Free-Jazz-Bewegung geprägt wurde, desto mehr verdeckte Strukturlosigkeit die „unsichtbaren“ Strukturen. Das geschah primär durch die Beiträge der neu hinzugekommenen Bandmitglieder158). Doch auch in Coltranes eigenem Spiel nahm die klangliche Expressivität im Stil der „freien“ Saxofonisten zu und überschattete seine Kunst strukturierter Gestaltung. Die ab November 1965 entstandenen Aufnahmen bestehen zu einem großen Teil aus dramatischen Klängen, die gleichbleibend ungeordnet und damit eintönig wirken. Es dominiert das Hineinsteigern in Erregung und der Ausdruck von äußerster Intensität, Inbrunst, Erhebung oder Schwermut159). Coltranes letzte Werke befriedigen Hörer auch Jahrzehnte später kaum durch eine unmittelbare musikalische Schönheit. Ihre Klänge sind überwiegend leidvoll und schroff, ein Empfinden von Groove ausgeschlossen, jeder Ton ist mit übersteigerter Emotionalität aufgeladen und geschmeidige, elegante melodische Linien sind ebenso wenig zu hören wie eine einigermaßen angenehme Harmonie.

Coltrane sagte einmal, es sei das Hauptanliegen eines Musikers, „dem Hörer ein Bild von den vielen wunderbaren Dingen zu geben, die er im Universum kennt und fühlt. Das ist es, was Musik für mich ist. Es ist einfach eine andere Weise, zu sagen: das ist ein großes, wunderschönes Universum, in dem wir leben. Das wurde uns gegeben und hier ist ein Beispiel dafür, wie prachtvoll es einfach ist.“160) Wenn Musik einen solchen universalen Bezug vermitteln soll, muss sie einerseits etwas von der Größe und Komplexität der Realität widerspiegeln, darüber hinaus aber auch eine Harmonisierung enthalten, die ein Gefühl von Schönheit hervorruft. So werden zum Beispiel in der religiösen afro-kubanischen Batá-Musik mehrere Rhythmen in sehr komplizierter Weise, aber doch so ineinander verschachtelt, dass die mit ihnen vertrauten Gläubigen einen starken Groove empfinden. Dadurch erleben sie einen häufig zu Trance führenden Einklang mit höheren Mächten. Die oft ebenfalls mit religiösen Vorstellungen verbundene klassische europäische Konzertmusik entfaltet vor allem im Bereich der Harmonik ein hohes Maß an Kompliziertheit und vermittelt zugleich durch Wohlklänge den Eindruck einer Geborgenheit stiftenden universalen Ordnung. Die Komplexität in Coltranes Musik der letzten Jahre ist hingegen für Hörer großteils undurchschaubar und es sind kaum angenehme, harmonisierende musikalische Elemente vorhanden. Somit vermittelte Coltrane zuletzt kein schönes, prachtvolles Bild vom Universum mehr, sondern viel eher ein erschreckendes oder bedrückendes. Diese Musik dient nicht dem Hörer wie religiöse Musik sonst. Vielmehr verwendete Coltrane sein Spielen und ab Herbst 1965 zusätzlich die Droge LSD vor allem dazu, sich in einen entrückten psychischen Zustand zu versetzen.161)

In den Erfahrungen, die Coltrane dabei machte und musikalisch ausdrückte, sahen manche die Erlangung eines „höheren“ Bewusstseins oder gar eine göttliche Botschaft162). Nüchtern betrachtet zählen sie wohl zu seinen weit zurückreichenden Bestrebungen, durch obsessives Musizieren, Drogenkonsum und Religiosität in einen besseren Zustand zu gelangen, nachdem er in jungen Jahren von schweren Schicksalsschlägen getroffen wurde.163) Sein Spätwerk brachte dieses Streben, das ein zentrales Thema seiner Existenz bildete, zweifelsohne in stärkster Form zum Ausdruck. Das unverhüllte, verzweifelte Ringen und Sehnen macht selbst diese sperrige Musik berührend, wenn auch selten in angenehmer Weise.

So sehr diese Musik seinem eigenen Bedürfnis diente, so wenig kommt sie dem der meisten Hörer entgegen. Eine Aufforderung an Hörer, „nachzuziehen“164) und auch Coltranes Spätwerk zu schätzen, verstärkt daher den ohnehin weit verbreiteten Eindruck, „moderner“ Jazz sei ungenießbare Musik, vergleichbar mit der „Moderne“ der europäischen Konzertmusik. Es ist richtig, dass im Jazz vieles, was zunächst unentwirrbar und irritierend wirkt, durch wiederholtes Hören allmählich klarer wird und eine bereichernde musikalische Tiefe offenbart. Das gilt jedoch nicht für Saxofon-Schreie, konstant dissonante Klavierklänge, unrhythmisches Schlagzeugspiel und dergleichen. Diese „freien“ Spielweisen bieten nie eine Musikalität im Sinn von Melodie, Harmonie und Groove, egal wie lange man versucht, das in ihnen zu entdecken.

Coltrane mag seine Meisterschaft in seiner letzten Phase zum Zweck, „spirituelle“ Zustände herzustellen, eingesetzt haben, doch war er zweifelsohne weiterhin ein großartiger Musiker, der sich in seinen Improvisationen auch musikalisch entfalten wollte. Wer in den Aufnahmen der letzten Jahre seine besonders reiche, wenn auch weniger „unterhaltsam“ gewordene Improvisationskunst genießen kann oder einfach die Expressivität und spirituelle Atmosphäre schätzt, braucht am Wert dieser zweifellos herausragenden Musik natürlich nicht zu zweifeln. Dass belebende musikalische Qualitäten wie Groove, ansprechende Sounds, melodische Linien und Harmonien in Coltranes Spätwerk weitgehend verschwanden, bleibt im Allgemeinen für Hörer aber wohl doch unbefriedigend.

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. QUELLE: Ian Patterson, Steve Coleman: Symbols and Language, veröffentlicht am 20. Februar 2012 auf der Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse: http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=41339&page=1
  2. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  3. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 19, 21 und 22
  4. Arrigo Polillo. „Wie sollte man es denn anders als krankhaft bezeichnen, dieses hysterische Phrasieren, dieses mal draufgängerisch leichte, mal von der Unschlüssigkeit eines Halluzinierenden geprägte Vorgehen und dieses Wimmeln von Vorstellungen? […] Eine abwechselnd stumpfe, verkümmerte und unsichere oder üppige und verwegen kapriziöse Musik.“ (QUELLE: Arrigo Polillo/Hans-Jürgen Schaal, Jazz, deutschsprachige Ausgabe, 2007, S. 538) – Polillos Darstellung mag für einen mit Parkers Musik nicht vertrauten Leser plausibel erscheinen, denn Polilo gab in seinem Kapitel über Parker zunächst lang und breit Parkers furchtbare persönlichen Geschichten wieder. Typischerweise strich er auch die besonders deprimierende Lover-Man-Session hervor und behauptete sogar, die Lover-Man-Aufnahme sei „zwar fehlerhaft, aber voller Pathos und geradezu herzzerreißend. Ein missgestaltetes Meisterwerk des Jazz.“ (S. 529) Dabei schämte sich Parker für den Rest seines Lebens für diese gegen seinen Willen veröffentlichte Aufnahme. Doch glaubten Jazz-Kritiker wie Polillo offenbar, diese Musik besser beurteilen zu können als Parker selbst, der in ihren Augen scheinbar ein primitiver Mensch war, der unbewusst Großartiges hervorbrachte (S. 538f.).
  5. Mehr dazu im Artikel Harmonik: Link
  6. QUELLE: Ian Patterson, Steve Coleman: Symbols and Language, veröffentlicht am 20. Februar 2012 auf der Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse: http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=41339&page=1
  7. QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 68, Quellenangabe: John Coltrane/Don DeMicheal, Artikel Coltrane on Coltrane, August 1960, Zeitschrift Down Beat, eigene Übersetzung
  8. Die Noten stehen bei einem Akkord übereinander (vertikal), bei einer Melodie nebeneinander (horizontal).
  9. Spielt ein Saxofonist „akkordisch“, so heißt das, dass er Akkorde gedanklich vor sich hat und die Gestaltung seiner Linien auf diese Akkorde bezieht, sie also mit seinen improvisierten Linien darstellt.
  10. QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 68, Quellenangabe: John Coltrane/Don DeMicheal, Artikel Coltrane on Coltrane, August 1960, Zeitschrift Down Beat, eigene Übersetzung
  11. QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 52
  12. dem Ton, auf den sich das gesamte musikalische Geschehen wenigstens in loser Weise bezieht (in traditionellen Harmonien der Grundton)
  13. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 161
  14. Gerd Filtgen: Wenn ein Pianist nicht „seine Akkorde entsprechend vieldeutig legte und alterierte [Töne chromatisch versetzte], bestand die Gefahr für Coltrane, dass seine Linien mit den Harmonien des Pianisten kollidierten und den Eindruck von Unstimmigkeit ergaben. Am ungehemmtesten praktizierte Coltrane diese Technik bezeichnenderweise mit Thelonious Monk […].“ (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 52)
  15. Hintereinander-Spielen der Töne eines Akkords
  16. QUELLE: Paul Maher/Michael K. Dorr (Hrsg.), Miles on Miles, 2009, S. 17, Quellenangabe: Interview mit Nat Hentoff, An Afternoon with Miles Davis, Zeitschrift The Jazz Review, Dezember 1958, eigene Übersetzung
  17. Charlie Parkers Spitzname
  18. Akkordwechsel, die auf den Song I Got Rhythm zurückgehen
  19. QUELLE: Johannes Völz, Improvisation, Correlation, and Vibration: An Interview with Steve Coleman, Anfang 2003, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/improvisation-correlation-and-vibration-an-interview-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  20. nach Lewis Porter „die einfachst mögliche AABA-Struktur“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 162, eigene Übersetzung)
  21. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 162
  22. Gerd Filtgen: „Coltrane erweitert die Harmonik […] nicht etwa konventionell, durch Hinzufügen weiterer stufenbezogener Changes oder Stellvertretern, sondern setzt sie im Terzabstand, verrückt sie also lediglich […], lässt jedoch die Grundstruktur, die II-V-I Progression, unangetastet. Innerhalb dieser Terzrückungen, auch Medianten genannt, stellt er hierarchische Bezüge auf, wobei er stets die Dominante wechselt.“ (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 55)
  23. Gerd Filtgen: „Die Dominantwechsel und Terzrückungen der Akkorde müssen in der Improvisationslinie strikt mitvollzogen werden, will man nicht den Anschein von ‚falschem‘ Spiel oder Orientierungslosigkeit geben.“ (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 55)
  24. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 33
  25. QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 55f.
  26. Diese Patterns werden oft als „pentatonisch“ bezeichnet, weil die Sexte weggelassen wird. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 151)
  27. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 151
  28. zum Beispiel in: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 146; sowie: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 34
  29. Lewis Porter: „Viele Musiker glauben, dass Coltranes freies Spiel vom Spielen von Giant-Steps-Mustern über modalen Stücken herrührt.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 223, eigene Übersetzung)
  30. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 151
  31. Tonleiter; So What wird als „modales“ Stück verstanden
  32. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 165
  33. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 165
  34. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 162
  35. Steve Coleman: „Er erhielt daraus eine Menge Antworten. Eine Menge Antworten selbst aus den Musikerkreisen. Selbst von den Musikern seiner Band. Einige Leute sagten: Mann, warum müssen wir all diese Akkorde spielen? Andere Leute außerhalb der Gruppe sagten: Du weißt wohl, das ist irgendwie steif, all diese Akkorde zu spielen. Und andere Leute fuhren darauf ab.“ (QUELLE: Johannes Völz, Improvisation, Correlation, and Vibration: An Interview with Steve Coleman, Anfang 2003, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/improvisation-correlation-and-vibration-an-interview-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link – Nach Coltranes eigener Darstellung war es schwierig, „manche Dinge zum Swingen zu bringen, wenn die Rhythmus-Gruppe [all] diese Akkorde spielt“. (QUELLE: Chris DeVito, Hrsg., Coltrane on Coltrane, 2010, S. 117)
  36. QUELLE: Chris DeVito, Hrsg., Coltrane on Coltrane, 2010, S. 117
  37. Anstelle eines Akkordgerüsts, wie es Songs zugrunde liegt (mit Funktionsharmonik), werden Tonleitern („Modi“, im Jazz meist „Skalen“ genannt) als Basis für die Improvisation verwendet.
  38. einen vom Stück vorgegebenen Akkord durch einen anderen oder mehrere andere Akkorde ersetzen
  39. QUELLE: Johannes Völz, Improvisation, Correlation, and Vibration: An Interview with Steve Coleman, Anfang 2003, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/improvisation-correlation-and-vibration-an-interview-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  40. häufig einer „modalen“ Struktur (zum Beispiel im Stück My Favorite Things), dem Blues-Schema (zum Beispiel im Stück Chasin‘ the Trane) oder den kleinen Motiven, die A Love Supreme unterlegen (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 548f.)
  41. Coltranes Stück My Favorite Things zog auf Anhieb viele Jazz-Hörer in seinen Bann und ist ein Paradebeispiel für Coltranes Konzept, stabile Grundstrukturen mit einem überwältigenden improvisatorischen Reichtum zu verbinden. Das Stück beruht auf einem Musical-Song, dessen Akkorde Coltrane als Improvisations-Grundlage im Sinne der modalen Spielweise durch lediglich eine Dur- und eine Moll-Skala (Tonleiter) ersetzte. Die sich ständig wiederholenden Muster des Klaviers und des Basses über den vereinfachten modalen Strukturen erzeugen ein Gefühl von Konstanz, während das extrem aktive Sopran-Saxofon und das Schlagzeug die entgegengesetzte Wirkung hervorrufen: das Erleben von „Veränderung und ein Gefühl des Suchens“. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 183)
  42. Klavier – Lewis Porter: McCoy Tyner habe in den ersten beiden Jahren seiner Zugehörigkeit zu Coltranes Quartett eine spezielle Art des Voicings in Quarten entwickelt, das dann für den Sound des Quartetts charakteristisch geworden sei. Während Terzen eine gewisse urwüchsige Vertrautheit haben, seien Quarten-Akkorde abstrakt. Da sie den vertrauten Klang der populären Songs, die auf Terzen beruhen, vermieden, schienen die Quarten zum spirituellen Charakter von Coltranes Musik beizutragen. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 177)
  43. Bass
  44. Schlagzeug
  45. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 549, eigene Übersetzung
  46. QUELLE des ganzen bisherigen Textes dieses Absatzes: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 548f.
  47. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 216
  48. Lewis Porter: „Schaut man über die Formen der kurzen Motive hinaus, so finden wir ebenso logische grundlegende Muster bei den ganzen Phrasen.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 228, eigene Übersetzung)
  49. Lewis Porter: „Die Art, wie er seine Soli durch die ausführliche Entwicklung kurzer Ideen aufbaut und sie dabei in verschiedenen Registern wiederholt und zu immer höheren Noten führt, macht ihn zu einem Prediger auf dem Saxofon. […] Und da diese Quarten eine Basis des Blues sind, ist seine Musik zugleich getränkt mit Blues-Feeling. Diese Mischung aus intensiver Blues- und Spiritual-Leidenschaft gibt seiner Musik eine verblüffende Kraft.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 216f., eigene Übersetzung)
  50. Lewis Porter: „In den 1960er Jahren schien beim Spielen in mittlerem oder hohem Tempo seine Linie als ein kontinuierlicher Puls von Achtelnoten gedacht zu sein, mit hie und da ausgelassenen Noten. Wir können […] sehen, dass er die Musik auf diese Weise verstand und nicht als Serie von kurzen, unabhängigen Phrasen. Eine größere Pause (etwa im Wert einer Viertelnote oder mehr) kennzeichnet nicht notwendigerweise das Ende einer Phrase. Sie ist oft Teil einer Phrase. Es ist hier ein additives Verfahren am Werk, bei dem sich kurze Einheiten zu längeren Phrasen summieren.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 217, eigene Übersetzung)
  51. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 204
  52. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 202f.
  53. Album The Avant-Garde von John Coltrane und Don Cherry (1960)
  54. QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 135, Quellenangabe: François Postif, John Coltrane: Une Interview, Zeitschrift Jazz Hot, Jänner 1962, S. 12-14
  55. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 193, eigene Übersetzung
  56. Lewis Porter: Als Coltrane Ende 1961 mit Eric Dolphy auftrat, habe er (zweifelsohne von Dolphys Vorbild angespornt) ganze Phrasen, die außerhalb der Tonart waren, eingefügt. Seine harmonischen Ausflüge könnten in der Regel nicht als zu einer bestimmten kontrastierenden Tonart gehörend interpretiert werden und das sei einer der Gründe, warum Dissonanz das passende Wort ist, nicht Polytonalität. Das habe wesentlich zur großen Vielfalt seines Spiels über modalen Stücken beigetragen. Er habe melodische Muster im Tonumfang seines ganzen Instruments transponiert, alteriert und so angepasst, dass sie aus der Tonart hinaus führen, und manchmal habe er tatsächlich eine spezifische kontrastierende Tonart angedeutet. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 222, eigene Übersetzung)
  57. Diese Aufnahmen erschienen verteilt auf das Album Live at the Village Vanguard (1961) und weitere Alben. Im Album Complete 1961 Village Vanguard Recordings wurden sie schließlich zusammengefasst.
  58. Aussage von Ira Gitler, QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 196, eigene Übersetzung
  59. Das gesamte Stück ist über 16 Minuten lang und war bereits im Album Live at the Village Vanguard (1961) enthalten.
  60. John Coltrane: „Ich hörte John Gilmore genau zu, bevor ich Chasin‘ the Trane machte.“ (QUELLE: Chris DeVito, Hrsg., Coltrane on Coltrane, 2010, S. 299, Quellenangabe: Interview mit Frank Kofsky, 18. August 1966, eigene Übersetzung)
  61. Sun Ra wurde von manchen als „Urvater des Free-Jazz“, von anderen als „Gipfel an Scharlatanerie“ betrachtet. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 1299)
  62. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 1, S. 428
  63. Steve Coleman: Coltrane habe sich bereits ein wenig mit Permutationen [Vertauschen von Elementen in der Reihenfolge] beschäftigt und wahrscheinlich sei er deshalb von dem angezogen worden, was John Gilmore machte. Gilmore habe diese Zellen-Sache gehabt, bei der er ganz kleine Zellen in einer bestimmten Weise permutierte. Er (Coleman) wisse nicht genau, wann Coltrane Gilmore hörte. Als Coltrane am 21. März 1960 bei einem Auftritt mit Miles Davis im Pariser Konzerthaus Olympia im Stück Oleo in dieser gewissen Weise spielte, habe er bereits diese rockende Sache gemacht. Was er hier verwendete, sei einfach wie ein Dreiklang, wie drei Noten. Er verwende das um zu rocken. Das sei ähnlich wie eine Kombination von Akkordwechseln, was von Musikern wie Charlie Parker gekommen sei. Aber Coltrane habe hier diese sehr kleinen Zellen verwendet. Alles, was er hier machte, auch wenn er diese kleinen Zellen verwendete, habe die Dominante-Tonika-Bewegung gehabt. Entscheidend dafür sei sein Timing. Coltrane habe immer wieder auch Läufe eingeworfen, die von Parker und dessen Ära kamen. Wie er die rockenden Zellen und die Läufe verband und zwischen ihnen hin- und herging, sei brillant, und zwar aufgrund der Balance. Coltrane sei auch in das gegangen, was er (Coleman) „negatives Zeug“ nenne, und es habe in Coltranes Spiel wie bei Parker all dieses Hinzielen gegeben, bei dem sie genau wussten, an welcher Stelle sie ihre Sachen einwerfen müssen, damit ihre Linien an einem bestimmten Punkt landen. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 22: Tools and Vibe, Audio im Abschnitt 0:48:38 bis 0:54:20 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  64. Lewis Porter: Coltranes Stil habe sich ständig verändert. Er habe sich mehr und mehr zur Entwicklung einer eigenständigen Sound-Welt bewegt, die in den 1960er Jahren immer weniger mit der Musik gemeinsam hatte, mit der er begann, der Musik von Lester Young und Charlie Parker. Coltranes Sound-Welt mit seinem Quartett sei um kleine Motive herum gebaut gewesen, die auf Quarten beruhten, wie der Chant von A Love Supreme. Sie sei weniger aus Arpeggios der Hauptakkorde gebildet gewesen, die einen so wesentlichen Teil des meisten Jazz und generell der westlichen Musik ausmachen. Das verleihe Coltranes Musik einen ernsten, eher abstrakten Sound und trage wahrscheinlich zum spirituellen Element in seiner Musik bei. Die Art, wie er seine Soli durch die ausführliche Entwicklung kurzer Ideen aufbaut und sie dabei in verschiedenen Registern wiederholt und zu immer höheren Noten führt, mache ihn zu einem Prediger auf dem Saxofon. […] Und da diese Quarten eine Basis des Blues sind, sei seine Musik zugleich getränkt mit Blues-Feeling. Diese Mischung aus intensiver Blues- und Spiritual-Leidenschaft gebe seiner Musik eine verblüffende Kraft. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 216f.)
  65. QUELLE: Chris DeVito, Hrsg., Coltrane on Coltrane, 2010, S. 133, Quellenangabe: François Postif, John Coltrane: Une Interview, Zeitschrift Jazz Hot, Jänner 1962, S. 12-14, eigene Übersetzung
  66. QUELLE: Chris DeVito, Hrsg., Coltrane on Coltrane, 2010, S. 336, Quellenangabe: Esquire, September 1965, S. 125, eigene Übersetzung
  67. McCoy Tyner: A Love Supreme sei der „Höhepunkt von allem“ gewesen, „was wir vorher gemacht haben“. (QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 211) Steve Coleman betonte zwar (1): Alben seien für ihn bloß Wegmarken. Er betrachte A Love Supreme nicht als dieses verehrungswürdige Götzenbild, sondern als eine Wegmarkierung, die den Prozess repräsentiert, den Coltrane damals durchlief. – Er erwähnte aber auch (2): 1964 sei für Coltrane ein höllisches Jahr gewesen, in dem er einen „Song“ [offenbar A Love Supreme] machte, der wie der Gipfel seines Zeugs sei. (QUELLE 1: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 10: “Who Would You Rather Be?”, Audio 1 im Abschnitt 0:40:36 bis 0:41:05 Stunden/Minuten/Sekunden; QUELLE 2: M-Blog Episode 22: Tools and Vibe, Audio im Abschnitt 0:48:10 bis 0:48:27 Stunden/Minuten/Sekunden; beide veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  68. Steve Coleman: 1.) Die Giant-Step-Phase, die sich bis zu den Aufnahmen im Village Vanguard [1961] erstreckt habe, sei eine der großen Übergangsphasen Coltranes gewesen und es sei ihr Coltranes Vision vorausgegangen, die er 1957 im Zusammenhang mit seinem Drogen-Entzug hatte – jene Sache, über die er dann im Zusammenhang mit A Love Supreme sprach. A Love Supreme sei in seinen (Colemans) Augen der nächste Umbruch gewesen, denn ab diesem Album sei Coltranes Musik anders. Das Jahr 1964 sei genauso der Initiator für das Folgende gewesen, wie es 1957 für die damalige Veränderung war. Man könne in dem, was Coltrane anschließend machte, klar einige andersartige strukturelle Elemente sehen. Er habe einen tiefergehenden Weg zu einer gewissen Sache herausgefunden und das habe zu einer Veränderung seiner Musik geführt. Sie klinge anders, aber das sei einfach eine Folgeerscheinung. Was für ihn (Coleman) interessant ist, sei der Prozess. – 2.) Alben seien für ihn bloß Wegmarken. Er betrachte A Love Supreme nicht als dieses verehrungswürdige Götzenbild, sondern als eine Wegmarkierung, die den Prozess repräsentiert, den Coltrane damals durchlief. – 3.) A Love Supreme sei der Beginn eines gesamten neuen Abschnitts in Coltranes Leben gewesen. Es gebe ein Interview mit Alice Coltrane, in dem sie genau das sagte, nämlich dass Coltrane beginnend mit A Love Supreme in eine andere Richtung ging. Der musikalische Beleg sei eindeutig, ebenso wie Coltrane über die Dinge rund um die Musik sprach. Allerdings habe es davor Schritte gegeben, die dazu führten. (QUELLE 1: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 10: “Who Would You Rather Be?”, Audio 1 im Abschnitt 0:36:27 bis 0:37:33 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/; QUELLE 2: dasselbe Audio im Abschnitt 0:40:36 bis 0:41:05; QUELLE 3: M-Blog Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 2 im Abschnitt 0:06:55 bis 0:07:38)
  69. Mehr zu Coltranes Religiosität im Artikel Coltranes spirituelle Wurzeln: Link
  70. Zum Teil 1 der Suite: Bereits die im Jazz ungewöhnliche Verwendung eines fernöstlichen Gongs am Beginn des ersten Teils erzeugt eine exotische, mit Spiritualität assoziierte Atmosphäre. Das laufende Wiederholen der Worte „A Love Supreme“ in tief klingendem Sprechgesang am Ende des Stücks erinnert an das Chanten buddhistischer Mantren. Davor spielte Coltrane diesen „A Love Supreme“-Chant auf dem Saxofon 37 Mal, und zwar in anscheinend willkürlicher Reihenfolge in allen zwölf Tonarten. Nach Lewis Porter drückte Coltrane damit aus, dass Gott [oder die „höchste Liebe“ (love supreme) Gottes] überall sei. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 242) In musikalischer Hinsicht beeindruckte den Komponisten Steve Reich an diesen Transpositionen in verschiedene Tonarten vor allem die „Spannung zwischen einem tonal fest verankerten Bezugspunkt [dem Ostinato, „modalen Vamp“ beziehungsweise der pentatonischen Tonleiter (Porter, S. 237f.)] einerseits und der Entdeckung andererseits, dass dieser Bezugspunkt es einem erlaubt, innerhalb der zwölf Tonarten buchstäblich überall hingehen zu können.“ Saxofonist Dave Liebman zu diesen Transpositionen: Man sehe Coltrane hier „bereits auf dem Weg zu dem, was als Nächstes kommen sollte, nämlich ganz freies, nicht mehr auf Tonarten bezogenes Improvisieren“. Der Pianist McCoy Tyner sei bei Coltranes Transpositionen hingegen in der ursprünglichen Tonart geblieben. (QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 141, Quellenangabe: persönliche Interviews mit Reich und Liebman) Liebmans Aussage, Coltrane habe später frei von einem Bezug auf Tonarten improvisiert, ist zweifelsohne so zu verstehen, dass der Bezug auf eine von der Rhythmusgruppe (beziehungsweise vom jeweiligen Stück) vorgegebene Tonart aufgegeben wurde, nicht jedoch, dass Coltrane ohne jeden gedachten Bezug auf Tonarten (Akkorde) gespielt hätte. Zum Teil 4 der Suite: Dieser Psalm genannte letzte Teil hat wie der erste Teil keine Akkordfolge als Basis, sondern lediglich eine pentatonische Tonleiter. Darüber hinaus enthält er nicht einmal einen beständigen Beat. Coltranes Solo ist eine Art Rezitation des Gott gewidmeten Gedichts mit dem Titel A Love Supreme, das Coltrane schrieb und im Begleittext des Albums abgedruckt wurde. Coltrane trug dieses Gebet mit seinem Saxofon in der ausdrucksstarken Art der Prediger gewisser afro-amerikanischer Religionsgemeinschaften vor. (QUELLEN: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 233, 236 und 244-248; Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 163f.)
  71. Das zweite Stück (Resolution) und das dritte (Pursuance) haben Akkordfolgen und Chorus-Strukturen (24 Takte im zweiten und eine Blues-Struktur mit 12 Takten im dritten Stück) als Basis. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 233) Ashley Kahn zu Resolution: „Ein stürmisches Tenorhorn führt ein Quartett durch ein swingendes Jazz-Stück im gewohnten 4/4-Takt, die Melodie lässt sich mitsummen, der Puls mit den Fingern schnipsen, die Struktur ist klar erkennbar.“ Zu Pursuance: „Wie vergleichbare Melodien auf früheren Alben, darunter insbesondere Mr. P.C. von 1959, ist Pursuance ein schlicht und klar gebauter Blues in Moll.“ (QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 148 und 155)
  72. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 236
  73. Gerd Filtgen: Das zweite (lange) Solo Coltranes in Pursuance steigere „noch einmal die Intensität“ und „lässt sogar eine Vorahnung auf Coltranes späteres, freies Spiel entstehen“. (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 176)
  74. Coltrane improvisierte bereits zuvor in ähnlicher Weise, und zwar nicht nur zweieinhalb Minuten lang wie in Pursuance, sondern wesentlich länger (zum Beispiel in der Live-Aufnahme des Stücks Mr. P.C. vom 1. November 1963 in Paris, Album Live Trane: The European Tours). Ashley Kahn: Das zweieinhalb Minuten lange Solo wirke wie eine Miniaturausgabe von Coltranes damaligen langen Live-Soli. (QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 157f.) Wäre die Musik von Pursuance nicht als Teil der Suite in einem religiösen Rahmen, dann würde man sie wohl genauso wenig als religiös verstehen als etwa eine Aufnahme des Stücks Mr. P.C. (eines vergleichbaren Blues in Moll). Andererseits spielte spirituelles Empfinden in Coltranes Leben offenbar schon lange davor eine so bedeutende Rolle, dass seine Musik gewiss auch als Ausdruck davon zu verstehen ist, selbst wenn keine konkreten Hinweise auf eine religiöse Bedeutung, etwa durch Titel, erkennbar sind.
  75. Steve Coleman: Die New-Age-Leute hätten Coltranes Sachen nie als spirituell betrachtet. Mit New-Age meine er die Sachen, wo es diese schwebenden reinen Quinten und Borduns gibt, wo mit kleinen Glocken geläutet wird und jemand einfach eine Stimmgabel schlägt, wo alles ruhig verläuft und Räucherwerk verbrannt wird. Das sei das herkömmliche Klischee von spiritueller Musik und unser Bild vom Osten. Es gebe Tonnen von Alben mit solcher Musik, die als Meditationsmusik verkauft wird. Coltranes Musik sei spirituell, aber im Vergleich dazu pure Aggression. Er kenne viele Leute, denen er diese Musik nahebrachte und die sagten: Inwiefern soll das spirituell sein? All dieser Lärm? Ascension? Spirituell? Willst du mich auf den Arm nehmen? (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 17: Sonic Symbolism, Audio im Abschnitt 0:20:58 bis 0:23:12 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  76. im Village Gate, Manhatten, Benefitskonzert für die von Amiri Baraka (LeRoi Jones) gegründete Black Arts Repertory Theater/School, Album The New Wave in Jazz
  77. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 105
  78. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 147
  79. Gespräch von Randi Hultin mit Coltrane im Juli oder August 1965; QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 258
  80. QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 248, Quellenangabe: Michiel de Ruyter, Interview With John Coltrane, Juli 1965, eigene Übersetzung
  81. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 576, eigene Übersetzung
  82. Lewis Porter: „Coltrane bewegte sich nun [ungefähr September 1965] rasch weiter – er fühlte, dass er an etwas dran war und öffnete seine Gruppe auf der Stelle einer ganzen Menge von jungen Musikern und Einflüssen.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 264, eigene Übersetzung)
  83. Porter: „[Coltrane] wollte nicht mehr swingen und von da an spielte Jimmy Garrison mit ihm keinen Walking Bass mehr, sondern brach den Beat mit kurzen Phrasen und durch Schlagen mehrerer Saiten [strumming] auf.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 264, eigene Übersetzung) Garrison sagte, er habe in seiner neuen Rolle erst lernen müssen, „zu phrasieren statt zu marschieren“. (QUELLE: Ben Ratliff, Coltrane, deutschsprachige Ausgabe, 2008, S. 122, Quellenangabe: Jimmy Garrison im Interview mit Ed Michael, WKCR, ungefähr 1971)
  84. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 117
  85. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 264
  86. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 118 – Jost: In „Rubato-Balladen“ habe sich die „Funktion des Schlagzeugs fast ausschließlich auf kolorierende Wirkungen“ reduziert. Den Begriff „Rubato-Balladen“ prägte Jost für eine Art von langsamen Stücken mit „freier“ Rhythmik (ohne durchgehenden Beat), die von Coltrane in seinen letzten Jahren häufig verwendet wurde. Jost beschrieb solche Stücke Coltranes auf folgende Weise: „In der Regel liegt diesen Kompositionen ein funktionsharmonischer Bezugsrahmen zugrunde, häufig ein sehr einfacher, der sich auf Wechsel von Tonika, Subdominante und Dominante beschränkt. Dieses ‚altmodische‘ Gerüst, das im Allgemeinen durch den Melodieverlauf des Themas bestätigt und durch die arpeggierten Akkorde Alic Coltranes sehr nachdrücklich unterstrichen wird, unterliegt im Verlauf der Weiterentwicklung einer zunehmenden Auflösung. In eben dem Maße, in dem Bewegungsablauf und klangliche Dichte sich steigern, verliert das tonale Bezugssystem an Eindeutigkeit, bis schließlich auf dem emotionalen Höhepunkt lediglich lockere Bezüge auf ein tonales Zentrum bestehen bleiben.“ Ebenso kontinuierlich kehre Coltrane dann wieder zum „ruhenden Pol des Ausgangsthemas“ zurück. (QUELLE: S. 124) Zum Begriff „funktionsharmonisch“: Grundton (Tonika), die Dominante (Quinte über Grundton) und die Subdominante (Quarte über Grundton) haben wichtige Funktionen. Zum Begriff „arpeggiert“: Die Töne des Akkords werden nicht gleichzeitig, sondern hintereinander gespielt. Zum Begriff „tonales Zentrum“: Ein Ton bildet ein harmonisches Zentrum, auf das sich das gesamte musikalische Geschehen wenigstens in loser Weise bezieht.
  87. McCoy Tyner (Anfang 1966): „Was John [Coltrane] jetzt macht, ist konstruktiv für ihn, aber nicht so passend für mich wie zuvor.“ Er verteidigte Coltranes Recht, „zu machen, was er als kreativer Künstler machen möchte“, aber er sprach auch klar aus, dass das nicht für ihn galt. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 266, Quellenangabe: Zeitschrift Down Beat, 10. März 1966, S. 8, eigene Übersetzung) McCoy Tyner: „Ich sah mich keinerlei Beitrag zu dieser Musik machen. Zeitweise konnte ich nicht einmal hören, was irgendwer machte! Alles, was ich hören konnte, war eine Menge Lärm. Ich hatte keinerlei Gefühl für diese Musik und wenn ich keine Gefühle habe, dann spiele ich nicht.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 266, Quellenangabe: Valerie Wilmer, As Serious as Your Life, deutsche Ausgabe: Coltrane und die jungen Wilden, eigene Übersetzung) Elvin Jones: „Zeitweise konnte ich nicht mehr hören, was ich selbst mache – in Wirklichkeit konnte ich nicht mehr hören, was irgendwer machte. Alles was ich hörte, war eine Menge Lärm.“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 227, Quellenangabe: Zeitschrift Down Beat, 10. März 1966, S. 8, eigene Übersetzung) Sowohl Jones als auch Tyner bewahrten weiterhin höchste Wertschätzung für Coltrane und bezogen sich in ihrer späteren Arbeit immer wieder auf ihn. Jones verteidigte später sogar die Musik aus Coltranes letzter Phase: „Natürlich ist sie weit außerhalb [far out], denn das ist ein gewaltiger Verstand, der da im Spiel ist. Man würde ja auch nicht erwarten, dass Einstein mit Kinderspielzeug spielt, nicht wahr?!“ (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 267, eigene Übersetzung) Doch näherte sich Jones in seiner eigenen Musik ebenso wenig wie Tyner Coltranes Musik der letzten Periode.
  88. krankheitsbedingter Abbruch; er starb im Juli 1967
  89. ab 1963 Lebensgefährtin von John Coltrane, ab Ende 1965 Pianistin in seiner Band und ab Sommer 1966 seine Ehefrau
  90. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 276
  91. Coltrane im Sommer oder frühen Herbst 1966 in einem Interview: Rashied Alis Art zu spielen gebe dem Solisten maximale Freiheit. Er (Coltrane) könne wirklich fast immer nahezu jede Richtung wählen und darauf vertrauen, dass es zu dem passt, was Ali macht. Ali liefere ständig multi-direktionale Rhythmen. Für ihn (Coltrane) sei er definitiv einer der großen Schlagzeuger.“ (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 319, Quellenangabe: Nat Hentoff, Begleittext zum Album Live at the Village Vanguard Again!)
  92. Lewis Porter: Alice Coltrane habe in einem freien Stil gespielt. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 272) Reggie Workman: Coltrane habe seine Frau Alice angeregt, die Harfe zu studieren, und ihr pianistischer Zugang habe den Charakter von Harfenmusik angenommen, was er in ihrer Zusammenarbeit genutzt habe. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 273, Quellenangabe: Reggie Workman, interviewt von Ted Panken am 9. Mai 1990 in einer Sendung des Radiosenders WKCR-FM) Ekkehard Jost: Alice Coltrane habe das Klavier mehr zur „Kolorierung und zur Schaffung eines Klang-Grundes“ verwendet. „Arpeggios, Akkordtremoli sowie ein ausgiebiger Gebrauch des Pedals weisen auf ihren harfenistischen Hintergrund hin.“ Durch die „Dominanz des Klanglichen“ habe sie sich „reibungslos in den Rahmen der Gruppe eingepasst“. (QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 118) John Coltrane: Er und seine Band würden nicht mehr dem folgen, was das Klavier macht, sondern sich alle in eigene Richtungen bewegen. Er möge das Klavier wegen seines Sounds als Hintergrund. (QUELLE: Chris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 293, Quellenangabe: Interview von Frank Kofsky am 18. August 1966)
  93. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 276f.
  94. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 117
  95. In der Zeit von Giant Steps (1959) hatte Coltranes Ton in tiefen Lagen ein relativ geringes Volumen, er klang trocken, gepresst, in hohen Lagen schneidend und brillant. (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten, 1989, S. 61) So war sein Ton besonders klar konturiert und damit perfekt an das Spielen der rasanten Linien angepasst, die dadurch gestochen scharf hervortraten und in denen jede einzelne Noten deutlich artikuliert war. In Coltranes letzten Jahren veränderte sich sein Sound stark. Lewis Porter: Mit seiner letzten Gruppe habe Coltrane zu einem reicheren Ton mit vollerem Vibrato als je zuvor gefunden. Er habe seinen Altissimo-Bereich bis zu einer ganzen Oktave über dem f‘ erweitert und noch höheres Kreischen produziert. Er habe seine Kontrolle über Mehrklänge gesteigert, sodass er besser eine Kombination von ihnen als eine Art Akkord durchhalten konnte oder sie in rasche Patterns einschießen lassen konnte. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 277) Viele seiner Töne klangen im Flug seiner Läufe verschmiert und er wechselte häufig zwischen hupendem, grunzendem Spiel in tiefen Lagen und schreiendem in hohen.
  96. Siehe Lewis Porters Analyse des Stücks Venus, Album Interstellar Space, 1967. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 279-288)
  97. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 549
  98. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 226, eigene Übersetzung
  99. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 549 – Im Juli 1966 wurde John Coltrane in einem Interview gefragt, was er beim Spielen denke. Er seufzte und antwortete: „Oh, Junge. Gut, da gibt es unterschiedliche Überlegungen. Ich würde sagen, ich denke manchmal an die Akkorde, ich denke manchmal an Meditationen und manchmal an Rhythmen – ich weiß nicht, was sonst noch.“ (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 271, Quellenangabe: Interview von Kazuaki Tsujimoto am 9. Juli 1966, eigene Übersetzung) Immer noch fielen ihm offenbar an erster Stelle Akkorde ein.
  100. im Jahr 1965 geborener Sohn von Alice und John Coltrane, ebenfalls (Tenor)-Saxofonist
  101. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 548 – Ravi Coltrane: In den Aufnahmen der Jahre 1962 bis 1964 seien die Giant-Steps-Harmonien weniger zu finden, doch kehrten sie in der Zeit von 1965 bis 1967 dann „sehr stark“ zurück. (selbe QUELLE) – Nach Lewis Porter meinen viele Musiker, dass Coltranes Spiel in seiner letzten, üblicherweise dem Free-Jazz zugerechneten Phase aus dem Spielen von Giant-Steps-Mustern über modalen Stücken herrühre. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 223)
  102. Buchautor, Musikwissenschaftler, Jazz-Pianist – Ravi Coltrane auf dem Buchdeckel der 1999 erschienen Ausgabe von Porters Buch John Coltrane: His Life and Music: Dieses Buch sei die überzeugendste und am sorgfältigsten belegte Darstellung der Laufbahn von John Coltrane, die bisher geschrieben wurde. Porter biete eine Perspektive, die allein auf Forschung gegründet ist, während viele andere Autoren Coltranes Leben mit Annahmen und Spekulationen abgehandelt hätten.
  103. Lewis Porter wählte somit das am ehesten sanfte und melodische (der weiblichen Venus gewidmete) Stück.
  104. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 279-288
  105. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 276
  106. Steve Coleman: 1.) Als er sich anhörte, wie Coltrane bei einem Konzert in Seattle [am 30. September 1965] das Stück Body and Soul spielte [Album Live in Seattle], habe er sich gedacht: Dieser Kerl ging durch all dieses Zeug. Es habe weit entfernt von dem geklungen, was Body and Soul früher war, aber Coltrane habe immer noch Body and Soul gespielt. In gewisser Weise sei es immer noch da gewesen. Er (Coleman) habe sich gedacht, dass Coltranes Welt einfach immer größer wurde. Coltrane mochte einige Auftrittsmöglichkeiten verloren haben, Leute verließen seine Konzerte, all das könne passieren, aber seine Musik sei immer fetter geworden. Er habe nichts weggeworfen, aufgegeben. Manche Musiker würden Dinge aufgeben, etwa die Tonalität. Er (Coleman) betrachte Tonalität einfach als einen spezifischen Fall einer viel allgemeineren Sache, einer größeren Welt, die aus den Beziehungen sich bewegender Töne besteht. Wenn man Tonalität in dieser Weise betrachtet, brauche man sie nicht aufzugeben. – 2.) In Coltranes letzter Band mit seiner Frau Alice hätten seine Bandmitglieder „all das andere Zeug” gemacht, doch Coltrane selbst habe immer noch diese straff geformten Sachen gemacht. Er habe das bereits mit McCoy Tyner gemacht. Er sei bereits früher zu dem Punkt gelangt, dass die Rhythmusgruppe nicht das spielen muss, was er spielte. Die Mitglieder seiner Band konnten auf verschiedenen Pfaden gehen und dann zusammentreffen. Das habe er bereits mit McCoy Tyner gemacht. Mit der Band, in der seine Frau Alice spielte, sei das noch ein wenig loser geworden. Nun seien sie alle auf verschiedenen Wegen gegangen. Coltrane selbst habe nach wie vor diese sehr straffen Sachen gespielt, wie zum Beispiel im Album Interstellar Space, und diese Sachen seien immer noch [harmonisch] funktionell gewesen. Er (Coleman) sehe sich diese melodische Wissenschaft an, die Coltrane hinzufügte, all diese verschiedenen Arten der Ausgestaltung. Wie auch immer man sie benennt, sie hätten jedenfalls ihre eigene interne melodische Logik und Coltrane habe sie dem anderen Zeug aufgesetzt. Er (Coleman) schaue sich die einzelnen Intervalle in Coltranes Improvisationen an. (QUELLE 1: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 23: Monophonic Science, Audio im Abschnitt 0:48:01 bis 0:49:47 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/15, Internet-Adresse: http://m-base.net/; QUELLE 2: selbes Audio im Abschnitt 33:50 bis 35:51)
  107. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 121
  108. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 116
  109. Jost wies darauf hin, dass die Dominanz eines Prinzips ja nicht die Wirksamkeit anderer ausschließe. (QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 117)
  110. QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 125
  111. siehe oben zitierte Aussage Steve Colemans (QUELLE: Ian Patterson, Steve Coleman: Symbols and Language, veröffentlicht am 20. Februar 2012 auf der Internetseite All About Jazz, Internet-Adresse: http://www.allaboutjazz.com/php/article.php?id=41339&page=1)
  112. Zum Beispiel sagte Steve Coleman über die Auffassungsunterschiede zwischen ihm und Dave Holland, mit dem er in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre zusammenarbeitete: Holland sei aus den 1960er Jahren gekommen. Mehr brauche er nicht zu sagen. So habe Holland Verwendung für diese Amöben-artige Spielweise gehabt. Er (Coleman) habe sich gedacht: Ja, das sind die 1960er! Er könne das zwar machen, höre die Dinge aber nicht wirklich so. Selbst wenn er in so etwas geht, dann versuche er, es auf eine andere Art zu machen. Er stehe einfach absolut nicht auf diese Amöben-Art. Er möge es, mehr darüber zu wissen, wohin er geht. Er habe bereits mit einer Menge solcher Musiker wie Sam Rivers und Cecil Taylor gespielt, die an der vordersten Front von diesen Sachen gewesen seien. Er habe auch mit jüngeren Musikern gespielt, die nur wenig älter als er, aber immer noch in diesen Sachen waren, zum Beispiel mit David Murray. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 1 im Abschnitt 0:35:21 bis 0:36:20 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  113. Steve Coleman: Coltrane sei von den jüngeren Musikern beeinflusst worden, aber die Art, wie er von ihnen beeinflusst wurde, habe seine alten Sachen eingeschlossen. Er habe das klangliche Zeug, das Pharoah Sanders, Albert Ayler und einige andere dieser Musiker machten, in einer Weise gemacht, die musikalische Figuren enthielt, wie in einem Kokon. Er habe das klangliche Zeug hinzugefügt, aber nie seine Sachen entfernt. Nun seien die Leute nicht versiert, hörten einfach die Schreie und dachten, es seien bloß Schreie, denn das sei das Einzige gewesen, was sie hörten. Aber es seien eben nicht alle Schreie gleich [lacht] – so, wie die Schlagzeuger Milford Graves und Sunny Murray nicht dasselbe machten, auch wenn sie beide anscheinend einfach avantgardistisch auf das Schlagzeug einschlugen. Coltrane habe sich von jüngeren Musikern in der Weise beeinflussen lassen, dass er den Einfluss in etwas bereits Bestehendes einbrachte, sodass es immer größer wurde. Er habe also nicht einfach aufgrund des Einflusses plötzlich seine Spielweise gewechselt, wie es etwa Craig Taborn aufgrund eines Einflusses von Henry Threadgill gemacht habe. Er (Coleman) würde es wie Coltrane machen, indem er sich ansehe, was er von dem, was Threadgill macht, in seine eigene Musik einarbeiten kann. Coltrane habe verschiedene Schichten hinzugefügt. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 19: Synovial Joints II, Audio im Abschnitt 2:01:01 bis 2:04:14 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  114. Ekkehard Jost beschrieb insbesondere folgende Spielweisen Coltranes, die alle an ältere Modelle anknüpften: 1.) „Dialog mit sich selbst“: Coltrane benutzte oft das in afro-amerikanischer Musik seit jeher vielfach verwendete Ruf-und-Antwort-Schema, wobei er sowohl die rufende als auch die antwortende Stimme selbst spielte, zwei oder drei Oktaven voneinander getrennt und in einer stark komprimierten Weise mit vielen Wiederholungen. Auch Free-Jazz-Musiker wie Cecil Taylor und Archie Shepp spielten häufig solche intensiven „Selbst-Dialoge“. 2.) „Sequenzierungen“ (ein Motiv wird in höherer oder tieferer Tonlage wiederholt): Coltrane begann oft mit einer kurzen Phrase in tiefen Tonlagen, wiederholte sie in immer höheren Lagen und führte sie so „mit einer ungeheuren Beharrlichkeit über manche Umwege und bei sich ständig steigernder Dynamik nach oben, bis sie schließlich in schrille, überblasene Klänge mündet[e]“. 3.) „Sheets of Sound“ (Klangflächen): Dieser Begriff wurde im Jahr 1958 vom Jazz-Kritiker Ira Gittler für eine Spielweise Coltranes geprägt, bei der er einen Schwall von Tönen in Akkorde stopfte. Während diese Ton-Anhäufungen damals dem Ausspielen von rasch wechselnden Harmonien dienten, also nicht wirklich der Produktion von „Klangflächen“, ist dieser Begriff nach Jost weit mehr für die extrem schnellen Läufe der letzten Phase berechtigt, deren einzelne Töne kaum mehr unterscheidbar sind und zu Flächen verschmelzen. Bei ihnen tritt anstelle der harmonischen Bedeutung tatsächlich die Klangwirkung in den Vordergrund. (QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002/1975, S. 120-122)
  115. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 555, eigene Übersetzung
  116. Steve Coleman war zehn Jahre alt, als Coltrane starb.
  117. Vibration, Schwingung
  118. Steve Coleman: 1.) Manche Leute hätten Coltranes späte Musik für Lärm gehalten, aber die Leute, die auf sie standen, hätten gefühlt, dass es darin einen spirituellen Vibe gab. Nun, warum fühlten sie das? Gut, man könne es den Titeln der Stücke entnehmen. Coltrane schrieb Stücke, die er Meditation, Transition, Expression und so weiter nannte. Keines der späteren Stücke hatte einen Titel wie Blue N’Boogie und so weiter. Alle Titel hätten etwas mit Bewusstsein zu tun gehabt. Aber auch die Musik selbst habe begonnen, einen spirituellen Vibe zu vermitteln. – 2.) Er habe sich immer gefragt, warum Coltrane Pharoah Sanders und all diese Art von Musikern wählte, die in musikalischer Hinsicht nicht dort waren, wo er war. Er (Coleman) glaube, Coltrane wählte sie wegen des Vibes. Er glaube, dass es das war, was Coltrane von Albert Ayler und dieser Art von Musikern erhielt, eine raue Art von Vibe, den sie hatten. Den habe er dem hinzugefügt, was er machte. In diesem Vibe sei jedoch all seine Wissenschaft eingehüllt gewesen, was andere nicht hatten. – 3.) Die Musiker aus Coltranes Altersgruppe hätten es sich nicht erklären können, warum er mit diesen jungen Musikern herumhing. Gewiss hätten Musiker wie Jimmy Heath gesagt: Was zum Teufel macht er da? Die können ja überhaupt nicht spielen. Sie hätten Coltrane als großartigen Musiker natürlich respektiert, aber über diese jungen Musiker wohl gesagt, dass sie sich nicht einmal schnäuzen („ihre Nase blasen“) können. Warum gibt sich Coltrane mit ihnen ab? Sie verstanden es wahrscheinlich einfach nicht. Aber Coltrane habe sich eben nach Dingen umgesehen, die er seinem Zeug hinzufügen kann, und er (Coleman) glaube nicht, dass Coltrane jemals genau das machen wollte, was Musiker wie Pharoah Sanders machten. Sanders selbst habe sich gewundert, warum ihn Coltrane in seine Band holte, wie er in einem Interview erklärt habe. Coltrane habe etwas in der Bildersprach-Musik, die diese Musiker machten, gehört, bei dem er sich dachte, dass er es dem hinzufügen kann, was er selbst machte. Genauso sei es mit den afrikanischen Sachen gewesen, wegen denen er mit Leuten wie Olatunji herumhing. Seine Vorgangsweise sei immer dieselbe gewesen, schon als er mit Sun Ra herumhing. Er habe nie wie Sun Ra geklungen, sondern habe sich angesehen, was er aufgreifen kann, um es selbst zu verwenden. (QUELLE 1: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 17: Sonic Symbolism, Audio im Abschnitt 0:20:58 bis 0:23:12 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/; QUELLE 2: M-Blog Episode 22: Tools and Vibe, Audio im Abschnitt 1:22:40 bis 1:24:02; QUELLE 3: M-Blog Episode 19: Synovial Joints II, Audio im Abschnitt 2:03:25 bis 2:05:16)
  119. QUELLEN: Johannes Völz, Improvisation, Correlation, and Vibration: An Interview with Steve Coleman, Anfang 2003, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/improvisation-correlation-and-vibration-an-interview-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link; Anil Prasad, Digging deep, 2008, Interview, Internet-Adresse: http://www.innerviews.org/inner/coleman.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  120. John Coltrane: Pharoah Sanders sei ein Mann mit großem spirituellem Reservoir. Er versuche immer, zur Wahrheit vorzudringen. Er versuche, sich von seinem spirituellen Selbst führen zu lassen. Er arbeite unter anderem mit Energie, Aufrichtigkeit und Essenziellem. Er (Coltrane) schätze an ihm sehr die Stärke seines Spiels. Außerdem sei er einer der Innovatoren. – Sanders versuche ständig, immer tiefer in die menschlichen Grundlagen der Musik einzudringen. Er befasse sich mit der menschlichen Erfahrung. (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 321 und 320, Quellenangabe: Begleittext des Albums Live At The Village Vanguard Again!, für den Nat Hentoff im Sommer oder frühen Herbst 1966 Coltrane interviewte)
  121. Frank Foster: Er habe das, was Coltrane damals machte ein bisschen extrem gefunden, aber „an meiner Bewunderung für ihn änderte das nichts. Ich hielt es mit denen, die sagten: Coltrane experimentiert. Er hat so ziemlich alles ausprobiert, was man mit einem Tenorsaxofon anstellen kann, und jetzt versucht er, damit etwas anderes zu erreichen. Es ging gar nicht mehr um das Tenorsaxofon, es ging um die Erforschung von Neuland. Es ging eher darum, sich selbst spirituell zu finden, als das Tenorsaxofon in etwas Neues zu verwandeln.“ (QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 226)
  122. Amateur-Video von Coltranes Auftritt am 2. Juli 1966 auf dem Newport Jazz Festival, enthalten im Dokumentarfilm The World According to John Coltrane von Robert Palmer, 1990, YouTube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=BOJj4YXWPLI
  123. QUELLEN: Album John Coltrane: Offering. Live At Temple University (aufgenommen 11. November 1966), Stück Leo ab 15:42 Minuten/Sekunden; Ravi Coltrane und Ashley Kahn im YouTube-Video „John Coltrane – Offering Live at Temple University – Documentary”, Internet-Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=pZQAwahDL8A
  124. Steve Knoblauch (Alt-Saxofonist): Als er die Möglichkeit bekam, auf die Bühne zu kommen und ein Solo zu spielen, habe er bereits die erhebende, transzendentale, spirituelle Kraft gefühlt, die von dem ausging, was ablief. Man habe das Gefühl gehabt, dass das ein einzigartiger Moment ist. Als der Schlagzeuger hinter ihm zu spielen begann, sei er tatsächlich beim Solo-Spielen auf und ab gesprungen. Denn er habe sich eben emporgehoben gefühlt. Er habe das weder davor noch danach gemacht. Es sei einfach die Besonderheit dieses Tages gewesen. (QUELLE: YouTube-Video „John Coltrane – Offering Live at Temple University – Documentary” zum Album John Coltrane: Offering. Live At Temple University, Internet-Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=pZQAwahDL8A)
  125. Francis Davis (Jazz-Kritiker): Zu Coltranes damaligem Konzert in der Temple University in Philadelphia [jener Stadt, aus deren Jazz-Szene Coltrane hervorging] seien viele Zuhörer gekommen und sie seien ungefähr je zur Hälfte Studenten (sowohl „schwarze“ als auch „weiße“) und Einwohner von Nord-Philadelphia [Stadtteil mit überwiegend afro-amerikanischen und lateinamerikanischen Bewohnern] gewesen. Rund 15 Minuten nach Beginn des ersten Stücks, das ungefähr eine Stunde dauerte, habe der Auszug begonnen. Das Schockierende daran sei gewesen, dass es Coltrane-Anhänger waren, die vermutlich bis zu diesem Punkt gegenüber der Turbulenz und Komplexität von Coltranes Musik unerschrocken waren, aber von dem, was sie nun hörten, vergrämt wurden. Manche hätten so gewirkt, als würden sie am liebsten ebenfalls gehen, seien jedoch steif und fassungslos dagesessen. Für viele Coltrane-Fans seien dieses und ähnliche Konzerte auf einen Vertrauensbruch hinausgelaufen, den sie ihm bis heute nicht ganz verziehen. Er selbst sei einer jener Zuhörer gewesen, die bis zum Schluss blieben und jubelten. (QUELLE: Francis Davis, „Take the Coltrane“, Zeitschrift The Village Voice, 18. Februar 1992, S. 73, wiedergegeben in: Carl Woideck [Hrsg.], The John Coltrane Companion, 1998, S. 76-80) Lewis Porter zitierte Francis Davis’ Aussagen als Beispiel für die Schwierigkeiten, die das Publikum mit Coltranes damaliger Musik hatte. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 274)
  126. Seine von der Firma Impulse! in den Jahren 1961 bis 1964 produzierten Alben verkauften sich mit je rund 30.000 Stück für Jazz-Verhältnisse ausgesprochen gut. Von A Love Supreme wurden bis 1970 sogar ungefähr eine halbe Million Exemplare verkauft und seither noch mehr. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 232) Randy Hultin (norwegische Journalistin): Als Coltrane mit seiner Band im Juli 1965 beim Antibes-Jazz-Festival (in Juan-les-Pins bei Antibes), wo die Live-Aufnahme von A Love Supreme entstand, auf die Bühne kam, sei die Atmosphäre ähnlich wie bei einem Konzert der Beatles gewesen. Coltrane sei ungemein populär gewesen. Obwohl seine Musik anspruchsvoll war, habe das Publikum gejubelt. (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 256) Coltrane im August 1966: Als er das letzte Mal in Europa war [es muss seine Tour im Sommer 1965 gewesen sein] habe er den Eindruck gehabt, dass die europäischen Hörer seine neue Musik besser hören können als die amerikanischen. (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 308, Quellenangabe: von Frank Kofsky am 18. August 1966 geführtes Interview mit Coltrane)
  127. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 275
  128. im Juni 1965 aufgenommenes Album
  129. QUELLE: Ashley Kahn, A Love Supreme, deutschsprachige Ausgabe, 2004, S. 226
  130. Coltranes Spitzname
  131. QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 148
  132. QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 150
  133. In den 1966 in Japan gemachten Live-Aufnahmen ist stürmischer Applaus eines großen Publikums zu hören, zum Beispiel am Ende des Stücks Leo.
  134. Kommentar einer Radiosendung: Mitte der 1960er Jahre habe sich das Publikum für die neue Musik verändert. Es habe nicht mehr nur aus traditionellen Jazz-Fans bestanden, sondern aus jenen, die eine Vielfalt von Arten hörten, Rock, indische Musik und so weiter. Es sei ein Publikum gewesen, das nichts in die Aufmachung des Jazz der Vergangenheit investierte, sondern Innovation und vor allem Überzeugung und wahrhaftigen Ausdruck schätzte. (QUELLE: Radiosendung Tell Me How Long Trane's Been Gone von Steve Rowland [Produzent] und Larry Abrams [Drehbuchautor] aus 2001, vierter Teil [vierte Stunde], im Abschnitt 55:30 bis 56:00 Minuten/Sekunden; Rowland bietet diese insgesamt 5 Stunden dauernde Sendung auf seiner Internetseite als Download zum Kauf an, Internet-Adresse: https://www.artistowned.com/album_detail.cfm?albumid=53&artistid=159)
  135. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 276 – Siehe auch die im Artikel Volks/Kunst-Musik zitierte Aussage von Alice Coltrane: Link
  136. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 288
  137. Dieses Gedicht wurde im Begleittext des Albums abgedruckt und trägt den Titel A Love Supreme.
  138. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 244-248
  139. Lewis Porter auf die Frage, ob es neben ihm und Dave Liebman auch andere gibt, die Coltranes späte Stücke wie Meditations eingehend erforschten: Was eine gründliche Erforschung von Coltranes Spätwerk anbelangt, gebe es eine echte Lücke. Er habe einige im Kopf, die eine Menge über Coltrane arbeiteten, aber an Coltranes späten Sachen nicht einmal interessiert gewesen seien. Diesbezüglich müsste er in der Bibliographie seines eigenen Buchs nachsehen. In Deutschland gebe es einen Kollegen namens Gerhard Putschögl, der einige interessante Studien über Coltranes Spätwerk gemacht habe. Die meisten Studien über das Spätwerk seien in Europa gemacht worden und es seien in Wirklichkeit nicht viele. Es gebe bei Coltranes Spätwerk das Problem, dass es nicht als Musik thematisiert wird. In seinem Buch trete er etwas zurück und sage: Moment mal, das ist Musik. Musiker würden sich etwa Giant Steps ansehen und feststellen, dass sie sagen können, was Coltrane machte. Er spielte Noten über Akkorden, die man transkribieren und lernen kann. Aber beim Spätwerk würden die Leute dazu neigen, es als „Stimmung“ zu thematisieren. Entweder man liebt es oder hasst es. Die, die es lieben, würden sagen, es sei eine spirituelle Stimmung. Die, die es hassen, würden sagen, es sei eine Menge Lärm. Und dann gebe es einige wenige wie Liebman, die sagen: Moment mal, das ist Musik. (QUELLE: Victor L. Schermer, Lewis Porter On John Coltrane, Interview, 23. September 2016, Internet-Adresse: https://www.allaboutjazz.com/interview-with-dr-lewis-porter-lewis-porter-by-victor-l-schermer.php?page=1)
  140. QUELLEN: 1.) Johannes Völz, Improvisation, Correlation, and Vibration: An Interview with Steve Coleman, Anfang 2003, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/improvisation-correlation-and-vibration-an-interview-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link; 2.) die im Artikel Steve Colemans tonale Strukturen an folgender Stelle wiedergegebene Aussage: Link
  141. Steve Coleman: 1.) Coltrane sei in seinen Augen erst in den letzten Jahren vor seinem Tod ausgereift gewesen. Sein hippestes Zeug seien die Sachen aus 1965 und 1966. Selbst im Jahren 1967, als Coltrane bereits litt, habe er einige großartige Sachen gemacht. Im Album Expression und in den Live-Aufnahmen aus dem Olatunji-Center [vom 23. April 1967, Album The Olatunji Concert: The Last Live Recording] habe Coltrane einiges hippe Zeug gespielt. Es sei eine lebenslange Reise, bei der Musiker wie Coltrane beginnen, ein immer größeres Bild zu sehen. Aber das funktioniere keineswegs bei allen so. – 2.) Er erinnere sich, wie er etwas hörte, was Coltrane im Album Expression spielte, und dass das bei ihm mächtig einschlug. Es sei nicht das Stück Expression, sondern Ogunde gewesen. (QUELLE 1: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 25: Astronomy I – Cycles and Geometry, Audio im Abschnitt 1:28:15 bis 1:29:51 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2016, Internet-Adresse: http://m-base.net/; QUELLE 2: M-Blog Episode 26: Astronomy II – Only One Key, Audio im Abschnitt 0:34:07 bis 0:35:00 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2016)
  142. Steve Coleman: Als Coltrane in seine Phase des Heulens kam, habe er eine Menge Sachen gemacht und sein Zeug habe eine gewisse Art von Vibe gehabt. Der habe sich später verändert. Wenn man sich die Sachen des Albums Expression anhört, dann sei da der Vibe sehr anders als davor. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 22: Tools and Vibe, Audio im Abschnitt 1:22:40 bis 1:24:02 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/15, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  143. QUELLE: Anil Prasad, Digging deep, 2008, Interview, Internet-Adresse: http://www.innerviews.org/inner/coleman.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  144. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Iversons Internetseite Do the Math, Teil 1, Jänner 2006,Internet-Adresse: https://ethaniverson.com/interviews/interview-with-billy-hart/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  145. Das 1977 aufgenommene Album Enchance von Billy Hart ist noch deutlich vom Free-Jazz-Einfluss geprägt, spätere Alben von ihm nicht mehr.
  146. Auch Ravi Coltranes Musik ist weit vom extremen Charakter der späten Musik seines Vaters entfernt.
  147. also zum Beispiel Pharoah Sanders Spiel im Gegensatz zu Coltranes „Straßen“
  148. Steve Coleman (wie bereits oben zitiert) über die Auffassungsunterschiede zwischen ihm und Dave Holland, mit dem er in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre zusammenarbeitete: Holland sei aus den 1960er Jahren gekommen. Mehr brauche er nicht zu sagen. So habe Holland Verwendung für diese Amöben-artige Spielweise gehabt. Er (Coleman) habe sich gedacht: Ja, das sind die 1960er! Er könne das zwar machen, höre die Dinge aber nicht wirklich so. Selbst wenn er in so etwas geht, dann versuche er, es auf eine andere Art zu machen. Er stehe einfach absolut nicht auf diese Amöben-Art. Er möge es, mehr darüber zu wissen, wohin er geht. Er habe bereits mit einer Menge solcher Musiker wie Sam Rivers und Cecil Taylor gespielt, die an der vordersten Front von diesen Sachen gewesen seien. Er habe auch mit jüngeren Musikern gespielt, die nur wenig älter als er, aber immer noch in diesen Sachen waren, zum Beispiel mit David Murray. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 1 im Abschnitt 0:35:21 bis 0:36:20 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  149. John Coltrane im August 1966: Es habe eine Zeit gegeben, in der er durch die Szene der Klubs ging. Er habe früher jede Nacht in einem Klub gespielt, aber er habe jetzt das Gefühl, dass die Klub-Situation für ihn nicht ideal ist. Er spiele mit seiner Band jetzt nicht diese Vierzig-Minuten-Sets und so, wie sich seine Musik verändert, sei es nicht sinnvoll, wenn jemand mitten in Jimmy Garrisons Solo ein Glas fallen lässt oder einen anderen um etwas Geld ersucht. Es geschehe bei dieser Musik etwas innerlich und das verlange eine andere Präsentation. Aus seiner Sicht steige die Musik zu etwas anderem auf und sie müssten einen endsprechenden Ort finden, wo sie gespielt wird. Früher habe ein Musiker mehr Tanzmusik gemacht, in Theatern gespielt und so weiter. Das habe ein Element weggenommen, sei aber doch Schwerarbeit gewesen. Er erinnere sich an einige dieser One-Nighters, die wirklich ziemlich schwierig waren. Aber es scheine einfach, dass die Musik von Geschäftsleuten gelenkt wurde, von denen er annimmt, dass sie wissen, wie man Geld macht. Der Künstler habe wohl oft das Gefühl, dass seine Musik auf andere Weise präsentiert werden sollte. Über diese Dinge sollte mehr nachgedacht werden. (QUELLE: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 292f., von Frank Kofsky am 18. August 1966 geführtes Interview)
  150. Mehr dazu im Artikel Coltranes spirituelle Wurzeln: Link
  151. Ben Ratliff sprach zum Beispiel von einem „Typ von Free-Jazz-Schallplattensammler“, der vielleicht mit „Punk, japanischem Noise und elektroakustischer Improvisation aufgewachsen ist“ und Coltranes Spätwerk einfach deshalb mag, weil es „extrem klingt und sich nirgendwo einordnen lässt“. (QUELLE: Ben Ratliff, Coltrane, deutschsprachige Ausgabe, 2008, S. 186f.)
  152. McCoy Tyner, Jimmy Garrison, Elvin Jones
  153. etwa die Alben The John Coltrane Quartet Plays (Februar bis Mai 1965), Live At The Half Note(März und Mai 1965), Transition (Juni 1965), Sun Ship (August 1965) und First Meditation (September 1965)
  154. Dave Liebman: 1.) Das Album A Love Supreme markiere das Ende der grundlegenden Prämissen des damaligen Coltrane-Quartetts, die ein steter Rhythmus und zumindest der Anschein eines Orgelpunkts oder einer Ostinato-Harmonie als Grundlage des größten Teils des Repertoires gewesen seien. Die nachfolgenden Alben des Jahres 1965 würden eine konzeptionelle Veränderung zeigen, einen freieren Zugang in allen Aspekten seiner Musik. 2.) Dave Liebman: Lewis Porter habe auf einer Konferenz Folgendes gesagt: Ungefähr in der Zeit von A Love Supreme seien die Reste von Coltranes Wurzeln oder „unseren“ Wurzeln, das heißt das, was man zu tun hat um zu spielen, ziemlich versteckt geworden. Es sei nicht so, dass sie nicht da gewesen wären, sondern man habe sie einfach nicht erkannt. Sie seien einfach verschüttet gewesen. Das sei natürlich eines der großen Ziele eines Künstlers: seine Wurzeln zu nehmen und sie in seine eigene Sprache unterzumischen. Nur die Experten können dann sagen, woher sie kommen. Er kenne niemand anderen, der in der Geschichte dieser Musik dazu in der Lage war. (QUELLE 1: Dave Liebman, John Coltrane's Meditations Suite. A Study in Symmetry, in: Henry Martin [Hrsg.]: Annual Review of Jazz 8, 1996, S. 167f., Internet-Adresse: http://davidliebman.com/home/ed_articles/john-coltranes-meditations-suite-a-study-in-symmetry/; QUELLE 2: Dave Liebman, John Coltrane, Zeitschrift Jazz Research Journal, Nummer 2.2, 2009, S. 115, Internet-Adresse: http://davidliebman.com/home/interviews/liebs-coltrane-experience-jazz-research-journal-england-2009/)
  155. Die Erwartung mancher Musiker, dass Hörer alles freudig oder wenigstens verständnisvoll aufnehmen sollten, was sie als persönlichen Ausdruck hervorbringen, ist naiv und führt häufig zu einem dauerhaften Abbruch der Beziehung.
  156. siehe Steve Colemans Aussage oben
  157. QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 149 – Marsalis behauptete allerdings, Coltrane habe sich dabei von einer „modischen“ Tendenz zur „Abstraktion“ im Sinn „moderner Kunst" leiten lassen. Diese Sichtweise ist wohl fragwürdig.
  158. im Album Ascension (Juni 1965) vor allem durch die für diese Aufnahmen zusätzlich engagierten Saxofonisten Marion Brown, John Tchicai, Pharoah Sanders und Archie Shepp; ab September 1965 vor allem durch Pharoah Sanders als ständiges neues Bandmitglied; ab November 1965 außerdem durch Rashied Ali als zusätzlichen Schlagzeuger, ab Anfang 1966 vor allem durch die regulären Bandmitglieder Pharoah Sanders, Alice Coltrane und Rashied Ali
  159. Beruhigung, Erschöpfung und Schwermut überwiegen vor allem im Album Expression (aufgenommen 1967). Dass Coltranes Musik im Jahr 1967 aber nicht insgesamt ruhig wurde, zeigen die Aufnahmen vom 23. April 1967 (Album The Olatunji Concert: The Last Live Recording).
  160. Coltrane sagte das bereits im Jahr 1961 und diese „ganzheitliche“, spirituelle, transzendale Perspektive schien später für ihn noch wichtiger geworden zu sein. – QUELLE der Aussage Coltranes: Don DeMichael, John Coltrane and Eric Dolphy Answer the Jazz Critics, 1961, wiederveröffentlicht in der Zeitschrift Down Beat, 12. Juli 1979, S. 16, eigene Übersetzung, dieses Interview findet sich auch in: Cris DeVito (Hrsg.), Coltrane on Coltrane, 2010, S. 135
  161. Lewis Porter: Coltrane könnte auf LSD gewesen sein, als er das Album Om [am 1. Oktober 1965] aufnahm. Es sei gesichert, dass Coltrane um diese Zeit mit der Verwendung von LSD begann. Es gebe dafür vier verlässliche Quellen. Coltrane habe die Wirkung dieser halluzinogenen Droge möglicherweise unterschätzt, denn ein Freund habe sich erinnert, dass Coltrane bei einigen Auftritten davon so desorientiert wurde, dass er nach der Pause auf die Bühne geführt werden musste. (QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane, 1999, S. 265 und 333 Anmerkung 11) – Rashied Ali: Als Coltrane wirklich begann, in diese Sache [diese „freie“ Art von Musik] zu gehen, sei das sehr experimentell gewesen und er habe sich wirklich einfach mit Klängen und so weiter befasst, die er mehr oder weniger zusammensetzte, wie er sie entdeckte. Er habe einfach die ganze Band geöffnet und jeden einfach spielen lassen, was einem in den Sinn kam, eine Stunde lang. – Kommentar des Dokumentarfilms: Coltranes letzte Aufnahmen hätten selbst die Toleranz seiner glühendsten Anhänger strapaziert. Nur wenige Leute seien in der Lage gewesen, sie mit Vergnügen zu hören. Ihre Titel, wie Om oder Cosmic Music, hätten ihre Wurzeln in östlichem Mystizismus widergespiegelt und der Sound habe einen weiteren neuen Einfluss reflektiert, Coltranes Trips mit der Droge LSD. – Lewis Porter: Coltrane sei im Jahr 1926 geboren worden und daher viel älter gewesen als die Generation, die man sich unter Hippies vorstellt. Dennoch habe er da hineingepasst. Coltrane sei auf östliche Religionen gestanden, außerdem auf Selbst-Vervollkommnung und persönliches Wachstum sowie auf LSD. – Roberta (Escamilla) Garrison (ab 1966 Ehefrau von Jimmy Garrison): In der Improvisation gebe es immer das Risiko zu scheitern. Selbst in dieser Band habe es Tage gegeben, an denen es nicht so gut lief wie an anderen. Aber es habe ein kraftvolles, tiefgehendes Verständnis zwischen ihren Mitgliedern gegeben, das es auf einem unglaublichen Niveau gehalten habe. Coltrane sei auf die spirituelle Sache abgefahren und habe sich absolut für das Experimentieren mit LSD interessiert. Aber er habe den Alkohol und die harten Drogen hinter sich gelassen. Er habe über Astralkörper gesprochen und viel über seinen Astralkörper. Er scheine in der Lage gewesen zu sein, aus sich herauszutreten und sich von seiner körperlichen Existenz wegzubewegen. Er habe vom Punkt gesprochen, an dem man seinen Körper verlässt, dass man dann außerhalb seines Körpers ist und sich selbst beim Spielen zusieht. Das habe er aufgesucht – jenseits seiner körperlichen Existenz gebracht zu werden. Die Musik habe einen noch im Körperlichen gehalten, während man sie spielte und sich selbst aus seiner Körperlichkeit hinaus bewegte. (QUELLE: Dokumentarfilm Saint John Coltrane von Lol Lovett, 2004, von Alan Yentob präsentierte Reihe Imagine des britischen Rundfunks BBC, YouTube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=BPyWCkoOXYM&t=84s, im Abschnitt 36:10 bis 38:32 Minuten/Sekunden) – Bezeichnenderweise sagte Alice Coltrane auch über begeisterte Zuhörer, die Musik habe sie aus der „gesamten materiellen Welt hinausgeführt“ und emporgehoben. (Mehr zu dieser Aussage im Artikel Volks/Kunst-Musik: Link)
  162. Zum Beispiel verehrt eine in San Francisco ansässige Kirchengemeinde (Saint John Coltrane African Orthodox Church) Coltrane als Heiligen.
  163. Mehr dazu im Artikel Coltranes spirituelle Wurzeln: Link
  164. siehe Steve Colemans Aussage oben

 

 

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