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Free-Funk


Der Alt-Saxofonist Ornette Coleman wurde im Jahr 1930 geboren und lebte bis zu seinem 19. Lebensjahr in der Stadt Fort Worth in Texas, wo er unter der durch Armut und Rassismus bedingten Härte der Verhältnisse litt1) und zugleich eine Beharrlichkeit in der Behauptung seiner Individualität entgegen aller Widrigkeiten entwickelte2). Er brachte sich das Saxofonspielen selbst bei und entfaltete seine eigenwillige Spielweise weiter, obwohl sie in den Musikerkreisen, in denen er sich bewegte, überwiegend als disharmonisch empfunden und mit Ablehnung und Verachtung beantwortet wurde.3) Im Laufe der 1950er Jahre fand er in Los Angeles adäquate Mitspieler für eine eigene Band sowie einen Schallplattenproduzenten, der seine ersten beiden Alben4) herausbrachte.5) Nachdem ihm Ende der 1950er Jahre ein etablierter Jazzmusiker6) einen Vertrag mit einer bekannten Schallplattenfirma sowie die Aufmerksamkeit von Jazzkritikern verschaffte, von denen einer wiederum Auftritte in New York in die Wege leitete, wurde seine Musik dort in Jazz-Kreisen zur Sensation.7) Viele fanden sie zu schrill, dilettantisch, unharmonisch, im emotionalen Ausdruck „verrückt“. Manche mögen in ihr eine künstlerische Weiterentwicklung im Sinne der europäischen Moderne, jedoch auf der Basis eines urwüchsigen Blues-Feelings gesehen haben.8) Und für viele junge Jazzmusiker war die Unbekümmertheit, mit der Coleman ohne vorgefasstes harmonisches Raster und ohne Rücksicht auf rhythmische Zyklen seine melodischen Ideen fortspann9), eine Befreiung der Kreativität von all den Hürden, die die großen Meister des Jazz aufgebaut hatten, um ihre Improvisationskunst auf die Spitze zu treiben.10) Eines der Alben, die Coleman in den Folgejahren aufnahm, erhielt den Titel Free Jazz und dieser Ausdruck wurde dann zur Bezeichnung der gesamten Bewegung verwendet, die von den Innovationen Colemans und des Pianisten Cecil Taylor angestoßen wurde und viele, oft recht unterschiedliche Wege zu neuen Entfaltungsmöglichkeiten umfasste.

Coleman hatte sich unter anderem mit Charlie Parkers Musik beschäftigt11) und argumentierte, Parker hätte seine Musik verstanden und seinen Bestrebungen zugestimmt12). Das ist wohl insofern denkbar, als Parker in seiner späteren Zeit nach Möglichkeiten einer Erweiterung, unter anderem in harmonischer Hinsicht, suchte13) und stets für viele verschiedene Musikarten offen war (auch wenn ihn Colemans etwas schwerfälliges, verwaschenes, skurriles, wieherndes Spiel auch amüsiert haben könnte). Für John Coltrane, der in gewisser Weise14) Parkers Linie fortführte, war Ornette Colemans Konzept einer harmonischen Befreiung der Melodik tatsächlich ein wichtiger Impuls: Coltrane vereinfachte für seine Band die zuvor von ihm extrem verkomplizierten Akkordvorgaben. Doch sein eigenes Spiel baute er sogar noch in seiner als Free-Jazz-Phase betrachteten Spätzeit anhand komplexer harmonischer Strukturen auf.15) Auch eine Weiterentwicklung von Parkers Musik, zu der er aufgrund seines frühen Todes nicht kam, ist wohl nicht ohne seine Raffinesse vorstellbar, mit der er ein halsbrecherisches Spiel mit dichten Strukturen vollführte. In dieser Hinsicht ging Ornette Colemans Spielweise mit ihrer Kombination aus Vereinfachung und größerer Toleranz gegenüber „schrägen“ Klängen sowie ihrem „Do-it-youself“-Charakter (wie es Vijay Iyer ausdrückte, der Colemans Musik schätzte)16) in die entgegengesetzte Richtung. Eine der faszinierenden Qualitäten von Parkers Spiel war die anspruchsvolle Rhythmik seiner Melodielinien17), wohingegen Ornette Coleman in der Regel rhythmisch einfache, überwiegend gleichmäßige Tonketten spielte18) und rhythmische Zyklen auflöste, indem er seine Phrasen ohne Rücksicht auf sie nach rein melodischen Gesichtspunkten gestaltete, sodass die Phrasen beliebig lang waren19).

Ornette Coleman war zunächst gut im Geschäft, überzog jedoch seine Gagen-Forderungen, sodass seine Auftrittsmöglichkeiten in den 1960er Jahre immer wieder für längere Zeiten rar wurden20) und weniger Alben von seiner Musik erschienen. Er begann Kompositionen für ein „klassisches“ Bläserquintett, für eine Streicherbesetzung und schließlich für ein Sinfonieorchester mit Jazzband21) zu schreiben, die allerdings weder im Jazz und schon gar nicht im Konzertmusikbereich größeren Anklang fanden. Im Jahr 1972 reiste Coleman nach Nigeria, wo er mit Haussa-Musikern spielte, und im Jänner des darauffolgenden Jahres mit einem gesamten Aufnahmeteam in das marokkanische Dorf Joujouka, um mit den dortigen „Meistermusikern“ ein Album aufzunehmen. Ein Musikkritiker hatte ihm zuvor Aufnahmen von deren kunstvollen Musik vorgespielt, die ursprünglich aus dem heutigen Iran stammte und im Zusammenhang mit sufistischem Glauben eine rituelle Funktion erfüllt, wobei ihr eine magische, heilende Wirkung zugesprochen wird. Sie faszinierte Coleman mit ihren komplexen, orchestralen, nicht reinen (temperierten) und daher in den Obertönen reibungsvollen Klängen sowie mit ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Bewohner des Dorfes. Demgegenüber spielte er selbst einerseits in frühen Jahren publikumswirksame, jedoch künstlerisch einengende Tanzmusik und andererseits dann eine zwar seinen eigenen Vorstellungen entsprechende Musik, die aber nicht mehr so direkt ein breiteres Publikum erreichte.22) Nach seiner Rückkehr aus Marokko scheint Coleman primär ein großes „klassisches“ Orchester vor Augen gehabt zu haben, mit dem er mehrere Jahre lang experimentieren wollte, um seine neuen, von der Musik in Joujouka angeregten Vorstellungen umzusetzen.23) Zu Beginn des Jahres 1974 zerschlug sich diese Hoffnung jedoch, nachdem sein Vertragsverhältnis zu einer großen Schallplattenfirma von dieser beendet wurde, da sie mehr auf gewinnbringende Rockmusiker setzen wollte. Ohne große Firma bestand für Coleman aus finanziellen Gründen aber keine Möglichkeit, ein Orchester zu engagieren. Stattdessen versuchte er nun, angeregt vor allem durch die Musik von Jimi Hendrix, die klanglichen Möglichkeiten der elektrischen Gitarre für einen orchestralen Klang zu nutzen.24) Bereits wenige Monate nach der Joujouka-Reise war er zum ersten Mal mit einem E-Gitarristen in seiner Band aufgetreten25)– mit James „Blood“ Ulmer, der in einem eigenen, rauen, Blues-gefärbten Stil spielte und damit sowohl an Colemans musikalische Wurzeln anknüpfte26) als auch die im Zusammenhang mit der Rockmusik damals populären Klänge von E-Gitarren ins Spiel brachte.

Im Jahr 1975 oder 197627) nahm Coleman mit einer neuen Band, die er „Prime Time“ nannte und die von zwei E-Gitarristen, einem E-Bassisten und dem Schlagzeuger Ronald Shannon Jackson gebildet wurde, die Alben Dancing in Your Head und Body Meta auf.28) Anstelle einer Abfolge von Soli improvisierten die Bandmitglieder gleichzeitig und bezogen sich dabei nur sehr lose aufeinander, sodass sie ein Gewirr aus Linien und Figuren und damit einen vielfältigen Gesamtklang erzeugten, der wesentlich „schräger“ war als Colemans legendäre Aufnahmen der Zeit um 1960.29) Er selbst fügte sich in dieses gemeinschaftliche Improvisieren mit einer Spielweise ein, die „einfacher denn je“ war und aus „simplen wiederholten Riffs“ bestand.30) Auch die Beiträge anderer Bandmitglieder sind für sich oft durchaus eingängig und melodiös, doch erzeugt ihre Kombination so viel an anhaltender Dissonanz, dass die Musik auch für Hörer, die Colemans frühe Aufnahmen schätzen, oft schwer erträglich ist. Im krassen Gegensatz zu den aufreibenden Klängen der Kollektivimprovisation sind die Themen der Stücke schlicht, einprägsam, mitunter geradezu kinderliedartig und fröhlich ausgelassen (besonders im Album Dancing in Your Head), was zusätzlich skurril wirkt.

Die Musik wird überwiegend von einem einfachen, stampfenden und tickenden Grundrhythmus getragen, der jedoch in der Art des Free-Jazz von vielen desorientierenden Akzenten und Figuren „aufgebrochen“ wird. Somit werden auch in rhythmischer Hinsicht Simplizität und schwer erfassbare, ineinanderfließende Texturen kombiniert, die wenig beständige Ordnung haben. Mitunter geht das Aufbrechen so weit, dass sich die gesamte rhythmische Bewegung vorübergehend aufzulösen beginnt. Klare rhythmische Ebenen mit spezifischen rhythmisch-melodischen Figuren, die nachvollziehbar ineinander verzahnt sind und einen geschmeidigen Groove ergeben, sind hier nicht zu finden. Vielmehr springt die Musik rüttelnd und schüttelnd, polternd und stolpernd voran und wirbelt in eher wirren melodischen Bewegungen umher.

Die beiden ersten Prime-Time-Alben waren alles andere als gut verkäufliche Fusion-Produkte. Doch ging es Coleman sehr wohl darum, Hörer unmittelbarer zu erreichen, wie aus seinen folgenden Aussagen hervorgeht: Er hätte lieber ein Orchester gehabt, habe es sich aber nicht leisten können. Die Gitarre sei das populärste Instrument, besonders für „weiße“ Leute. Sie sei für sie wie das Tenor-Saxofon für die meisten „schwarzen“ Amerikaner.31) Mit Prime-Time versuche er einerseits, eine musikalische Präsentation zu entwickeln, bei der sich die Leute so behaglich fühlen, als würden sie ein Lied hören, gleichzeitig aber eine Musik zu spielen, die freier ist als alles, was sie in ihrem Leben je gehört haben.32) – In Colemans Album Of Human Feelings (1979) wurden die „freien“ rhythmischen Texturen dann weitgehend durch einen rockmusikartigen, simplen Rhythmus ersetzt und das vermutlich 1988 aufgenommene Album Virgin Beauty ist in rhythmischer Hinsicht nicht anspruchsvoller. Im Album Tone Dialing (1995) knüpfen einige der Stücke an altbekannte oder modische Klischees (J. S. Bach, Karibik-Flair, Hip-Hop) an, aber über weite Strecken besteht der Rhythmus aus einem diffusen kollektiven Brodeln.

Ein britischer Musiker und Buchautor33) meinte, Colemans kreativste Zeit sei in den 1950er Jahren gewesen, seine restliche Karriere scheine „irgendwie abgefallen“ zu sein.34) Zumindest wenn spannende Jazz-Improvisation das Kriterium ist, dann erweist sich die Prime-Time-Musik im Vergleich zu Colemans Aufnahmen um 1960 und aus 196535) wohl tatsächlich als wenig ergiebig. Auch reichen die teils rockenden, teils zerfließenden Rhythmen der Prime-Time nicht an das klare, kunstvolle Spiel mit rhythmisch-melodischen Figuren heran, das insbesondere Colemans bevorzugter Schlagzeuger Ed Blackwell in früheren Tagen in seine Musik einbrachte.

James „Blood“ Ulmer kam im Jahr 1972 als 30-Jähriger mit Ornette Coleman in Kontakt, lernte von ihm36) und trat ab 1973 etliche Jahre lang immer wieder mit seinen Bands auf37). Doch ist das einzige Album, in dem er mit Coleman zu hören ist, das erste unter Ulmers Namen veröffentlichte aus dem Jahr 197838), das noch besonders stark von Colemans Einfluss geprägt ist39). In seinem nachfolgenden, 1980 aufgenommenen Album Are You Glad To Be In America? näherte sich Ulmer hingegen mit eckigen, rockigen, stampfenden Grooves und zwei Gesangsnummern populärerer Musik an, allerdings einer außenseiterischen mit harten, metallischen Klängen, die eine düstere Großstadt-Atmosphäre widerspiegelt.40) Über den simplen Grundmustern erzeugen wirbelnde Trommelschläge, umherspringende Basslinien und Ulmers fahrige Gitarrenläufe und Akzente eine zwar dichte, aber sperrige Rhythmik. Der Groove eines James-Brown-Songs wie Mother Popcorn (1969) oder eines Stückes der Neville Brothers wie Congo Square41) ist bei weitem geschmeidiger, im Bewegungsgefühl anregender und insofern befriedigender. Der melodische und harmonische Gehalt von Ulmers Stücken ist gering, sodass nahezu ein Skelett aus polternden Rhythmen und schroffen, schneidenden Gitarrentönen bleibt, über dem sich in manchen Stücken Saxofone zu schreiartigem Ausdruck steigern. Die wenigen, einfachen, manchmal wehmütigen Melodien erhalten in dieser rauen, spröden Klangwelt umso mehr Gewicht. Dem Charakter dieser Musik entsprechend fand Ulmer besonders in der damaligen New Yorker Punk-Rock-Szene Anklang, in der er auch häufig auftrat.42) Gegenüber den melodisch, harmonisch und rhythmisch äußerst reichhaltigen, kunstvoll strukturierten Meisterwerken der Jazztradition wirkt Ulmers Musik hingegen sehr karg und derb. Schätzt man nicht ihre beißenden, lärmenden Klänge (etwa als Ausdruck eines speziellen Lebensgefühls oder einer aktuellen Realität), dann lässt sich ein nennenswerter Stellwert dieser Musik im Jazz nicht begründen.

Ebenfalls im Jahr 1980 war Ulmer als Mitglied des so genannten Music Revelation Ensembles am Album No Wave maßgeblich beteiligt. Es enthält anstelle von Annäherungen an populäre Musik ausgedehnte Improvisationen in der Art des Free-Jazz und wurde bezeichnenderweise in Europa aufgenommen, denn in den USA bestand an solcher Musik anscheinend zu wenig Interesse.

In den Jahren danach verfolgte Ulmer beide Richtungen (die „freiere“ und die populärere) weiter. Drei in den USA von einer großen Musikproduktionsfirma43) 1981, 1982 und 1983 aufgenommene Alben44) Ulmers sind zunehmend eingängiger, das zweite wurde treffend mit „Black Rock“ (einer Bezeichnung Ulmers für diese Musik45)) betitelt und zumindest das letzte dieser drei Alben hat kaum mehr Jazz-Charakter, wurde aber dennoch von Jazzkritikern hoch bewertet46). Es war besonders unter „weißen“ Rockmusikhörern beliebt und Ulmer bezeichnete die Musik dieser Alben später als „harmolodische47) Popsongs“.48) Er beteiligte sich zwar weiterhin auch an Free-Jazz-orientierten Aufnahmen, betrachtete diese jedoch nicht als sein zentrales Anliegen, wie er im Jahr 1992 sagte.49) Damals begannen die Titel seiner Alben, häufig das Wort „Blues“ zu enthalten50), und er spielte nun rockige Popsongs mit verstärkten Blues-Elementen. Andere stilistische Anteile beseitigte Ulmer aus dieser Musik, um sie nach eigener Aussage „für Hörer befriedigender zu machen“.51) Im Jahr 2001 organisierte ein jüngerer Gitarrist für Ulmer die Aufnahme einer Reihe von alten Blues-Stücken, in denen Ulmer als Blues-Musiker authentisch wirkt und mit seiner Stimme berührend die Seite der Verlierer in der US-amerikanischen Gesellschaft darstellte.52) Die Rolle des alten, zu den Wurzeln im Blues zurückgekehrten Musikers, der in seiner persönlichen, von all seinen Erfahrungen geprägten Art musikalische Geschichten erzählt, füllt Ulmer überzeugend aus, wie ein im Jahr 2004 aufgenommenes Solo-Album53) zeigt. Von den brillanten Improvisationen, die die herausragenden Vertreter der Jazztradition auszeichnet, war seine Musik jedoch weit entfernt und anspruchsvolle Grooves waren keineswegs ihre Stärke.

Der Schlagzeuger Ronald Shannon Jackson wurde Anfang 1966 als 26-Jähriger für ein paar Monate54) vom Free-Jazz-Saxofonisten ALBERT AYLER engagiert, der damals begann, seine extrem „freie“, von schreiartigen Klängen erfüllte Musik mit einfachen Melodien häufig marschähnlicher Themen zu verbinden, um mehr Hörer zu erreichen55). Jackson kam aus einem Tanzmusikumfeld seiner Heimatstadt in Texas56) und es lag ihm im Zusammenhang damit näher, die Marschrhythmen Aylers zu unterstützen, als seinem Vorgänger, Sunny Murray57).58) Die Zusammenarbeit mit Ayler hatte für Jackson eine befreiende Wirkung, denn er konnte dabei weitgehend so spielen, wie er es zuhause alleine für sich tat.59) Aylers verlangte nur, dass er kein „Tsching-Ka-Tsching-Ka-Ding“, keinen „Bebop“ spielt und den ganzen Raum mit Rhythmen ausfüllt, keine Löcher lässt.60) Jackson erzeugte daraufhin einen „wuchtigen, massiven Schlagzeugsound mit schweren Bass-Drum-Akzenten, permanentem Beckenrauschen und recht konkreten metrischen Strukturen61) auch in den improvisatorischen Passagen“.62) – Im Jahr 1975 engagierte ihn ORNETTE COLEMAN, da dieser dabei war, seine Prime-Time-Band zu bilden und Jackson gut mit dem E-Bassisten sowie dem E-Gitarristen der Band harmonierte.63) Coleman hatte bereits in seinen früheren Bands Schlagzeuger eingesetzt, die nicht in der aufgelösten Weise eines Sunny Murray spielten, sondern durchaus auch das Feeling afro-amerikanischer Straßen- und Tanzbands der Südstaaten mitbrachten.64) Neben seiner bis 1979 währenden Mitgliedschaft in Colemans Prime-Time spielte Jackson im Jahr 1978 sechs Monate lang in CECIL TAYLORs Gruppe65) und gründete dann66) seine eigene DECODING-SOCIETY-Band.

Nachdem Jackson bei Ayler die Befreiung von der dienenden Rolle des Schlagzeugers in der Tanzmusik erlebt hatte67), verstärkte er nun mit seiner Decoding-Society wieder zunehmend die Tanzmusikelemente. Seine ersten, in den Jahren 1980 und 1981 aufgenommenen Alben68) enthalten nach dem Jazzbuch wegweisende, meisterhafte Verbindungen von „freien, langsam fließenden“ Themen der Bläser und „forciert pulsierenden, funkinspirierten Schlagfiguren Jacksons“. In seinem Spiel habe Jackson die „Rock- und Funk-Rhythmen“ ähnlich „befreit“, wie Elvin Jones Anfang der 1960er Jahre die „Bebop-Rhythmen befreit“ habe. Allerdings würden sich die „Rock- und Funk-Rhythmen“ nur beschränkt „befreien“ lassen, da diese sonst das verlieren, was sie auszeichnet: ihre „motorische Kraft“ und ihren Tanzcharakter. Letztlich bestehe ein fundamentaler Widerspruch zwischen den feststehenden, sich wiederholenden Funk-Figuren und der „freien Konzeption des Free Jazz“. Diese beiden gegensätzlichen Seiten dennoch zu verbinden, sei nur selten in einer Weise gelungen, die „höchsten künstlerischen Ansprüchen“ genügt.69) Jackson habe das in diesen Alben geschafft, danach jedoch „nie mehr das hohe Niveau dieser Zeit erreicht“70).

Die von einem Musiker stammende Formulierung des Jazzbuchs, Elvin Jones habe die „Bebop-Rhythmen befreit“, könnte wohl Folgendes meinen: Das Time-Keeping71) wurde von den Schlagzeugern, die zum „Bebop“-Musikerkreis gezählt werden, durch eine bestimmte, wenig variierende, auf Becken gespielte Schlagfigur bereitgestellt.72) Elvin Jones ersetzte diese Becken-Figur durch eine sich laufend ändernde, melodieartige Phrasierung. Das hatte jedoch nichts mit Befreiung zu tun, sondern war eine flexiblere, indirektere Weise, den Grundrhythmus darzustellen. Manche Musiker und Hörer fanden diese Spielweise irritierend und könnten vielleicht dadurch den Eindruck einer Tendenz in Richtung Free-Jazz erhalten haben. Tatsächlich erzeugte Jones jedoch einen starken, eindeutigen Groove.73) Die Vorstellung von einer „Befreiung“ der „Bebop-Rhythmen“ ist auch insofern verfehlt, als ein Meister der Bebop-Bewegung wie Max Roach sehr viel mehr als bloß ein Time-Keeping spielte. Roach brachte äußerst raffinierte, glasklare und ausgesprochen funkige Rhythmen hervor, die wegen ihrer Schnelligkeit, ständigen Veränderung und Indirektheit allerdings nicht immer leicht zu erfassen sind.74)

Hingegen ist das, was Jacksons Spiel oft schwer nachvollziehbar macht, seine aus dem Free-Jazz stammende Neigung, musikalische Strukturen zu verwischen, „aufzubrechen“ und aufzulösen. Ungewöhnlich war damals, dass er diese Methode nicht auf die herkömmliche Jazz-Rhythmik anwandte, sondern auf Rhythmen der Tanzmusik. Tony Williams und Jack DeJohnette zerlegten und variierten zwar bereits rund zehn Jahre davor Rockrhythmen mit der Improvisationskunst herausragender Jazz-Schlagzeuger auf klare und virtuose Weise.75) Doch war Jacksons Ansatz insofern anders, als er eben mit der Freizügigkeit, Unbekümmertheit und der Vorliebe des Free-Jazz für Auflösung und Verwirrung heranging.76) Das erweiterte die Möglichkeiten, die Rhythmen wirkten aufgrund ihrer Undurchsichtigkeit interessant und anspruchsvoll, jedoch wurden sie zugleich auch diffuser.

In den ersten Alben der Decoding Society aus 1980/1981 gibt es noch viele, lange Passagen, die vom Zerfließen in der Art des Free-Jazz beherrscht sind.77) Die Themen sind aber häufig bereits mit einem eingängigen Groove unterlegt und auch durch Improvisationsteile zieht sich manchmal ein durchgängiger Groove, der zum Teil aus einem Stampfen in der Art der ersten Prime-Time-Aufnahmen besteht78) oder aus einem anderen im Grunde meistens einfachen Rhythmus79). Manche Rhythmen erinnern ein wenig an Straßenmusik-Grooves aus New Orleans80) und das vehemente Trommeln wirkt mitunter irgendwie „afrikanisch“. Mit Aufnahmen von traditioneller Trommelmusik aus Afrika (und anderen Teilen der Welt) beschäftigte sich Jackson allerdings erst, nachdem er bereits an Ornette Colemans ersten Prime-Time-Alben in seinem charakteristischen Stil mitgewirkt hatte, nämlich ab 1978. Eine spätere dreimonatige Reise durch Afrika veränderte nach seiner Aussage nicht seine Spielweise.81) Als wichtigen, bleibenden Einfluss betrachtete er vor allem auch seine Kindheitserlebnisse mit der ekstatischen Musik der afro-amerikanischen Holiness-Kirche.82)

Nach den ersten Alben der Jahre 1980/1981 präsentierte Jackson 1982 eine mehr an Fusion angeglichene, überwiegend heftige Musik83) und ließ ähnliche Alben folgen. Im Jahr 1984 kritisierte er am Free-Jazz der 1960er Jahre, dass häufig keine „Eins“84) festgelegt, nichts verankert wurde. Das habe Beklemmung verursacht. Niemand habe das gemocht, da es nicht der menschlichen Natur entspreche. Die Musik brauche einen Herzschlag und den produziere er nun mit der Basstrommel. Selbst dann, wenn er diesen Puls nicht laut spiele, mache er ihn doch fühlbar. In der Tanzmusik, aus der er kam, sei die Basstrommel das Herzstück gewesen, während im „Bebop“ das Time-Keeping auf Becken gespielt wurde. Die Rolle der Basstrommel in der Tanzmusik habe er dann auf den Jazz übertragen. Seine weiteren, über den Puls gelegten Rhythmen würden die emotionale Aussage bilden, doch ohne Herzschlag wäre alles labil.85)

Mit der schweren Betonung des Beats brachte Jackson ein urwüchsiges Element der Tanzmusik zurück, das im Jazz vor langer Zeit durch den dezenten Ton des akustischen Basses und der leichten Beckenfigur ersetzt wurde, um einer differenzierten Rhythmik Raum zu geben.86) Im Gegensatz zu Jacksons rockigem Spiel erzeugte Elvin Jones, mit dem sich Jackson selbst verglich87), ohne jede Form eines gleichbleibenden Time-Keepings einen hinreißenden, komplexen, klaren Groove, der selbst dann seine Wirkung entfaltete, wenn Jones die Saxofonimprovisationen von John Coltrane alleine (also auch ohne Bass) begleitete.88) Jones spielte bereits in den 1950er Jahren mit einem, insbesondere auch in rhythmischer Hinsicht, so hervorragenden Improvisator wie Sonny Rollins und hatte in der ersten Hälfte der 1960er Jahren die einzigartige Möglichkeit, sich in Coltranes Band zu einem der bedeutendsten Schlagzeuger der Jazzgeschichte zu entfalten.

Ein einfacher Herzschlag-Rhythmus ist auch gegenüber den Funky-Rhythmen ein Rückschritt. Denn deren Reiz ergibt sich gerade daraus, dass sie das gleichmäßige Pochen älterer Tanzmusik durch melodieartige Figuren ersetzen, die im Verhältnis zum gefühlten Puls Verschiebungen, Stauchungen und Lücken ergeben. Dadurch vermitteln sie ein Gefühl von abwechselnder Beschleunigung und Verzögerung und insgesamt eine wesentlich spannendere Bewegung als ein bloßes Stampfen oder einförmiges Wippen. Werden sie mit einem deutlichen gleichmäßigen Puls kombiniert, verlieren sie leicht ihre Wirkung, denn der Hörsinn neigt dazu, sich das einfachste Muster zu suchen, in das er einkuppeln kann. Sie brauchen daher Raum für Löcher, die den Eindruck einer Verschiebung und Verzögerung ermöglichen. Die Grooves der Decoding Society enthalten in ihrer grundlegenden Bewegung hingegen mehr eine dem Rock entsprechende Einförmigkeit und können bei weitem nicht mit James Browns Funkmusik der Zeit um 1970 mithalten, in der alles darauf abgestellt war, mit klaren, ineinander verzahnten, rhythmisch-melodischen Figuren einen beständigen, unwiderstehlichen Groove hervorzubringen.

Jackson verstärkte die dramatische Wirkung seines vehementen Trommelns optisch mit heftigen Kopfbewegungen, die seine zu Zöpfchen geflochtenen, langen Haare umherwirbeln ließen.89) Ein solches Verhalten ist für Jazz-Schlagzeuger sehr ungewöhnlich. Besonders die wegen ihres differenziert gestalteten (nichtsdestoweniger groovenden und funkigen) Spiels angesehenen Schlagzeuger, etwa Max Roach, agierten stets in ruhiger, entspannt-konzentrierter Haltung. Marvin „Smitty“ Smith spielte die sehr komplizierten Funk-Grooves Steve Colemans mit geradezu versteinerter Miene (wenn auch voller Lebendigkeit) und John Miller Chernoffs Trommellehrer in Ghana, der ein Meister hoch entwickelter Trommelkunst war, erklärte: Unerfahrene Trommler würden aus dem Herz spielen, hart schlagen, ihre Trommel klinge daher nicht und das sei nicht schön. Ein erfahrener spiele mit Verstand, habe sein Herz cool gemacht. Wenn er kraftvoll spielt, dann sei das mehr als bloß wuchtig.90) – Jacksons Kopfschwenken deutet darauf hin, dass es in seiner Musik nicht um ein raffiniertes Spiel mit komplizierten Strukturen ging. Vielmehr erinnert es an Jacksons Herkunft aus einer Unterhaltungsmusik, in der zu einem mitreißenden Auftritt exzentrisches und Ekstase ausdrückendes Verhalten gehörte.91) – Der Gitarrist der Decoding Society der 1980er Jahre, Vernon Reid, erklärte später: Jackson sei kein ideologischer Avantgardist gewesen. Er habe seine Musik zwar mit dem Blickwinkel eines Außenseiters gemacht, aber nicht Rock und Pop ausgeschlossen. Er habe nicht wie einige andere seiner Generation die Popmusik abgelehnt, weil sie populär ist. Er habe Blues-Shuffles mit afrikanischer Synkopierung synthetisiert, durch die Linse von jemandem, der allen Arten von Emotionen Luft macht.92) Der Gitarrist Jef Lee Johnson, der in den 1990er Jahren lange der Decoding Society angehörte, nannte diese Gruppe eine „verrückte, orchestrale, kleine Band mit diesem Trommel-Chaos darunter“.93)

Die Aufnahmen der Decoding Society sind somit weder aufgrund einer besonders gelungenen, diffizilen Jazzrhythmik, noch einer Stärke als Tanzmusik wirklich bedeutend. Vor allem aber verfügte die über die Jahre wechselnd besetzte Band schlicht über keine Improvisatoren, die im Vergleich zu Meistern der Jazztradition bemerkenswert wären. Außer einigen hübschen oder griffigen Themen Jacksons erzeugte die Band zunächst kaum etwas anderes als mittelmäßige Klanggewebe in der Art des Free-Jazz und später viel Rockgitarren-Geheule, anheizende Bläsersounds und abwechslungsreiche Klangzutaten.

Das dritte ehemalige Mitglied von Ornette Colemans Prime-Time-Band, das eine Solokarriere startete, war der Bassist Jamaladeen Tacuma. Sein erstes, in den Jahren 1982 und 1983 aufgenommenes Album94) verbindet viele Elemente aus unterschiedlichen Bereichen, unter anderem deutliche Einflüsse von Ornette Colemans Prime-Time. Es geht über die Musik Colemans, Ulmers und Jacksons insofern hinaus, als die Annäherung an populäre Musik wesentlich stärker, glatter und gefälliger ausfällt. Das nächste, 1983/1984 aufgenommene Album Tacumas95) klingt teilweise experimenteller, zeigt jedoch ebenfalls keine musikalischen Ansätze, die dem aus der Prime-Time-Linie Bekannten etwas Wesentliches hinzufügen würde. Sein Nachfolge-Album96) bietet dann nur mehr „glatten Disco-Funk“ mit „völliger Trivialität“97) und in dieser Richtung fuhr Tacuma fort, arbeitete auch für populäre Musiker und erklärte, kein Musiker für Musiker zu sein, sondern für Leute, die nichts über Musik wissen98).

 

„Free Funk“-Schublade

Als neben Ornette Colemans Prime-Time die Bands von James Blood Ulmer und Ronald Shannon Jackson traten und ähnliche Ideen verfolgten, begannen Jazzkritiker von einer neuen Stilrichtung des Jazz zu sprechen. Sie verwendeten für sie verschiedene Bezeichnungen, von denen sich schließlich „Free Funk“ durchsetzte. Diese Bezeichnung drückte die Verbindung eines Free-Jazz-Zugangs mit Elementen populärer Tanzmusik aus und da die beteiligten Musiker alle Afro-Amerikaner waren, lag der Ausdruck „Funk“ näher als „Rock“. In der damaligen Situation des Jazz dürfte für Jazzkritiker ein Bedarf an einem neuen Stil bestanden haben: Die Welle der Fusion-Musik war in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre abgeebbt99) und gleichzeitig hatte der ohnehin auf Europa beschränkte Publikumserfolg des Free-Jazz stark abgenommen100). In breiten Jazzbereichen gewann eine Rückbesinnung auf ältere Jazzstile die Oberhand101). In dieser als Stagnation empfundenen Situation lag wohl die Ausschau nach einer neuen Entwicklung nahe, die von Jazzkritikern kommentiert und diskutiert werden kann. „Free Funk“ muss sich als aufregende Neuerung angeboten haben, da er einerseits mithilfe von Free-Jazz-Methoden der Idee der Fusion noch einmal Leben einzuhauchen schien und andererseits den Free-Jazz durch Anleihen bei populärer Musik zugänglicher zu machen versprach. Über die Bands der ehemaligen Mitglieder der Prime-Time hinaus fanden sich einige wenige Gruppen, die ebenfalls zur neu geschaffenen Stilkategorie gezählt werden konnten, vor allem die Band Defunkt des Posaunisten Joseph Bowie, der sich zuvor im Free-Jazz-Bereich bewegt hatte, mit seiner Defunkt-Band nun allerdings eine fast pure Funky-Musik präsentierte102). Auch die Musiker aus der Prime-Time sahen sich offenbar bereits bald dazu veranlasst, Free-Jazz-Elemente zurückzudrängen und ihre Musik damit stärker den Bedürfnissen einer breiteren Hörerschaft anzupassen. Die Vorstellung, „Free Funk“ wäre eine für die künstlerische Weiterentwicklung des Jazz bedeutende Innovation, ließ sich daher nicht lange aufrechterhalten und er wurde zu einem nur kurzlebigen Phänomen erklärt103), obwohl die betreffenden Musiker in nicht grundsätzlich veränderter Art noch Jahrzehnte lang weiter spielten und Alben produzierten.

Wie alle Stilkategorien des Jazz ist auch die des „Free Funk“ in vieler Hinsicht fragwürdig. Tatsächlich wurden schon lange vor der „Free Funk“-Ära Aufnahmen gemacht, die die Kriterien dieser Stilrichtung erfüllen, zum Beispiel vom Art Ensemble of Chicago zwei Stücke in den Jahren 1969 und 1970104) und eine Aufnahme des Human Arts Ensemble im Jahr 1973105). Diese Gruppen füllten allerdings nicht ganze Alben mit Funky-Rhythmen, sondern verwendeten unterschiedliche, sodass sie sich auch nachträglich nicht in die „Free Funk“-Lade stecken lassen.106) Die Aufnahme des Human Arts Ensembles, dem unter anderen Joseph Bowie angehörte, verbindet ausgedehnte „freie“ Improvisationen mit einem Funk-Rhythmus, wohingegen die spätere, zum „Free Funk“ gerechnete107) Musik von Bowies Gruppe Defunkt über weite Strecken kaum mehr an Free-Jazz erinnert. James Blood Ulmers Album Odyssey (1983) wird im Jazzbuch als anspruchsvolles Beispiel für „Free Funk” angeführt108), doch weist es großteils deutlich weniger Free-Jazz-Merkmale auf als die zur Kategorie der Fusion gezählten Aufnahmen von Miles Davis aus dem Fillmore East im Jahr 1970109).

Außerdem ist Free-Jazz selbst kein klar abgrenzbarer Begriff, sondern eine Schublade mit einem vielfältigen Sammelsurium an Spielweisen. Ornette Colemans Musik war in einer völlig anderen Weise „frei“ als die von Cecil Taylor oder Albert Ayler. Ebenso ist der Ausdruck Funk vieldeutig. Mit ihm wurden in den 1950er Jahre zum Beispiel einerseits Professor Longhairs grobes, „schmutziges“ Klavierspiel110), andererseits aber auch ein bestimmtes Feeling im Jazz bezeichnet111). Eine wiederum andere Bedeutung erhielt Funk als Bezeichnung der Musik von James Brown um 1970.112) Wie auch immer das Wort Funk im Ausdruck „Free Funk“ verstanden wird: vieles von dieser Musikrichtung wird treffender als „Black Rock“ bezeichnet, wie James Blood Ulmer seine Musik gelegentlich nannte113). Auch die dominanten E-Gitarren-Beiträge in der Decoding Society klangen mehr nach Musik aus dem Bereich der Black Rock Coalition als nach Funk-Musik.114) Jedenfalls waren James Browns geschmeidige Tanz-Grooves aus verzahnten Figuren offensichtlich nicht die Quelle der „Free Funk“-Rhythmik. Vielmehr spiegelt sich in ihrem Grundcharakter die Tanzmusik wider, mit der Ornette Coleman, James Blood Ulmer und Ronald Shannon Jackson in den 1940er und 1950er Jahren aufwuchsen – lange vor James Browns Innovationen der späten 1960er Jahre.115) Die Verbindung von Tanzmusikelementen mit der Art, wie im Free-Jazz Rhythmen „befreit“ wurden, war (wie bereits das Jazzbuch feststellte116)) eine in sich widersprüchliche Kombination. „Free Funk“ enthielt daher kein Entwicklungspotential für eine neue anspruchsvolle Form von Jazzrhythmik, die als Basis für kunstvolle Improvisation hätte dienen können.

Eine Eigenschaft haben große Teile des Free-Jazz und die rockige/funkige Unterhaltungsmusik jedoch gemeinsam und diese Eigenschaft spielte im „Free Funk“ eine zentrale Rolle: die Vorliebe für rauen, wilden, lauten Ausdruck.117) Um kunstvolle Gestaltung durch ein raffiniertes Spiel mit komplexen Strukturen ging es hier wenig. Vielmehr wurde ein Hinwegsetzen über solche künstlerische Ansprüche häufig als befreiend empfunden und regelrecht zelebriert.118) Meister wie Charlie Parker und John Coltrane hatten zwar sehr wohl auch den unmittelbar expressiven Ausdruck in ihrer Musik, der war jedoch Teil ihrer hoch entwickelten Kunst.

 

M-Base-Missverständnis

Die Musik von Steve Coleman und anderer Musiker, die an der M-Base-Bewegung beteiligt waren, wurde in der Jazzliteratur häufig als Form von „Free Funk“ oder als Ableitung aus ihm dargestellt und auf Ornette Colemans Innovationen zurückgeführt. So zählt zum Beispiel das Jazzbuch Steve Coleman mit seiner Five-Elements-Band zu den Musikern, die „nachhaltig“ auf Ornette Colemans Prime-Time-Musik „bezogen sind“.119) Aus der Sicht des deutschen Jazzkritikers Ekkehard Jost ist Steve Coleman ein „Nachzügler“ des „Free Funk“.120) Der amerikanische Jazzkritiker Scott Yanow, dessen Auffassungen durch seine Beiträge auf der Internetseite AllMusic eine große Breitenwirkung haben, behauptete, „Free Funk“ sei ein Haupteinfluss auf die Musik der M-Base-Musiker gewesen, zu denen Steve Coleman und Greg Osby zählten.121)„M-Base“ sei in seinem Konzept dem „Free Funk“ ähnlich.122) Ein englischsprachiger Wikipedia-Eintrag zum Begriff „Free Funk“ gibt (auf Scott Yanow gestützt) ebenfalls an, dass „Free Funk“ einen starken Einfluss auf das „M-Base-Genre“ gehabt habe. Der amerikanische Jazzkritiker Mark C. Gridley erwähnte in seiner (in den USA angeblich meistverwendeten123)) Einführung in den Jazz zwar, dass Steve Coleman Charlie Parker als Einfluss nannte, erklärte dann aber, dieser Einfluss sei in den von Steve Coleman gespielten Melodielinien nicht offensichtlich. Tatsächlich würden diese mehr nach Ornette Colemans Linien klingen als nach denen Charlie Parkers.124) Piero Scaruffi (ein italo-amerikanischer Musikjournalist) erklärte in seiner Jazz-Geschichte, das M-Base-Kollektiv sei von Ornette Colemans Verschmelzung von Free-Jazz mit Funk-Musik inspiriert worden.125)

All diese Behauptungen eines musikalischen Einflusses von Ornette Coleman auf Steve Coleman sind schlicht falsch:

Steve Coleman erklärte, er sei nicht im Geringsten von Ornette Colemans Prime-Time oder einem der Musiker, die aus ihr hervorgingen (Ronald Shannon Jackson, James Blood Ulmer, Calvin Weston und so weiter), beeinflusst, respektiere ihre Musik jedoch. Leute, die einen solchen Einfluss behaupten, wüssten nicht, wovon sie reden.126) – Im Jahr 2013 sagte ein Interviewer zu Steve Coleman: Journalisten hätten versucht, Parallelen zwischen Steve Colemans Musik und der Musik Ornette Colemans zu ziehen, wenn auch bloß aus Bequemlichkeit wegen der Namensgleichheit. Steve Colemans Album Functional Arrhythmias (2012) scheine nun aber wirklich ästhetische Ähnlichkeiten mit Ornette Colemans Werk zu haben. Der Interviewer fragte Steve Coleman deshalb, ob er irgendeine Verbundenheit mit Ornette Colemans Werk habe, die ausreicht, um seine Arbeit zu beeinflussen. Steve Coleman antwortete: Die Parallelen zu Ornette Coleman beruhten tatsächlich auf Bequemlichkeit sowie der Neigung von Journalisten, von anderen abzuschreiben, ohne eigene Recherchen vorzunehmen. Seine Musik sei sehr wenig von Ornette Colemans Musik beeinflusst. Sie hätten den gleichen Familiennamen, seien allerdings nicht direkt miteinander verwandt, und spielten dasselbe Musikinstrument (Alt-Saxofon). So sei es für Autoren bequem, die Verbindung herzustellen. Jeder der ihn kennt, könne jedoch hören, dass es wenig Verbindung gibt, abgesehen von der Kultur und gemeinsamen Geschichte. Oder anders gesagt: Jene, die wirklich den musikalischen Inhalt hören, dürften in der Lage sein, den Unterschied zu hören. Der größte Unterschied liege in der Form, aber er möchte nicht in eine theoretische Erörterung gehen. Er wisse, was ihn beeinflusste, und deshalb sei es genug zu sagen, dass ihn Ornette Colemans Musik nur wenig beeinflusste. Er respektiere Ornette Coleman jedoch außerordentlich. Es gebe viele Musiker, deren Musik er liebe, die aber keinen großen Einfluss auf seine eigene Musik hatten. Er respektiere Ornette Coleman für seine Haltung, seine lebenslange Hingabe an den kreativen Weg, seinen Mut, seinen bahnbrechenden Geist und viele andere Dinge, die er für sehr wichtig halte. Das Album Functional Arrhythmias habe einen ganz anderen Sound als Ornette Colemans Musik, abgesehen von der Instrumentation. Er könne verstehen, dass ein Journalist bei einem beiläufigen Hören seiner Kompositionen Limbic Cry und Chemical Intuition möglicherweise Parallelen ziehen kann127), doch ein sorgfältigeres Hören würde viele Unterschiede offenbaren. Die Hauptunterschiede seien in den Formen der Kompositionen und insbesondere der Improvisation. Seine Musik komme direkter aus dem Charlie Parker-Von Freeman-John Coltrane-Kontinuum, wenn auch nicht in einer nachahmenden Weise. Die Musik von Henry Threadgill komme direkter aus dem Ornette-Coleman-Kontinuum, aber wiederum überhaupt nicht nachahmend. Es gehe vielmehr um die Ästhetik und die Herangehensweise. Er liebe Threadgills Musik und einige Aspekte von Threadgills Musik hätten ihn beeinflusst. Doch seien dies Aspekte, die mehr von Threadgill selbst herkommen als von der Ornette-Coleman-Linie. Er stimme zu, dass das ein komplexes Thema ist, denn er glaube, dass alle Leute, die zu einer bestimmten Zeit leben, in irgendeiner Weise durch die Energie der betreffenden Ära miteinander verbunden sind. Es bestehe also kein Zweifel, dass er das mit Threadgill, Ornette Coleman, Von Freeman, Sonny Rollins und so weiter gemeinsam habe. Aber er wisse auch ganz genau, von welcher Musik er beeinflusst wurde, denn er sei ja dabei gewesen, als er beeinflusst wurde.128)

 

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  1. Ornette Coleman sagte noch im Jahr 2007, sein Leben habe damit zu tun, „dass ich einer Minderheit angehöre und dass wir arm waren“. Er habe sich die Grundlagen für sein Leben als Künstler selbst beigebracht, als er in den Südstaaten lebte und unter den Bedingungen dort litt. (QUELLE: Christian Broecking, Ornette Coleman, Don Cherry, Charlie Haden. Klang der Freiheit. Interviews, 2010, S. 96)
  2. Ornette Coleman trug zum Beispiel in jungen Jahren lange Haare und einen Bart, was damals sehr ungewöhnlich war. Als Don Cherry ihn kennenlernte, trug Coleman bei 30 Grad im Schatten einen Mantel und lange Haare, sodass er wie ein „schwarzer“ Jesus aussah, und sein Saxofonspiel klang nach Cherrys Beschreibung „ungefähr wie ein wieherndes Pferd“. (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 19 und 22)
  3. QUELLEN: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 21; Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 171
  4. Something Else! (1958) und Tomorrow is the Question! (1959)
  5. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 21-24
  6. John Lewis, Pianist des Modern Jazz Quartets
  7. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 29-31
  8. Auch einige Komponisten der modernen Konzertmusik, zum Beispiel Leonard Bernstein, sowie Gunther Schuller schätzten Ornette Colemans Innovationen. (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 33). Sie könnten seine Musik auf diese Weise wahrgenommen haben.
  9. Näheres im Artikel Freiheit: Link
  10. siehe dazu zum Beispiel Aussagen von Henry Threadgill: Link
  11. Im Jahr 1948 wurde Ornette Coleman Mitglied der Band eines in seiner Heimatstadt Fort Worth, Texas, angesehenen Saxofonisten (Thomas „Red“ Connors) und damals fing er nach eigener Aussage an, „Bebop“ zu lernen. Seine Lieblingskomponisten seien bis heute Thelonious Monk, Charlie Parker und Bud Powell. Er habe alle ihre Stücke gelernt. (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 17f., Quellenangabe für Colemans Aussage: Leonard Feather, Ornette Coleman. Harmolodic master explores the perils of self-expression. Zeitschrift DownBeat, Juli 1981)
  12. Ornette Coleman: „Bird [Parkers Spitzname] hätte unsere Musik verstanden. Er hätte unserem Streben nach etwas, das über das Ererbte hinausgeht, zugestimmt. …“ (QUELLE: Begleittext zu Colemans Album Change of the Century, 1959, eigene Übersetzung)
  13. QUELLE: Carl Woideck, Charlie Parker. His Music and Life, 1998, S. 203-210
  14. nicht in einer kopierenden
  15. Mehr dazu im Artikel Unsichtbare Formen: Link
  16. Vijay Iyer fand, dass „die Beziehung von Punk-Rock und Ornettes Musik noch sehr unterschätzt ist. Dieses Do-it-yourself-Gefühl auf allen Ebenen, das jene ungeheure Kraft initiiert, hat etwas Unmögliches und doch passt es genau zu diesen Klängen.“ (QUELLE: Christian Broecking, Ornette Coleman, Don Cherry, Charlie Haden. Klang der Freiheit. Interviews, 2010, S. 111)
  17. Mehr dazu zum Beispiel an folgender Stelle in Steve Colemans Artikel über Parker (mit eigener Übersetzung): Link
  18. Ekkehard Jost: „Ornette Colemans Rhythmik ist – verglichen mit der Charlie Parkers – im Prinzip einfach. Weitaus mehr als andere Jazzmusiker seiner Zeit spielt er über Takte hinweg gleichmäßig akzentuierte Achtel- oder Viertelgruppen oder einfache Patterns […], wie sie aus dem Swing geläufig sind. […] Diese rhythmische Einfachheit gibt der Musik Colemans gelegentlich etwas von der Naivität von Folksongs […].“ (QUELLE: Ekkehard Jost, Free Jazz, 2002, S. 65)
  19. Mehr dazu im Artikel Freiheit: Link
  20. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 49
  21. Album Skies of America (1972); anstelle der Jazzband ist in diesem Album aufgrund bürokratischer Hürden der britischen Musikergewerkschaft nur Coleman selbst mit dem Sinfonieorchester zu hören.
  22. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 63-65
  23. Nathan A. Frink: Vom Chicagoer Jazzkritiker J.B. Figi geführten Interviews zufolge wäre ein Orchester (in der Art des London Symphony Orchestras) Ornette Colemans erste Wahl unter den Ensembles gewesen, mit dem er seine neue Musik uraufführen hätte wollen. Er habe gesagt, er hätte gerne ein großes Orchester für ungefähr fünf Jahre, um dessen Mitgliedern beizubringen, eine große Komposition zu spielen, ohne immer Notenblätter zu haben. Dafür würde er jedoch an die fünf Millionen Dollar benötigen. (QUELLE: Nathan A. Frink, An Analysis of the Compositional Practices of Ornette Coleman as Demonstrated in His Small Group Recordings During the 1970s, 2012, PhD-Dissertation, S. 47, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/11849/1/Frink_Thesis_ETD_(5).pdf, Quellenangabe: J.B. Figi, Ornette Coleman. A Surviving Elder in the Brotherhood of Those Who Make Music, Zeitschrift Chicago Reader, Juni 1973)
  24. Ornette Coleman: 1.) Ungefähr 1974 oder 1975 sei ihm klar geworden, dass die Gitarre ein sehr reiches Obertonspektrum hat. Sie könne somit wie zehn Geigen klingen, so, wie in einem Symphonieorchester zwei Trompeten zehn Violinen entsprechen. Als er das entdeckte, habe er beschlossen, zu untersuchen, ob er seine Musik orchestrieren kann, ob sie so einen größeren Sound erhalten würde, was dann auch tatsächlich gelungen sei. (QUELLE: John Litweiler, Das Prinzip Freiheit, 1988, S. 47) – 2.) Als Jimi Hendrix The Star-Spangled Banner spielte, habe das für ihn so geklungen, als wären da zehn Musiker am Werk. Er habe sich gedacht, seine Prime-Time-Band könnte mit ihrer Instrumentierung vielleicht wie ein kleines Kammerorchester klingen. (QUELLE: Christian Broecking, Ornette Coleman, Don Cherry, Charlie Haden. Klang der Freiheit. Interviews, 2010, S. 8)
  25. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 67
  26. Nathan A. Frink: 1.) Ulmers deutlicher Rhythm-and-Blues-Background dürfte Coleman an die Verbindung zum Publikum erinnert haben, die er in seiner Jugend in Texas erlebt hatte. – 2.) Als Coleman Ulmer im Jahr 1972 spielen hörte, habe er zu Ulmer gesagt: „Du spielst natürliche Harmolodik“ (zum Begriff „Harmolodik“: Link). Ulmer könnte außer Coleman selbst der erste Musiker gewesen sein, der nach Colemans Auffassung „natürliche Harmolodik“ spielte. Ihre Verbindung sei offensichtlich der Blues-Einfluss in ihrer Spielweise gewesen. Coleman sei mit den Klängen des Blues des „Territory“-Gebiets von klein auf vertraut gewesen und mehrere Analysen von Colemans Musik hätten in seinen Soli starke Beziehungen zum Blues nachgewiesen. Ulmer habe als Bub zunächst Gospelmusik gelernt und in frühem Jugendalter begonnen, Blues-Gitarre zu spielen. – 3.) Bei allem Lob, das Ulmer von Coleman erhielt, habe er bei Coleman doch viel lernen müssen und sei zeitweise ziemlich frustriert gewesen. Umgekehrt sei sehr wahrscheinlich, dass Ulmers Einfluss Colemans Interesse am Einsatz der E-Gitarre anstelle eines Symphonieorchesters verstärkte. (QUELLE: Nathan A. Frink, An Analysis of the Compositional Practices of Ornette Coleman as Demonstrated in His Small Group Recordings During the 1970s, 2012, PhD-Dissertation, S. 48, 52 und 53, Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/11849/1/Frink_Thesis_ETD_(5).pdf)
  27. Es bestehen Zweifel an den Angaben des Aufnahmejahrs im Begleittext der Alben. (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 68f. und 160f.)
  28. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 67-70 und 160-162
  29. Näheres im Artikel Freiheit: Link
  30. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 161
  31. QUELLE: Lewis Porter/Michael Ullman/Edward Hazell, Jazz. From Its Origins to the Present, 1993, S. 333, Quellenangabe: Quincy Troupe, Ornette Going Beyond Outside, Zeitschrift Musician, November 1981, S. 72-80
  32. QUELLE: Lewis Porter/Michael Ullman/Edward Hazell, Jazz. From Its Origins to the Present, 1993, S. 333f., Quellenangabe: Robert Palmer, Coleman’s Jazz-Rock. Pacesetter for the 80s, Zeitung New York Times, 24. Juni 1981
  33. Ian Carr
  34. QUELLE: Ian Carr in: Ian Carr/Digby Fairweather/Brian Priestley, Rough Guide Jazz, 2004, S. 136
  35. Album At The Golden Circle
  36. QUELLE: Nathan A. Frink, An Analysis of the Compositional Practices of Ornette Coleman as Demonstrated in His Small Group Recordings During the 1970s, 2012, PhD-Dissertation, S. 52f., Internet-Adresse: http://d-scholarship.pitt.edu/11849/1/Frink_Thesis_ETD_(5).pdf
  37. unter anderem mit Billy Higgins und Sirone im Jahr 1974 (YouTube-Video von einem Konzert dieser Band in Rom im Jahr 1974: https://www.youtube.com/watch?v=na_3r_bf5gA) sowie mit Colemans Prime-Time-Band (YouTube-Video von einem Konzert in Deutschland im Juli 1978: https://www.youtube.com/watch?v=gsT5J6TJIkk)
  38. Album Tales of Captain Black; bereits im Jahr 1977 gemachte Aufnahmen mit Ulmer als Leiter sowie George Adams, Cecil McBee und Doug Hammond wurden erst 1990 (unter dem Titel Revealing) veröffentlicht.
  39. James Blood Ulmer: Der Titel des Albums gehe auf Ornette Coleman zurück und es sei überhaupt in Wahrheit seine Session mit seiner Band gewesen. Coleman sei der Regisseur gewesen, Ulmer nur der Schauspieler. (QUELLE: Andreas Felber, James Blood Ulmer: Harmolodische Blues-Perspektiven, Tageszeitung Der Standard, 22. Jänner 2015)
  40. Greg Tate (Musikjournalist, Gitarrist, Mitbegründer der Black Rock Coalition): Ulmers [damals] neuestes Album Free Lancing sei gut, aber Are You Glad to Be in America? schlage es. – Ulmer schreibe einige einprägsame kleine Stücke. Wie die von Ornette seien sie nervenaufreibende, asymmetrische Übungen in urbanem Primitivismus: Liedchen-lange Großstadt-Leben-Erzählungen voller Sarkasmus, Zwiespalt und Leichtsinn. Polyrhythmisch staksen oder rumpeln diese großstädtischen Kinderreime. Jene, die staksen, sind sarkastische, modale Bedrohungen, während die rumpelnden Rollschuh laufen auf Amin Alis hyperkinetischem Bass und Calvin Westons omnidirektionalem Schlagzeugspiel, bei dem der Upbeat der Downbeat, der Downbeat der Offbeat ist und ständig in einer rotierenden Weise aus linken und rechten Winkeln Bomben geworfen werden. – Was Ulmer auf der Gitarre spielt, seien schrille, zusammenhanglose Bruchstücke, nervöse Bissen und klapprige Stücke, die von einer versetzten, aber schief swingenden thematischen Sensibilität zusammengehalten werden. Es gebe hier keine Strohfeuerläufe oder vorgetäuschten Heavy-Metal-Orgasmen. Stattdessen fahre Ulmer auf Slapstick ab. Seine Idee des Abtanzens schmecke nach stacheligen, chrom-metallischen, krachenden Akkorden oberhalb des Grooves. Dazwischen fädle er Unmengen von kryptischen Licks auf, die zu unorthodoxen und verwirrenden Verschiebungen der Muster hin nudeln. Im Grunde genommen seien Ulmers Leitlinien fast beliebig. Es sei seine rhythmische Stärke, was wirklich auf das Gas steigt. – Ulmers Funk habe George Clinton und Junie Morrison [Mitglied von Clintons Band] als Fans und wohin er von da aus geht, frage sich jeder, vielleicht sogar Ulmer selbst. Die wirkliche Frage sei jedoch, ob Ulmer jemals mainstreamtauglichen Funk machen wird. Oder eigentlich, ob er hier in der Schokoladenstadt [das heißt offensichtlich für Afro-Amerikaner] spielen wird. Denn eines habe er mit Hendrix gemeinsam: eine weißere Schattierung der Patronage. (QUELLE: Greg Tate, Flyboy in the Buttermilk, 1992, S. 19-20)
  41. Album Live on Planet Earth (1994)
  42. Matthew Brown: Ulmer habe die Punk- und New-Wave-Szene der späten 1970er Jahre in New York beherrscht. Seine Band habe oft in New Yorks legendärem Punk-Klub CBGB gespielt und sei im Jahr 1980 als Vorgruppe für die Band Public Image Ltd. (eines früheren Sängers der Sex-Pistols) aufgetreten. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx)
  43. Columbia Records
  44. Freelancing (1981), Black Rock (1982), Odyssey (1983)
  45. Matthew Brown: Ulmer habe seine Musik gelegentlich „Black Rock“ genannt und diese Bezeichnung sei dann von seinem Bewunderer Vernon Reid (Gitarrist der Gruppe Living Color) popularisiert worden. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx)
  46. Das Odyssey-Album wurde trotz seines Jazz-fernen Charakters in einer Umfrage der New Yorker Wochenzeitschrift Village Voice sowohl von Pop- als auch Jazz-Kritikern zum Album des Jahres 1983 gewählt. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx) Berendt/Huesmann führten Odyssey als jenes Album Ulmers an, das „höchsten künstlerischen Ansprüchen“ genüge. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 65) Die Internetseite Allmusic ordnet dem Album Odyssey dem Jazz zu, bewertet es mit der Höchstnote und bezeichnet es als „zertifizierten Klassiker der modernen Jazz-Avantgarde“ (Internet-Adresse: http://www.allmusic.com/album/odyssey-mw0000648740) Der Jazzführer Penguin Guide to Jazz führt dieses Album in seiner „Kern-Sammlung“ von Alben an. (QUELLE: Wikipedia, Quellenangabe: Richard Cook/Brian Morton, Penguin Guide to Jazz, 2006, 8. Auflage, S. 1314)
  47. Ornette Coleman nannte sein spezielles Konzept „Harmolodik“. Näheres: Link
  48. Matthew Brown: Ulmer habe sich von den „harmolodischen Pop-Songs“ der Columbia-Aufnahmen distanziert, wie er sie 1990 in einem Interview für die Zeitschrift Guitar Player genannt habe. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx)
  49. Matthew Brown: Ulmer habe im Jahr 1992 gegenüber der Zeitschrift Jazz Journal International erklärt, dass keine „dieser Gruppen“ (Music Revelation Ensemble und Phalanx) sein „zentrales Anliegen“ war. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx, eigene Übersetzung)
  50. Blues Allnight (1989), Black and Blues (1990), Blues Preacher (1994), Forbidden Blues (1996), Blue Blood (2001), No Escape from the Blues (2003)
  51. Matthew Brown: Ulmer habe um 1994 mit seinem eklektischen Stil früherer Jahre gebrochen. Er habe damals gegenüber der Zeitschrift DownBeat erklärt, er wolle nun die Stile seiner Musik trennen, sie nicht mehr alle durcheinandermischen. Zu seinem Album Blues Preacher habe er gesagt, dass er auf diese Weise jeden Stil für sich perfektionieren und zu einem befriedigenderen Erlebnis für Hörer machen könne. (QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx)
  52. James Blood Ulmer: Vernon Reid habe das Album Memphis Blood: The Sun Sessions produziert und dafür sowohl die Songs als auch die Band-Mitglieder ausgewählt. Er (Ulmer) sei lediglich zur Aufnahme erschienen und habe gespielt, aber er habe es dann wirklich gemocht. (QUELLE: Kurt Gottschalk, James Blood Ulmer. Blues in the Blood, Zeitschrift The New York City Jazz Record, Nr. 107, März 2011, Internet-Adresse: http://nycjazzrecord.com/issues/tnycjr201103.pdf) Ian Carr: Die alten Songs dieses Albums seien anrührend und gehaltvoll und würden zum Besten von Ulmers Karriere gehören. (QUELLE: Ian Carr in: Ian Carr/Digby Fairweather/Brian Priestley, Rough Guide Jazz, 2004, S. 699)
  53. Birthright
  54. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Spirits Rejoice! Albert Ayler und seine Botschaft, 2011/1996, S. 74 und 158
  55. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Spirits Rejoice! Albert Ayler und seine Botschaft, 2011/1996, S. 132f. und 138 (Märsche und marschverwandte Strukturen würden das Rückgrat von Aylers Repertoire dieser Periode bilden)
  56. Fort Worth, in dem auch der zehn Jahre ältere Ornette Coleman aufwuchs
  57. zu Sunny Murrays Spielweise: Link
  58. Peter Niklas Wilson: Albert Ayler habe Anfang 1966 Sunny Murray, mit dem er seit Ende 1962 zusammenarbeitete, durch Jackson ersetzt. Ayler sei nach Aussage seines Bruders bereits seit längerem mit Murrays Spiel unzufrieden gewesen und habe einen Schlagzeuger gesucht, der die Marsch-Rhythmik nunmehr verwendeter Themen deutlicher unterstützte. Der entsprechende Schlagzeuger sei nach Jacksons kurzem Gastspiel dann Beaver Harris gewesen. (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Spirits Rejoice! Albert Ayler und seine Botschaft, 2011/1996, S. 74f.)
  59. QUELLEN: Michael Bettine, Fierce & Uncompromising: Ronald Shannon Jackson, 18. November 2013, Interview um 1999, Internet-Adresse: http://percussiondeconstruction.blogspot.co.at/2013/11/fierce-uncompromising-ronald-shannon.html; Fred Jung, A Fireside Chat Whit Ronald Shannon Jackson, 31. März 1999, Internet-Adresse: http://www.jazzweekly.com/1999/03/fireside-chat-with-ronald-shannon-jackson/; Norman C. Weinstein, A Night in Tunisia, 1993/1992, S. 169
  60. QUELLE: Paul F. Berliner, Thinking in Jazz, 1994, S. 337
  61. mit erkennbarem Beat und (eventuell) erkennbarem zyklischem Muster (zum Beispiel 4/4-Takt)
  62. Peter Niklas Wilson zu den beiden Alben Albert Aylers At Slugs’ Saloon Vol. 1 und 2 (QUELLE: Peter Niklas Wilson, Spirits Rejoice! Albert Ayler und seine Botschaft, 2011/1996, S. 158)
  63. Ronald Shannon Jackson: Als er bei Ornette Coleman vorspielte, habe dieser bereits 17 Schlagzeuger ausprobiert gehabt. Colemans Problem sei gewesen, dass er diesen 19-Jährigen aus Philadelphia am Elektro-Bass hatte. Coleman habe elektrisch werden wollen. Coleman habe ihm später gesagt, dass die anderen Schlagzeuger es genossen, mit ihm zu spielen, ihm dann jedoch sagten, er solle sich einen Kontrabassisten zulegen, worauf er sie nicht mehr anrief. Coleman habe ihn mit dem Gitarristen Bern Nix und dem E-Bassisten Jamaaladeen Tacuma ungefähr vier Stunden lang alleingelassen und Nix sowie Tacuma dann gefragt, wie es war. Nachdem diese „wunderbar“ antworteten, habe er den Gig bekommen. (QUELLE: Fred Jung, A Fireside Chat With Ronald Shannon Jackson, 1999, Internet-Adresse: http://www.jazzweekly.com/1999/03/fireside-chat-with-ronald-shannon-jackson/)
  64. Ed Blackwell (aus New Orleans), Charles Moffett (aus Ornette Colemans Heimatstadt Fort Worth, Texas), Billy Higgins (aus Los Angeles; er swingte stark und hatte ebenfalls das Second-Line-Feeling [QUELLE: Ted Panken, A Drummers Memorial Roundtable on Billy Higgins on WKCR, May 7, 2001, 11, Oktober 2011, Ted Pankens Internetseite, Internet-Adresse: https://tedpanken.wordpress.com/2011/10/11/a-drummers-memorial-roundtable-on-billy-higgins-on-wkcr-may-7-2001/, Aussagen von Ralph Peterson, Leroy Williams und Billy Hart])
  65. Ronald Shannon Jackson: Er habe mit Cecil Taylor genau sechs Monate lang gearbeitet. (QUELLE: Fred Jung, A Fireside Chat With Ronald Shannon Jackson, 1999, Internet-Adresse: http://www.jazzweekly.com/1999/03/fireside-chat-with-ronald-shannon-jackson/) Vier Alben Taylors, an denen Jackson beteiligt war (Cecil Taylor Unit, 3 Phasis, Live in the Black Forest und One Too Many Salty Swift and Not Goodbye), wurden in der Zeit von April bis Juni 1978 aufgenommen.
  66. Martin Kunzler nannte in seinem Jazz-Lexikon als Gründungsjahr der Decoding Society 1978. Scott Yanow auf der Internetseite allmusic.com, ein Artikel im Guardian (von John Fordham) und ein Artikel in der New York Times führten 1979 als Gründungsjahr an.
  67. Ronald Shannon Jackson: Bei Albert Ayler habe er zum ersten Mal eine Situation erlebt, in der es nicht hieß: „Moduliere hier … spiele hier sanft … wir werden das genau hier machen … bleibe im Hintergrund …“. Ayler habe ihm vielmehr die Möglichkeit gegeben, so zu spielen, wie er zuhause alleine spielte. (QUELLE: Michael Bettine, Fierce & Uncompromising: Ronald Shannon Jackson, 18. November 2013, Interview um 1999, Internet-Adresse: http://percussiondeconstruction.blogspot.co.at/2013/11/fierce-uncompromising-ronald-shannon.html)
  68. Eye on You (1980), Nasty (März 1981) und Street Priest (Juni 1981)
  69. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 64f. und 625 („wegweisend“) --- Martin Kunzler: Jackson habe die „funky Rock-Rhythmen von ihrem strikten Korsett befreit“, indem er sie „mit dem Potenzial der Free Percussion durchsetzte und changieren ließ, ähnlich wie Elvin Jones Anfang der sechziger Jahre den Four Beat flexibilisiert hatte“. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 607) Der Begriff „Four Beat“ bezeichnet grundsätzlich eine gleichmäßige Akzentuierung der Beats in einem vier Beats langen Zyklus, insbesondere durch den so genannten Walking-Bass, im Gegensatz zum älteren „Two Beat“-Rhythmus, bei dem jeder zweite Beat betont wurde.
  70. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 625
  71. das fortlaufende Darstellen und Aufrechterhalten des Grundrhythmus
  72. Näheres dazu im Artikel Jazz-Beat: Link
  73. Mehr dazu an folgender Stelle des Artikels Afrikanisierung: Link
  74. Näheres im Artikel Funky Jazz-Grooves: Link
  75. zum Beispiel DeJohnette in einem langen Solo im Stück What I Say des Miles-Davis-Albums Live-Evil (aufgenommen im Dezember 1970)
  76. Nach Martin Kunzlers Jazz-Lexikon durchsetzte Jackson die Rock-Rhythmen mit dem „Potenzial der Free Percussion“ und ließ sie auf diese Weise „changieren“. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 607)
  77. Die Musik der frühen Aufnahmen der Decoding Society könnte wohl für Hörer mit Free-Jazz-orientiertem Zugang in folgender Hinsicht ansprechend sein: Zu einem erheblichen Teil bestand das „freie“ Spiel darin, dass traditionelle Jazzformen „aufgebrochen“ wurden. Sobald das geschehen war (wenn Melodien, Harmonien und Rhythmen aufgelöst waren), gab es nichts mehr aufzubrechen und die stattdessen erzeugten „Klangtexturen“, die nicht mehr als im herkömmlichen Sinn musikalisch empfunden werden, konnten nur das Interesse eines sehr kleinen Hörerkreises aufrecht erhalten. Zumindest in den frühen Aufnahmen der Decoding Society bleibt der Prozess des „Aufbrechens“ hingegen ständig in Gang, da die Stücke kurz sind, die Themen ansprechend und viele altbekannte Elemente (etwa ein rockiger Beat aus der Tanzmusik) auftauchen, die zwar von desorientierenden Spielweisen verdrängt werden, aber doch immer wieder zurückkehren. --- John Litweiler: Die Musik der Decoding Society sei einerseits durch ihre vitale Rhythmik verführerisch, zugleich aber durch die Disparatheit ihrer Elemente beunruhigend. Sie enthalte eine Koexistenz unterschiedlicher Musikkulturen, die jedoch labil sei. Trotz der positiven Vitalität der Band seien Chaos und Zerfall nie weit entfernt. (QUELLE: John Litweiler, Das Prinzip Freiheit, 1988, S. 266)
  78. zum Beispiel in den ersten drei Stücken des Albums Eye On You
  79. zum Beispiel im sechsten Stück des Albums Street Priest und im ersten Stück des Albums Nasty
  80. zum Beispiel im zweiten Stück von Eye On You und im zweiten Stück von Nasty
  81. Ronald Shannon Jackson: 1.) Er habe schon lange nach Afrika reisen wollen. Als er mit Ornette Coleman nach Paris kam, sei er mit afrikanischen Musikern zusammengekommen, die von geheimen Trommel-Gemeinschaften erzählten. – 2.) In der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Cecil Taylor (um 1978) habe er auf einem College Aufnahmen aus der UNESCO-Sammlung traditioneller Musik der Welt auf seinen Kassettenrecorder überspielt – afrikanische, von Derwischen, von tibetanischen Mönchen und so weiter. Er habe sich all das zuhause angehört und schließlich gewusst, dass er nach Afrika reisen musste. Einige Jahre später habe er Zuschüsse von privaten Stiftungen erhalten und sei daraufhin aufs Geratewohl in den Kongo (damals Zaire) und in weitere afrikanische Länder (bis Mali) gereist, was sehr gefährlich war. Was er sah und hörte, sei unglaublich gewesen. Er habe faszinierendes Trommelspiel erlebt und habe alle Erlebnisse wie ein Schwamm in sich aufgesogen. Letztlich habe die Afrika-Reise jedoch seine Art des Schlagzeugspiels nicht verändert, sondern lediglich bestätigt, was er bereits davor wusste oder ahnte. – 3.) Ken Shimamoto: Jacksons dreimonatige Afrika-Reise habe Aufenthalte in neun Ländern umfasst, unter anderem in Zaire, Kamerun, Benin, Elfenbeinküste, Nigeria, Togo und Mali. – 4.) Ronald Shannon Jackson: Alles, was seine Decoding-Society-Band macht, habe ein Fundament. Seines Erachtens seien die afrikanischen Phrasen sehr offensichtlich, ebenso die Funk-Phrasen. Auch die orientalischen Phrasen seien offensichtlich und auch bulgarische Rhythmen seien vorhanden. Er höre das alles. (QUELLE 1: Ken Shimamoto, Legend Shadows, Zeitschrift Fort Worth Weekly, 2. Jänner 2003, Internet-Adresse: http://www.fwweekly.com/2003/01/02/legend-shadows-part-1/; QUELLE 2: Norman C. Weinstein, A Night in Tunisia, 1993/1992, S. 170-174; QUELLE 3: wie Quelle 1; QUELLE 4: Jon Pareles, For 2 Diverse Bands, Swinging’s the Mutual Goal, Zeitung The New York Times, 29. Oktober 1982, Internet-Adresse: http://www.nytimes.com/1982/10/29/arts/for-2-diverse-bands-swinging-s-the-mutual-goal.html)
  82. Ronald Shannon Jackson: Er dürfte ungefähr vier Jahre alt gewesen sein, als seine Mutter ihn zum ersten Mal in die Kirche in Houston, Texas, mitnahm. Als er jung war, habe er nicht gewusst, dass die Musik der Holiness-Kirche afrikanische Rhythmen verwendete. Aber er habe gewusst, dass er etwas hörte, das aus seinem Leben kam, nicht von außerhalb seines Lebens. Die Rhythmen in der Kirche seien so kraftvoll gewesen, dass man total beeindruckt war, wenn man nur in die Nähe kam. – Mehrmals in seinem Leben habe er das Spielen aufgegeben und sein Schlagzeug verkauft, weil er geistig nicht mehr in der Lage gewesen sei, Musik zu spielen. Aber er habe nie das Bewusstsein für die Rhythmen verloren, die er bereits als Kind von der Kirche her kannte. Diese Rhythmen seien ihm nie verloren gegangen. (QUELLE: Norman C. Weinstein, A Night in Tunisia, 1993/1992, S. 167 und 175)
  83. Album Mandance (aufgenommen 1982)
  84. den ersten Beat eines Zyklus (1,2,3,4,1,2 …)
  85. Ronald Shannon Jackson: Er habe das Glück gehabt, in einem Tanzband-Umfeld heranzuwachsen, und so habe er immer die Basstrommel unter Kontrolle gehabt. Das habe er einfach auf die Bebop- und Jazz-Bands übertragen müssen, auf die er in New York traf. Er sei als Schlagzeuger in einem Umfeld herangewachsen, in dem die Basstrommel am wichtigsten war – im Gegensatz zu Bebop oder Swing, in denen viel auf der Snare-Trommel gespielt werde, viel an Akzentuierung zwischen Becken und Snare-Trommel erfolge sowie das Time-Keeping auf den Becken gespielt werde. In der Tanzmusik werde der Rhythmus hingegen auf der Basstrommel gehalten. In der Blues-Musik sei der Puls der Basstrommel die Seele der Musik. […] Die wichtigste Sache sei die Fußtrommel, die Meistertrommel. Sie sei die Kontrolltrommel, das Zentrum, der Herzschlag, der entspannte Puls, das mehr musikalische, tonale Zentrum im Gegensatz zum mehr direkt sprechenden Ton – das, was die Musik verankert. Es könne allerdings wirklich schwierig sein, sich mit einem Bassisten zu verkuppeln. Bassisten würden irgendeinen Ton in der Basstrommel hören und sofort denken, dass etwas falsch läuft. Weniger erfahrene Bassisten würden vom Basstrommel-Klang aus der Bahn geworfen werden, denn dieser würde in denselben tonalen Bereich fallen wie ihr Klang. Es sei daher besser, die Basstrommel so zu stimmen, dass sich ein platter „Bums“ ergibt. Damit dringe die Basstrommel durch und man könne mit ihr den Fluss der Energie kontrollieren. Wenn man mit dem Puls des Herzschlags – Bumm, Bumm, Bumm, Bumm – beginnt, dann seien all die darüber gelegten Rhythmen gut. Sie seien die Erweiterungen – das, was man emotional sagen will. Doch wenn der Herzschlag nicht vorhanden ist, sei alles labil. Solange ein Schlagzeuger weiß, wo die Eins ist und dieses Gefühl vermitteln kann, sei alles cool. Eines der Probleme, die in der Ära der Avantgarde der 1960er Jahre bestanden, sei gewesen, dass niemand festlegte, wo die Eins ist, oder irgendetwas verankerte. Das habe bei den Leuten Beklemmung verursacht anstelle von Spannung/Loslassen. Niemand habe das gemocht, was aufgrund der menschlichen Natur logisch gewesen sei. Man müsse mit den Leuten nicht unbedingt sprechen, um mit ihnen zu kommunizieren. Man brauche ihnen nur einen Herzschlag zu geben. Selbst wenn er die Basstrommel nicht spielt, spiele er sie. Selbst wenn die anderen Musiker und die Hörer sie nicht hören, könnten sie sie stets fühlen, sodass sie wissen, wo die Stelle ist. Er spiele die Basstrommel immer. Was er macht, sei, den Schläger am Basstrommelfell zu halten und mit der Ferse den Puls zu stampfen, sodass man die Vibrationen, die durch die Basstrommel gehen, fühlen könne. Der Puls sei es, was einen kreativ und dennoch beisammen sein lasse. (QUELLE: Todd Bishop [Jazz-Schlagzeuger], 1984 MD interview: Ronald Shannon Jackson, 2012, Internet-Adresse: http://www.cruiseshipdrummer.com/2012/03/1984-md-interview-ronald-shannon.html, Quellenangabe: Chip Stern, Zeitschrift Modern Drummer, Ausgabe März 1984)
  86. Mehr dazu im Artikel Marsch-Befreiung-Verflechtung: Link
  87. Ronald Shannon Jackson: Ornette Coleman habe ihm empfohlen, sich eine Flöte zu kaufen, da er keine Schlagzeug-Soli, sondern melodische Soli auf dem Schlagzeug spielte. Es sei ihm schon immer darum gegangen, die Melodie zu spielen, und das habe er wiedergefunden, als er zum ersten Mal Elvin Jones spielen hörte. Er sei damals sehr überheblich gewesen, aber es sei für ihn tatsächlich so gewesen, als sei da jemand, der so klang, als würde er in der gleichen Weise zu spielen versuchen. Damals war er noch nie aus Texas herausgekommen. (QUELLE: Fred Jung, A Fireside Chat With Ronald Shannon Jackson, 1999, Internet-Adresse: http://www.jazzweekly.com/1999/03/fireside-chat-with-ronald-shannon-jackson/)
  88. zum Beispiel in der Live-Aufnahme des Stücks Impressions vom 22. Oktober 1963 in Stockholm (Album John Coltrane. Live Trane. The European Tours, CD 5, oder Album John Coltrane. Afro Blue Impressions) und im Stück One Down, One Up, aufgenommen 1965 im Jazzclub Half Note (Album John Coltrane. One Down, One Up)
  89. zum Beispiel zu beobachten in einem YouTube-Video von einem Konzert der Decoding Society in Montreux im Jahr 1983: https://www.youtube.com/watch?v=bZL88zT-LsM. Nach eigener Erinnerung machte Jackson solche Kopfbewegungen bereits bei einem Auftritt von Ornette Colemans Prime-Time-Band in den 1970er Jahren.
  90. Näheres im Artikel Cool: Link
  91. zum Beispiel J. C. Thomas: In Rhythm-and-Blues-Klubs der 1950er Jahre sei von Saxofonisten häufig ein „Walking the Bar“ als umsatzsteigernde Publikumsattraktion verlangt worden. Sie mussten sich dabei unter wilden Verrenkungen und mit kreischenden, quietschenden Saxofonlauten auf der Bar entlangbewegen. Auch John Coltrane habe das in jungen Jahren mitgemacht. (QUELLE: J. C. Thomas, Chasin‘ the Trane, dtsch., 1986/1975, S. 49f.)
  92. QUELLE: Ken Shimamoto, Legend Shadows, Zeitschrift Fort Worth Weekly, 2. Jänner 2003, Internet-Adresse: http://www.fwweekly.com/2003/01/02/legend-shadows-part-1/
  93. Jef Lee Johnson: Die Leute würden bei Jacksons Musik den Fehler machen zu versuchen, sie wie normale Musik zu hören. Man müsse sie in Schichten hören. Dann würde man sehen, wie schön sie ist – diese „verrückte, orchestrale, kleine Band mit diesem Schlagzeug-Chaos darunter“. (QUELLE: Ken Shimamoto, Legend Shadows, Zeitschrift Fort Worth Weekly, 2. Jänner 2003, Internet-Adresse: http://www.fwweekly.com/2003/01/02/legend-shadows-part-1/; eigene Übersetzung)
  94. Show Stopper
  95. Renaissance Man
  96. So Tranquilizin‘
  97. QUELLE: Peter Niklas Wilson, Ornette Coleman. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, 1989, S. 173
  98. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 2, 2002, S. 1314
  99. Berendt/Huesmann: Als Ornette Colemans Album Dancing in Your Head im Jahr 1977 erschien, seien „die Stagnationserscheinungen bei Fusion und Jazz Rock unübersehbar“ gewesen. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 63) Ekkehard Jost: Fusion schien zu Anfang der 1980er Jahre „zu verglimmen“. Es habe in ihr „kaum noch kreative Impulse“ gegeben, die „diese Musik in irgendeiner Weise voran und zu anderen Ufern hätten treiben können“. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 347)
  100. Valerie Wilmer: „Im Jahr 1975 hatte das Interesse der Franzosen an ihren amerikanischen Besuchern merklich nachgelassen. Diese wurden der politischen Rolle nicht mehr gerecht, die einer der Gründe dafür gewesen war, dass man sie so enthusiastisch empfangen hatte.“ (QUELLE: Valerie Wilmer, Coltrane und die jungen Wilden, 2001/1977, S. 269)
  101. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 282
  102. zum Beispiel im ersten, im Jahr 1980 veröffentlichten Album der Band mit dem Titel Defunkt; spätere Aufnahmen zeigen, dass die Gruppe ihren Stil weitgehend gleichbehielt.
  103. Ekkehard Jost: „Free Funk“ sei ein „vergleichsweise kurzlebiger Stilbereich der frühen 198Oer Jahre“. (QUELLE: Ekkehard Jost in: Wolf Kampmann (Hrsg.), Reclams Jazzlexikon, 2003, S. 612) Berendt/Huesmann: „Free Funk“ habe nach einer „kurzen und heftigen Blütezeit“ zu Beginn der 1980er Jahre im „weiteren Verlauf deutliche Ermüdungserscheinungen“ gezeigt. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 65) Martin Kunzler: „Free Funk“ habe „man in den frühen achtziger Jahren die neuartige Verbindung von gelösteren Rock-Jazz-Rhythmen mit der Formfreiheit und Improvisationspraktiken des Free Jazz“ genannt. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, Band 1, 2002, S. 388)
  104. Stück Rock Out (Album Message To Our Folks, aufgenommen 1969) und Stück Thème De Yoyo (Album Les Stances A Sophie, aufgenommen 1970); ein weiteres, späteres Stück des Art Ensembles of Chicago, das als „Free Funk“ gelten könnte, ist Funky AECO (Album The Third Decade, aufgenommen 1984)
  105. Stück Funky Donkey (Album Funky Donkey Vols. I & II von Luther Thomas Human Arts Ensemble Directs The Saint Louis, Missouri Creative Ensemble, aufgenommen 1973)
  106. Ein weiteres Beispiel für ein einzelnes Stück in der „Free Funk“-Art ist Bush Baby von Arthur Blythe (Album Illusions, erschienen 1980), an dem James Blood Ulmer mitwirkte und das sowohl funky als auch vom „freien“ Jazz beeinflusst klingt.
  107. Ekkehard Jost stellte die Defunkt-Band in eine Reihe mit der Prime-Time, der Decoding Society und dem Music Revelation Ensemble. (QUELLEN: Ekkehard Jost in: Wolf Kampmann (Hrsg.), Reclams Jazzlexikon, 2003, S. 612; Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 349)
  108. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 65
  109. Album Miles Davis at Fillmore
  110. Näheres zu Professor Longhair im Artikel Funk: Link (auch an weiteren Stellen dieses Artikels)
  111. Die Ausdrücke „Funk“ und „funky“ kamen zum Beispiel in Musiktiteln von Horace Silver und Cannonball Adderley vor.
  112. Näheres im Artikel Funk: Link
  113. QUELLE: Matthew Brown, Artikel über James Blood Ulmer des Internet-Lexikons encyclopedia.com, Internet-Adresse: http://www.encyclopedia.com/topic/James_Blood_Ulmer.aspx
  114. Vernon Reid (Gitarrist der Decoding Society der 1980er Jahre) gründete 1985 mit Greg Tate und anderen die Musiker-Kooperative Black Rock Coalition. (QUELLE: engl. Wikipedia, Quellenangabe: Daphne Brooks, Burnt Sugar, in: Eric Weisbard (Hrsg.), This is Pop, 2004, S. 109)
  115. Berendt/Huesmann: Nie zuvor sei Ornette Colemans „Rhythm & Blues-Background so offensichtlich und tiefgreifend spürbar“ gewesen wie in seinen Prime Time-Bands. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 188) – Ob das nun richtig ist oder nicht, es bestätigt jedenfalls den Eindruck, dass die Wurzeln dieser Musik in einer Tanzmusik der Vergangenheit, nicht einer aktuellen, lagen.
  116. siehe oben zu Ronald Shannon Jacksons Decoding Society
  117. Auch die Prime-Time-Band Ornette Colemans spielte mit „tosenden Phonstärken“, über die sich „viele Kritiker beklagten“. Dem „zeitgenössischen Publikum erschien Ornettes Free Funk schrill und ohrenbetäubend“. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 190)
  118. „Free Funk“ war nach der Darstellung des Jazzkritikers Ekkehard Jost eine „einfache und draufgängerische Musik: draufgängerisch in ihrer Lautstärke, ihrer emotionalen Intensität und Unbekümmertheit um instrumentale Finesse und Kunstfertigkeit; einfach in der Kombination einer zumeist äußerst brachial durchgesetzten Fundamentalrhythmik mit einem freitonalen Improvisationsstil, der seine Wurzeln im Free Jazz hatte, und einem thematischen Material in der Nähe von musikalischen Abzählreimen“. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 349)
  119. QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 2005, S. 64
  120. QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 351
  121. QUELLE: Artikel der AllMusic-Internetseite zu „Free Funk“ als Unterart von Fusion, Internet-Adresse: http://www.allmusic.com/subgenre/free-funk-ma0000011823
  122. QUELLE: Scott Yanow, Jazz. A Regional Exploration, 2005, S. 232
  123. QUELLE: Klappentext von: Mark C. Gridley, Jazz Styles, 2012/2003, S. 417
  124. QUELLE: Mark C. Gridley, Jazz Styles, 2012/2003, S. 417
  125. QUELLE: Piero Scaruffi, A History of Jazz Music, 2007, Kindle-Ausgabe, Kapitel Non-jazz of the 1980s
  126. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Community Forum/Music/Rhythm/“Free Funk”/Beitrag Nr. 4036 vom 26. Jänner 2016, Internet-Adresse: http://m-base.net
  127. In welcher Weise eine Verbindung von Steve Colemans Stück Limbic Cry (und offensichtlich auch von Chemical Intuition) zu Ornette Colemans Spielweisen besteht, geht aus folgenden Erläuterungen Steve Colemans hervor: Er sprach von den bewussten Beschleunigungen und Verzögerungen, von der Ungleichmäßigkeit, die es in der Phrasierung von Charlie Parker und anderer Musiker seiner Zeit gab. In ihren Phrasen gebe es vieles, das absichtlich aus dem rhythmischen Raster der Musik heraustritt. Diese Musiker hätten eine bestimmte Auffassung von Zeit und Rhythmus sowie den Dingen in den „Ritzen“ [Zwischenräumen der Noten] gehabt. Eine drastischere Version davon hätten Ornette Coleman und Don Cherry gemacht, denn in deren Spielweise sei praktisch alles in den „Ritzen“. Sie würden fast rubato [mit starken Temposchwankungen, die bis zur Auflösung des rhythmischen Schwungs führen können, besonders in Balladen-artigen Stücken] spielen, wenn auch nicht wirklich. Daraus habe sich eine ganze Tradition entwickelt, zum Beispiel Henry Threadgills Melodien und wie seine Band spielt. Das sei Ornette Coleman, wie er in seinen frühen Aufnahmen spielte. Die Melodien würden wie Wellen klingen. Ein wenig davon sei bereits in Thelonious Monks Musik enthalten gewesen – dieses Beschleunigen und Abbremsen, etwa in der Aufnahme des Stücks Monk’s Mood mit John Coltrane oder in mehr metrischer Weise in seiner Komposition Brillant Corners. Ornette Coleman und seine Mitspieler hätten daraus eine Art Markenzeichen gemacht, eine Art Rubato, das außerhalb des Rhythmus und doch im Rhythmus ist, eine wellenartige Sache. Das sei dann auch der charakteristische Sound von Musikern wie Threadgill. Er (Steve Coleman) habe mit Jonathan Finlayson selbst so etwas Ähnliches zum Beispiel im Stück Limbic Cry gemacht, in dem es diese Art von Verzögerung gibt, die nicht wirklich im Rhythmus ist. Es gebe aber den Bereich, der im Rhythmus ist, und so weiter. Das gehe auf Ornette Colemans Zeug zurück. Henry Threadgill habe eine Menge davon in seiner Musik. Tatsächlich habe Threadgill kaum diese dichte Sache von Charlie Parkers Confirmation-Stück mit dessen schnellen Melodien. Threadgills Sache sei mehr einfach Wellen. Seine Musik komme in Wellen wie Wasser. Es sei wunderbar, dass es all diese verschiedenen Arten zu spielen gibt. Musiker wie Charlie Parker hätten das ebenfalls in ihrem Spiel gehabt, aber mit einer Präzession. In Parkers Improvisationen gebe es all das Geben und Nehmen, das Zurückhalten, das Zurücklehnen und so weiter. Und ein Musiker wie Von Freeman habe ebenfalls viel von diesen Prinzipien in seinem Spiel gehabt. (QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 14: Confirmation, Audio im Abschnitt 0:35:29 bis 0:41:21 Minuten, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net)
  128. QUELLE: von Troy Collins geführtes Interview mit Steve Coleman aus Frühjahr 2013, Steve Coleman. Stories along the Path, Internet-Adresse: http://www.pointofdeparture.org/archives/PoD-43/PoD43Coleman.html

 

 

 

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