Wird in der Musik eine neue Art von Klängen populär,
dann verbinden manche Musiker sie schon bald mit ein wenig Jazz. So hört man
je nach Trend zum Beispiel ein jazziges Saxofon mit spacigen elektronischen
Sounds.
HÖRBEISPIEL: Flying Lotus: German Haircut (2010)
Oder es wird ein Saxofon von Rap und Scratchen auf Plattenspielern begleitet.
HÖRBEISPIEL: Greg Osby: Mr. Gutterman – Reprise (1993)
Oder es vermischen sich die Klänge von Trompete, rockiger E-Gitarre und E-Piano.
HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Yesternow (1970)
In noch älterer Zeit spielte zum Beispiel ein Saxofon mit einer Hammond-Orgel zusammen.
HÖRBEISPIEL: Jimmy Smith/Stanley Turrentine: Picnickin‘ (1963)
Jazz-Musiker experimentieren oft sehr innovativ mit neuen Möglichkeiten der Sound-Erzeugung. Zum Beispiel füllte der Trompeter Miles Davis seine Musik Mitte der 1970er Jahre mit folgenden Klängen.
HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Agharta (1975)
Zusammen mit einem Flöten-Solo erzeugen diese Sounds viel Atmosphäre.
HÖRBEISPIEL: Miles Davis: Agharta (1975)
Echt heftige, elektronische Klänge produzierte der Free-Jazz-Musiker Sun Ra schon 1971, also vor einem halben Jahrhundert.
HÖRBEISPIEL: Sun Ra: The Paris Tapes (1971)
Das Publikum war begeistert.
HÖRBEISPIEL: Sun Ra: The Paris Tapes (1971)
Die elektronischen Sounds im Jazz der 1970er Jahre wurden nicht programmiert, sondern direkt auf Keyboards gespielt. In den 1990er Jahren begannen einige europäische Musiker, jazzige Spielweisen mit programmierten Loops und Sounds zu kombinieren und damit beschauliche Stimmungen zu erzeugen.
HÖRBEISPIEL: Nils Petter Molvaer: Platonic Years (1997)
Als Abwechslung dienten hin und wieder quirlige, hektische Klänge.
HÖRBEISPIEL: Nils Petter Molvaer: Platonic Years (1997)
Ein typisches Beispiel für solche Musik ist auch folgende Art Sound-Collage.
HÖRBEISPIEL: Bugge Wesseltoft: Live in Cologne (2000)
Diese Welle erreichte als so genannter „Nu Jazz“ ein größeres Publikum, das am Rand an Jazz interessiert war, und ebbte ein paar Jahre später ab.
Ich beobachte schon lange, wie im Jazz und besonders in der Pop-Musik neue Klänge auftauchen und eine Zeit lang modern sind. In meiner Jugendzeit war der erste elektronische Hit eine Weile ständig irgendwo zu hören.
HÖRBEISPIEL: Hot Butter: Popcorn (1972)
Mittlerweile wurden die Möglichkeiten der Elektronik ja sehr erweitert und man hat sich an die neuen Klänge gewöhnt. Sie ersetzen aber nicht jede andere Art von Musik. Im folgenden Song sind die Klänge mit viel Feingefühl gestaltet und das hat eine emotionale Wirkung. Nicht nur die Stimme, sondern auch die Begleitmusik hat Wärme, Seele, Soul. Der Rhythmus variiert ständig, schwillt an und ab, als würde er atmen.
HÖRBEISPIEL: Olu Dara: Harlem Country Girl (1998)
Das ist kein Jazz, aber die beteiligten Musiker kommen aus der afro-amerikanischen Jazz-Tradition und sind erfahren im Spielen lebendiger Sounds. Der Saxofonist Steve Coleman erklärte: Wenn man die alten Jazz-Meister hört, dann entwickelt sich das Gehör und man erkennt Feinheiten, zum Beispiel wie sie bei der Gestaltung ihres Tons verschiedene Arten von Vibrato einsetzen. Das sind winzige Details, die aber in der Wirkung der Musik einen großen Unterschied ergeben.1)
Die Jazz-Meister machen dabei keineswegs eine zarte Kammermusik, sondern spielen expressiv, oft rau.
HÖRBEISPIEL: Von Freeman: Young And Foolish (1977)
Dizzy Gillespie, einer der bedeutendsten Jazz-Trompeter, fand, dass Jazz „aus dem Bauch herausgeschwitzt“ werden muss. Nun spielen nicht alle Jazz-Musiker so hitzig wie Dizzy Gillespie, aber ein persönlicher Ausdruck mit einem gewissen Körpereinsatz ist für die Lebendigkeit dieser Musik entscheidend.
Passen neue Klänge oder Instrumente zur speziellen Art des Jazz, dann hat er sie immer offen aufgenommen und integriert. So wurde zum Beispiel die elektrisch verstärkte Gitarre im Jazz besonders früh eingesetzt und sie etablierte sich im Jazz mit einem schlanken Ton.
HÖRBEISPIEL: David Murray: Black February (1991)
Steve Coleman entwickelte mit Hilfe von Programmierern ein improvisierendes Computerprogramm. Er verwendete es jedoch nur als Werkzeug, um an seinen musikalischen Konzepten zu arbeiten, nicht um das Zusammenspiel mit seiner Band zu ersetzen.2) Auch ging es ihm nicht um Sound-Effekte. Wie die früheren Meister legt er das Schwergewicht auf die melodische, rhythmische und harmonische Gestaltung. So ist die Musik der Jazz-Meister viel mehr als Sound.
Es kommt darauf an, wozu man Musik gerade einsetzen will. Soll sie im Hintergrund eine entspannende Stimmung schaffen oder Beats zum Tanzen liefern, dann ist Jazz nicht ideal. Möchte man aber so etwas wie eine spannende musikalische Geschichte hören, dann sind die Jazz-Meister unübertrefflich.
HÖRBEISPIEL: Steve Coleman and Five Elements: Dogon (1994)
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