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Volks/Kunst-Musik


Louis Armstrongs Meisterwerke, die er in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre mit seiner Hot-Five- und Hot-Seven-Band in Chicago schuf, wurden für die diskriminierte afro-amerikanische Minderheit aufgenommen, die solche Musik schätzte. Armstrong war von der Subkultur des Ghettos in New Orleans geprägt, in dem er aufwuchs,1) und spielte in der Zeit seiner musikalischen Entfaltung vor allem für afro-amerikanische Hörer, was sie und er selbst mochten2). Zur Zeit seiner Hot-Five- und Hot-Seven-Aufnahmen war er zugleich auch ein moderner Künstler, der die Möglichkeiten, die sich ihm in Chicago boten, geschickt nutzte.3) Seine vollendeten Soli waren keineswegs spontan und unbewusst aus ihm herausgeströmt, sondern beruhten auf Studium und gründlicher Ausarbeitung. Durch die zusätzlich gewonnenen Kenntnisse und Fähigkeiten entfernte er sich jedoch nicht von der Subkultur, aus der er kam, sondern verlieh ihr vielmehr einen noch stärkeren, brillanteren Ausdruck. Weder war er der einfache, naturbegabte Spaßvogel, als der er sich ab dem Ende der 1920er Jahre einem „weißen“ Publikum darstellte.4) Noch war er ein Verehrer europäischer Kultur, wie manche unterstellen, um seine großartigen melodischen Fähigkeiten zu erklären.5) Selbst als er gegen Ende seiner Laufbahn simple Popsongs interpretierte, tat er das immer noch in einer Art, die das Musikverständnis seines ursprünglichen Umfeldes reflektierte und gegen Wertvorstellungen der vorherrschenden „weißen“ Kultur resistent war.6) Ein Jazz-Kritiker, der für ihn 1946 ein Konzert in der „geweihten“ Carnegie Hall organisierte, war enttäuscht, dass Armstrong „das Ereignis keinesfalls richtig einschätzte“, „dumme Witze erzählte und seine dicke Dame ihre Einlagen abziehen ließ“.7) Armstrongs Clownerie hatte gewiss ihre bedenklichen Seiten, da er mit ihr vor einem „weißen“ Publikum abwertende Vorurteile bestätigte. Aber der Spaß, mit dem er sich über die spießige „Ehrwürdigkeit“ einer Carnegie Hall und entsprechende Vorstellungen von Kultiviertheit hinwegsetzte, zeigt wohl auch, dass er einem anderen kulturellen Verständnis verbunden blieb, das Lebendigkeit bevorzugte, Auf- und Abwertungen ignorierte sowie Volkstümlichkeit und Kunst nicht voneinander trennte.

Als Duke Ellington von 1927 bis 1931 in einem New Yorker Nachtklub engagiert war, hatte er kreative Solisten in seiner Band, die nach dem Vorbild der Jazz-Musiker aus den Südstaaten expressive Spielweisen auf Blasinstrumenten entwickelten. Aus deren „heißen“ Klängen formte Ellington für die Shows des Nachtklubs den so genannten „Dschungelstil“, der mit seinem exotischen Flair auch über das Radio viele Hörer ansprach. Ab den 1930er Jahren bemühte sich Ellington, das Nachtklub- und Dschungel-Image abzustreifen8) und nicht nur mit Unterhaltungsmusik erfolgreich zu sein, sondern auch sein Talent als Komponist einer eigenen, auf Jazz beruhenden Konzertmusik zu entfalten9). Er nutzte dazu die reiche, ausdrucksstarke Klangpalette seines Orchesters und gab seinen Kompositionen häufig die Bedeutung einer Darstellung afro-amerikanischer Existenz, Geschichte und Kultur. 1943 konnte er erstmals in der Carnegie Hall auftreten10) und als Höhepunkt des dreistündigen Konzerts führte er seine aus mehreren Teilen bestehende, eine Dreiviertelstunde lange Komposition Black, Brown and Beige auf11). Sie stellte die Geschichte der afro-amerikanischen Bevölkerung dar und um die Aussage dieser Musik zu erfassen, musste man nicht nur mit den historischen Ereignissen, sondern auch mit den musikalischen Mitteln vertraut sein, die sie abbildeten. Diese Zusammenhänge ohne die Hinweise der mittlerweile bestehenden Literatur zu erkennen, war schwierig12) und einige Musikjournalisten kritisierten das Werk massiv, was Ellington sehr enttäuschte13). Manche Kritiker bemängelten das Fehlen jener groß angelegten Strukturen, die in Kompositionen der „klassischen“ Musik die einzelnen Teile ineinander verschränken und ein kunstvoll aufgebautes Ganzes ergeben.14) Ein solcher Mangel wurde später auch anderen größeren Werken Ellingtons, von ihm meistens „Suiten“ genannt, angelastet.15) Ein Autor meinte, dass selbst die Medleys16) aus erfolgreichen Stücken, die Ellington in Konzerten spielte, sein mangelndes Form- und Kunstverständnis zeigten.17) – Doch abgesehen davon, dass Ellington aus finanziellen Gründen stets auch Publikumserwartungen erfüllen musste, wozu diese Medleys offenbar dienten, ist das aus der europäischen Konzertmusik stammende Kriterium der großen Form hier deplatziert. Denn die Idee, dass sich eine kunstvolle Gestaltung in einer überspannenden musikalischen Architektur zeigen müsse, spielt nicht nur in Ellingtons Musik, sondern allgemein im Jazz und in anderen Formen afro-amerikanischer Musik keine wesentliche Rolle.18) Größere Strukturen werden hier ähnlich wie in vielen afrikanischen und anderen nicht-westlichen Musikarten häufig aus baukastenartig zusammengesetzten kleineren Einheiten gebildet und die Kunst ist vor allem in der dichten Gestaltung zu finden, sodass sie mehr „in der Zeit“ ist und mit ihr fließt.19) Das verbindet sie auch stärker mit der direkten, kommunikativen Art, in der Volksmusik die Beteiligten anspricht.20)

Sogar „klassische“ Meisterpianisten wie Vladimir Horowitz sollen von der Brillanz des blinden Jazz-Pianisten Art Tatum angetan gewesen sein21) und unter Jazz-Musikern soll Tatum den Spitznamen „Gott“ gehabt haben22). Noch mehr als seine bis heute unübertroffene Technik23) fasziniert und inspiriert jedoch seine Musikalität viele Musiker bis heute – durch sein harmonisches Verständnis, seine „geniale” (Muhal Richard Abrams) Rhythmik und seinen Einfallsreichtum24). Im Jahr 1980 erzählte der „Free Jazz“-Saxofonist Archie Shepp, er erinnere sich an „einen Nachmittag, an dem ich einfach nur zuhörte, mit welcher Begeisterung er [John Coltrane] über Art Tatum redete, den er neben Thelonious Monk und Miles Davis so liebte wie wir ihn. […] Coltrane entwickelte damals seine berühmten Sheets of Sound, in denen er das, was ihn an Tatums Klavierspiel faszinierte hatte, auf das Saxofon übertrug und ausbaute.“25) Tatums Kreativität hat bis heute eine erhebende Wirkung.26)So kunstvoll sein Spiel auch war, so bearbeitete er damit allerdings doch stets Popsongs, ein wenig Boogie-Woogie und Blues sowie einige Stücke leichter „klassischer“ Salonmusik und sein Ausgangspunkt, zu dem er immer wieder zurückkehrte, war der Stride-Piano-Stil aus den Kneipen. Laut Berendt genügte seine „gewisse Vorliebe für die Salonmusik – für Dvoráks Humoreske, Massenets Elegie und mancherlei anderes in dieser Art – […] nicht immer hohen künstlerischen Ansprüchen. Aber es ist charakteristisch für die ungeheure Wertschätzung Tatums bei nahezu allen Jazzmusikern, dass es einhellige Proteste gab, als der französische Jazzkritiker André Hodeir es wagte, dies zu beanstanden.“27) Was dem europäischen Komponisten Hodeir minderwertig erschien, ist gerade eine Stärke von Tatums Kunst: Sie klingt nicht abgehoben, spröde, sondern verständlich, lebensnah, sinnlich und charmant.

Ungefähr im Jahre 1939 wurden Tatums Auftritte in einer Harlemer Kneipe aufmerksam von einem dort als Tellerwäscher angestellten, 19‑jährigen Saxofonisten namens Charlie Parker verfolgt, der noch 10 Jahre später, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, Schallplatten von Tatum mit sich führte.28) Parkers Musik ist höchste Kunst wie die von Tatum, aber noch weniger im Sinn „klassischer“ Kunstvorstellung, sondern in Form extrem verfeinerten Blues-Spiels.29) Zu seinen Auftritten in Jazz-Lokalen kamen „ganz normale“ Leute.30) Als seine Improvisationskunst ausgereift war (um 194831)), begann er sich nach Erweiterungsmöglichkeiten umzusehen und blickte dabei vor allem in Richtung europäischer „Moderne“. Zum Beispiel führte er Charles Mingus am Telefon vor, wie er zu Stücken von Igor Strawinsky improvisierte und Mingus fand es schön.32) Es erschienen allerdings lediglich die umstrittenen Bird-with-Strings-Aufnahmen, bei denen Parkers Band durch ein kleines Streicherensemble (mit Oboe, gelegentlich Harfe) verstärkt wurde. Parker soll diese Beteiligung von Musikern aus den New Yorker Philharmonikern zunächst geschätzt haben, jedoch waren (in den Worten des Jazz-Kritikers Peter Niklas Wilson) „die Melodien und Formen doch nur wieder die der Broadway-Melodien, und nicht einmal die Arrangements erreichten höheres Niveau als das mediokrer33) Filmmusik“34). Weitere Versuche der musikalischen Erweiterung kamen aus Organisationsmangel und aufgrund gesundheitlicher Probleme Parkers nicht zustande.35) Peter Niklas Wilson betrachtete es als tragisch, dass Parker „jenes innovative Potential nicht erkannte, das sich innerhalb seines eigenen sozialen und künstlerischen Milieus entwickelte“, und meinte damit die Spielweise von Thelonious Monk, die „erweiterten Formen“ von Charles Mingus und die Ideen von Lennie Tristano.36) Doch suchte Parker eben nach anderem und die von Wilson empfundene Tragik besteht nur dann, wenn der aus seiner Kritiker-Sicht gedachte Weg, den Parker beschreiten hätte sollen, tatsächlich „richtiger“ gewesen wäre, etwa im Sinn eines Fortschritts zu „modernerer“ Kunst.

Thelonious Monk, ein „musikalischer Architekt höchsten Rangs“ (John Coltrane)37), hatte nach dem Urteil des französischen Jazz-Kritikers André Hodeir „als erster Jazzmusiker ein Gefühl für spezifisch moderne ästhetische Werte“38) entwickelt. Was man an Monks Musik als „modern“ betrachten mag, ließ Musiker sie ursprünglich als „Zombie-Musik“ wahrnehmen: die schrägen Harmonien, die an Horrorfilme erinnerten.39) Modernität ist in der europäischen Kunst und Kunstmusik mit Schrägheit verbunden. Mit solchen Kunstvorstellungen hat Monks Musik jedoch wenig zu tun und bezeichnenderweise wurde sie von seinem Zeitgenossen Lennie Tristano, einem „weißen“ Jazz-Pianisten mit Affinität zu Johann Sebastian Bach und der europäischen „Moderne“, als primitiv abgelehnt: Monk sei der „so gut wie stumpfsinnigste Pianist, den ich je gehört habe“40). Mit einem aus europäischer Bildung stammenden Verständnis lässt sich Monks Kunst offenbar nicht erfassen. Er war ein Meister des perkussiven, groovenden Klavierspiels41) und ging über seine Wurzeln im Stride-Piano-Spiel und im Blues zwar weit hinaus, blieb ihnen jedoch zugleich auch stets verbunden. Der Pianist Vijay Iyer verfasste eine schöne, auf tiefreichender Kenntnis beruhende Beschreibung von Monks einzigartiger Musik:
Monk-Ode

Miles Davis war in den Augen eines Kollegen, der ihn seit jungen Jahren kannte, „einer von den Typen mit diesem beschissenen bourgeoisen Gehabe“42), aber Davis setzte sich in wichtigen Belangen durch, wie der aus Italien stammende Trompeter Enrico Rava im Jahr 1976 vor Augen führte: „Auf allen George-Wein43)-Tourneen reisten die schwarzen Musiker in der zweiten Klasse, während Stan Getz und Dave Brubeck [beide „Weiße“] in der ersten Klasse unterwegs waren. Und alles lief in diesem Stil. Und Miles war der Erste, der wirklich dagegen anging […]. Ich meine, was Miles machte, seit 1948 bis vor sechs oder sieben Jahren [1969/70], das war wirklich wichtig und hatte wirklich eine große soziale Bedeutung. Nur wenige Leute sind sich dessen voll bewusst.“44) Davis stammte aus einer Familie, die nach afro-amerikanischen Maßstäben wohlhabend und angesehen war, trotz Rassismus in einem „weißen“ Stadtteil wohnte, eine bürgerliche Lebensweise pflegte und auf Durchsetzungskraft und Erfolg setzte. Die europäische „Hoch“-Kultur mit ihrem Kunstanspruch war Miles Davis von zu Hause und durch seine „klassische“ Ausbildung genauso vertraut wie die afro-amerikanische Musik, die aus Kirchen, Kneipen und Tanzsälen kam. Zwischen diesen kulturellen Einflüssen pendelte er und er verband sie miteinander – mit einem feinen Gespür für emotionale Wirkung und einem unbeugsamen Willen zum Erfolg.45) In den 1950er Jahren erreichte er durch stimmungsvolles Spiel, Annäherungen an die Ästhetik der „klassischen“ Musik und die Verwendung von Popsongs ein beträchtliches Publikum. Im Laufe der 1960er Jahren verlor er es zunehmend, während er von Jazz-Musikern geschätzte Werke hervorbrachte, die „avantgardistische“ Anleihen enthalten, aber auch all die Jazz-Elemente, die er seit seinen jungen Jahren in Charlie Parkers Band pflegte. Der allmähliche Verlust seiner Stellung auf dem Musikmarkt ließ ihn Ende der 1960er Jahre dann nach einem Anschluss an die damals dominierende Rockmusik suchen. Er tauschte die dunklen Anzüge gegen ein buntes, jugendliches Outfit ein und wurde zum bedeutendsten Auslöser und Star der Jazz-Rock-Fusion-Welle der ersten Hälfte der 1970er Jahre.

In den 1950er Jahren wurde Miles Davis öfters kritisiert, weil er den Tenor-Saxofonisten John Coltrane in seiner Band hatte, dessen scharfer Sound und dichte, bohrende Spielweise vielen Anhängern der Miles-Davis-Musik, auch Jazz-Kritikern, nicht gefiel. Anfang der 1960er Jahre hatte Coltrane dann aber selbst eine beträchtliche Anhängerschaft.46) Seine Improvisationen waren kompliziert und kunstvoll, aber seine Musik hatte großteils eine relativ einfache Basis, die mit der Blues- und Spiritual-Tradition verbunden war47). Nach seinem Album A Love Supreme (1964), das von vielen als Höhepunkt seiner Kunst betrachtet wird, wurde seine Musik allerdings so extrem und schwierig, dass viele Hörer sie als ungenießbar empfanden und sich abwandten. Wynton Marsalis kritisierte rückblickend, Coltrane habe sich von der damals „modischen“ Tendenz zur „Abstraktion“ im Sinn "moderner Kunst" leiten lassen.48) Aber weder Coltrane noch jenen so genannten „Free-Jazz“-Musikern, deren Einflüsse er damals aufnahm, scheint es um „moderne Kunst“ gegangen zu sein. Ein Jazz-Kritiker meinte treffender, für Coltrane sei das Suchen das Zentrum seines Lebens und seiner Kunst gewesen, er habe nicht beabsichtigt, eine „obskure Kunst zu produzieren – er wollte uns alle im tiefsten Zentrum unseres Seins erreichen, um uns zu erheben und sogar zu verändern“.49) Coltranes Aufnahmen aus seinen letzten Jahren (1995-1997) wirken gewiss insofern „abstrakt“, als sie kaum Befriedigung durch harmonische Klänge, wohltuende Melodien und beschwingende Rhythmen verschaffen. Aber so „avantgardistisch“ seine Musik auch klang, so hatte insbesondere sein durchdringender Sound doch auch eine unmittelbare kommunikative Kraft, die mitunter sogar folgende, von Alice Coltrane50) geschilderte Wirkung entfaltete: „Manche im Publikum standen auf, mit erhobenen Armen, und blieben so eine Stunde lang oder noch länger stehen. Ihre Kleider waren von Schweiß durchnässt und als sie sich niedersetzten, fielen sie praktisch nieder. Die Musik führte Leute eben aus der gesamten materiellen Welt hinaus; sie hob sie empor.“51)

In dem als Free-Jazz oder Avantgarde bezeichneten Bereich bilden Tonfolgen oft keine ansprechenden Melodien mehr, sind Tonkombinationen häufig in keiner Weise harmonisch und es ist mitunter nicht einmal mehr ein durchgängiger Grundrhythmus vorhanden, sodass kein Beat und damit auch kein Swing, Groove spürbar wird. Eine solche Musik verschafft kein musikalisches Hörerlebnis im herkömmlichen Sinn. Das heißt nicht, dass sie nicht für manche Hörer interessant, kommunikativ und bewegend sein kann, aber sie bereitet nicht jene Art der Befriedigung, die üblicherweise in Musik gefunden wird. Welchen Stellenwert der Avantgarde-Bereich im Jazz hat, ist seit seiner Entstehung Ende der 1950er Jahre umstritten und es geht dabei nicht bloß um eine Frage von Aufgeschlossenheit, sondern um eine grundlegende Problematik. Einem Liebhaber swingender Musik zu erklären, er müsse sich nun für eine „atonale“ Musik ohne Rhythmus erwärmen, um anspruchsvoll und zeitgemäß zu sein, ist genauso unsinnig, wie einen Avantgarde-Fan aufzufordern, nach den „Verirrungen“ der 1960er Jahre endlich zum wahren, swingenden Jazz zurückzukehren, der ihn vielleicht noch nie besonders bewegte. Musiker des avantgardistischen Bereichs versuchten auf vielfältige Weise, die Problematik, dass ihre Musik nur eine sehr kleine Hörerschaft erreichte, zu entschärfen und volkstümlicher zu wirken. Ein unter afro-amerikanischen Musikern verbreitetes Mittel war die Beschwörung afrikanischer Wurzeln. Zum Beispiel wurde die von der „zeitgenössischen“ Konzertmusik beeinflusste Spielweise des Pianisten Cecil Taylor als Spiel auf „88 gestimmten Trommeln“ charakterisiert52) und Taylor eröffente Konzerte in der Art eines Rituals, das ein Journalist auf folgende Weise beschrieb: „Er muss sich anschleichen, in jenen Wollsocken und Leggins, die zum Bühnenritus gehören, den Flügel wie ein Totem umtanzen, ihn mit Lauten und Gedichten besprechen, bevor er sich an ihn setzt, ihn zum Klingen bringt, zum Ausspeien von Prophezeiungen und Visionen, von Liebe und Zärtlichkeit. Das ist keine Revolution, es ist die Rückkehr zum Ursprung von Kunst.“53) Der Jazz-Kritiker Stanley Crouch warf Taylor in einem öffentlichen Streitgespräch vor: „All dieses Zeug über Afrika, das du sagst – Afrika dies, Afrika das: Wenn du nach Afrika fährst und dort spielst, stellst du einen neuen Rekord im Leeren eines Saals auf. Wie groß der Saal auch immer sein mag, du würdest ihn in 5 Minuten leeren!“54) Crouch glaubte, die Debatte damit für sich entschieden zu haben, und tatsächlich spricht der Umstand, dass Taylor vor allem in Europa Anklang fand, in Afrika hingegen gewiss kaum auf Verständnis stoßen würde, für einen sehr europäischen Charakter seiner Musik. Laut Crouch sagte Anthony Braxton, dass sie55) damals alle europäische Musik hörten, aber als dann die Black Power aufkam, hätten viele von ihnen vorgegeben, ihre Ideen aus Afrika oder sonst einer nicht-weißen Gegend bezogen zu haben. Er sei als seltsamer Typ dagestanden, weil er es ablehnte, seine wahren Interessen zu leugnen. Wenn es Stockhausen war, dann war es eben Stockhausen! Er wolle nicht vorgeben, dass es aus der South-Side56) von Chicago kam oder sonst woher.57) – Andererseits hat die Art, wie Taylor die europäische „Moderne“ spiegelte, eindeutig afro-amerikanische Züge. Kein Pianist aus der europäischen (modernen) Konzertmusiktradition würde auch nur annähernd in dieser körperorientierten, dynamischen, irgendwie doch Groove-ähnlichen Weise das Klavier bearbeiten. Taylors Verbindung zur Jazz-Tradition zeigte sich auch darin, dass Max Roach58) mit ihm durchaus zusammenspielen konnte59). – Vergnüglich ist Taylors Musik allerdings nicht, wie folgende Beschreibung durch den Jazz-Kritiker Ekkehard Jost deutlich macht: „Dass Cecil Taylors Musik an seine Zuhörer Ansprüche stellt, die weit über die Gewohnheiten alltäglicher Jazzrezeption hinausgehen, lässt sich in jedem seiner Konzerte beobachten: da gibt es kein entspanntes Fußwippen und Fingerschnipsen, kein friedliches Zurücklehnen in den Sitz, mit geschlossenen Augen und einem versonnenen Lächeln auf den Lippen. Cecil Taylors Musik nimmt einen mit. Seine über Stunden sich ausdehnenden, Energie geladenen Spielprozesse übertragen auf den Hörer, sobald er sich wirklich auf sie einlässt, eine psychische Hochspannung, die sich in physische Erschöpfung umsetzt. Fix und fertig zu sein nach einem seiner Konzerte, ist insofern durchaus kein pathologisches Symptom, sondern Resultat adäquater Taylor-Rezeption.“60)

Andere zum Free-Jazz gezählte Musiker bewahrten hingegen gewisse traditionelle Elemente, vor allem einen durchlaufenden Beat, und ihre Musik hatte in einzelnen Aspekten oft einen durchaus volkstümlichen Charakter. Ornette Coleman stand der „volksmusikalischen harmonischen Ungebundenheit … des archaischen Folk-Blues näher als der abstrakten, intellektuellen europäischen Atonalität“61). Dass es auch in der europäischen Musik „freitonale“Klänge gibt, hatte er erst in einer Zeit erfahren62), als seine Spielweise im Wesentlichen bereits ausgeprägt war.63) Albert Ayler64) griff auf „Marsch- und Zirkusmusik der Jahrhundertwende, auf Volkstänze, Walzer und Polkas, … die dirges, die Trauerstücke der Funeral-Prozessionen im alten New Orleans“ zurück.65) Archie Shepp66) bezog sich im Lauf seiner weiteren Entwicklung zunehmend auf den Blues und meinte: „Wir müssen die Musik des Volkes spielen, sonst sind wir nichts als bourgeoise Snobs.“67) Lester Bowie grenzte sich von der „Branche der neoklassischen Schule der Universitätstypen“68) ab, worunter er Musiker wie Anthony Braxton und George Lewis verstand, indem er betonte: „Ich komme von einer anderen Art Sache her. Ich beschäftige mich mit purem Arschtreten. Punkt. Einfach gutes altes ländliches Arschtreten.“69) Der Tenor-Saxofonist Frank Lowe erzählte: Als er mit dem Revolutionary Ensemble „wild“ spielte, sei Lester Bowie aufgetaucht und habe gefragt, ob sie denn überhaupt keinen Blues mehr spielten. Bowie habe mit ihnen dann Blues gespielt, bis Lowe weinen musste.70) David Murray hat das „überblasene Saxofon-Spiel des Free Jazz … melodisiert und tonal stimmig gemacht, ohne ihm etwas von seiner Wildheit, Glut und Ekstase zu nehmen, [… er hat] zu immer konkreteren melodischen Figuren gefunden“71) und ist „immer gebundener und strukturierter geworden“72). Er sagte, die Musik müsse wieder swingen73), und bearbeitete ab den 1980er Jahren mit seiner vom Free-Jazz geprägten Spielweise ein breites Spektrum afro-amerikanischer Musik, das die Jazz-Tradition74), Blues75), Funk, Gospel76) und afro-karibische Musik77) umfasste. Free-Jazz spielte dabei häufig nur mehr die „Rolle des verstärkenden Elements“78), das der jeweiligen Musik eine brennende Intensität verlieh. Stanley Crouch pries79) die Kunst von David Murray, „50 Jahre Saxofon-Technik in zwei oder drei Phrasen zusammenzufassen, von harmonischer Kultiviertheit zu Rhythm-and-Blues-Schreien zu schwenken, von sauber artikulierten Tönen zu perkussiven Schnarr- und Schwirrtönen oder von üppigen Melodien zu Strudeln von Klangfarben“80). Allerdings sagte Sam Rivers, der selbst zur Avantgarde gezählt wird, er könne keinen „Free Player“ seiner Generation nennen, der für den „Bebop-Kontext qualifiziert wäre“.81) David Murray hätte „nicht mit Miles [Davis] oder Dizzy [Gillespie] spielen können, und ich glaube, dass er sich selbst in Wynton Marsalis Musik nicht zurechtfände“82). Rivers berichtete über seine Mitgliedschaft in Dizzy Gillespies Quintett: „Das war harte Arbeit. Präzisionsarbeit. Wenn ich nur einen kleinen Fehler machte, sprach Dizzy die ganze Nacht darüber. … Bebop zu spielen, ist ein äußerst komplizierter Prozess. Wesentlich schwieriger als das Free Thing.“83) Dabei spielte Rivers erst in den späten 1980er Jahren in Gillespies Band, also lange nach dessen eigentlicher Bebop-Phase der 1940er Jahre, in der seine Musik noch wagemutiger und auch brillanter war. Rivers kritisierte jedoch nicht nur, „Free-Spieler“ würden meinen, dass „man von Bebop keine Ahnung zu haben braucht“, sondern stellte auch fest, „Bebopper“ verstünden umgekehrt nicht, „was die Free-Thinger machen, und fragen mich immer, was da gerade geschieht, wenn sie zufällig mal in ein Free-Konzert geraten.“84)

Besonders ungewöhnlich und einfallsreich gestaltet ist die Musik von Henry Threadgill. Über seine Anfangszeit um 1960 erzählte er85): Zunächst war er ein Sonny-Rollins-Anhänger, in dieser Musik aber nicht wirklich gut und wurde deshalb von Jazz-Musikern nicht engagiert. So spielte er stattdessen in Tanz-, Theater-, Blues-, Polka-, Parade-, Marachi-, Latin- und Kirchen-Bands, interessierte sich für die unterschiedlichsten Musikarten und beschäftigte sich eingehend mit der „zeitgenössischen“ Konzertmusik. Durch die weit gestreuten Aktivitäten erhielt er aus seiner Sicht letztlich eine größere und bessere Ausbildung, als wenn er mit den Musikern zusammen gekommen wäre, die Jazz-Stücke (diesen „Schubi-Dubi-Scheiß“) spielten und wie Sonny Rollins zu klingen versuchten. Der entscheidende Anstoß aus dem Jazz-Bereich kam für ihn von Ornette Coleman und Cecil Taylor. Vor allem durch Ornette Coleman sei für ihn und viele seiner Altersgenossen ein neuer Weg voller Möglichkeiten eröffnet worden86). – Im Jahr 2012 bezeichnete Vijay Iyer87) Threadgill als „einen der bedeutendsten, inspirierendsten und einflussreichsten Komponisten-Performer von heute“. Threadgills „lebenslange kreative Forschung“ sei von einer „kontinuierlichen, systematischen und oft regelrecht radikalen Konfrontation der fundamentalen Bausteine der Musik“ gekennzeichnet. Als Spieler habe Threadgill – ähnlich wie Thelonious Monk – einen Komponisten-Zugang zur Improvisation und spiele daher mit einem fundierten und zielgerichteten Blick auf die gesamte Gestalt und das Gefühl der Musik. Und wie Monk habe er in der Kirche und in anderen Kontexten gelernt, wie man ein Publikum bewegt. Diese kommunikative Kraft könne man in seinem Spiel hören. Seine Beziehung zum Beat und die intuitiven Qualitäten seines Sounds seien fundiert und bewegend.88) – Threadgills Musik klingt allerdings viel schräger, sperriger89) als die von Monk und dazu noch düster, oft skurril, mitunter makaber. Er sprach von der „Schönheit des Todes“90) und von einer Magie der Musik, die einen „in eine andere Realität katapultiert“.91) Seine Musik fordere den Zuhörer heraus und soll in ihm etwas geistig und mental bewirken.92) Vor allem seine späteren Werke sind mit ihren ständig ohne spürbare Logik changierenden Harmonien, ihren Geflechten aus seltsamen Linien und ihren von Beat zu Beat voranhüpfenden Rhythmen ohne erkennbare zyklische Strukturen93) eine schwer genießbare Kost. Ende der 1990er Jahre erwähnte er, dass er bei den jüngeren Musikern radikale Ideen, Fortbewegung, eine Avantgarde vermisse.94) Aber welchen Sinn sollte ein noch weiter gehendes avantgardistisches Fortschreiten ergeben, wo doch seine Musik bereits viel schräger ist als Monks „Zombie-Musik“95)? Das menschliche Empfindungsvermögen ist nun einmal in seinen Grundzügen unveränderlich und so blieb der Avangarde-Bereich auf Dauer weit von dem entfernt, was Hörer üblicherweise als „musikalisch“ und befriedigend empfinden.

Threadgill gehörte der im Jahr 1965 in Chicago gegründeten Musikervereinigung AACM96) an, die vor allem vom Pianisten Muhal Richard Abrams initiert wurde und aus der unter anderem folgende Musiker und Gruppen hervorgingen: das Art Ensemble of Chicago (Lester Bowie, Roscoe Mitchell, Joseph Jarman und andere), das Trio Air (Henry Threadgill und andere), das Revolutionary Ensemble (Leroy Jenkins und andere), das Ethnic Heritage Ensemble (Kahil El’Zabar und andere), Anthony Braxton, George Lewis und Wadada Leo Smith. Nach Threadgills Bericht setzten sich außer ihm selbst auch die anderen Mitglieder dieser Vereinigung mit „zeitgenössischer“ Konzertmusik auseinander.97) Einige von ihnen erhielten ab den 1970er Jahren in Europa eine beachtliche Präsenz.

Avantgarde und Free-Jazz sind in Wahrheit schwammige Bezeichnungen, die keineswegs einen abgegrenzten Bereich benennen, sondern lediglich eine tendenzielle Richtung mit vielfältigen Verzweigungen. Die haben jedoch einen gemeinsamen Ausgangspunkt in der von Threadgill erwähnten Befreiung, die Ornette Coleman und Cecil Taylor als Vorbilder bewirkten. Diese Befreiung bestand offenbar in einer starken Ausweitung der möglichen Stilmittel, in einer generellen Toleranz gegenüber „Schrägheit“ und einem Zurückdrängen der Forderung von Meisterschaft im Sinne der Jazz-Tradition. Das entfachte offenbar die Kreativität vieler Musiker und von ihnen stammte ab den 1960er Jahren viel vom künstlerisch engagierten, nicht kommerziell ausgerichteten Teil des Jazz. Nur wenige Musiker, die stärker der Tradition verbunden blieben, waren in ähnlicher Weise innovativ. Zu ihnen zählte vor allem McCoy Tyner, der ehemalige Pianist der Coltrane-Band, und der Trompeter Woody Shaw. Was Coltrane in der ersten Hälfte der 1960er Jahre gelang, blieb jedoch unerreicht. Er schien der letzte jener Meister gewesen zu sein, die mit aus der Volksmusik stammenden Mitteln eine sehr raffinierte Musik schufen und ein „perfektes Gleichgewicht zwischen Gefühl und Intellekt98) erreichten. Das Grundkonzept der Musik dieser Meister ist einfach: Ihre Band lieferte eine starke, swingende, groovende Basis und kommunikative Begleitung und darüber gestalteten sie als Solisten großartige melodische Linien. Da sie überwiegend Blasinstrumente spielten, waren diese Linien meistens einstimmig und damit vergleichbar mit dem Beitrag eines Sängers oder Tänzers, der zur Musik einer mitreißenden Band mit einer faszinierenden Darbietung das Publikum bewegt. Was an den Soli der Meister beeindruckt, ist keineswegs nur technische Fertigkeit, sondern vielmehr eine Raffinesse der rhythmischen und tonalen Gestaltung, die das Bewegungsgefühl, die geistige Beweglichkeit und das emotionale Empfinden stimuliert. Diese Kunst offenbart sich für den Hörer erst allmählich. Der Saxofonist Steve Coleman erläuterte zum Beispiel, was ihn an einer Melodielinie Charlie Parkers „umhaute“: Es sei die Art, wie die Linie gleitet, sich zwischen bestimmten Tönen und in einem Zyklus von Harmonien bewegt. Die Bewegungen der Linie könnten musiktechnisch auf verschiedene Weise interpretiert werden und seien damit mehrdeutig und tiefgehend. Durch die Einstimmigkeit sei dieses Spiel mit der Volksmusik verbunden, doch enthalte es viel mehr als die meiste Volksmusik, insbesondere auch eine anspruchsvolle tonale Logik im Hintergrund.99)

Steve Coleman orientierte sich bereits zu Beginn seiner Laufbahn als Alt-Saxofonist an Charlie Parkers Aufnahmen, an noch lebenden Meistern aus Parkers Generation und wenig später auch an John Coltranes Aufnahmen. Er eignete sich in den 1970er und 1980er Jahren instrumentaltechnische Fähigkeiten sowie ein musikalisches Verständnis an, die es ihm ermöglichten, seine eigene Musik in der Tradition dieser Meister zu entwickeln. Bis ins Alter blieb er auf sie bezogen, ohne sie nachzuahmen. Der ältere Schlagzeuger Billy Hart sagte im Jahr 2016: Steve Coleman sei der Erste seiner Generation, der alle vorangegangenen Entwicklungen zusammenbringe, und sein Einfluss ergebe sich aus der Art, wie er das macht, nämlich aus einer tiefgehenden Kenntnis der Tradition heraus und mit einem eigenständigen Sound.100) Ähnlich äußerte sich der jüngere Saxofonist Miguel Zenón: Coleman habe seine eigene Sprache für den Rhythmus, seine eigene Sprache für die Harmonik, aber was ihn (Zenón) vor allem überzeuge, sei, dass Coleman in der Jazz-Tradition sehr versiert ist. Was Coleman macht, beruhe auf seinen Vorbildern, Charlie Parker, John Coltrane, Sonny Rollins und so weiter. Er greife deren Pfad auf, während er seinen eigenen gestaltet. Es sei eine kraftvolle Lektion, wie jemand einer Tradition folgen und dennoch etwas hervorbringen kann, das sehr persönlich ist.101) Coleman erklärte selbst: Musiker wie Charlie Parker seien in der Tradition verwurzelt gewesen, aber sie hätten herausgefunden, wie sie diese Tradition aus ihrem Blickwinkel neu denken können. Von daher komme er.102)

Steve Colemans Stil ist stark vom kulturellen Umfeld beeinflusst, aus dem er kam. Er wurde im Jahr 1956 geboren, wuchs im Chicagoer Stadtviertel South-Side („einem der am stärksten segregierten103) Stadtviertel der Vereinigten Staaten“104)) mit den verschiedenen Formen aktueller „Black Music“ auf und lernte im persönlichen Kontakt zu älteren Jazz-Musikern wie Sonny Stitt, Bunky Green und besonders Von Freeman. Sein Ziel war es, der Musik seiner Jugendzeit (vor allem James Browns Funk) eine verfeinerte, anspruchsvolle Variante hinzuzufügen, so wie Parkers und Coltranes Musik die anspruchsvolle Seite des breiten Blues-Spektrums bildete.105) Funk-Grooves, geschmeidige Soul-Sounds, Körpereinsatz, „cooler“ Sprachfluss, Kampfspiele, „Ruf-und-Antwort“-Kommunikation, improvisierter Rap-Sprechgesang, all diese Elemente aktueller afro-amerikanischer Subkultur bildeten das Fundament, auf dem Coleman seine Musik aufbaute. Diese Basis verband er mit Anregungen durch west-afrikanische Rhythmik, die er zunächst durch Aufnahmen und später im Zusammenspiel mit afro-kubanischen und afrikanischen Musikern kennenlernte. So entwickelte er eine eigenständige, neue, hochkomplexe und dennoch stark groovende Musik, in der er im Laufe einer ständigen weiteren Entwicklung viele musikalische Einflüsse verarbeitete – auch aus der Avantgarde und der europäischen Konzertmusik. Einige seiner späteren Aufnahmen (ab 1996) wirken sehr avanciert, doch trachtete er immer wieder, seine Neigung zur Verfeinerung (Sophistication) auszubalancieren, indem er volkstümliche Elemente einsetzt.106) Als Coleman 60 Jahre alt wurde (2016), sagte Sean Rickman, der bereits viele Jahre lang in seiner regulären Band Schlagzeug spielte: Colemans Musik enthalte sehr viele Methoden, wie die Dinge funktionieren, sehr viele Details und jedes Teil sei wichtig. Man müsse darauf achten, wie sich die Teile ineinanderfügen. So könne zum Beispiel das Schlagzeug einen 7er Rhythmus spielen und das könne sich ändern. Es könne in einem Abschnitt einen 7er Rhythmus, in einem anderen einen 9er Rhythmus und in einem weiteren einen 10er Rhythmus spielen. Dasselbe gelte für die anderen Instrumente. Seine (Rickmans) Sache sei es, einfach dafür zu sorgen, dass es funky bleibt.107) Coleman selbst erklärte damals rückblickend: Der stärkste Einfluss auf seine musikalische Entwicklung sei gewesen, dass er in einer ausschließlich afro-amerikanischen Neighborhood in Chicago aufwuchs.108)

 

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  1. Thomas Brothers: Armstrongs Musik sei eine einzigartige Umformung und Erweiterung der afro-amerikanischen Subkultur [„vernacular“] gewesen. Das sei der Schlüssel zu seinem Erfolg als einem Modernisten gewesen, der in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre Afro-Amerikaner und in den frühen 1930er Jahren „Weiße“ anzog. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 9f.)
  2. Thomas Brothers: Den größten Teil seiner musikalischen Erfahrung habe Armstrong vor afro-amerikanischen Hörern gemacht, indem er die Musik spielte, die sie mochten und die auch er selbst mochte. Genau wegen dem sei er von Joe Oliver nach Chicago gerufen worden. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 12)
  3. Thomas Brothers: Armstrong sei mit Predigern, nicht mit Pfarrern aufgewachsen, mit partizipierendem Singen, nicht mit sauberem Chorsingen, mit ekstatischem Schreien statt höflichem Lächeln und Nicken. Das sei für ihn eine gute Quelle gewesen. Aber er sei in Chicago auch ein moderner, gewandter, gutbezahlter Musiker des urbanen Nordens geworden. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 190)
  4. Thomas Brothers: 1.) Armstrong habe im Chicago der 1920er Jahre daran gearbeitet, größere Kontrolle über sein Instrument, ein schnelleres Fingerspiel, einen gleichmäßigen Ton im gesamten Tonumfang, Geschwindigkeit und hohe Noten zu erreichen. Er habe die Techniken virtuosen Kornettspiels in das Hot-Solo gebracht. Als er das komplizierte System der Tonarten meisterte, hätten seine Soli mit Präzision zu glühen begonnen. Er habe Klarheit in seinen „natürlichen“ Sinn für Akkorde gebracht und seine Präzision weiter erhöht. Um 1926 habe er die kreative Leichtigkeit erreicht, die alle großen Künstler erhalten, nachdem sie die technischen und konzeptuellen Mittel, die ihr Handwerk erfordert, gründlich internalisiert haben. Das Kunststück sei gewesen herauszufinden, wie die „weiße“ Technik adaptiert werden kann, ohne die Identität der afro-amerikanischen Subkultur [„vernacular“] zu verlieren. – 2.) Armstrong habe in Chicago von einem deutschen Musiklehrer gelernt, mit seiner Klavier spielenden Frau intensiv „klassische“ Musik geübt und sich beigebracht, höher, schneller und präziser in den Tonleitern und Akkorden der eurozentrischen Musik zu spielen. Das habe sehr dem Bestreben des typischen afro-amerikanischen Immigranten aus dem Süden entsprochen, „etwas zu tun, um sich zu verbessern“, wie es oft ausgedrückt wurde. Armstrong habe den naiven „Neger“ gespielt, wie es „Weiße“ von ihm erwarteten. Aber eine aufrichtige Würdigung seiner Leistung würde einen beeindruckenden Intellekt enthüllen, der völlig in Musik aufging. Man lebe heute immer noch mit dem Bild eines unausgebildeten Musikers, der sich nicht allzu viele Gedanken über seine Musik machte, die einfach aus ihm herausströmte. Was Armstrong von der eurozentrischen Musik lernte, habe er dazu verwendet, die afro-amerikanische Subkultur [„vernacular“] mit neuer Intensität und neuen Möglichkeiten zu füllen. Dieser Prozess habe in den 1920er Jahren einen Stil hervorgebracht, der für das nächste Jahrzehnt und darüber hinaus als Grundlage für Jazz-Soli diente. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 197 und 10)
  5. William H. Youngren: Joshua Berrett habe in seinem Artikel Louis Armstrong and Opera (Zeitschrift The Musical Quarterly, Jahrgang 76, Nr. 2, Sommer 1992, S. 216-241; ein Auszug des Artikels ist enthalten in: Joshua Berrett [Hrsg.], The Louis Armstrong Companion, 1999, S. 24-29) gezeigt, dass Armstrong von Opernsängern den hoch-fliegenden Bravour-Stil lernte, der ihn von den einfacheren und unkomplizierteren New-Orleans-Kornettisten unterschied, die lediglich in der Blasmusik-Tradition ausgebildet waren. Darüber hinaus habe Armstrong in viele seiner aufgenommenen Soli Passagen aus Opernarien eingefügt. (QUELLE: William H. Youngren, European Roots of Jazz, in: Bill Kirchner [Hrsg.], The Oxford Companion to Jazz, 2000, S. 24f.) – Thomas Brothers widerlegte Berretts Behauptungen eines frühen Einflusses der Oper auf Armstrongs Spielweise in zweifacher Hinsicht: Erstens führte er überzeugend vor Augen, dass die Schlussfolgerungen, die Berrett aus spärlichen Anhaltspunkten zog, nicht gerechtfertigt sind und Armstrong in Wahrheit in einem Umfeld aufwuchs, in dem Opernmusik keine Rolle spielte. Zweitens machte Brothers durch eine Beschreibung von Armstrongs Spielweise ihre grundlegende Andersartigkeit gegenüber der Gestaltung von Opernarien deutlich. – Unter anderem schrieb Brothers: Es sei richtig, dass die Oper in New Orleans eine lange Geschichte hatte, aber sie sei in einem sozialen Bereich gelegen, der weit weg war von den Straßen, den in ehemaligen Geschäften untergebrachten Kirchen, den Honky-Tonks und den Tanzhallen mit Lehmboden, wo Armstrong seine Zeit verbrachte. Armstrongs ausgereifter Solo-Stil in der Mitte der 1920er Jahre sei aus kurzen, unregelmäßigen Phrasen aufgebaut, die ständig zwischen Synchronie mit den fixierten Mustern des Beats sowie der Akkordwechsel und einem Heraustreten aus diesen Mustern wechseln. Der Fluss der Melodie sei sehr verschieden von der weiträumigen Entwicklung der langen Phrasen in der Oper. Die Begleitung sei in der Oper ein flauschiges Bett aus Federn, das eine leidenschaftliche Melodie in jeder möglichen Weise unterstützt. Armstrongs Soli stützten sich hingegen auf eine Spannung zwischen Melodie und Begleitung. Er habe seine Phrasierung regelmäßig mit Akzenten einer kantigen Anfangsattacke, kommunizierendem Elan und Bestimmtheit gepfeffert, um eine emotionale Grundstimmung zu erzeugen, die das Gegenteil der Legato-Mühelosigkeit des Bel-Canto-Singens sei. Seine mikroskopische Ebene der Blues-Phrasierung mit ständigen Schattierungen der Tonhöhe und der Lautstärke sowie schnellen Einschüssen unregelmäßiger rhythmischer Gestaltung gehörten zu einer Welt, die ganz anders sei als das elegante Anschwellen der Spannung in der Oper. – Man dürfe nicht den Armstrong verdunkeln, der eines der großartigsten Produkte der afro-amerikanischen Subkultur [„vernacular“] war und in den Jahren 1925 bis 1935 einer ihrer modernsten Vertreter. Es bestehe kein Zweifel, dass Armstrong wie viele seiner Altersgenossen im Chicago der 1920er Jahre an klassischer Musik interessiert war, besonders wenn sie für ihn beruflich nützlich war. Aber besonders bei der Oper sei die Verbindung sekundär und absolut irrelevant, wenn es darum geht, die Entstehung seines ausgereiften Stils zu verstehen, der kein bisschen anders gewesen wäre, wenn es nie eine Oper gegeben hätte. Viel bedeutender sei die Revue-Kultur mit ihrem Tempo, ihrem Humor, ihren Novitäten und ihrer Vielfalt gewesen. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 188f. sowie Anmerkung 45) – Der Unterschied Armstrongs zu früheren Kornettisten in New Orleans und der Eindruck eines Einflusses europäischer Musik erklären sich wohl durch Brothers Hinweis auf Bugle-ähnliche Spielweisen und Armstrongs Fortschritte in Chicago. Näheres dazu im Artikel Ghetto-Musik in der Fußnote am Ende des folgenden Satzes: Link
  6. Thomas Brothers: Armstrong habe in New Orleans und tatsächlich sein ganzes Leben lang überhaupt kein Interesse daran gezeigt, sich „weißer“ Kultur anzupassen. Seine schärfste Kritik habe sich gegen Afro-Amerikaner gerichtet, die „dicty“ waren – ein afro-amerikanischer Slang-Ausdruck für jemanden, der angeberisch „Weiße“ nachahmt. Letztlich habe er viele verschiedene Arten von Musik zu spielen gelernt, einschließlich Musik, die allgemein als „weiß“ bezeichnet wird. Aber es sei wichtig, seine Gründe zu verstehen. Zum Teil sei sein Interesse professionell gewesen: Je vielseitiger ein Musiker war, desto besser waren seine Möglichkeiten der Beschäftigung. Und zum Teil sei sein Interesse kreative Neugier für Soundmaterial gewesen, mit dem er in Berührung kam. Er habe von „weißer“ Musik bekommen, was er wollte, was er für seinen Erfolg benötigte und zu was ihn seine musikalische Neugierde brachte. Sein Ziel sei nicht gewesen, wie ein „Weißer“ zu sein, sondern lediglich, von „Weißen“ bezahlt zu werden. Zunächst aber sei seine Stärke für lange Zeit, bis zu seiner musikalischen Reife, das Spielen für ein „schwarzes“ Publikum gewesen und damals habe er ein unverwechselbar afro-amerikanisches Set von Merkmalen und Werten in den Vordergrund gestellt. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, Kindle-Ausgabe, S. 6)
  7. QUELLE: Leonard Feather in: Joachim-Ernst Berendt [Hrsg.], Die Story des Jazz, 1978, S. 135
  8. Näheres zu den bisherigen Ausführungen dieses Absatzes im Artikel Dschungelmusik: Link
  9. Thomas Brothers: Die Black and Tan Fantasy (1927) von Duke Ellington und Bubber Miley habe die Musik der afro-amerikanischen Subkultur [„vernacular“] in Verfeinerung gerahmt, jedoch ohne einer Spur von Herablassung, indem sie nicht auf eine zusätzliche Würze beschränkt, sondern in das Zentrum des Ausdrucks gestellt wurde. Ellington habe die Entwicklung des Jazz von der Tanzmusik zu einer Musik, die Zuhören belohnt, weitergeführt und Nachdenken gefördert. Er sei die Aufgabe mit den Fähigkeiten eines Komponisten angegangen, der ein Verständnis für Kontraste und emotionale Komplexität hat. – Bubber Miley habe gesagt, dass Ellington jedermanns Verständnis davon, was im Jazz möglich ist, erweitert habe. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 300) – John Edward Hasse: 1.) Nach den größeren Werken Symphony in Black und Reminiscing in Tempo in den Jahren 1934 und 1935 habe Ellington weiter mit Innovationen (zum Beispiel dem Einsatz zweier Bassisten) experimentiert und spezielle Stücke oder „Concerti“ für seine Starsolisten sowie eine Art Kammermusik eingeführt, die etwa von sieben statt der sonst fünfzehn Musikern seiner Band gespielt wurden. Echoes of Harlem und Clarinet Lament aus 1936 seien eine der ersten „Concerti“ für seine Starsolisten gewesen. – 2.) Concerto for Cootie (1940) sei eines von Ellingtons bedeutendsten „Concerti“. – 3.) Ellington sei nie ausschließlich ein Konzert-Künstler gewesen, aber er habe die Konzertbühne genossen. Er betrachtete nach seinen eigenen Worten Konzerte als das beste Medium, um neue musikalische Ideen in ihrer Wirkung auf das Publikum auszuprobieren. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 226f. 266 und 283) – John Howland: Ellington habe von den späten 1920er bis in die frühen 1950er Jahre verschiedene Anstrengungen unternommen, aus authentischem Jazz eine neue Konzertmusik zu schaffen, die im Gegensatz zur europäischen Klassik als „ernste“ (afro)-amerikanische Musik gedacht war und mit der eine Art Hochkultur-Legitimation erreicht werden sollte. (QUELLE: Q&A with John Howland, author of Ellington Uptown, Internetseite der University of Michigan Press, Internet-Adresse: https://www.press.umich.edu/pdf/9780472116058-qa.pdf)
  10. In den bis 1948 folgenden Jahren trat Ellington mit seinem Orchester sechs weitere Male in der Carnegie Hall und darüber hinaus auch in anderen angesehenen Konzertsälen auf. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 282f.)
  11. QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 260f. (Hasse: Black, Brown and Beige sei Ellingtons längstes und ambitioniertestes Werk seiner Laufbahn gewesen.) – Die erstmalige Aufführung des Werkes (am 23. Jänner 1943) ist in den Alben The Carnegie Hall Concerts, January 1943 und Carnegie Hall Concerts, 1943/1947 enthalten.
  12. Es ist eine 29 Seiten lange Handschrift Ellingtons erhalten, in der er die durch Black, Brown and Beige dargestellte Erzählung skizierte. John Edward Hasse bot kurze Einblicke und verschaffte damit eine Vorstellung, welch lebendige und bedeutungsvolle Szenen Ellington in dieser Musik vor sich hatte. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 261f.) – Um zum Beispiel eine Gospel-Färbung des Alt-Saxofon-Solos im Stück Coming Sunday zu erkennen, mit dem das religiöse Thema dieses Teils der Komposition angedeutet wird (QUELLE: John Howland, Ellington Uptown, 2009, S. 195), muss man mit solcher Musik ziemlich vertraut sein. Selbst für den einzigen Song mit Text der damaligen Aufführung, The Blues, brauchte es wohl ein Verständnis der kulturellen und historischen Implikationen des Blues-Begriffs. Die düstere Stimmung und die gesungene Aussage „der Blues ist nichts als ein kalter, grauer Tag, der die ganze Nacht lang so bleibt“ (eigene Übersetzung) allein vermitteln die offenbar gemeinte Bedeutung wohl nicht unbedingt. – Wolfram Knauer führte eine Reihe von musikalischen Mitteln an, mit denen Ellington allgemein in seiner Musik auf afro-amerikanische Traditionen Bezug nahm (zum Beispiel „atmosphärische Verweise auf Worksongs, Spirituals und so weiter“; konkrete Bezüge in Form von „Ragtime-Klavier-Passagen“, „typischen New-Orleans-Klarinetten-Sounds“, „Kollektivimprovisation“; Improvisation in Komposition; „afro-amerikanische Klangideale“; Zitate anderer Stücke; Selbstzitate). (QUELLE: Wolfram Knauer, „Reminiscing in Tempo”, in: Wolfram Knauer [Hrsg.], Duke Ellington und die Folgen, Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung, Band 6, S. 45f.)
  13. Beim Publikum kam Ellington sehr wohl an und hinsichtlich seiner Bekanntheit sowie in geschäftlicher Hinsicht waren sein damaliger Auftritt in der Carnegie Hall sowie weitere ähnliche Konzerte in der Folgezeit ausgesprochen erfolgreich. Wie auch in anderen größeren Werken Ellingtons ergaben sich wohl durch die Darstellung außermusikalischer Inhalte auch Passagen, die rein als Musik weniger befriedigend sind. So klingt manches zum Beispiel dramatisch, gar pathetisch oder sentimental wie Filmmusik. Als Ellingtons beste Aufnahmen gelten jene zu Beginn der 1940er Jahre, in denen eindrucksvolle Solisten in Verbindung mit Ellingtons und Billy Strayhorns Kompositions- und Arrangierkünsten dichten, kraftvollen Bigband-Jazz hervorbrachten. – John Edward Hasse: 1.) Ellington sei mit seinem Orchester in den bis 1948 folgenden Jahren sechs weitere Male in der Carnegie Hall und darüber hinaus auch in anderen angesehenen Konzertsälen aufgetreten. – 2.) Vor 1944 sei Ellington in den Leserumfragen der Zeitschrift Down Beat nicht über den zweiten Platz hinausgekommen. Infolge der legitimierenden Rolle der Carnegie Hall, des von Ellingtons Agenten veranstalteten Werberummels, der aus einem Broadway-Nachtklub erfolgten Radio-Übertragungen und Ellingtons Schallplattenhits sei er ab ungefähr 1943 im Mainstream-Amerika zunehmend bekannt geworden. – 3.) Rückblickend betrachtet habe sich Ellingtons musikalische Kreativität über einen zwanzig Jahre langen Bogen intensiviert, vom Beginn des Cotton-Club-Engagements (1927) bis 1947. 1940 sei der musikalische Höhepunkt dieses Bogens gewesen und ab 1948 sei eine relativ unproduktive Periode gefolgt, in der Ellington allerdings doch einige prickelnde und bleibende Musik geschaffen habe. Auch wenn Ellington nach 1942 als Komponist nicht so viele herausragende Werke hervorbrachte wie in den beiden vorangegangenen Jahren, so habe er als Bandleader nun größeren Erfolg und mehr Anerkennung genossen. – 4.) Ein auffallender Faktor im Hervorbringen der ausgezeichneten Musik der Zeit zu Beginn der 1940er Jahre sei zweifelsohne, dass Ellington einige der weltbesten Musiker beschäftigte. Und Ellington habe sie mit der reichen und vielfältigen Musik, die er (und Strayhorn) auf sie bezogen komponierte(n), stimuliert halten können. – 5.) Die erst seit Kurzem zugänglichen Notenschriften Ellingtons würden zeigen, dass viele seiner längeren (Konzert)-Werke wenig Raum für Improvisation ließen. – 6.) Ellington habe in den 1930er Jahren begonnen, Soli zu komponieren, die dann, wenn sie von seinen Musikern gespielt wurden, improvisiert klangen. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 282f., 282, 280f., 241f., 288 und 108)
  14. Wolfram Knauer in Bezug auf Kritik an Ellingtons „Suiten“ im Allgemeinen und Black, Brown and Beige im Besonderen: „Klassischen Kritikern […] ging die Planung des kompositorischen Rahmens nicht weit genug, waren die Themen nicht eng genug miteinander verzahnt, fehlten harmonische Bezüge, eine melodisch-motivische Entwicklung.“ (QUELLE: Wolfram Knauer, „Every Man Prays in His Own Language …”, in: Wolfram Knauer [Hrsg.], Duke Ellington und die Folgen, Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung, Band 6, S. 24f.)
  15. QUELLEN: siehe vorangegangene Fußnote sowie John Edward Hasse: 1.) Black, Brown and Beige sei als Musik unrund und zeige, dass Ellington, der vor allem ein brillanter Miniaturist gewesen sei, mit der großen Form Schwierigkeiten hatte. Ellington sei aufgrund der Kritik des Werkes sehr enttäuscht und entmutigt gewesen. – 2.) Nach Black, Brown and Beige habe sich Ellington nicht mehr mit wirklich langen und integrierten Kompositionsformen herumgeschlagen. Stattdessen hätten seine langen Werke normalerweise die Form von Suiten, also von Serien lose aufeinander bezogener „Sätze“ angenommen. Eines von Ellingtons lang aufrechterhaltenen Zielen scheine gewesen zu sein, sich in einer großen musikalischen Form, wie etwa einer Sinfonie oder Oper, auszudrücken. Wenn das ein Ziel war, so habe er es nie erreicht. – 3.) Such Sweet Thunder zeige ein Problem, das dem Suiten-Format anhaftet, nämlich die Herausforderung, Konsistenz zwischen den verschiedenen „Sätzen“ herzustellen. – 4.) Das Schreiben von Musik für ein Konzertpublikum (das größtenteils „weiß“ war) habe auch Nachteile gehabt. Manche Konzertmusik Ellingtons habe einen befangenen, mitunter prätentiösen Charakter. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 263, 289, 332 und 283)
  16. Aneinanderreihungen von ineinander übergehenden Stücken
  17. Joachim-Ernst Berendt: In Ellingtons „Hang zu größeren Formen“ offenbare sich ein „Ungenügen in der Gestaltung dieser Formen, das gewiss nicht europäisch ist. Es ist eine erstaunliche, liebenswerte Naivität, die Ellington gerade in der Behandlung größerer Formen zeigt.“ Diese Naivität sei besonders in den Potpourris (Medleys) seiner Konzerte hervorgetreten, bei denen Ellington einige seiner Hits aneinanderreihte. „In seiner Naivität empfand Ellington einfach nicht, dass der Gedanke des Potpourris und der Medley einer künstlerischen Musik fremd sein muss.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 110)
  18. QUELLEN: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 289; sowie Quelle in nachfolgender Fußnote
  19. QUELLE: Vijay Iyer, Microstructures of Feel, Macrostructures of Sound: Embodied Cognition in West African and African-American Musics, 1998, Dissertation, Internet-Adresse: http://vijay-iyer.com/writings/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link – John Edward Hasse: Jene, die Ellingtons kompositorische Fähigkeiten aufgrund europäischer Maßstäbe kritisierten, hätten oft die Prägnanz und Ökonomie des Ausdrucks, bei der kaum eine Note unwesentlich ist, unterschätzt – jene Art von Knappheit, die Chopin in seinen Nocturnes, Joplin in seinen Rags und Ellington in Stücken wie Blue Light, Ko-Ko und Dusk erreicht hätten. (QUELLE: John Edward Hasse, Beyond Category. The Life and Genius of Duke Ellington, 1993, S. 290)
  20. Ellingtons Musik hatte (zumindest für die Zeit bis in die 1940er Jahre) stets einen kühnen, avancierten, nach vorne gerichteten Charakter und bediente sich zugleich vertrauter, bewährter, „volkstümlicher“ Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. – Wolfram Knauer: „Selbst komplex wirkende Formmodelle, wie er sie immer wieder benutzt, lassen sich in der Analyse eben doch auf die Grundmuster des Blues, der zweiunddreißigtaktigen Standards, der Achttaktphrasen reduzieren, die er – manchmal leicht verschleiert, oft kontrastierend – aneinanderreiht. Auch in komplexen Kompositionen gehorcht die Großform meist einem deutlichen ABA-Schema.“ (QUELLE: Wolfram Knauer, „Reminiscing in Tempo”, in: Wolfram Knauer [Hrsg.], Duke Ellington und die Folgen, Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung, Band 6, S. 53f.) – Zum Blues-Einfluss in Ellingtons Musik: Benjamin Givan: Ellingtons Blues-Formen und Blues-Gesten seien manchmal relativ bodenständig und urwüchsig gewesen, besonders in gewissen Riff-basierten Kompositionen der 1940er Jahre (zum Beispiel Main Stem, C Jam Blues, Across the Track Blues und Happy Go Lucky Local) und Rhythm-and-Blues-artigen Werken der 1960er und 1970er Jahre. Häufiger würden Blues-Elemente neben anderen populären Song-Idiomen, Latin-Rhythmen oder chromatischen Harmonien und kontrapunktischen Strukturen, die an europäische klassische Musik erinnern, präsentiert werden. Selbst Ellingtons klassische Beiträge zum Tin-Pan-Alley-Kanon, von denen viele als wortlose Instrumentalstücke entstanden, würden dazu neigen, ausgesprochen bluesige Melodien herauszustellen. So würde zum Beispiel das Schlängeln in Halbtonschritten von Sophisticated Lady und Prelude to a Kiss an das mikrotonale Gleiten des Blues-Singens erinnern, auch wenn die komplexen chromatischen Akkorde beiden Songs eine vornehme, spießige Atmosphäre verleihen. – Blues-Chorusse hätten in Ellingtons Musik nahezu jenseits der Wahrnehmung ausgedehnt oder zusammen mit kräftigen Blues-Melodien, Blues-Strukturen und Blues-Klängen offen herausgestellt sein können. Selbst ohne die übliche Chorus-Form habe sich das Blues-Idiom durch melodische, harmonische und klangfarbliche Mittel eindeutig zeigen können. (QUELLE: Benjamin Givan, Ellington and the Blues, in Edward Green [Hrsg.], The Cambridge Companion to Duke Ellington, 2014, S. 176 und 183)
  21. QUELLEN: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 1323; James Lester, Too Marvelous for Words, 1994, S. 13
  22. QUELLE: Mark Lehmstedt, Art Tatum, 2009, S. 7, mit Quellenangabe
  23. Martin Kunzler: Art Tatum habe einen „wohl noch immer unerreichten technischen Standard” gesetzt. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 2, S. 1323)
  24. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz Lexikon, 2002, Band 2, S. 1323
  25. Archie Shepp: „Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem ich einfach nur zuhörte, mit welcher Begeisterung er [Coltrane] über Art Tatum redete, den er neben Thelonious Monk und Miles Davis so liebte wie wir ihn. Art, sagte er voller Enthusiasmus, konnte innerhalb von vier Beats von einem Es- oder sogar Fis-Akkord aus den C-Septakkord erreichen (eine Entfernung von einer übermäßigen Quart!) und auflösen. […] Coltrane entwickelte damals seine berühmten sheets of sound, in denen er das, was ihn an Tatums Klavierspiel fasziniert hatte, auf das Saxofon übertrug und ausbaute.“ (QUELLE: Shepps Vorwort, 1980, in: Ben Sidran, Black Talk, deutschsprachige Ausgabe, 1993, S. 11)
  26. Steve Coleman: „Ich denke, die Schöpfer dieser Musik verstanden sie als eine Streitmacht für Kreativität und für positive Dinge. […] Daneben waren sie technisch großartig und all das. […] Worüber ich jetzt spreche, ist aber etwas anderes. […] Es ist etwas, das einen auf einen höheren Ort bringt. Es ist nicht einfach das Bewundern deiner Technik. Ein perfektes Beispiel ist für mich Art Tatum. Er war jemand, der eine fantastische Technik hatte, mehr als die meisten, die ich jemals hörte. Ich kann mir im Moment gar niemand Vergleichbaren vorstellen. Aber gleichzeitig hatte seine Musik das gewisse Etwas, das das, was er machte, auf eine andere Ebene hob.“ (QUELLE: Fred Jung, My Conversation With Steve Coleman, Juli 1999, Steve Colemans Internetseite, Internet-Adresse: http://m-base.com/interviews/my-conversation-with-steve-coleman/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  27. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 360
  28. QUELLE: Mark Lehmstedt, Art Tatum, 2009, S. 115 und 117, mit Quellenangaben
  29. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  30. Wynton Marsalis: „John Lewis [Pianist, der mit Parker spielte] erzählte mir, dass die verschiedensten Leute zu Charlie Parkers Auftritten gingen, was ihn jedes Mal überraschte: Seeleute, Feuerwehrmänner, Polizisten, städtische Beamte, Prostituierte, Drogenabhängige, ganz normale Arbeiter – und wenn Bird [Parkers Spitzname] zu spielen anfing, verzauberte er den Saal.“ (QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, amerikanische Originalausgabe 2008, S. 172)
  31. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  32. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  33. mittelmäßiger
  34. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Charlie Parker. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1988, S. 45
  35. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  36. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Charlie Parker. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1988, S. 46
  37. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 878 – Steve Coleman: In seinen Augen gehe es bei Thelonious Monks Musik um Architektur. Er betrachte Monk zwar nicht als einen der großartigsten Improvisatoren oder Instrumentalisten, aber wenn er sich seine Musik ansieht, sehe er sehr hohe Architektur. Sie sei in diesem Sinn nahe an dem, was Musiker wie Per Nørgård [dänischer Komponist; also Komponisten der europäischen Konzertmusik] machen. Monk habe sie in höchstem Maß ausgearbeitet. Sie sei in sich geschlossen und er (Coleman) glaube, dass es das ist, was John Coltrane daraus bezog. Coltrane habe immer von der Architektur der Musik Monks gesprochen. Monks Musik sei für ihn (Coleman) wie ägyptische Tempel, wie Gebäude. Jede von Monks Kompositionen sei so, als habe er an einem anderen Problem gearbeitet und es in der jeweiligen Komposition ausgearbeitet. In der nächsten Komposition fuhr er fort, ein anderes Problem zu bearbeiten, und man könne die Ergebnisse sehen wie diese Bauwerke. Sie seien derart tiefgehend. Monk sei nicht ein Musiker gewesen, der einfach Rhythm-Changes nimmt und etwas darüber schreibt. Das sei okay. Charlie Parkers Sachen seien melodisch und rhythmisch tiefgehend, aber Monk habe seine Gebäude komplett auf einem eigenen Fundament aufgebaut. Das habe in seinen (Colemans) Augen eine sehr tiefgehende Art von Struktur ergeben, wobei auch die Art, wie es sich bewegt, bemerkenswert sei. Für ihn seien Monks Werke wie Sound-Gebäude. Das habe ihn auch an Henry Threadgill beeindruckt. Threadgill sei in seinen Augen ein weiterer dieser Musik-Architekten. Threadgill denke in dieser kompositorischen Art und das ziehe ihn an. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 16: Egypt, Audio im Abschnitt 1:03:51 Stunden/Minuten/Sekunden bis Ende, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net/)
  38. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 878
  39. Die Pianistin Mary Lou Williams, die Thelonious Monks Musik sehr schätzte, erzählte über die erste Zeit, als sie Monk in den 1930er Jahren hörte: „Wir nannten es Zombie-Musik […], denn die schrägen Akkorde erinnerten uns an Musik aus Frankenstein oder anderen Horror-Filmen.“ (QUELLE: von Max Jones geführtes Interview, Mary Lou Williams – A Life Story, Zeitschrift Melody Maker, April-Juni 1954, Internet-Adresse: http://www.ratical.org/MaryLouWilliams/MMiview1954.html, eigene Übersetzung)
  40. QUELLE: Eunmi Shim, Lennie Tristano – His Life in Music, 2007, S. 76, eigene Übersetzung
  41. Pianist Ethan Iverson: Monk „war auch ein Spitzentechniker des Klaviers und natürlich ein Meisterkonzeptualist, aber das Klavier wie eine Reihe von gestimmten Perkussions-Instrumenten zu behandeln, war in seiner Konzeption zentral.“ (QUELLE: Ethan Iverson, Lennie Tristano/Barack Obama, ursprünglich Mai 2008, updated im Jänner 2011, Do The Math - blog and webzine, Internet-Adresse: http://thebadplus.typepad.com/dothemath/2008/05/lennie-tristano.html, eigene Übersetzung)
  42. Pianist Gil Coggins, der Davis im Jahr 1943 erstmals spielen sah und Anfang der 1950er Jahre kurze Zeit seiner Band angehörte, über ihn: „Er war einer von den Typen mit diesem beschissenen bourgeoisen Gehabe. Er wollte niemals bei einem Nickerchen erwischt werden … Er hatte sich unter Kontrolle … Er hält die Leute auf Distanz, damit man ihm nicht zu nahe tritt.“ (Quelle: Ian Carr, Miles Davis. Eine kritische Biographie, 1985, S. 20 und 56)
  43. unter anderem Konzertveranstalter des Newport Jazz Festivals von 1954 bis 2007 und etlicher anderer Jazz-Festivals, auch in Europa
  44. QUELLE: Ekkehard Jost, Jazzmusiker, 1982, S. 158
  45. Steve Coleman zu Miles Davis in Steve Coleman über Vibe: Link
  46. Zum Beispiel wurde Coltrane von den Lesern der Zeitschrift DownBeat in den Jahren 1960 und 1961 sowie 1964 und 1965 zum „Tenor-Saxofonisten des Jahres“ gewählt. Ansonsten wählten sie von 1950 bis 1971 stets (den „weißen“) Stan Getz. (QUELLE: The DownBeat Readers Poll Archive, Internetseite der Zeitschrift DownBeat, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=cpollindex)
  47. John Coltrane spielte ab 1945 fast zehn Jahre lang überwiegend in Rhythm-and-Blues-Bands – aus finanziellen Gründen länger, als er eigentlich wollte. Ein damaliger Musikerkollege sagte über ihn: „Er war ein Rhythm-and-Blues-Spieler, weil er die Roots hatte.” (QUELLE: Gerd Filtgen/Michael Außerbauer, John Coltrane. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 22). Coltrane über die Rhythm-and-Blues-Musik: „Sie erreicht die Leute. Sie ist eine direkte emotionelle Kommunikation, in die das Publikum miteinbezogen wird.” (QUELLE: J. C. Thomas, Chasin’ The Trane, deutsch 1986, S. 61). Coltrane spielte auch später immer wieder Jazz-Blues-Stücke, das letzte veröffentlichte im Jahr 1965 (Album Living Space). Schlagzeuger Elvin Jones über die Musik des John-Coltrane-Quartetts, dem er angehörte: „Sie war nicht so neuartig, dass sie alles über Bord geworfen hätte, was beim Jazz elementar war, aber auf viele wirkte sie befreiend. Es lag nicht daran, dass sie so weit vom Blues entfernt gewesen wäre, sondern dass sie eine andere Methode darstellte, den Blues zu spielen – und zwar eine bessere: Es war eine Art und Weise, mit der man sich in der jetzigen Zeit identifizieren konnte.“ (QUELLE: Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 39) – Näheres zur Verbindung mit religiöser Musik im Artikel Coltranes spirituelle Wurzeln, insbesondere an folgender Stelle: Link
  48. QUELLE: Wynton Marsalis, Jazz, mein Leben, 2010, S. 149
  49. QUELLE: Eric Nisenson, Ascension. John Coltrane and his Quest, 1995, S. xiii, eigene Übersetzung
  50. John Coltranes zweite Ehefrau
  51. QUELLE: Lewis Porter, John Coltrane. His Life and Music, 1999, S. 276
  52. Val Wilmer gab in ihrem Buch As Serious As Your Life, 1977 (deutschsprachige Ausgabe: Coltrane und die jungen Wilden, 2001), dem Kapitel über Cecil Taylor den Titel „Cecil Taylor – 88 gestimmte Trommeln“. Dieser Ausdruck wurde in der Jazz-Literatur dann im Zusammenhang mit Taylor immer wieder verwendet.
  53. QUELLE: Konrad Heidkamp, Die Fantasie Gottes. Auch die Spätwerke des Jazzers Cecil Taylor sind grandiose Zumutungen, 22. April 2004, Internetseite der Zeitschrift Die Zeit, Internet-Adresse: http://www.zeit.de/2004/18/Taylor
  54. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Stanley Crouch, Februar 2007, Iversons Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-stanley-crouch.html, eigene Übersetzung
  55. offenbar die Avantgarde-Musiker der 1960er Jahre
  56. afro-amerikanisches Viertel
  57. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Stanley Crouch, Februar 2007, Iversons Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-stanley-crouch.html, eigene Übersetzung
  58. Schlagzeuger, der in den 1940er Jahren vor allem durch sein Zusammenspiel mit Charlie Parker berühmt wurde
  59. Album Cecil Taylor and Max Roach. Historic Concerts (1979)
  60. QUELLE: Ekkehard Jost, Instant Composing als Körpersprache, anlässlich eines Auftritts von Cecil Taylor in Berlin im Jahr 1988, Internetseite der Schallplatten-Firma Free Music Production (FMP), Internet-Adresse: http://www.fmp-label.de/freemusicproduction/labelsspecialeditions/ct88_jost_d.html
  61. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 46
  62. als er John Lewis und Gunther Schuller kennenlernte (1959/60; QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 46)
  63. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 46
  64. Tenor-Saxofonist
  65. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 327
  66. Tenor-Saxofonist
  67. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 1209
  68. QUELLE: Ekkehard Jost, Jazzmusiker, 1982, S. 17
  69. QUELLE: Robert G. O'Meally/Brent Hayes Edwards/Farah Jasmine Griffin, Uptown Conversation. The New Jazz Studies, 2004, S. 79, Quellenangabe: George Coppens, Lester Bowie, kanadische Jazz-Zeitschrift Coda, Nummer 164-65, Februar 1979, S. 12-15, eigene Übersetzung
  70. Val Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001, S. 33
  71. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 188
  72. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 196
  73. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 912
  74. Joachim-Ernst Berendt behauptete, Murray „kommt von Albert Ayler […], selbst wenn Murray – um die Maßstäbe zurechtzurücken – in Interviews immer wieder seine Verbundenheit mit den Swing-Tenoristen […] unterstreicht.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 188). Murray reagierte auf solche Aussagen von Jazz-Kritikern über eine angebliche Ayler-Nachfolge, die insbesondere auf Murrays Stück Flowers for Albert auf seinem ersten Album zurückgingen, jedoch ärgerlich: Er habe dieses Stück für 10 Jahre aus seinem Repertoire gestrichen, denn er sei „kein Ayler-Schüler. Ich habe immer Ben Webster, Coleman Hawkins und Lester Young, Sonny Rollins und Sonny Stitt studiert. Albert Ayler hat das Tenor-Saxofon auf eine neue Stufe gehoben – das zeichnet ihn aus. Und das wollte ich mit meinem Stück würdigen.“ (QUELLE: Christian Broecking, Jeder Ton eine Rettungsstation, 2007, S. 26)
  75. zum Beispiel mit Cassandra Wilson im Album Sacred Ground
  76. In den 2000er Jahren sagte Murray: „In Paris gehe ich zwar nicht in die Kirche, aber sonntags höre ich zu Hause gerne Gospelplatten. Und als ich in Texas war, in Midland, wo mein Vater lebte, besuchte ich ihn in seiner Kirche. Ich wuchs in einer Kirche auf, sie ist immer in mir drin. […] meine Mutter […] war Pianistin und leitete die Band und den Chor der Kirche. […] Ich bin echt ein Traditionalist, was die Kirche angeht. […] Ich liebe die Spiritualität, die Dichte, die Erforschung.“ (QUELLE: Christian Broecking, Jeder Ton eine Rettungsstation, 2007, S. 19)
  77. zum Beispiel mit den Gwo Ka Masters aus Guadeloupe und mit seiner Latin Big Band aus Kuba
  78. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 196
  79. Crouchs Aussage muss aus der Zeit vor seiner irritierenden Richtungsänderung stammen, mit der er sich von seinen Versuchen als „Free“-Schlagzeuger und seiner Unterstützung für Murray abrupt abwandte und zu einem Gegner der Avantgarde und Förderer der betont traditionsgebundenen Linie von Wynton Marsalis wurde.
  80. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 185
  81. QUELLE: Christian Broecking, Respekt!, 2004, S. 106
  82. QUELLE: Christian Broecking, Respekt!, 2004, S. 106
  83. QUELLE: Christian Broecking, Respekt!, 2004, S. 105
  84. QUELLE: Christian Broecking, Respekt!, 2004, S. 105f.
  85. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Henry Threadgill. part 3, 21. Mai 2011, Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-3.html
  86. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Henry Threadgill. part 3, 21. Mai 2011, Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-3.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  87. US-amerikanischer, 1971 geborener Jazz-Pianist indischer Abstammung, der ab 2010 von Jazz-Kritikern häufig als besonders bedeutender Jazz-Musiker hervorgehoben wurde
  88. QUELLE: Text der Firma Pi-Recordings anlässlich der Veröffentlichung von Threadgills Album Tomorrow Sunny/The Revelry, Spp im Juni 2012, Internet-Adresse: http://pirecordings.com/album/pi43
  89. Der Jazz-Kritiker Christian Broecking gab einem Artikel über Threadgill die Überschrift „Zuhause im Labyrinth. Der New Yorker Henry Threadgill ist eine der sperrigsten Figuren im aktuellen Jazz. Für seine Musik hat er ein eigenwilliges Tonsystem ertüftelt.“ (QUELLE: Christian Broecking, Zuhause im Labyrinth, 26. November 2009, Zeitschrift Die Zeit, Internet-Adresse: http://pdf.zeit.de/2009/49/M-Henry-Threadgill.pdf) Dabei war Broecking der Avantgarde durchaus zugeneigt: Er zählte vier Free-Jazz-Alben (Ornette Coleman, The Shape Of Jazz To Come, 1959; Archie Shepp, Fire Music, 1964; Pharoah Sanders, Karma, 1969; Art Ensemble Of Chicago, Bap-Tizum, 1972) zu den bedeutendsten „zehn Meilensteinen der Jazz-Geschichte“. (QUELLE: Zeitschrift Die Welt, 2005, Internet-Adresse: http://www.welt.de/download/kulturkanon_musik.pdf)
  90. QUELLE: Martin Pfleiderer in: Peter Niklas Wilson (Hrsg.), Jazz-Klassiker, 2005, Band 2, S. 695, Quellenangabe: kanadische Zeitschrift Cadence, es dürfte sich um folgendes Interview handeln: Ludwig van Trikt, Henry Threadgill, Zeitschrift Cadence, 11/9 (September 1985), S. 5-7 (Threadgills Aussage wird auch in Berendts Jazzbuch-Ausgabe von 1989 erwähnt)
  91. QUELLE: Martin Pfleiderer in: Peter Niklas Wilson (Hrsg.), Jazz-Klassiker, 2005, Band 2, S. 695f.
  92. QUELLE: von Hank Shteamer am 23.8.2009 geführtes Interview, Zeitschrift The Wire, Heft 309, November 2009, Internet-Adresse: http://www.thewire.co.uk/articles/3251/?pageno=1
  93. Henry Threadgill: „Es ist komisch, wenn Leute Dinge sagen wie: der Abschnitt in 5/4. Und ich sage: Ich würde gerne wissen, wo das ist. Und die Band sagt: Wir würden das auch gerne wissen. Ich weiß nicht, wo du das gehört hast! Denn grundsätzlich denke ich in 1/4. Von Beat zu Beat. […] Ich mag kein Gefühl von einem Metrum, denn wenn man ein Metrum spürt, dann fühlt man Unterteilung. Das Eine ist vorbei, das Nächste kommt. Das steht dem Fluss im Weg. Der Fluss ist alles - im Film, im Theater, in der Literatur, in der Architektur, im Tanz, in der Musik.“ (QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Henry Threadgill. part 3, 21. November 2011, Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-3.html, eigene Übersetzung)
  94. QUELLE: Dan Ouellette, Henry Threadgill. An Iconoclast's Moves, Internetseite der Jazz Journalists Association Library, Internet-Adresse: http://www.jazzhouse.org/library/library2.php3?read=ouellette2
  95. siehe oben den Absatz über Monks Musik
  96. Association for the Advancement of Creative Musicians
  97. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Henry Threadgill. part 3, 21. Mai 2011, Internetseite DO THE MATH, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-henry-threadgill-3.html, betreffende Stellen in eigener Übersetzung: Link, Link
  98. Steve Coleman im Jahr 1987: Er versuche nicht, Charlie Parker zu kopieren, aber er gestalte viel nach Parkers Vorbild, denn nach seinem Gefühl hatten die damaligen Musiker das perfekte Gleichgewicht zwischen Gefühl und Intellekt und dem Bestreben, sich selbst zu finden. (QUELLE: Howard Mandel, Future Jazz, 1999, S. 149)
  99. Steve Coleman sang eine Linie Parkers vor und sagte dazu: Dieses Zeug habe ihn umgehauen. Was er mit seiner Band gerade machte, komme daraus – in Bezug auf die Art, wie es gleitet. Die Art, wie es zwischen Molltönen gleitet, wie es sich im positiven Zyklus der Dominanten bewegt . Es gebe mehrere Arten, wie man es interpretieren kann, doch seien manche Interpretationen stärker als andere – in Bezug darauf, wohin es geht. Das könne mehreres sein. Es sei egal, welche Namen man im Einzelnen dafür verwendet. Es sei tiefgehend, denn es sei monophon. Dadurch dass es völlig monophon ist, sei es näher an Volksmusik. Er betrachte es als eine Art komplexer Volksmusik, verfeinerter [sophisticated] Volksmusik – verfeinert, da es mehr enthält als die meiste Volksmusik, die gewöhnlich diatonisch oder pentatonisch ist. Wenn etwas mehr verfeinert ist, bedeute das auch, dass etwas dahinter gemacht wurde, eine Ebene dahinter. In diesem Fall sei es eine tonale Logik dahinter. All das mache in der Summe die Verfeinerung aus. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 20: Musical Details, Audio im Abschnitt 0:03:27 bis 0:05:58 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2015, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  100. Billy Hart: Steve Coleman sei der Erste seiner Generation, der all diese Einflüsse zusammenziehe, die gesamte bisherige Musik. Sein eigener Einfluss liege in der Art, wie er es zusammenzieht: aus einer tiefgehenden Kenntnis der Tradition heraus und durch einen eigenständigen Sound. (QUELLE: Fred Kaplan, After 30 Albums and 3 Recent Prizes, a Jazzman Flirts With the Mainstream, Internetseite der Zeitung The New York Times, 28. August 2016, Internet-Adresse: http://www.nytimes.com/2016/08/29/arts/music/steve-coleman-new-york-residency.html)
  101. QUELLE: Russ Musto, Steve Coleman Elemental, Internetseite der Zeitschrift The New York City Jazz Record, Ausgabe Nummer 173, September 2016, S. 8, Internet-Adresse: http://www.nycjazzrecord.com/issues/tnycjr201609.pdf
  102. Steve Coleman: Musiker wie Charlie Parker seien in der Tradition verwurzelt gewesen, aber sie hätten herausgefunden, wie sie diese Tradition aus ihrem Blickwinkel neu denken können. Von daher komme er. Wynton Marsalis spreche ständig über die Tradition und insofern seien sie sich ähnlich. Sie hätten tatsächlich viel gemeinsam, denn sie verehren beide die Tradition. Ihr Unterschied bestehe in der Art, wie sie die Tradition in ihrer Zeit ausdrücken. Diese Unterschiede seien notwendig. Es sei notwendig, dass manche Leute mehr konservativ und andere mehr progressiv sind. So erhalte man die ganze Bandbreite des Menschseins. Es bestehe nicht bloß in einer Sache. Wenn alle so wären wie er oder wie Marsalis, wäre es furchtbar. Es sei gut, dass die Leute eine Wahl haben, und manche würden beides mögen. (QUELLE: Mark Stryker, Jazz great Steve Coleman putting down roots in Detroit, Internetseite der Zeitung Detroit Free Press, 14. Oktober 2016, Internet-Adresse: http://www.freep.com/story/entertainment/music/2016/10/14/steve-coleman-detroit-residency/92001176/)
  103. „rassisch“ separierten
  104. AACM-Posaunist George E. Lewis (QUELLE: Wolfram Knauer [Hrsg.], Jazz und Gesellschaft. Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung. Band 7, 2002, S. 225)
  105. Näheres und Quelle an folgender Stelle des Artikels Steve Colemans Substrat: Link
  106. Steve Coleman sprach darüber im Zusammenhang mit dem Einsatz von Rappern. (Näheres in dem von Anil Prasad Anfang 2008 geführten Interview mit Steve Coleman, Steve Coleman. Digging deep, Internet-Adresse: http://www.innerviews.org/inner/coleman.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link) In dem erstmals 1992 für ein Album (Drop Kick) aufgenommenen Stück Drop Kick verwendete Coleman zum Beispiel rhythmische Elemente aus der James-Brown-Musik. (Näheres: Link) Auch später legte er auf die Wirksamkeit seiner Musik Wert und sagte 2014/2015: Die einzelnen verwendeten Patterns müssten einfach und hip sein. Er leihe viele Sachen von bereits bestehenden verwobenen Dingen in der Welt aus, meistens aus einer Volksmusik, die bereits diese Tendenz des Ineinanderpassens hat. Er entnehme einzelne Elemente, quasi kleine Keimlinge, und bilde daraus seine eigenen Variationen. Er mache das nicht nur in rhythmischer, sondern auch in harmonischer und melodischer Hinsicht. (Näheres und Quelle in einer Fußnote an folgender Stelle des Artikels Steve Colemans Substrat: Link) Siehe auch die oben erwähnte Wertschätzung Colemans dafür, dass die einstimmige (monophone) Kunst von Musikern wie Charlie Parker der Volksmusik nahe ist.
  107. QUELLE: Russ Musto, Steve Coleman Elemental, Internetseite der Zeitschrift The New York City Jazz Record, Ausgabe Nummer 173, September 2016, S. 8, Internet-Adresse: http://www.nycjazzrecord.com/issues/tnycjr201609.pdf
  108. Steve Coleman: „My biggest influence is the fact that I grew up in an all-black neighborhood in Chicago.” (QUELLE: Fred Kaplan, After 30 Albums and 3 Recent Prizes, a Jazzman Flirts With the Mainstream, Internetseite der Zeitung The New York Times, 28. August 2016, Internet-Adresse: http://www.nytimes.com/2016/08/29/arts/music/steve-coleman-new-york-residency.html)

 

 

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