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Ursprünge


Louis Armstrong verstand seine Musik als Kunst1), auch wenn er auf der großen Bühne, die ihm wichtig war, keine entsprechende Rolle fand und oft genug als eine Art Clown „seinen Arsch statt sein Genie“2) zeigte. Ein Jazz-Kritiker berichtete, er habe als Student im Jahr 1968 auf seinem College einen Auftritt Armstrongs organisiert. Eine Reihe von Intellektuellen und Künstlern hätten damals vom College Ehrendoktorate erhalten, nicht jedoch Armstrong. Jazz habe eben „im kulturellen Leben Amerikas nicht mehr als die Existenz eines Bastards“ geführt.3) Der Jazz-Kritiker erzählte auch, er habe Armstrongs Hot-Five-Aufnahme West End Blues (1928) einmal einem Musikprofessor vorgespielt und der habe sich das Stück ein zweites Mal vorspielen lassen und dann gesagt, dass das wahrscheinlich die perfektesten drei Minuten Musik sind, die er je in seinem Leben hörte.4) Für eine primär an „klassischer“ Musik orientierte Person ist das eine außergewöhnliche Wertschätzung. Andererseits ist bezeichnend, dass der Professor diese Aufnahme, die eine der berühmtesten der Jazz-Geschichte ist, offenbar nicht kannte.5) – Wesentlich komplexer als Armstrongs Meisterwerke war 20 Jahre später dann die auf derselben Linie weitergeführte Kunst von Charlie Parker. Umso weniger wurde sie wahrgenommen und gewürdigt, und zwar nicht nur von der breiten Öffentlichkeit, die höchstens an Parkers tragischer Lebensgeschichte interessiert war, sondern auch von den etablierten Kunstmusikexperten. Parker hatte großes Interesse und echte Wertschätzung für die europäische Konzertmusik, während umgekehrt die Musikgelehrten des „klassischen“ Bereichs seiner kulturellen Leistung völliges Unverständnis und deshalb auch Interesselosigkeit entgegenbrachten. Zum Beispiel ignorierte noch das in den 1990er Jahren fertiggestellte 13-bändige Neue Handbuch der Musikwissenschaft6) den Jazz als kunstvolle Musiktradition und behandelte ihn lediglich kurz als „populäre Musikform“, und zwar neben Rock und Popmusik im Kapitel Volks- und Popularmusik in Europa. Nach Auffassung des Handbuchs endete der Jazz als „populäre Musik“ mit dem Niedergang des Swing-Geschäfts im Zweiten Weltkrieg und versank damit in der Bedeutungslosigkeit7). Armstrong wurde in diesem Kapitel zweimal kurz erwähnt, Charlie Parker hingegen nicht.8) – Während die Werke der europäischen Komponisten nach wie vor in Kulturprogrammen beharrlich vermittelt werden, ist Parkers Musik selbst in Jazz-Hörer-Kreisen kaum mehr präsent.

Die spezifische Kunst, die Parker verkörperte, wurde von Musikern wie Sonny Rollins, John Coltrane und Steve Coleman bis in das 21. Jahrhundert auf eigene, kreative Weise fortgeführt und die bedeutenden Innovatoren dieser Linie waren alle afro-amerikanischer Herkunft. Zwar identifizieren sich seit mehr als hundert Jahren auch „weiße“ Musiker mit dieser Musiktradition. Doch soweit ihre Beiträge nicht überwiegend Nachahmungen bestehender Spielweisen sind, weichen sie mit erstaunlicher Beständigkeit vom afro-amerikanischen Charakter der Tradition ab und bilden eigene Linien.9) Europäische Musiker und ihre Interessensvertreter versuchen seit Längerem sogar, der Bezeichnung „Jazz“ eine neue Bedeutung zu geben, um sie für ihre eigene, von der afro-amerikanischen Tradition losgelöste Musik in Anspruch zu nehmen, nachdem ein halbes Jahrhundert europäischer Nachahmung nur begrenzt erfolgreich verlaufen war.10)

Die außereuropäische Wesensart der von Meistern wie Armstrong und Parker repräsentierten Musiktradition ist also unverkennbar. Diese Tradition verwendet zwar überwiegend aus Europa stammende Musikinstrumente und das europäische Tonsystem11), klingt und funktioniert aber anders als jede europäische Kunst- oder Volksmusik. Unübersehbar ist auch, dass ihr fremdartiger Charakter afro-amerikanischen Ursprungs ist, was das Bestehen einer afrikanischen Komponente nahelegt. Der Jazz hatte allerdings (zumindest ursprünglich) an der Oberfläche keine konkrete Ähnlichkeit mit afrikanischer Musik. Doch wurde er nicht zu Unrecht als „irgendwie afrikanisch“ empfunden. Denn in Grundzügen scheinen afro-amerikanische Traditionen gewisse Musikauffassungen bewahrt zu haben, die aus afrikanischen Kulturen stammen und zu einem guten Teil die aus europäischer Sicht bestehende Fremdartigkeit des Jazz erklären.
Mehr dazu: Retention

Jazz ist aber nicht bloß das Produkt einer Vermischung europäischen und afrikanischen Erbes in einem ethnischen „Schmelztiegel“ Amerikas – so wie auch die klassische europäische Musik nicht einfach ein europäisch-asiatisch-nordafrikanisches Gemisch12) ist. Musik ergibt sich nicht einfach aus Prozessen und Einflüssen, sondern ist Ausdruck von Menschen in konkreten sozialen und kulturellen Situationen. Die afro-amerikanischen Musikarten stammen aus einer vielfältigen, überwiegend in den Südstaaten der USA beheimateten Subkultur, die Sklaven und ihre Nachfahren weitgehend abgetrennt vom „weißen“ Umfeld entwickelten, um ihr schwer erträgliches Leben mit einer ihrem eigenen Empfinden entsprechenden Musik zu erleichtern. Diese kulturelle Parallelwelt von Afro-Amerikanern speiste die amerikanische Unterhaltungsmusik bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dann im 20. Jahrhundert immer wieder aufs Neue.13)

Zunächst gelangten im 19. Jahrhundert Gesangs- und Spielweisen afro-amerikanischer Stringbands14) sowie die dazu gehörigen Tänze15) in die Darbietungen von Shows16) und wurden von umherziehenden Truppen im ganzen Land verbreitet.17) Die Musik der afro-amerikanischen Stringbands enthielt bereits viele Elemente, die charakteristisch für die späteren Musikarten Ragtime, Blues und Jazz wurden.18) Ursprünglich waren diese Musikarten nicht voneinander getrennt und der Musikwissenschaftler Thomas Brothers wies darauf hin, dass es für ein Verständnis der Entstehung des Jazz wichtig ist, die frühen Entwicklungen frei von den heute üblichen Kategorisierungen durch Begriffe wie Ragtime, Blues und Jazz zu betrachten.19) In den Tanzmusikbands verwendete Saiteninstrumente wie Banjo, Gitarre und besonders der Kontrabass spielten später in den Rhythmusgruppen des Jazz auch weiterhin eine bedeutende Rolle.

Bereits in der Zeit der Sklaverei gab es freie Afro-Amerikaner, denen Bildung und das Spielen teurer Musikinstrumente offen stand. Doch nutzten sie diese Möglichkeiten meistens in einer an die „weiße“ Kultur angepassten Weise, da sie in der Regel um Integration in die „weiße“ Gesellschaft bemüht waren – schon allein, um ihre ständig gefährdete Sonderstellung nicht zu verlieren. Die Mehrheit der Afro-Amerikaner war bis zur allgemeinen Aufhebung der Sklaverei20) und aufgrund von Armut oft auch lange darüber hinaus auf das Spielen einfacher (oft selbstgebauter) Saiten- und Schlaginstrumente beschränkt sowie von klassischer Ausbildung ausgeschlossen. Manche von ihnen erlangten später Zugang zu einem Klavier und entwickelten darauf eine eigene Spielweise, indem sie ihre Volksmusik, insbesondere das weit in die Sklavenzeit zurückreichende Banjo-Spiel21), auf das Klavier übertrugen. Sie waren unausgebildete, nach Gehör spielende Musiker, die in Kneipen der afro-amerikanischen Unterschicht für Tanzmusik sorgten.22) Im Stil ihres rhythmischen Klavierspiels begannen in den 1890er Jahren notenkundige afro-amerikanische Pianisten wie Scott Joplin, Stücke zu komponieren und als so genannte Ragtime-Musik in Form von Notenblättern zu veröffentlichen.23) Später erschienen von diesen Kompositionen auch Piano-Rollen für mechanische Klaviere. Weil die Notenblätter und Piano-Rollen die einzigen Formen sind, in denen solches Klavierspiel erhalten blieb, verengte sich später das Verständnis des Ragtime-Begriffs auf diese Kompositionen, besonders im Zuge des ab Ende der 1930er Jahre wieder entstandenen Interesses an ihnen.24) In der Zeit, als der Ragtime in den USA und darüber hinaus sehr populär war (von den späten 1890er Jahren bis ungefähr 1917), umfasste er jedoch weit mehr und war vor allem die Tanzmusik junger Leute.25) Nicht nur improvisierte und komponierte Klaviermusik, sondern auch populäre Songs und Ensemblemusik mit entsprechender Rhythmik zählten zum Ragtime.26) Der Ausdruck „Rag“ bezog sich auf das Tanzen27), auf eine entsprechende afro-amerikanische Rhythmik28) sowie auf das improvisierende Abwandeln bekannter Melodien, wie es unter Afro-Amerikanern schon lange beliebt war29).

Die in vielen Kneipen spielenden Ragtime-Pianisten gaben nicht nur spezifische Klavier-Rag-Kompositionen wieder, sondern „ver-ragten“ unterschiedlichstes Material, von bekannten Songmelodien bis zu Stücken aus der „klassischen“ Musik.30) Vor allem in den Vergnügungsvierteln der Städte fanden sie Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten und dort trugen sie auch Wettkämpfe aus. Es gab eine Vielfalt regionaler Szenen, die durch zahlreiche umherziehende Musiker miteinander verbunden waren.31) Während in einigen Zentren legendäre Meister miteinander konkurrierten, sorgten andere in ländlichen Kneipen und Barrelhouses32) sowie in Arbeiterlagern33) für raue Unterhaltung.34) Ragtime und Blues waren ursprünglich nicht getrennte Musikarten, sondern bildeten lediglich Fassetten einer vielfältigen afro-amerikanischen Volkskultur, in der religiöse Musik, Worksongs, weltliche Tanz- und Unterhaltungsmusik viel an Sing- und Spielweisen gemeinsam hatten.35) So dürfte das Ragtime-Spiel in den ländlichen Kneipen des Südens mit Elementen verbunden gewesen sein, die heute dem Blues zugerechnet werden.36) Vom Spiel der afro-amerikanischen Ragtime-Pianisten gibt es weder aus dem ländlichen noch städtischen Raum Schallplattenaufnahmen, die vor 1920 gemacht wurden, und die späteren Aufnahmen lassen nur bedingt Rückschlüsse auf ihre früheren Spielweisen zu.37) Doch erläuterte selbst der auf höheren Status bedachte Jelly Roll Morton aus New Orleans, wie er Blues-Elemente verwendete38), und der Ragtime-Meister Eubie Blake aus der Großstadt Baltimore an der Ostküste antwortete auf die Frage, ob es dort Blues gab: „Wieso, Baltimore ist der Blues.“39)

Blake lernte dort als Jugendlicher bereits vor 1900 jene Art von Bass-Figuren kennen, die später zu einem Merkmal des so genannten Boogie-Woogie-Stils40) wurden.41) Vorläufer dieses Solo-Klavierstils waren im rauen, ländlichen Süden schon lange beliebt42) und im Chicago der 1920er Jahre bildeten dann die galoppierenden Rhythmen des Boogie-Woogie und die langsamen Piano-Blues-Stücke43) die bevorzugte Tanzmusik der afro-amerikanischen Arbeiterschicht auf ihren Rent-Partys44). Diese Musik war in harmonischer und melodischer Hinsicht ziemlich begrenzt und variierte relativ wenig, doch erzeugte sie spannende, antreibende Tanzrhythmen45) und (oft verbunden mit Blues-Gesang) einen eindringlichen emotionalen Ausdruck mit zahlreichen Anspielungen auf die Lebensumstände ihrer Hörer46).

Eubie Blake baute die Boogie-Bass-Figur, die er in jungen Jahren kennenlernte, in seinen Charleston Rag ein.47) Doch verwendete er sie nur als interessante Einlage und als eine der Möglichkeiten, den Grundrhythmus des Ragtime für kurze Zeit zu unterbrechen und damit aufzulockern. Er war einer jener Pianisten, die das auf dem Ragtime-Rhythmus basierende Klavierspiel durch vielfältige musikalische Erfahrungen und Kenntnisse erweiterte, und jüngere Innovatoren sorgten für eine kontinuierliche Entwicklung, die von den Rags der afro-amerikanischen Volkskultur nahtlos bis zum Klavierspiel herausragender Meister des Jazz führte.
Mehr dazu: Jazz-Piano-Anfänge

Rhythmische Spielweisen aus afro-amerikanischer Subkultur wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch von zahlreichen Ragtime-Ensembles mit unterschiedlichsten Besetzungen im ganzen Land verbreitet. Sie reichten von Stringbands bis zu den so genannten Syncopated Orchestras und zu großen Militärkapellen; von regionalen, volkstümlichen Gruppen und umherziehenden Showtruppen, die im rassistischen Süden um ihr Leben bangten48), bis zu New Yorker Orchestern, die Star-Sänger und -Tänzer begleiteten49) und Konzerte gaben50); von „weißen“ Tanzkapellen, die einer steif tanzenden „High Society“ gediegene Foxtrotts darboten51), bis zu jenen Bands, die in Ghettos eine stark von afro-amerikanischer Ästhetik geprägte Tanzmusik spielten52). Es gibt zwar nur wenige Aufnahmen von afro-amerikanischen Ensembles aus der Zeit vor der Verbreitung des Jazz-Begriffs (vor 1917) und die waren auf den Geschmack „weißer“ Schallplattenkäufer ausgerichtet.53) Doch selbst einige dieser Aufnahmen weisen improvisierte Beiträge sowie Ansätze jener swingenden Qualität und lockeren Phrasierungsweise auf, die als Merkmale des späteren Jazz gelten. Eine dieser Aufnahmen ist der Down Home Rag des Klarinettisten Wilbur C. Sweatman aus 1916 und auch zwei weitere afro-amerikanische Gruppen nahmen in der damaligen Zeit bemerkenswerte Versionen von Sweatmans Stück auf.54)

 

Ragtime/Jazz

Sweatmans Aufnahmen sind rare Dokumente aus einer einst weitverbreiteten, für die Jazz-Entwicklung bedeutenden Musikwelt, in der sich Begriffe wie Ragtime, Jazz und Blues als mehr oder weniger beliebig erweisen. Sweatman wuchs im Umfeld von Kansas City auf, arbeitete ab 1902 jahrzehntelang im afro-amerikanischen Entertainment, das mit seinen Netzwerken aus „schwarzen“ Theatern, Zelt-Shows, Wanderzirkussen und Varietés55) bis tief in den Süden reichte56), und es gelang ihm sogar, in den „weißen“ Unterhaltungsbereich vorzudringen57). Als Anfang 1917 eine große Schallplattenfirma58) erste Plattenaufnahmen von einer Gruppe machte, die sich Jazz-Band (Original Dixieland Jazz Band59)) nannte, versuchte eine kleine Konkurrenzfirma60), auf die anlaufende Jazz-Modewelle aufzuspringen, und nahm Sweatman mit einer ebenfalls „Jazz-Band“ genannten Gruppe auf.61) Während die Aufnahmen der „weißen“, aus New Orleans stammenden Original Dixieland Jazz Band62) in der Jazz-Literatur als die ersten des Jazz gelten, wird Sweatman, wenn überhaupt, als einer der Vorgänger des Jazz, als Vertreter des Ragtime oder eines Übergangs vom Ragtime zum frühen Jazz erwähnt. Das ist insofern gerechtfertigt, als die Dixieland-Band den Begriff „Jazz“ in den Plattenmarkt einführte und mit ihrer Musik definierte63) und sich Sweatmans Aufnahmen aus 1916 und 1917 deutlich von dieser Musik unterscheiden. Sweatman spielte in seinen damaligen Aufnahmen mit ganz anderen Besetzungen64) und verwendete weder das ineinander verschlungene Spiel der Blasinstrumente, das für die Dixieland-Band und andere Bands aus New Orleans typisch war65), noch die „ausgeflippten“ „Novelty“-Effekte66) der Original Dixieland Jazz Band, die für die Breitenwirkung dieser „verrückten“ neuen Musikmode wesentlich waren. Dennoch betrachten manche Autoren67) Sweatman als bedeutenden, unterbewerteten Musiker des frühen, in Tonaufnahmen festgehaltenen Jazz und es spricht einiges für diese Auffassung. Denn der Begriff „Jazz“ hat aus heutiger Sicht längst eine andere Bedeutung als jene, die die Dixieland-Band ihm gab.68) Bereits in Louis Armstrongs Aufnahmen der späten 1920er Jahre war das Ineinanderspielen der Bläser verschwunden und die Novelty-Effekte dürften nie dem Wesen der afro-amerikanischen Tradition entsprochen haben, aus der Armstrong kam und auf die sich die Dixieland-Band stützte. Die Rhythmik, die Phrasierung und der improvisatorische Charakter von Sweatmans Spielweise lagen aber bereits ein wenig auf der Linie von Armstrong und nachfolgender Vertreter dieser Musiktradition, auch wenn Sweatman von ihrer Kunst noch weit entfernt war.

In den Jahren 1918 bis 1920 setzte eine große Schallplattenfirma69) Sweatman als Konkurrenten der Original Dixieland Jazz Band ein und machte mit ihm eine Reihe von Aufnahmen, die an das Vorbild der Dixieland-Band angepasst waren und sich sehr gut verkauften.70) Allerdings ähnelte Sweatmans Musik insofern mehr der der Syncopated Orchestras, als sie zu einem Teil auf notierten Arrangements beruhte. Die Arrangements ließen jedoch Raum für improvisierte Ausschmückung. Mit weiterentwickelten Formen dieses Grundkonzepts arbeiteten in den 1920er Jahren dann die ersten Jazz-Bigbands von New York, wie die von Paul Whiteman, Fletcher Henderson und Duke Ellington.71) Ellington gehörte wie mehrere weitere bedeutende Musiker der späteren New Yorker Jazz-Szene einmal den in der Besetzung häufig wechselnden Gruppen Sweatmans an.72)

 

Herkunftsstreit

Ende der 1920er Jahre wohnte Sweatman im selben Haus wie die Musiker Jelly Roll Morton und Perry Bradford73) und zwischen ihnen entbrannten immer wieder heftige Diskussionen über die Herkunft des Jazz. Morton, ein legendärer Pianist aus New Orleans, erklärte stets voller Stolz, dass der Jazz in seiner Heimatstadt „erfunden“ worden sei, während Sweatman und Bradford beharrlich widersprachen und behaupteten, dass im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts keine Jazz-Bands in New Orleans zu finden gewesen wären.74) Der Jazz-Forscher Mark Berresford, Autor einer Sweatman-Biografie, argumentierte: Aus den sehr wenigen Aufnahmen von afro-amerikanischen Musikern aus der Zeit vor 1917 sei immerhin erkennbar, dass die traditionelle Ansicht, der Jazz wäre allein in New Orleans entstanden, offenkundig falsch ist. Es sei vertretbar zu behaupten, dass Musiker aus dem Süden das Blues-Element des Jazz in den Norden brachten. Doch sei eindeutig belegt, dass im Norden frühe Formen von Jazz schon lange existierten, bevor Mitte der 1910er Jahre Musiker aus New Orleans und anderen Gegenden des Südens in die urbanen Zentren des Nordens migrierten.75)

Die Streitfrage hängt wiederum vom Verständnis des Jazz-Begriffs ab: Die spezielle Musik der Original Dixieland Jazz Band, die sie Jazz „taufte“, gab es im Norden damals noch nicht. Noch weniger waren dort die afro-amerikanischen Vorbilder der Dixieland-Band bekannt. Doch dürfte das aus heutiger Sicht eindeutig zum Jazz zu zählende Stride-Piano-Spiel von James P. Johnson, Willie „The Lion“ Smith und Fats Waller zwar (wie oben dargestellt) Wurzeln in der Sklavenkultur des Südens, aber keinen auf New Orleans begrenzten Ursprung gehabt haben.76) Auch Sweatmans Spiel in seinen Aufnahmen aus den Jahren 1916 und 1917 ist nicht auf die spezielle New Orleanser Szene zurückzuführen, hatte aber aus heutiger Sicht doch einiges an Jazz-Charakter. Ab 1920 erschien eine Reihe von Schallplatten mit afro-amerikanischen Sängerinnen, die die Musik der umherziehenden Shows und damit Blues-Elemente mitbrachten.77) Die sie begleitenden Instrumentalisten, zu denen Bläser mit stimmähnlichem Ausdruck zählten, gelten als Jazz-Musiker78), doch kamen viele von ihnen nicht aus der New-Orleans-Tradition.79) Allenfalls waren sie auf Show-Tourneen mit Musik aus New Orleans in Berührung gekommen und sie hatten vielfältige Einflüsse aus dem Süden aufgenommen, die einen nicht mehr bestimmbaren Anteil aus New Orleans enthalten haben könnten. Die Schallplatten der Original Dixieland Jazz Band waren mit ihrer wenig authentischen80) Variante der afro-amerikanischen Tradition von New Orleans zwar weit verbreitet, dürften jedoch nur wenig Einfluss auf die afro-amerikanischen Begleiter der „Blues“-Sängerinnen gehabt haben.81) – Die Musik der New Yorker Bigbands wie die von Fletcher Henderson und Duke Ellington beruhte Mitte der 1920er Jahre großteils auf Entwicklungen, die ebenfalls nicht aus der speziellen Tradition in New Orleans stammten.82)

Der afro-amerikanische Saxofonist Garvin Bushell war Anfang der 1920er einer der Begleiter der „Blues“-Sängerinnen und dann Mitglied von New Yorker Bigbands. Er wuchs in einem nördlichen Bundesstaat auf, kam als Jugendlicher mit einer Zirkusband bis in den Süden und zog im Jahr 1919 als 17-Jähriger nach New York. Über die damalige New Yorker Szene erzählte er später: Dort sei anders gespielt worden als in Chicago, St. Louis, New Orleans und Texas. In New York habe es keinen Musiker gegeben, der wirklich den Blues spielen konnte. Die Musiker des Nordens, zu denen er sich selbst zählte, hätten vielmehr zum Ragtime-Konzept mit vielen Noten geneigt. Die Afro-Amerikaner von New York hätten die Traditionen des Südens vergessen wollen und die „Weißen“ nachgeahmt. Im Zuhause der afro-amerikanischen Mittelklasse sei Blues und Boogie-Woogie verpönt gewesen. Um Blues und echten Jazz zu hören, habe man Unterschicht-Lokale aufsuchen müssen. Dort sei improvisiert und mit anderen Klangfarben gespielt worden als in den Tanzorchestern. Was die „Weißen“ in New York Blues nannten, sei eher Ragtime gewesen. Erst allmählich hätten Musiker aus Florida, South-Caroline, Georgia, Louisiana und anderen Teilen des Südens echten, puren Jazz und Blues in die New Yorker Lokale gebracht. Ihre Musik sei ausdrucksstärker gewesen als die der Musiker von New York.83) – Als sich Bushell 1921 eine Woche lang in Chicago aufhielt, hörte er die Band von Joe „King“ Oliver und damit zum ersten Mal echten Jazz aus New Orleans. Er war von ihrem Blues und ihrem Sound sehr beeindruckt.84) Auch der New Yorker Pianist Willie „The Lion“ Smith war überrascht, als er 1923 in Chicago erstmals die Jazz-Musiker aus New Orleans hörte, und zwar wie sehr in ihrer Musik die Blasinstrumente dominierten und überzeugend den Blues ausdrückten.85) Die Sängerin Alberta Hunter, die schon längere Zeit in Chicago lebte, sagte, die Burschen aus New Orleans hätten etwas gehabt, das die Chicagoer Musiker damals nicht hinbekamen.86) Der Klarinettist Buster Bailey wuchs in Memphis auf und hielt sich 1917 eine Woche lang in New Orleans auf, wo er die Tradition des improvisierten Ausschmückens kennenlernte. Mit dem dort Gelernten war er danach in Memphis eine Attraktion und konnte sich ab 1919 in Chicago leicht an die dort auftretenden Musiker aus New Orleans anpassen, um mit ihnen zu spielen.87) – Offensichtlich waren Musiker aus unterschiedlichen Landesteilen beeindruckt, als sie die afro-amerikanische Musik aus New Orleans erstmals hörten. Es bestanden (wie Thomas Brothers schrieb) zwar genug Gemeinsamkeiten zwischen den afro-amerikanischen Traditionen von New Orleans und anderer Gegenden, um eine rasche Adaption zu ermöglichen, doch bestätigten die meisten den neuartigen, bestechenden Charakter der Musik, die die New Orleanser in den Norden, Osten und Westen brachten.88) Nicht nur auf den Blasinstrumenten, sondern auch auf den Rhythmusinstrumenten waren Musiker aus New Orleans wegweisend: Schlagzeuger wie Baby Dodds und Zutty Singleton machten „Sachen, die andere Schlagzeuger noch nie gehört hatten“89) und Bassisten prägten die weitere Entwicklung des Jazz90). Nach Aussage des in Chicago aufgewachsenen Bassisten Milt Hinton „kontrollierten“ die Musiker aus New Orleans selbst noch in den frühen 1930er Jahren die „wirkliche Brutstätte des Jazz“.91)

 

New Orleans

Die besonderen Entwicklungen in New Orleans sind umso bedeutender, als sie den ersten überragenden Meister und Innovator hervorbrachten, der bis heute die Jazz-Tradition verkörpert: Louis Armstrong. Verfolgt man zurück, wie er seine Musik entwickelte, woher die wesentlichen Charakteristika seiner Spielweise stammten und von welchem kulturellen Umfeld sein Musikverständnis geprägt wurde, dann zeigt sich viel vom Ursprung der Eigenart des Jazz. Es wird dabei deutlich, dass diese Musik nicht (wie oft dargestellt) das Produkt eines kulturellen und ethnischen Schmelztiegels war.92) New Orleans war vielmehr von tiefen sozialen Gräben, ethnischer Ausgrenzung93) und gewaltsamer rassistischer Diskriminierung zerteilt94), sodass Armstrong weitgehend in einer eigenen Ghetto-Welt aufwuchs:

Er wurde am 4. August 1901 in New Orleans von einer fünfzehnjährigen, völlig mittellosen Afro-Amerikanerin geboren, die vom Land kam und auf der untersten sozialen Stufe der Feldarbeiter von Zuckerrohrplantagen aufgewachsen war.95) Zum Zeitpunkt seiner Geburt hatte sein Vater die Familie bereits verlassen und Armstrong wurde in den ersten fünf Jahren von seiner Großmutter väterlicherseits aufgezogen. Die dürfte in jungen Jahren Sklavin gewesen sein96) und wohnte in einem Teil der Uptown97) von New Orleans, in dem so viel Gewalt und Kriminalität herrschte, dass er „Schlachtfeld“ genannt wurde.98) Die darauffolgenden sechs Jahre verbrachte Armstrong mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester in einem rauen Prostituiertenviertel der Uptown von New Orleans99) und seine Mutter ging zeitweise der Prostitution nach.100) In der Uptown lebten tausende Nachfahren der Sklaven, die wie Armstrongs Mutter aus folgenden Gründen von den Plantagen Louisianas und Mississippis in die Stadt gezogen waren:

Am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1865) hoben die siegreichen Nordstaaten die Sklaverei auch in den Südstaaten auf. Nachdem ihre Truppen abgezogen waren, wurde jedoch die Unterdrückung und Ausbeutung der Afro-Amerikaner auf den Plantagen und Farmen des Südens bald in neuer Form101) wieder verschärft. Infolgedessen wanderten in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts viele Afro-Amerikaner in einer ersten102) großen Migrationswelle vom Land in die Städte des Südens, wo sie als ungelernte Arbeitskräfte ebenfalls die unterste soziale Schicht bildeten. Die Sklaverei hatte großteils das Lesen- und Schreiben-Lernen unterbunden, familiäre Beziehungen zerrissen sowie durch Gewalt und Demütigung traumatisiert und nach der Sklavenbefreiung zerstörte die neue Diskriminierung die Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Nachfahren der Sklaven befanden sich daher oft in einem verarmten, ungebildeten, seelisch belasteten, oft verwahrlosten und desorientierten Zustand. Musik, Tanz und religiöser Glaube halfen ihnen seit jeher zu überleben und viele von ihnen brachten bei ihrem Zuzug in die Städte eine intensive musikalische und rituelle Subkultur mit, die sie im urbanen Umfeld der Armenviertel, in denen sie Wohnmöglichkeiten fanden, weiterentwickelten.103) Dabei vermischten sich ihre Traditionen mit jenen, die in New Orleans aus der Sklavenzeit (überwiegend im Untergrund) erhalten geblieben waren. Und dazu kamen noch die Einflüsse, die umherziehende Arbeiter ausübten.104)

Die vom Land in die Stadt geflüchteten, meistens dunkelhäutigen Afro-Amerikaner waren im dicht bevölkerten New Orleans nicht willkommen und wurden von den anderen Bevölkerungsgruppen, auch den „farbigen Kreolen“105), verachtet, gemieden und oft attackiert. Daher war Armstrong als Unterschichtjunge mit ausgesprochen dunkler Hautfarbe außerhalb seines Viertels stets erheblicher Gefahr ausgesetzt und dadurch in seiner Bewegungsfreiheit weitgehend auf sein hartes Viertel beschränkt.106) Damals gab es kein Radio und so kam Armstrong in jungen Jahren nur selten mit der Musik der „Weißen“ in direkten Kontakt.107) Die entscheidenden Anregungen gingen für ihn von seiner afro-amerikanischen Nachbarschaft aus:

 

SANCTIFIED KIRCHE
Armstrongs Mutter nahm ihn in afro-amerikanische Baptisten- und Sanctified-Kirchen108) mit. Vor allem in der Sanctified-Kirche, deren ekstatische Gottesdienste den Ring-Shouts109) der Sklavenzeit nahe kamen, hatte er frühe, intensive, prägende Musikerlebnisse. Er erzählte darüber: Ehe man sich‘s versieht, habe die gesamte Gemeinde geheult, wie verrückt gesungen und so schön geklungen. Er sei ein kleiner Junge gewesen und habe es sehr genossen, besonders wenn die Frauen von der Predigt so mitgerissen wurden. Er habe dort singen gelernt und sei für seine Bemühungen gelobt worden. Er habe viel in der Kirche gesungen und jedes Kirchenlied sei ihm zu Herzen gegangen.110) – Auch Armstrongs Vorgänger, die für die Entwicklung des Jazz bedeutend waren, etwa Buddy Bolden und Joe Oliver, wurden von den musikalischen und gemeinschaftlichen Erfahrungen in solchen Kirchen geprägt. Armstrong schrieb, „alles“111) sei aus den guten alten Sanctified-Kirchen gekommen, und viele andere Musiker äußerten sich ähnlich.112) Vor allem in folgenden Aspekten gingen von diesen Gottesdiensten tiefreichende Impulse für die Entstehung des Jazz aus:

Rhythmus:
Ein Musiker aus New Orleans113) erzählte von einer Sanctified-Gemeinde seiner Stadt, die so vehement im Rhythmus gesprungen sei, dass sich das Gebäude aus seinem Fundament gelöst habe.114) Selbst wenn diese Geschichte übertrieben sein sollte, so versinnbildlicht sie doch den mächtigen, pulsierenden Rhythmus, den die Gläubigen mit Klatschen, Fußstampfen, tanzartigen Bewegungen und zum Teil auch mit Schlaginstrumenten115) erzeugten. Bereits die gemeinsame Schwingung verschaffte ihnen ein mitreißendes Gruppenerlebnis und sie bildete die Basis für eine weitgehend freie persönliche Interpretation des Gesangs116). Auch im Jazz wurde dann Musik, Körperbewegung und persönliche Interaktion auf intensive Weise verwoben.117) Wer mit der Rhythmus-Erfahrung der Sanctified-Gottesdienste aufwuchs, erwarb ein sicheres Gespür für einen starken Beat und eine lebendige Rhythmik. Noch im Jahr 2010 meinte der Pianist Vijay Iyer, dass Schlagzeuger, die dieses Erbe afro-amerikanischer Subkultur mitbekamen, erkennbar sind.118) Auf den gleichmäßigen Puls dieser Kirchen scheint auch der später im Jazz übliche Vierer-Beat zurückzugehen.119)

Heterophonie:
Die Gläubigen sangen die Kirchenlieder ohne Orgelbegleitung, nur zu ihrem Rhythmus. Sie gestalteten dabei ein wenig unterschiedliche, persönliche Versionen der Liedmelodie mit intensivem Gefühlsausdruck. Zum Beispiel konnte sich eine Stimme leidenschaftlich über die anderen erheben und in frei gewählter Tonlage eine Übermelodie singen oder es warf jemand an beliebiger Stelle eine Äußerung ein, die seine Ergriffenheit ausdrückte.120) Dadurch entstand keine organisierte Mehrstimmigkeit, wie sie etwa ein Chor produziert, aber auch keine Einstimmigkeit. Ihre Art des Gesangs, bei dem die Stimmen zum Teil gegeneinander verschoben und in rauen harmonischen Beziehungen zueinander erklangen, wird als heterophon bezeichnet. Dieses ungeglättete, nicht auf Klangeffekte ausgerichtete, sondern gefühlsgesteuerte Singen erzeugte mit seinen expressiven Dissonanzen einen massiven, tief bewegenden Sound.121) Die heterophone Form der gemeinschaftlichen Musikerzeugung wurde dann von den unausgebildeten, amateurhaften Musikern der Uptown herangezogen, um das Zusammenspiel in ihrer Blasmusik zu organisieren, die sie bei Paraden, Beerdigungsumzügen und Tanzveranstaltungen spielten. Die geschulten kreolischen Instrumentalisten der Downtown fanden diese primär auf Emotionalität beruhenden Spielweisen voller lauter, rauer Dissonanzen und aggressiver, perkussiver Attacken im Allgemeinen „ratten-artig“ und schlicht unerträglich. Doch ergaben sich gerade aus dieser eigenwilligen Musizierweise die Ansätze für jene neue, besonders ausdrucksstarke, auf improvisierter Interaktion beruhende Musik, die später Jazz genannt wurde.122)

Spezifische vokale Ausdrucksweisen:
Priester und Gläubige nutzten eine Reihe von musikalischen, insbesondere stimmlichen Ausdrucksmitteln, die seit Generationen verwendet wurden und für jene, die mit dieser Musik von klein auf vertraut waren, eine unmittelbare kommunikative und emotionale Wirkung hatten. Die Gospelsängerin Mahalia Jackson erwähnte zum Beispiel, dass der Prediger einen singenden, traurigen Tonfall, ein Klagen und Weinen mit durchdringender Wirkung in seiner Stimme hatte.123) Solche Ausdrucksweisen brachten Musiker in die Tanzmusik ein. So rief um 1900 zum Beispiel der Gitarrist Brock Mumford124) mitunter während des Tanzes „Oh Lord have mercy!”125) und kam damit besonders bei den Frauen an, die oft einen starken Bezug zur Kirche hatten. Um dieselbe Zeit nahm Buddy Bolden in sein Tanzmusik-Repertoire Stücke wie When the Saints Come Marching In auf und ließ in langsamen Blues-Nummern sein Kornett mithilfe eines Dämpfers wie die Stimme eines Predigers klagen.126) Joe Oliver entwickelte in den 1910er Jahren eine Art Shout-Riff, das ebenfalls aus der Kirche geborgt zu sein schien: Er wiederholte auf seinem Kornett in einer hohen Tonlage immer wieder eine kurze, synkopierte Figur ohne Rücksicht auf die sich ändernde Begleitung, sodass sein Spiel mit der Begleitung harmonisch kollidierte. Während Außenstehende dieses Spiel eher als befremdend und unmusikalisch empfanden, signalisierte es Eingeweihten spirituelle Ergriffenheit. Bis heute reagieren Gospel-Ensembles auf solch ein Riff des Solisten mit anfeuernden Ausrufen und auch im Jazz ist es nach wie vor ein Afro-Amerikanern vertrautes Ausdrucksmittel.127)

Entgegenkommend und widerständig:
Sanctified Gemeinden nahmen alle Personen in großzügiger, versöhnlicher, optimistischer und umarmender Weise auf und boten mehr als genug Raum für jeden persönlichen Beitrag zum Gottesdienst. Zugleich behaupteten sie sich standhaft in ihrer kulturellen Eigenart und Unabhängigkeit. Diese beiden Eigenschaften fanden sich im New Orleans Jazz wieder. Mit seiner entspannten, entgegenkommenden Art ermöglichte er viel Spontaneität und gleichzeitig beharrten die Musiker der Uptown selbstsicher auf ihren eigenen kulturellen Werten. So bemühte sich Armstrong selbst in seiner zunehmend im „weißen“ Entertainment angesiedelten Rolle nie in nennenswertem Maß um Anpassung an bürgerliche Vorstellungen.128)

 

BLUES-KLÄNGE AUS STRASSEN-HÖRNERN
Armstrong trieb sich als Kind großteils auf der Straße herum und kam dort unter anderem mit Männern in Kontakt, die Dinge sammelten129) oder verkauften130) und mit sehr einfachen, trompetenartigen Hörnern131) auf sich aufmerksam machten. Über einen von ihnen132) schrieb Armstrong, er habe sogar eine Melodie darauf spielen können, habe Soul in seinem Spiel gehabt und was er ihm über Musik erzählte, habe ihn fasziniert. Ein anderer133) Hornbläser beeindruckte Armstrong mit seinem Rhythmus.134) Jahre vor diesen Begegnungen Armstrongs soll Buddy Bolden Ideen von einem Horn-spielenden Lumpensammler „gestohlen“ haben135) und Jelly Roll Morton sprach von den „Lumpen-Flaschen-und-Knochen-Männern“ in der Uptown von New Orleans, die auf ihren Blechhörnern mehr „miesen, dreckigen Blues“ spielten, als man sich in anderen Teilen des Landes vorstellen kann. Ein weiterer Zeitzeuge meinte, dass diese afro-amerikanischen Männer die begabtesten Bluesspieler waren und ihr Sound dann später im Trompetenspiel der Afro-Amerikaner zu hören war.136) – Mit „Blues“ ist in diesem Zusammenhang nicht das zwölf-taktige Blues-Schema gemeint, sondern eine Reihe von musikalischen Ausdrucksweisen und ein entsprechendes Gespür für ihren Einsatz. Zu ihnen zählen subtile Beugungen der Tonhöhe und des Rhythmus (etwa ein Schleppen hinter dem Beat137)), ein Verschmelzen von sprachlichen und musikalischen Akzenten und expressive vokale Klangfarben. Mit dem nuancierten musikalischen Ausdruck sind emotionale Bedeutungen verbunden, die sich von jenen der Kirchenmusik trotz klanglicher Ähnlichkeit erheblich unterschieden.138) Während der Blues-Gesang in New Orleans eher geringe Bedeutung hatte139), wurde seine Übertragung auf Blasinstrumente zu einer Spezialität der afro-amerikanischen Uptown-Musiker140). Als Erstem scheint das Buddy Bolden um 1900 überzeugend gelungen zu sein141) und diese Übertragung, die anfangs wie ein ärmlicher Ersatz für mangelnde musikalische Kenntnisse erschien, erwies sich im Laufe der weiteren Entwicklung des Jazz als eine seiner stärksten Qualitäten. Armstrong wurde von klein auf mit der Ausdruckskultur des Blues vertraut142) und erfuhr durch die Hornspieler auf der Straße schon früh, wie Ausdrucksweisen des Blues auf einem Blasinstrument klingen können.

 

SECOND-LINE
Besondere Attraktivität hatten in Armstrongs Kindheit die Paraden der Brassbands. Sie verkörperten mit ihren schmetternden, weithin hörbaren Klängen, ihren prächtigen Uniformen, mit ihren Instrumenten und als geschlossene Gruppe, die furchtlos durch die Straßen zog, männliche Selbstbehauptung in einem diskriminierenden Umfeld. Ihnen voran stolzierte ein aufgeputzter „Marschall“ in gestelztem Schritt und Armstrong sah seinen Vater, den er sonst kaum zu Gesicht bekam, öfters in dieser beeindruckenden Rolle. Den Brassbands folgte die so genannte Second-Line, eine Schar junger Leute, die tanzten, sich ausgelassen benahmen und selbstgebaute Waffen wie Schlagstöcke mit sich führten, um für Schlägereien, zu denen es außerhalb des eigenen Viertels häufig kam, gerüstet zu sein. Armstrong erzählte später: Wenn man einer Parade folgte, habe es passieren können, dass man mit seinem Kopf in der Hand nach Hause kam. Er bemühte sich als Kind, für Musiker ein Instrument tragen und so mit der Band gehen zu dürfen, um sich vor Attacken zu schützen und den ganzen Tag mit den Musikern umherziehen zu können, was er liebte.143) Auch an den Second-Lines von Beerdigungsumzügen nahm er teil, erlebte das klagende, herzzerreißende Spiel der Blasinstrumente beim Marsch zum Friedhof und den fröhlichen, lebenszugewandten Zug zurück.144)

Blasmusik von Marschkapellen war in den USA damals sehr beliebt145) und die Kreolen legten Wert darauf, ebenso respektable Kapellen zu haben wie die „Weißen“146). Eine ihrer Kapellen, die Excelsior Brass Band, durfte bei der Weltausstellung des Jahres 1885 in New Orleans stellvertretend für die „farbige“ Bevölkerung auftreten und wurde danach in einer New Orleanser Zeitschrift gelobt.147) Die Musik solcher kreolischer Bands dürfte sich bis ungefähr 1900 nicht wesentlich von „weißen” Blaskapellen in New Orleans und anderen Städten der USA unterschieden haben.148) Der entscheidende Wandel, der die typischen Brassbands von New Orleans einzigartig machte, kam von den amateurhaften Bands der Uptown. Einige Aufnahmen aus wesentlich späterer Zeit vermitteln eine vage Vorstellung, wie sie geklungen haben könnten.
Mehr dazu: „Rattige“ Blasmusik

 

FUNKIGE TÄNZE
Im „schwarzen“ Prostituiertenviertel, in dem Armstrong lebte, gab es zahlreiche „Honky Tonk“ genannte, schäbige Lokale, in denen abends eine kleine Band oder ein einzelner Pianist spielte. Armstrong trieb sich oft auch nachts umher und sah zum Beispiel durch Ritzen in der Hauswand den anstößigen Ragtime-Tänzen in der nahegelegenen Funky Butt Hall zu. Manchmal spielte die Band dieses Lokals am Abend zunächst ein wenig auf dem Gehsteig, um Besucher anzulocken, und die Kinder ahmten dabei die Tänze nach, die sie später durch die Ritzen sahen. Die Bewegungen, die Armstrong dabei lernte, verwendete er später in seinen kleinen Tanzvorführungen auf der Straße, für die er von manchen Passanten ein wenig Geld bekam.149) Möglicherweise sah er in sehr früher Zeit Buddy Bolden in der Funky Butt Hall spielen, denn dieses Lokal war eines der beiden, in denen Bolden häufig auftrat.150) Boldens Figur hat zwar mythische Züge und die damaligen musikalischen Entwicklungen in seinem Milieu sind nicht mehr im Detail nachvollziehbar. Die Existenz einer spezifischen Tanzmusik im Uptown-Viertel, in dem er auftrat, ist jedoch belegt.
Mehr dazu: Untergrund

 

HARMONIEN SINGEN
Als ungefähr Zehnjähriger sang Armstrong regelmäßig mit anderen Burschen im Quartett auf der Straße, um Trinkgelder zu bekommen. Solche Vokalgruppen waren damals unter Kindern üblich und ahmten das weit verbreitete, häufig spontane Zusammensingen von Erwachsenen nach, bei dem es darum ging, interessante und hübsche Akkorde zu finden. Armstrong erzählte, er habe einiges vom „feinsten Gesang der Welt“ gehört, als er den Typen zuhörte, die um Kneipen herumhingen, kaltes Bier tranken und sangen.151) Diese Art von Gesang wird oft als „Barbershop-Singen“ bezeichnet, doch sind mit diesem Begriff unterschiedliche, zum Teil irreführende Vorstellungen verbunden.152) Das Gestalten vielfältiger Harmonien ist zweifelsohne eine Stärke der aus Europa stammenden Musikkultur, doch gibt es Berichte über Gesänge von Sklaven, die bereits ohne jede Ausbildung in eigener Weise sehr gekonnt im Quartett sangen.153) Offenbar bestand eine Mehrzahl verschiedener Traditionen des Zusammensingens nebeneinander, deren Entstehung und Einflüsse nicht mehr aufklärbar sind.154) Für Armstrong und andere Musiker der Uptown war dieses Harmonien-Singen jedenfalls eine wertvolle Schulung.

 

UNTERRICHT
Als polizeibekannter, elf Jahre alter Bursche wurde Armstrong verhaftet, weil er zu Silvester mit einer Pistole in die Luft schoss. Er musste 18 Monate in einer militärisch geführten Erziehungsanstalt verbringen, wo ihm ein Erzieher beibrachte, in der Blaskapelle der Anstalt ohne Notenkenntnisse Kornett und damit das führende Instrument der Kapelle zu spielen.155) Einige Zeit nach der Entlassung erhielt er als 13- oder 14-jähriger Kornettist mit zwei gleichaltrigen Begleitern auf Klavier und Schlagzeug einen Job in einem Honky Tonk, wo sie dann bis zum Morgengrauen Blues spielten. Als er nach diesem Job fallweise in andere Bands einstieg, spielte er ebenfalls stets den unter Afro-Amerikanern der Uptown sehr populären Blues und er konnte auch nichts anderes spielen. Das grundlegende Akkordgerüst des Blues ist sehr einfach und es war im Blues zudem üblich, Melodien ziemlich unabhängig von den Akkorden zu improvisieren. Das kam Armstrongs geringen Kenntnissen entgegen und machte den Blues zugleich zum perfekten Übungsfeld für die melodische Improvisation. Denn die geringe harmonische Bindung verlagerte den Schwerpunkt der musikalischen Gestaltung auf das Hervorbringen kohärenter melodischer Linien, die die Ausdrucksweisen des Blues enthalten. Dieses frühe Training bildete die Grundlage für Armstrongs spätere spektakuläre Meisterschaft als Melodiker und es ist bezeichnend, dass die beiden einflussreichsten Solisten des ersten halben Jahrhunderts der Jazz-Geschichte, Armstrong und Charlie Parker, einen besonders stark vom Blues geprägten Zugang hatten.156)

Armstrongs Vorbilder waren die Kornettisten Joe Oliver und Bunk Johnson, die Boldens Erbe und damit die nicht auf „klassischer“ Ausbildung, sondern auf Blues und Sanctified-Gottesdiensten beruhende Blasmusik der Uptown weiterentwickelten. Durch eine von Armstrongs vielfältigen Arbeiten, mit denen er etwas Geld verdiente, nämlich als Kohlenausträger, konnte er das Rotlichtviertel Storyville157) legal betreten und unter anderem Oliver zuhören, der dort als erster Uptown-Musiker mit seiner Tanzmusikband regelmäßig in einem Lokal158) spielen durfte. Mit einem solchen Engagement war eine deutlich bessere Bezahlung verbunden als in der Uptown. Oliver hatte seinen Stil bereits etwas verfeinert und wurde schließlich auch in die angesehene kreolische Onward Brass Band aufgenommen. Der Leiter dieser Brassband, der Kreole Manuel Perez, trug mit reinem Ton die Songmelodie vor und Oliver umrankte sie als zweiter Kornettist in der expressiven, improvisierten Art, die eine Stärke der Uptown-Musiker war. Durch diese Kunst des Ausschmückens und als Meister vielfältiger bluesgetränkter, vokaler Klänge war Oliver Mitte der 1910er Jahre einer der wenigen Musiker, die von ihrer Musik alleine leben konnten. Armstrong weckte mit ungefähr 15 Jahren Olivers Interesse an ihm und schließlich war Oliver ihm so verbunden, dass er ihn zu unterrichten begann, was in der von Konkurrenz erfüllten Uptown-Szene ungewöhnlich war. Damit gewann Armstrong einen unschätzbaren Vorteil für seine musikalische Entwicklung.159) Oliver konnte zwar selbst nicht wirklich flüssig Noten lesen und verfügte auch nicht über die Blastechnik eines Manuel Perez, die von kreolischen Musikern durch langes „klassisches“ Training erworben wurde. Stattdessen hatte Oliver jedoch das kreative Potential der Uptown-Spielweisen eingehend erforscht und er gab seine Erfahrungen Armstrong in der für die afro-amerikanische Subkultur wesentlichen mündlichen Traditionsform weiter. Nach Armstrongs Aussage war es die „moderne Art der Phrasierung auf dem Kornett und der Trompete“, die Oliver ihm lehrte, und Armstrong lernte, indem er nachahmte, Olivers Hinweisen folgte und durch das Nachspielen ganzer Soli seine Fähigkeit trainierte, Musik klanglich zu erfassen und sich zu merken.160)

 

KREOLISCHE HERAUSFORDERUNG
Die „farbigen Kreolen“ neigten im Allgemeinen dazu, ihre französische Abstammung zu betonen und ihre afrikanische möglichst auszublenden. Innerhalb ihrer Bevölkerungsgruppe bestanden erhebliche soziale Unterschiede und jene unter ihnen, die für die Jazz-Entwicklung bedeutend waren, gehörten großteils einer Schicht von Handwerkern an. Sie legten auf Qualifikation Wert und profilierten sich in ihrer Freizeit oft als gut ausgebildete, an „weißen“ Maßstäben orientierte Musiker. Zu ihrer Ausbildung gehörte frühes Training im Solfège-Singen161), das der Gehörbildung und dem Notenlesen diente, sowie im Hervorbringen eines gleichmäßigen, hübschen Tons, in Musiktheorie und im fehlerlosen Vom-Blatt-Spielen. Diese Fähigkeiten, die ihnen häufig Zugang zu einem „weißen“ Publikum verschafften, brachten auch zum Ausdruck, dass Kreolen durch die Jim-Crow-Vorschriften zu Unrecht der „schwarzen“ Bevölkerungsklasse zugerechnet wurden.162) Der Graben zwischen der kreolischen Volksgruppe und den Uptown-„Negern“ war mitunter ähnlich tief wie zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“. Kreolen sahen in den Spielweisen der Uptown-Musiker in der Regel Unvermögen, einen Ausdruck von Aggressivität und mangelnder Beherrschung ihrer Leidenschaft, die sich auch in Promiskuität und Konflikten mit dem Gesetz zeigen würden.163) Das kreolische Streben nach Integration in die „weiße“ Gesellschaft schloss einen Ansatz für die Entwicklung einer eigenen, neuen Musikart wie dem Jazz geradezu aus. Neues schufen vielmehr die Uptown-Musiker und durch ihr Drängen in den von Kreolen beherrschten lukrativeren Musikmarkt traten sie in eine anhaltende Konkurrenz zu ihnen.164) Bereits Buddy Bolden lieferte sich mit dem Orchester des Kreolen John Robichaux Wettkämpfe um die Publikumsgunst. Dass Bolden mit seiner Band überwiegend gewann, lag allerdings nicht nur an seinem lauten, rauen, ausdrucksvollen Uptown-Spiel, sondern auch an der Vielfalt seines Repertoires und an seiner beträchtlichen stilistischen Bandbreite, die auch geschliffenere Spielweisen umfasste. Die Vielseitigkeit und Offenheit für Einflüsse, insbesondere auch für die kreolischen Stärken, half der mit Bolden begonnenen Linie kreativer Uptown-Musiker, im Laufe der Zeit durch viel Experimentieren und Verfeinern eine ausgefeilte, meisterliche Musikart mit eigenem Charakter zu entwickeln. Diese später Jazz genannte Musik verlieh der neuen, urbanen Identität der vom Land stammenden Uptown-Afro-Amerikaner einen bezwingenden Ausdruck.165) – Die kreolischen Musiker lieferten zur frühen Jazz-Entwicklung aber nicht nur als herausforderndes Gegenüber einen Beitrag. Die zunehmende Beliebtheit der Uptown-Spielweisen bei einem größeren jungen Publikum166) bewog manche kreolische Bands, Uptown-Elemente in ihre Musik aufzunehmen, teils durch Integration von Uptown-Musikern (wie Oliver in die Onward Brass Band) und schließlich auch durch eigene Adaptionen dieser Elemente.167) Freddie Keppard war im Bereich solcher Adaptionen der führende kreolische Kornettist seiner Generation. Er hob sich durch eine sehr versierte, aber auch etwas flache Art von „Imitations-Jazz“168) von Olivers heißem Blues-Spiel ab. Mit seiner Version machte der hellhäutige Keppard die aus der Uptown stammende Musik für so manchen Kreolen attraktiv. Der jüngere, rebellische Kreole Sidney Bechet absorbierte die Uptown-Subkultur in wesentlich gründlicherer Weise. Er hielt sich viel in der Uptown auf, lernte von den dortigen Musikern und wurde zu einem meisterhaften, später berühmten Klarinettisten und Sopran-Saxofonisten im Stil des Uptown-Jazz. Die kleine Gruppe von Kreolen, die sich ähnlich wie Keppard und Bechet der Ästhetik der armen afro-amerikanischen Bevölkerung ihres Nachbarbezirks öffneten, spielte für das Zunehmen der Akzeptanz dieser neuen Musik ein bedeutende Rolle. Doch bestanden kreolische Vorurteile im Allgemeinen noch lange weiter. Selbst Keppard äußerte sich abfällig über Oliver und Uptown-Musiker im Allgemeinen.169)

 

WETTKAMPF-RITUALE
Als allseits verachtete und diskriminierte Minderheit waren die Afro-Amerikaner der Uptown kaum entrinnbarer Armut und Entwürdigung ausgesetzt. Auch die Kreolen litten seit jeher an ihrer Abwertung gegenüber „Weißen“ und nun (infolge der Jim-Crow-Regeln) auch am Verlust ihrer Sonderstellung als höhergestellte „Farbige“. Für Kreolen war die Musik eine Möglichkeit zu demonstrieren, dass sie an Können und Kultiviertheit „Weißen“ nicht nachstanden und sich von der „schwarzen“ Unterschicht abhoben. Den Männern der Uptown bot das Feld der Musik die Chance, als Stars einer großteils abgründigen Unterhaltungswelt170) der endlosen Armut und Plackerei als ungelernte Arbeiter zu entfliehen und sich in ihrem Rahmen Ruhm zu verschaffen. Aus diesen Gründen war die Musik oft ein Terrain, auf dem heiße Kämpfe mit symbolischen Bedeutungen und realen Auswirkungen auf Verdienstmöglichkeiten ausgetragen wurden. Trafen zwei der alltäglich zu Werbezwecken auf Pferdefuhrwerken umherziehenden Bands, die alle paar Häuserblocks anhielten und spielten, zusammen, so traten sie oft in einen Wettstreit. Dabei wurden ihre Wagen öfters von Second-Linern mit einem Seil zusammengebunden, damit die Bands nicht vor der endgültigen Niederlage einer von ihnen entweichen konnten.171) Auch Brassbands, die bei ihren Paraden aufeinander stießen, bekämpften sich in so genannten Cutting-Contests172), die bis zu zwei Stunden dauern konnten. Dabei traten entweder ihre Solisten gegeneinander an oder die Bands spielten abwechselnd, mitunter sogar gleichzeitig, was ein schrilles Durcheinander ergeben haben muss. Zur Vergabe von Jobs wurden manchmal Bands zu einem Wettstreit eingeladen, deren Gewinner den Job erhielten. Beschäftigungslose Bands zogen häufig umher und hielten Ausschau nach einer Gelegenheit, eine andere Band zu blamieren und auf diese Weise ihr den Job wegzunehmen.173) Als Oliver und Keppard mit ihren Bands in nahe beieinander gelegenen Lokalen Storyvilles auftraten, ließ Oliver einmal seine Band einen Blues spielen und ging auf den Gehsteig hinaus, um mit seinem Kornettspiel Keppard herauszufordern. Der darauf folgende Wettkampf zog eine große, begeisterte Zuhörermenge an und Oliver soll gewonnen haben. Er berichtete, dass er und Keppard manchmal stundenlang miteinander rangen, da keiner aufgeben wollte.174) Olivers Vorbild folgend beantwortete Armstrong auch später noch jede Herausforderung so zornig, dass nicht aus New Orleans stammende Musiker schockiert waren.175) Ohne diesen kämpferischen Geist wären die Uptown-Musiker jedoch nie in der Lage gewesen, sich mit ihrer Musik außerhalb ihres Viertels zu behaupten. Allerdings blieben selbst die Besten von ihnen in ihrem weiteren Fortkommen nur allzu oft von Minderwertigkeitsgefühlen und von damit im Zusammenhang stehenden Problemen wie Alkoholismus, Unsicherheit und übermäßigem Misstrauen gehandicapt. Zu sehr waren sie seit Kindestagen von den Folgen der Diskriminierung ihrer Minderheit belastet und dieses Schicksal traf auch viele kreolische Musiker.176)

Natürlich gab es nicht nur in New Orleans Wettkämpfe, doch wurden sie dort so häufig und öffentlich zelebriert, dass sie zu einem Bestandteil der afro-amerikanischen Ausdruckskultur dieser Stadt wurden.177) Die Kampf-Rituale trieben zur Entwicklung von Meisterschaft an, sodass im Jazz schon von Anfang an die brillante, kreative Leistung einen wesentlichen Stellenwert hatte und ein ständiger Drang zu Innovation bestand. Der Kornettist Henry „Kid“ Rena, ein Kollege Armstrongs, stach mit sauberem Spiel im hohen Tonbereich hervor, während Buddy Petit ein besonders flinker Kornettist war, der einen Weg fand, kreativ und präzise über schicken, komplizierten Akkorden zu improvisieren. Armstrong war Ende der 1910er Jahre einer dieser jüngeren, nach Gehör spielenden Kornettisten, die sich mit Neuerungen ständig gegenseitig herausforderten. Er vereinte hohes und schnelles Spiel über einer erweiterten harmonischen Palette und die Tendenz zu erhöhter Komplexität brachte eine anspruchsvollere Melodik in den Blues, der nun beweglicher, raffinierter, urbaner und etwas weniger üppig klang. Als Armstrong 1922 in Chicago wieder zu Oliver stieß, wirkte dessen „Freak“-Spielweise mit vielfältigen Blues-Klängen im Vergleich zu Armstrongs neueren Stil bereits etwas altmodisch. Trotz Verfeinerung verstand es Armstrong weiterhin, mit der Seele des Blues zu berühren.178)

 

IMPROVISATION
In den Wettkämpfen der Solisten ging es nicht darum, Bekanntes nach festgelegten Standards (wie etwa im „klassischen“ Bereich) besser zu spielen als andere, sondern um einen individuellen Vortrag, der durch Gewandtheit, Schnelligkeit, Tonumfang, frische Ideen, Reichtum und bestechenden Ausdruck überzeugte. Olivers hohes Ansehen beruhte nicht nur auf seiner Lautstärke und seinen vielfältigen, expressiven Blues-Klängen, sondern auch auf seinem Einfallsreichtum. In Cutting-Contests zwischen Virtuosen wie Oliver und Keppard, kam es darauf an, länger als der Gegner immer wieder neue Ideen zu präsentieren, und dafür reichte ein Inventar eingeübter Soli, wie es sonst zum Einsatz kam, nicht aus. Vielmehr bildete hier das Improvisationsvermögen die entscheidende Fähigkeit und in dieser Hinsicht kam den Uptown-Musikern zugute, dass in ihrer Subkultur bei allen Aufführungen (musikalischen, tänzerischen, sportlichen und verbalen wie den Dirty Dozens179)) auf Improvisationsgeschick Wert gelegt wurde. Ein bedeutendes Feld für Improvisation waren die Blues-Stücke, die in den Honky-Tonks die ganze Nacht hindurch gespielt wurden. Denn das Repertoire an bestehenden Blues-Melodien war ziemlich begrenzt und so musste ein Solist erfinderisch sein.180)

Zum Teil spontan gestaltet waren auch die Umrankungen der Songmelodie in jenem charakteristischen Zusammenspiel von Blasinstrumenten (meistens Kornett, Klarinette und Posaune), das heute als Kollektivimprovisation bezeichnet wird.181) Dieses Zusammenspiel dürfte ursprünglich von den autodidaktischen Brassbands der Uptown, die keine harmonischen Kenntnisse hatten, entwickelt worden sein, indem sie sich auf das heterophone Singen in den Sanctified-Kirchen stützten. Sie verfügten nur über ein kleines Repertoire an Songmelodien, das sie ständig wiederholten und in der heterophonen Art umspielten.182) Dabei präsentierte stets ein Instrument die Hauptmelodie, während die anderen in der Art des Fixiert-variabel-Modells183) Ausschmückungen hinzufügten. Die Rollenverteilung konnte zwischen den Instrumenten wechseln. Professionellere Bands übernahmen dieses Umspielen der Melodie (zum Beispiel, indem die Onward Brass Band Oliver engagierte) und setzten dafür zunehmend eigenständige, unabhängige melodische Linien (Obligati) ein. In notierten Arrangements gab es viele Vorbilder für Linien, die mit einer Hauptmelodie verschränkt waren, und ihr Modell scheint allmählich mit dem der Heterophonie verschmolzen worden zu sein. Das Ergebnis war jene für den New-Orleans-Jazz typische so genannte Kollektivimprovisation, bei der nach dem Fixiert-variabel-Konzept laufend spannungsvolle eigenständige Linien zur Hauptmelodie gebildet werden. Armstrong und Bechet waren die Besten im Erfinden solcher Linien, im Ausfüllen, Hinzufügen und Phrasieren über das Raster der Songmelodie hinweg und sie wurden dann auch zu den beiden bedeutendsten Solisten, die aus New Orleans hervorgingen. Armstrongs ausgereifte Solo-Kunst, die in seinen Aufnahmen aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre festgehalten ist, verband Hauptmelodie und Umrankung zu einer neuen, einheitlichen Linie. Einerseits bewahrte er genug vom Song, um eine kohärente Linie zu bilden, und fügte zugleich so viel an spannender, polyrhythmischer Phrasierung hinzu, dass er den Elan und Reichtum der Kollektivimprovisation in ein und dieselbe Linie packte.184)

 

MUSIKTHEORETISCHE KENNTNISSE
Die Musiker der Uptown hatten kaum Zugang zu „klassischer“ Ausbildung und konnten im Allgemeinen nicht oder nur langsam Noten lesen. Ihr Repertoire bestand meistens aus wenigen, allgemein gebräuchlichen Stücken und sie lernten neue oft durch Zuhören, womit sie auch ihr Gehör trainierten. Die Erfolgreicheren unter ihren Bands hatten häufig ein Mitglied, das Noten lesen konnte, die Hauptmelodie spielte und das Stück anderen beibrachte. Oft war das ein Geiger. Ansonsten legten die Uptown-Musiker in der Regel auf Notenkenntnisse keinen Wert und hielten es nicht selten sogar für besser, keine zu haben. Ihre Musikkultur war auf das Spielen nach dem Gehör, auf die unmittelbare klangliche Erscheinung der Musik spezialisiert und sie zu meistern, erforderte (wie andere Kunstformen) jahrelanges Training. Auch Armstrong übte viele Jahre lang die nicht mit Noten erfassbaren Nuancen des Blues, das „Ragging“ einer Melodie und die gesprächsartigen Feinheiten der Kollektivimprovisation ein. Seine Entwicklung wäre zweifelsohne anders verlaufen, wäre er von klein auf im Spielen nach Noten geschult worden. Als ungefähr 17- bis 21-Jähriger (1918 bis 1922) war er dann jährlich in der auf Mississippi-Dampfern für ein „weißes“ Publikum spielenden Band von Fate Marable engagiert und dabei wurden seine Fähigkeiten im Notenlesen, seine Technik und seine harmonischen Kenntnisse wesentlich verbessert.185)

Als Armstrong 1922 nach Chicago zog, verfügte er bereits über mehr harmonisches Verständnis als die meisten seiner Uptown-Kollegen, die sich in ihrem Spiel im Allgemeinen nicht präzise auf Akkorde bezogen. Armstrong vertiefte seine Harmonie-Kenntnisse weiter und sie trugen schließlich wesentlichen zur Brillanz seines ab Mitte der 1920er Jahre aufgenommenen Solo-Spiels bei. Obwohl Armstrong die aus Europa stammende Harmonik nicht mehr wie seine Vorgänger weitgehend ignorierte, gab er die spezifischen Qualitäten seiner afro-amerikanischen Herkunftskultur aber keineswegs auf. Vielmehr nutzte er die dazugewonnen Einsichten zu einer Verfeinerung und Steigerung dieser Qualitäten, vor allem indem er die Harmonik im Sinn des Fixiert-Variabel-Modells einsetzte.186) Blues und Heterophonie waren auch weiterhin in Armstrongs Soli zu hören, doch das entscheidende Element war (nach Thomas Brothers Beurteilung) der Vorrang des Fixiert-Variabel-Modells gegenüber aller harmonischen Verfeinerung. Dieser aus der afro-amerikanischen Subkultur kommende Zugang verlieh der Jazz-Solo-Tradition, die Armstrong in Gang setzte, auch in harmonischer Hinsicht einen eigenen Charakter.187)

 

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  1. Ricky Riccardi: Louis Armstrong habe einmal von einem in den 1950er Jahren stattgefundenen Konzert in einer Stadt gesprochen, in der gleichzeitig Louis Jordan auftrat, allerdings ohne Jordans Namen zu erwähnen. Armstrong habe gesagt: Er sei im Coliseum von Dallas, Texas, aufgetreten und es sei für diese Attraktion eine Menge Geld ausgegeben worden. In einem anderen Häuserblock habe jedoch einer dieser Saxofonisten im Zoot-Anzug gespielt, die dauernd dieses trendige Zeug spielten: Armstrong machte einen Boogie-Woogie-Sound nach. Dann schwang er kraftvoll die Faust, schloss die Augen, nickte ernst und sagte: Aber … wie Mozart! Die Leute seien gekommen, um ihn zu sehen, und sie seien alle „weiß“ gewesen. Die „Farbigen“ habe er abzählen können. Er könne sich genau erinnern. (QUELLE: Ricky Riccardi, Louis Armstrong, Joe Glaser and "Satchmo at the Waldorf" - 2016 Update, 26. Jänner 2016, Internetseite The Wonderful World of Louis Armstrong, Internet-Adresse: http://dippermouth.blogspot.co.at/2016/01/louis-armstrong-joe-glaser-and-satchmo.html) – Eine weitere Aussage Armstrongs zur Kunstqualität seiner Musik im Artikel Umarmung: Link
  2. Albert Murray: Louis Armstrong habe auf die bildungsorientierten Afro-Amerikaner, die in den 1930er Jahren die High-School und das College besuchten, einen unübersehbaren und anhaltenden Einfluss ausgeübt. Sie hätten nicht nur seine Musik studiert und sich gemerkt, sondern auch sein Auftreten und die Eleganz seiner Kleidung bewundert und nachgeahmt. Sie mochten zwar Duke Ellingtons Ausdrucksweise klassischer gefunden haben, aber Armstrong sei der Jive-Talk gewesen, den man drauf haben musste, wenn man hip sein wollte. Erlangten Musiker dieser Generation Bekanntheit, hätten die allermeisten von ihnen stets ihre Schuld ihm gegenüber einbekannt. Und sie hätten sich nicht über ihn lustig gemacht, als er vor einem überwiegend „weißen“ Publikum den Clown spielte, was er vor einem „schwarzen“ Publikum nie getan habe. Manche mögen fassungslos und enttäuscht ihren Kopf geschüttelt oder die Augen gerollt haben, so wie Ralph Ellison sagte, der höchste Bewunderung für Armstrongs musikalischen Ton und Einfallsreichtum hatte: „Mann, manchmal zeigt der gute Louis seinen Arsch statt sein Genie.“ Aber sie hätten ihn immer Pops genannt und ihn auch so angesprochen und ihre Kinder und Enkelkinder würden das ebenso tun. (QUELLE: Albert Murray, Jazz Lips: On Louis Armstrong, 22. November 1999, Internet-Adresse: https://newrepublic.com/article/114391/albert-murray-reviews-louis-armstrong-his-own-words)
  3. QUELLE: Gary Giddins, Satchmo. Louis Armstrong. Sein Leben und seine Zeit, 1991/1988, S. 44f.
  4. QUELLE: Film Jazz von Ken Burns, 2000, Episode 3: Our Language, Abschnitt Modern Time
  5. Da Gary Giddins im Jahr 1948 geboren wurde, kann sein Gespräch mit dem Musikprofessor frühestens in den 1960er Jahren stattgefunden haben. Armstrongs Aufnahmen mit seiner Hot-Five-Band der 1920er Jahre waren damals schon längst als Meisterwerke der Jazz-Geschichte anerkannt.
  6. herausgegeben von Carl Dahlhaus und Hermann Danuser
  7. Im 1984 herausgegebenen Band 7 (Die Musik des 20. Jahrhunderts) des Handbuchs wird der Jazz „gerade mal als exotisches Faszinosum einiger Komponisten der zwanziger bis vierziger Jahre“ erwähnt. (QUELLE: Wolfram Knauer, Die Jazz-Analyse, in: Wolfgang Sandner [Hrsg.], Jazz, 2005, S. 316)
  8. QUELLE: Peter Wicke (Humboldt-Universität, Berlin), Jazz, Rock und Popmusik, in: Doris Stockmann [Hrsg.], Volks- und Popularmusik in Europa, 1992, S. 445-477, (Band 12 von: Carl Dahlhaus/Hermann Danuser [Hrsg.], Neues Handbuch der Musikwissenschaft)
  9. Näheres im Artikel Echter Jazz: Link
  10. Näheres im Artikel Ausverkauf: Link
  11. Abweichungen des Jazz vom europäischen Tonsystem bestehen vor allem in den Blue-Notes. Auch gab es in der europäischen Musik ursprünglich nicht das Schlagzeug in dieser Form und nicht das im frühen Jazz verwendete Banjo.
  12. Tonsystem, Instrumente und Musizierweisen aus dem antiken Mittelmeerraum, aus der arabischen Welt, aus türkischen Militärkapellen und so weiter
  13. Thomas Brothers: Die Hinterlassenschaften der Sklaverei seien zum Teil schwer zu erkennen. Es gebe eine lange Tradition eines Einfach-nicht-wahrnehmen-Wollens, eines Versteckens in einer Art historischer Amnesie, die ihren eigenen manipulierenden Nutzen hat. Eines sei klar: Auf die Emanzipation [Sklavenbefreiung] folgte über ein Jahrhundert systematischer Unterwerfung von Leuten afrikanischer Herkunft. Das kulturelle Vermächtnis der versklavten Afro-Amerikaner an ihre Nachfahren möge zwar ebenfalls schwer präzise identifizierbar sein. Doch hätten über hundert Jahre lang die meisten Leute intuitiv gespürt, wie die Musik das blühende Zentrum dieser Hinterlassenschaft bildete. In den Jahrzehnten nach der Emanzipation sei die afro-amerikanische Musik-Subkultur [„vernacular“] aus den Plantagen hervorgebrochen und habe sich über den Tiefen Süden und schließlich bis in den urbanen Norden ausgebreitet. Dabei habe sie die Grundlage für den spektakulären Erfolg des Ragtime, des Blues, des Jazz, des Gospel und anderer afro-amerikanischer Musikarten des 20. Jahrhunderts geschaffen. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 3)
  14. Ensembles aus Saiteninstrumenten (Banjo, Geige, einfache Rhythmusinstrumente [etwa Tamburin, Tierknochen], Gitarre, Mandoline, Kontrabass)
  15. zum Beispiel der Cakewalk
  16. Minstrel-, „Vaudeville“-(Varieté)-, Zirkus-, Medizin-Shows – Mark Berresford: Wilbur Sweatman [dessen Laufbahn als professioneller Musiker um 1900 begann] sei möglicherweise der erste „schwarze“ Varieté-Künstler gewesen, der nicht mit Blackface-Bemalung auftrat. Eubie Blake habe, bezogen auf eine Varieté-Vorstellung im Jahr 1919, bei der Blake keine Blackface-Bemalung verwendete, gesagt: Alle „Neger“ hätten in Varietés ihr Gesicht schwarz angemalt, außer Sweatman. Der sei der Erste gewesen, der das nicht tat. Aber er sei Indianer gewesen. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 69) – Mehr zu Blackface-Vorführungen im Artikel Blackface: Link
  17. Mehr dazu im Artikel Blackface: Link
  18. Alyn Shipton: Stringbands seien ortsbeweglich, flexibel und anpassungsfähig gewesen. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts habe es dokumentierte Beispiele für alle drei Hauptformen auftauchender afro-amerikanischer Musik – Ragtime, Blues und Jazz – gegeben, die von Ensembles aufgeführt wurden, die aus Banjos, Gitarren oder Mandolinen und Violinen bestanden. In frühen Aufnahmen sei die perkussive Attacke des Banjos leichter eingefangen worden als die der Trommeln oder Bass-Instrumente und in Aufnahmen von Banjo-Rags aus den späten 1890er Jahren sei ein klarer Eindruck von Synkopierung und der Beginn von „Swing“ oder Jazz-Rhythmus erkennbar. – Es sei sowohl logisch als auch natürlich gewesen, dass Stringbands sowohl Ragtime als auch Blues spielten, als diese beiden Stile entstanden. – Stringbands seien in ländlichen Gebieten des gesamten Südens populär geblieben und in einigen der frühesten Feldaufnahmen von Blues-Sängern, die in den frühen 1920er Jahren gemacht wurden, die selbstverständlichen Begleiter gewesen. Ebenso hätten sie jedoch in einem mehr urbanen Umfeld auch Ragtime, formale europäische Tänze und Jazz-Stücke gespielt. – Die Saiten-Ensembles, die sich aus der Musik der Sklaven auf den Plantagen herleiteten und geographisch weit verbreitet waren, seien für die frühe Geschichte des Jazz sehr bedeutend gewesen. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 21-24)
  19. Thomas Brothers: Unser Verständnis von den Begriffen Blues, Ragtime und Jazz sei zum Teil von der brüchigen Eindimensionalität von Marketingstrategien gebildet worden sowie auch als vereinfachte Methode, die komplizierte Geschichte der populären Musik zu erfassen – als eine Möglichkeit, Bessie Smith von Billie Holiday, Scott Joplin von Joe Oliver und so weiter zu unterscheiden. – Die Begriffe seien für die Leute, die die Musik machten oder genossen, nicht problematisch gewesen. Rätselhaft seien diese Begriffe hauptsächlich durch spätere Entwicklungen geworden, die aus dieser Musik hervorgingen, und durch komplizierte, multidimensionale Kräfte der Geschichte, die weggeräumt werden müssen, um deren Welt zu betreten. Die schwierigste historische Behauptung, durch die man sich hindurcharbeiten muss, eine, die in der Jazz-Literatur gängig ist, sei die, dass Ragtime und Blues Vorläufer des frühen Jazz waren. Wenn man diese Behauptung als Startpunkt nimmt, dann erzeuge er bloße Konfusion. Es sei besser zu sehen, dass die Musik, die schließlich Jazz genannt wurde, zur selben Zeit ins Blickfeld kam, als Ragtime und Blues begannen, verschiedene Schauplätze zu bilden, von denen der eine ein von Komponisten gestaltetes und mithilfe von Notenheften vertriebenes Idiom war und der andere ein von Sängern dominiertes mit einer standardisierten poetischen Form. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 158f.)
  20. in den Südstaaten mit dem Ende des Bürgerkriegs (1865), in den Nordstaaten bereits davor
  21. Lincoln Collier: Ragtime sei zuerst eine Banjo-Musik gewesen und später von unausgebildeten Spielern auf das Klavier übertragen worden. Das schließe er aus einem Brief von Lafcadio Hearn, einem Journalisten, der an Afro-Amerikanern in New Orleans interessiert war, an den Musikwissenschaftler Edward Krehbiel: „Hast Du jemals Neger nach dem Gehör Klavier spielen gehört? Manchmal zahlen wir ihnen eine Flasche Wein, damit sie herkommen und für uns spielen. Sie verwenden das Klavier genau wie ein Banjo. Es ist gutes Banjo-Spielen, aber kein Klavier-Spielen.“ Der frühe Banjo-Stil mit Fingerzupfen habe abwechselnd einen Basston und höhere Akkorde oder wiederholte melodische Figuren eingesetzt. Das sei genau das Modell des Ragtime und seines Nachfolgers, des Stride-Piano-Spiels. Ragtime habe übliche europäische Tonleitern und Harmonien sowie einen marschähnlichen Zugang zum Rhythmus verwendet. Ein Unterschied zwischen ihm und europäischer Klaviermusik sei der beharrliche Stride-Bass, der keine übliche europäische Praxis sei. (QUELLE: James Lincoln Collier, Louis Armstrong, 1985/1983, S. 49, eigene Übersetzung) – Lawrence Gushee: Lafcadio Hearnsei sei ein Europäer gewesen, der sich ab 1877 ungefähr 10 Jahre lang in New Orleans aufhielt. (QUELLE: Lawrence Gushee, The Nineteenth-Century Origins of Jazz, Zeitschrift Black Music Research Journal, Vol. 14, Nr. 1, Selected Papers from the 1993 National Conference on Black Music Research, Frühjahr 1994, S. 9) – Tim Jumper: Im Jahr 1962 habe der Musikwissenschaftler Hans Nathan sein Buch Dan Emmett and the Rise of Early Negro Minstrelsy veröffentlicht, das ein Kapitel mit dem Titel Early Banjo Tunes and American Syncopation hat. Er habe darin viele musikalische Beispiele für frühe Minstrel-Banjo-Melodien angeführt und aus seiner Analyse geschlossen, dass der Minstrel-Banjo-Stil dem sehr ähnelte, was Sklaven auf ihren Bajos und Fideln spielten. Nathan habe im Weiteren behauptet, dass diese Melodien mit ihrer neuartigen, exotischen Synkopierung, die aus afrikanischen Rhythmen stammte in Verbindung mit anglo-keltischen Fidel-Melodien die Wurzeln des Ragtime bildeten. Giles Oakley sei in The Devil’s Music. A History of the Blues (1976) Nathan gefolgt und habe geschrieben, dass Ragtime eine neue synkopierte Musik war, die ihren Rhythmus aus den Banjo-Rhythmen bezog. Oakley habe Rupert Hughes zitiert, der 1899 schrieb, dass in der Ragtime-Musik Banjo-Figuren deutlich erkennbar seien. (QUELLE: Tim Jumper, The Banjo and the Birth of the Blues, Zeitschrift Banjo NewsLetter, Dezember 2011, Internet-Adresse: https://banjonews.com/2011-12/the_banjo_and_the_birth_of_the_blues.html) – Alyn Shipton: Eine kleine Zahl von Gelehrten habe die Verbindungen der Banjo-Musik der Plantagen mit dem rhythmischen Charakter des Ragtime und des Jazz erforscht, insbesondere Hans Nathan, der die irregulären Akzente der Minstrel-Banjo-Lieder, die während der 1840er und 1850er Jahre notiert wurden, mit den Rhythmen des Ragtimes verband. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 22)
  22. Eileen Southern: Frühe Hinweise auf Rag-Musik-Spieler würden Landstreicher nennen, die im Süden und an der Ostküste in billigen Restaurants, Honky-Tonks, Saloons und Spelunken an Flussufern Klavier spielten – oft für mickriges Geld, manchmal nur für Trinkgelder. Nur wenige der frühen Ragtime-Pianisten hätten Noten lesen gekonnt. Der Stil der Piano-Rag-Musik, der von manchen „Jig-Piano“ genannt wurde, sei ein natürlicher Auswuchs der Tanzmusik gewesen, die unter afro-amerikanischen Leuten praktiziert wurde. Vor dem Bürgerkrieg hätten die Sklaven zur Musik von Fiedeln und Banjos getanzt und das perkussive Element sei durch das Fußstampfen der Musiker und das „Juba-Patting“ der Zuschauer bereitgestellt worden. In der Piano-Rag-Musik habe die linke Hand die Aufgabe des Stampfens und Pattings übernommen, während die rechte Hand synkopierte Melodien spielte und dabei Melodien verwendete, die an die Fiedel- und Banjo-Lieder erinnerten. Wann genau die von schwarzen Musikmachern für die Unterhaltung der eigenen Leute entwickelte Rag-Musik zum ersten Mal auf einer größeren Bühne der amerikanischen Musik auftauchte, sei nicht bekannt. Im Süden könne das Klavierspiel unter den Ex-Sklaven erst nach der Befreiung entwickelt worden sein, abgesehen von Profis wie Blind Tom und Blind Boone. Es sei jedoch möglich, dass an der Ostküste, besonders in der New York-Philadelphia-Baltimore-Gegend, „Jig-Piano“ schon viel früher als im Süden gespielt wurde. Der Ausdruck „Jig Time“ sei zweifelsohne ein Vorläufer der Bezeichnung „Ragtime“ gewesen. Irgendwann in den 1860er oder 1870er Jahren dürfte das Piano zum ersten Mal in Tanz-Ensembles gebracht worden sein, vermutlich in irgendeinem Nachtlokal der Vergnügungsviertel an der Ostküste. Es habe nicht lange gebraucht, bis Nachtklubbesitzer entdeckten, dass Klaviermusik als Ersatz für die traditionelle Kombination von Fiedel, Blasinstrument und Bass-Fiedel verwendet und damit Geld gespart werden konnte. Das „weiße“ Amerika sei auf diesen neuen Stil zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Neuheit seiner synkopierten Rhythmen in der Tanzmusik und den „Coon Songs“ der Minstrelsy aufmerksam geworden. In der Partnerschaft mit dem Cakewalk genannten Tanz habe die synkopierte Musik dann ihren eindrucksvollsten Auftritt gehabt. (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 315f.)
  23. Eileen Southern: Erste typische Piano-Rag-Kompositionen seien 1897 veröffentlicht worden. Afro-amerikanische Komponisten seien am Niederschreiben der Musik beteiligt gewesen, die sie schon seit vielen Jahren für ihre Leute spielten. Mit dem Eintritt des Ragtime in die Mainstream-Musik sei eine improvisierte Musik in eine notierte Musik umgewandelt worden; eine funktionelle Musik, die zum Tanzen und zur Unterhaltung gedacht war, in eine Konzert-Musik, die zum Zuhören gedacht war; eine Musik im volksmusikalischen Stil in die Musik des individuellen Komponisten, der ihr den Stempel seiner eigenen Persönlichkeit aufdrückte. Scott Joplin habe die Spitze dieser Tradition repräsentiert. Die Diskussion des Ragtime in der modernen Literatur komme zwangsläufig zur Frage der Ursprünge und es gebe diesbezüglich eine allgemeine Übereinstimmung hinsichtlich der Bedeutung der afro-amerikanischen Volkstanz-Traditionen für die Entwicklung dieses Stils. (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 320f.)
  24. QUELLE: Jürgen Hunkemöller, Was ist Ragtime?, Zeitschrift Archiv für Musikwissenschaft, 42. Jahrgang, Heft 2, 1985, S. 86, Internet-Adresse: http://www.jstor.org/stable/930533
  25. Thomas Brothers: 1.) Landesweit sei der neue und am häufigsten mit Ragtime assoziierte Tanz in den 1890er Jahren der Two-Step gewesen. Durch die damals enorm expandierende Musikverlagsindustrie und den Verkauf von Piano-Rollen sei der Ragtime um 1897 schlagartig verbreitet worden. Die antreibende Energie hinter der Ragtime-Musik sei letztlich aus der Subkultur [„vernacular“] der Plantagen gekommen. – 2.) Heute würden die meisten Leute Ragtime von den geschliffenen Klavierstücken Scott Joplins her kennen. Die „Ragtime-Ära“, die ungefähr von den späten 1890er Jahren bis 1917 währte, habe jedoch wesentlich mehr Musik umfasst. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 143f. und 148)
  26. Eileen Southern: Am Ende des 19. Jahrhunderts sei Folgendes als „Ragtime“ bezeichnet worden: 1. Coon-Songs [zu diesem Begriff siehe im Artikel Blackface], 2. Arrangements von Coon-Songs für Aufführungen instrumentaler Gruppen wie Marschkapellen, Tanzbands und anderer Kombinationen von Instrumenten, 3. Tanzmusik und Märsche mit einem hohen Grad an Synkopierung, 4. der Piano-Rag. (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 319)
  27. Eileen Southern: 1899 habe der Schriftsteller Rupert Hughes geschrieben: „Die Neger nennen ihr Clog-Tanzen Ragging und ihren Tanz einen Rag.“ (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 320, eigene Übersetzung)
  28. Jürgen Hunkemöller: Das Wort Ragtime weise letztlich lediglich auf die afro-amerikanische Rhythmik hin, die den „Weißen“ als Synkopierung erschienen sei und die in Kompositionen auch so notiert worden sei. In afro-amerikanischem Slang seien Rag beziehungsweise Raggin(g) und Tanz seit langem Synonyme. (QUELLE: Jürgen Hunkemöller, Was ist Ragtime?, Zeitschrift Archiv für Musikwissenschaft, 42. Jahrgang, Heft 2, 1985, S. 80, Internet-Adresse: http://www.jstor.org/stable/930533)
  29. Thomas Brothers: 1.) Die Immigranten von den Plantagen, die nach der Reconstruction in großer Zahl in den Städten eintrafen, hätten eine Art von Ragtime mitgebracht, die erheblich anders war als das Klavier-Genre, das heute jeder kennt. – 2.) Die national bekannte Version von Ragtime sei über St. Louis gegangen, durch Pianisten und Notenhefte. Der Ragtime, den der durchschnittliche Amerikaner verehrte, habe mehrere Vorläufer gehabt, könne aber hörbar auf die alte Musik der Sklaven zurückgeführt werden. So habe offenbar auch Scott Joplin selbst darüber gedacht. Er habe zu einem Reporter gesagt, es gebe Ragtime-Musik in Amerika bereits, seit es hier die „Neger-Rasse“ gibt. Wenn Sklaven eine bekannte Melodie auf eine afro-amerikanische Weise spielten, wurde ihre Spielweise manchmal „ragging the tune“ genannt. Das sei der bedeutendste Vorläufer des Wortes „Ragtime“. – 3.) Auf Plantagen hätten Musiker alle Stücke „ge-ragt“ und Musiker in New Orleans hätten unter „Ragtime“ häufig nicht ein Genre verstanden, sondern die Praktik des „ragging the tune“, und zwar jeder beliebigen „tune“ (Melodie). – 4.) Louis Armstrong und seine Kollegen hätten drei einfache Begriffe verwendet, um die Ragtime-Methode des Ornamentierens zu beschreiben: „Variationen machen“, „hinzufügen“ und „einfügen“. Für die New Orleanser sei das Variationen-Machen die direkte Weiterführung der Plantagen-Tradition des Ragging-the-Tune gewesen. Vielleicht kannten manche die klassisch-europäische Tradition der Variationen. Das sei gewiss möglich. Doch sei es wichtiger zu erkennen, dass Afro-Amerikaner eine eigene lange Tradition hatten, auf der sie aufbauen konnten. … „Erfinden“ sei das Verb, das die New Orleanser üblicherweise für das verwendeten, was heute „Improvisation“ genannt wird. Etliche seien sowohl im Ragging-a-Tune als auch im Erfinden gut gewesen. Das Erfinden reiche wahrscheinlich weit in die Sklavenzeit zurück. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 133f., 144f., 156 und 161f.)
  30. Eileen Southern: Der Piano-Rag habe ein Piano-Arrangement eines Coon-Songs, das „Ragging“ eines nicht-synkopierten vokalen oder instrumentalen Stücks oder eine eigene Komposition gewesen sein können. Manche afro-amerikanischen Pianisten hätten große Mühen aufgewandt, um Stücke aus der europäischen Klassik zu erlernen, damit sie ihrem Repertoire „ver-ragte“ Versionen solcher Kompositionen hinzufügen konnten. Aber es seien auch patriotische Hymnen, populäre Songs, Opernarien, Märsche, Tänze und andere „straight“ Stücke „ver-ragt“ worden. (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 319f.)
  31. Eileen Southern: Am Ende des 19. Jahrhunderts habe es mehrere wichtige Ragtime-Gegenden in den USA gegeben, jede mit ihrer eigenen Clique von afro-amerikanischen Pianisten, bevorzugten Treffpunkten und einem eigenen Performance-Stil. In der Regel seien die Treffpunkte inmitten der Vergnügungsviertel gelegen, denn dort hätten diese Rag-Musik-Spieler genug Arbeit und freundliche Aufnahme gefunden. Unter den Pianisten, die in Hinterzimmern von Bars zusammenkamen, um für einander und für andere Liebhaber guten Ragtimes zu spielen, seien viele als regelmäßige Sieger von Wettkämpfen legendär geworden. Nur wenige hätten sich die Mühe gemacht, ihre Musik zu veröffentlichen, entweder weil sie zu beschäftigt waren oder weil sie fanden, dass der übliche Anteil von 10 oder 15 Dollar pro Stück kaum der Mühe wert war. Die Missouri-Gegend mit St. Louis als Kern dürfte zwar nicht die früheste Schule von Ragtime-Spielern hervorgebracht haben, aber ihre Komponisten seien die ersten gewesen, die veröffentlicht wurden und nationale Aufmerksamkeit erhielten. In New Orleans seien um die Jahrhundertwende Tony Jackson, ein weiterer Pianist und Jelly Roll Morton hervorgetreten. Erstklassige Rag-Pianisten seien auch in kleineren Städten des Südens zu finden gewesen, zum Beispiel in Alabama, Kentucky, Memphis/Tennessee, Pittsburgh, Indianapolis. Als die Pianisten aus dem Süden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nach Chicago zogen, hätten sie dort eine etablierte Tradition der Rag-Musik vorgefunden, die zumindest bis in die Zeit der Weltausstellung von 1893 zurückreichte. Der Ragtime an der Ostküste habe ebenfalls seine legendären Figuren gehabt, etwa in Philadelphia, Washington DC und Baltimore. Eubie Blake habe sich an die „Piano-Haie“ seiner Jugendzeit in Baltimore (1890er Jahre) erinnert. Von den acht Pianisten, deren Namen er nannte, habe nur einer Noten lesen gekonnt, doch hätten alle in jeder Tonart spielen können. Viele Pianisten ließen sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in New York nieder. Auch habe es in New York einen ständigen Zustrom von Rag-Pianisten aus anderen Zentren gegeben. Sie seien oft nur kurz geblieben und dann weiter gezogen. (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 328-330)
  32. Schuppen, in denen es nicht einmal Tische und Stühle gab, sondern man auf den Alkohol-Fässern (Barrels) saß
  33. Waldarbeit, Eisenbahnbau, Deichbau, Terpentingewinnung und so weiter
  34. QUELLE: Paul Oliver, Die Story des Blues, 1979/1969, S. 134-141
  35. Thomas Brothers: Es habe einmal weniger Unterschied zwischen Ragtime, Blues, Work-Songs und religiöser Musik gegeben, als man vielleicht annimmt. Auf den Plantagen Mississippis sei Blues keineswegs auf die lyrische Form begrenzt gewesen, an die Leute heute üblicherweise denken. Meistens sei er Tanzmusik gewesen. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 158)
  36. Dass auch die Pianisten, die heute rückblickend dem Blues zugezählt werden, ursprünglich Ragtime spielten, stellte Paul Oliver mit folgender Aussage fest: „Auffallend ist, dass die erste Generation von Blues-Pianisten, die alle in den 1890er Jahren zur Welt kamen, prägnante Ragtime-Aspekte aufweist, während es sich bei der zweiten Generation, die etwa zehn Jahre jünger war, ausschließlich um Blues-Musiker handelte.“ (QUELLE: Paul Oliver, Die Story des Blues, 1979/1969, S. 147)
  37. Eileen Southern: Selbst die Musik der östlichen Pioniere sei, außer der von Eubie Blake (geboren 1887), nicht veröffentlicht oder aufgenommen worden, sodass unbekannt ist, wie sie klang. Blakes spätere Aufnahmen würden einige Eindrücke vermitteln, allerdings habe sich sein persönlicher Stil über die vielen Jahre zweifelsohne immer wieder verändert. Das auffälligste Merkmal von Blakes Rags seien das hohe Tempo und die kraftvoll pulsierenden Bässe gewesen. Letztere hätten hauptsächlich aus „Um-Ta“-Sprüngen von tiefen Oktaven zu Akkorden im mittleren Bereich der Klaviatur und Oktavenpassagen bestanden und seien im Allgemeinen als „Stride-Bässe“ bezeichnet worden. Blake habe jedoch gelegentlich die geradlinigen Muster in seiner linken Hand unterbrochen, um einige Takte schallender, gebrochener Oktaven einzuführen, während seine rechte Hand ständig mit der fließenden Ausschmückung der synkopierten Melodie fortgefahren sei. Blakes Hauptkritik am modernen Klavierspiel, das er im Allgemeinen bewunderte, habe die Vernachlässigung des Basses betroffen. Er habe gesagt: „Sie spielen keinen Bass!“ Den Oldtimern sei bewusst gewesen, dass ihr Klavierspiel eine Band zu ersetzen hatte, und sie hätten die Abwesenheit von Perkussions-Instrumenten durch eine Betonung des Linke-Hand-Basses kompensiert. Blake habe erklärt: „Wir mussten es tun, denn wir hatten kein Schlagzeug, das uns half.“ (QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 330) – Pianisten, die in Bergwerks- und Holzfäller-Lagern auftraten und später Aufnahmen machten, die zumindest vage Vorstellungen von ihren früheren Auftritten ermöglichen, waren zum Beispiel Cow Cow Davenport (geboren 1894) und Will Ezell (geboren 1892). (QUELLE: Paul Oliver, Die Story des Blues, 1979/1969, S. 143-145)
  38. Näheres im Artikel Congo-Square-Echo: Link
  39. QUELLE: Eileen Southern, The Music of Black Americans, 1997, S. 332
  40. Die Bezeichnung „Boogie Woogie” verbreitete sich durch die Schallplatte Pinetop’s Boogie Woogie (Dezember 1928) von Clarence „Pinetop“ Smith. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 139)
  41. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 126
  42. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 140
  43. zum Beispiel Little Brother Montgomerys Spezialität, die als die „44s” bekannt war und in seinem Vicksburg Blues (1930) zu hören ist (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 142)
  44. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 139 und 144 – In den 1920er und 1930er Jahren veranstalteten Afro-Amerikaner in den großen Städten des Nordens in ihren Wohnungen oft so genannte (House-)Rent-Partys, um durch Eintrittsgeld und den Verkauf selbst zubereiteter Speisen und Getränke das Geld für die meist hohen Mieten aufzubringen. Häufig spielte dabei ein Pianist. (QUELLEN: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 78; Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 355) – Der in Alabama geborene Pianist Clarence „Pinetop“ Smith bildete mit seiner Schallplatte Pinetop’s Boogie Woogie (Dezember 1928) ein typisches Chicagoer Rent-Party-Stück nach. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 144)
  45. Alyn Shipton: Innerhalb der Begrenzungen dieser Musikart sei eine faszinierend Bandbreite an Variationen entwickelt worden. Die linke Hand sei dazu verwendet worden, eine Art ständiger rhythmischer Bewegung zu erzeugen, und die darüber gelegten Muster der rechten Hand enthielten oft komplexe Kreuzrhythmen. Die „rollenden“ Läufe der linken Hand, bei denen wechselnde Oktaven auf jeder Achtelnote verwendet werden, seien das bekannteste Grundelement, doch seien häufig auch andere Varianten eingesetzt worden, etwa Achtelnoten- oder Viertelnoten-Akkorde oder Ostinati aus Einzelnoten. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 141)
  46. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 142 und 144
  47. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 126
  48. W.C. Handy, der in den späten 1890er Jahre drei Jahre lang mit einer Minstrel-Show-Truppe (Mahara's Minstrels) großteils in den Südstaaten tourte, erzählte unter anderem: Am meisten hätten sie sich vor der texanischen Stadt Orange gefürchtet. Jedes Mal, wenn sie mit ihrer Show in diese Stadt kamen, habe der einheimische Pöbel dort aus purem Männlichkeitsspaß den Wagon, in dem sie fuhren, mit Gewehrkugeln durchsiebt. Sie schalteten immer das Licht aus und lagen bewegungslos am Boden des Wagons und glücklicherweise sei bei diesen Angriffen nie jemand von ihnen getötet worden. – Handy erzählte auch von weiteren ähnlichen Angriffen, unter anderem vom Lynchen eines jungen Musikerkollegen, der es gewagt hatte, Beleidigungen zu erwidern. (QUELLE: W.C. Handy, Father of the Blues. An Autobiographie, 1991/1941, S. 44 und 43)
  49. Zum Beispiele begleitete James Reese Europe in den 1910er Jahren mit seinem Society Orchestra das bekannte „weiße“, glamouröse Tanzpaar Vernon und Irene Castle und trug dadurch zur allmählichen Akzeptanz der neuen Gesellschaftstänze und der entsprechenden Musik in der amerikanischen Gesellschaft bei. (QUELLE: Reid Badger, A Life in Ragtime. A Biography of James Reese Europe, 1995, S. 8f.)
  50. Zum Beispiele konnte James Reese Europe im Jahr 1912 sogar in der New Yorker Carnegie Hall seine Symphony of Negro Music aufführen und damit zum ersten Mal ein afro-amerikanisches Orchester auf diese Bühne bringen. (QUELLE: Reid Badger, A Life in Ragtime. A Biography of James Reese Europe, 1995, S. 8)
  51. zum Beispiel die Band von Art Hickman, die ab 1913 im Luxushotel Westin St. Francis in San Francisco auftrat, 1919 in einem Nachtklub auf dem Dach des New Amsterdam Theatre am New Yorker Broadway spielte, 1920 die Revue Ziegfeld Follies desselben Nachtklubbetreibers begleitete und dann wieder in Luxushotels von San Francisco spielte – Zur Bedeutung Hickmans für den Jazz siehe im Artikel Jazz-Verständnis die Fußnote 1 am Ende des ersten Satzes: Link
  52. zum Beispiel die Band des legendären Kornettisten Buddy Bolden, der um 1900 im afro-amerikanischen Unterschichtviertel von New Orleans eine frühe Form von Jazz gespielt haben soll
  53. Mehr dazu im Artikel Ghetto-Musik: Link
  54. Der Jazz-Kritiker Kevin Whitehead kommentierte drei Aufnahmen von Wilbur Sweatmans Stück Down Home Rag: 1.) von James Reese Europe's Society Orchestra (29. Dezember 1913) – 2.) von The Versatile Four (3. Februar 1916): Das sei eine Miniatur-Version des Arrangements von Europes Orchester, unterscheide sich jedoch insofern wesentlich, als die beiden Banjo-Spieler mit ihren schwungvollen Riffs lockerer spielten und der Schlagzeuger Charlie Johnson für 1916 wie verrückt swingte. Johnsons Trommeln sei wie hippes Schlagzeugspiel aus den 1920er Jahren. – 3.) von Wilbur C. Sweatman selbst auf der Klarinette, begleitet von Studiomusikern der Schallplattenfirma auf Geige und Klavier (Dezember 1916): Sweatman improvisierte nicht, aber er spielte mit einer lockeren, jazzigen Phrasierung. --- Es gebe also einige Platten und Piano-Rollen, die nachvollziehbar machen, wie der Jazz sich von seinen Vorläufern loslöste. Auch Aufnahmen von Sängern hätten das gezeigt, etwa des Komikers Bert Williams, der bereits in Aufnahmen des Jahres 1906 ein wenig Swing-Charakter eingefangen und 1914 seine eigene Ode To Syncopation aufgenommen habe. Whitehead präsentierte einen Ausschnitt von dieser Ode. (QUELLE: Kevin Whitehead, The Riffs And Rhythms That Led To Jazz As We Know It, Transkription und Audio einer Radio-Sendung des US-amerikanischen Senders WKNO-FM 91.1 vom 1. Februar 2016, Sendereihe Fresh Air, Internet-Adresse: http://wknofm.org/post/riffs-and-rhythms-led-jazz-we-know-it) – Alyn Shipton: In einigen der frühesten Aufnahmen einer kompletten afro-amerikanischen Stringband, den London-Aufnahmen von Dan Kildare and Ciro’s Club Coon Orchestra aus 1916, lägen viele Elemente des Jazz vor. Diese Band gebe insgesamt einen starken Hinweis darauf, dass Jazz-Rhythmen und die Vermischung von Improvisation und Ragtime-Themen um 1916 wesentlich weiter entwickelt waren, als Historiker im Allgemeinen vermuteten. Das lege nahe, dass die aus der Plantagen-Musik abgeleiteten Saiten-Ensembles in der frühen Jazz-Geschichte mindestens ebenso bedeutend waren wie der Gesang und das Perkussionsspiel, mit denen sich die Jazz-Historiker bisher überwiegend beschäftigten, – vor allem auch angesichts der weiten geographischen Verbreitung solcher Gruppen und ihrer direkten Verbindungen zu den entstehenden musikalischen Formen. – Die Stringband sei in den Jahren der Jazz-Entstehung ein allgegenwärtiges Ensemble gewesen. Sie sei weder an die afro-amerikanische noch an die „weiße“ Bevölkerungsgruppe allein gebunden gewesen, obwohl es eine allgemeine Akzeptanz qualifizierter afro-amerikanischer Musiker gegeben habe, die beim Publikum beider Bevölkerungsgruppen gefragt waren. Die von Stringbands gespielte Musik habe von deutlich „afrikanischem“ Charakter (nach damaligen Beschreibungen) bis zu den formalen europäischen Tänzen der „Weißen“ variiert. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 21-23)
  55. so genannten „Vaudeville“-Theatern
  56. Sweatman wurde 1882 geboren und gehörte bereits ab Mitte der 1890er Jahre (wahrscheinlich zwischen 1895 und 1898, möglicherweise sogar auf einer Tournee der Band mit dem Komödianten Ernest Hogan nach Australien und Asien im Jahr 1899) einer afro-amerikanischen Kinderband an, die von einem angesehenen afro-amerikanischen Musiker und Lehrer geleitet wurde. 1901 spielte Sweatman in St. Louis in der Band einer afro-amerikanischen Tanzschule und 1902 leitete er bereits als 20-Jähriger die Band eines Zirkusses, die in einem Nebenprogramm für Minstrel-Shows spielte. Das Hauptprogramm war „weißen“ Musikern vorbehalten. Anschließend schloss er sich für kurze Zeit (bis ungefähr Mai 1903) den von W.C. Handy geleiteten Mahara’s Minstrels an, die eine der beiden bekanntesten afro-amerikanischen Minstrel-Show-Gruppen der USA war (aber wie die meisten solchen Gruppen einem „Weißen“ gehörte). In den folgenden rund vier Jahren hielt er sich in Minneapolis auf und dürfte dort in einem „Dim-Museum“ (Unterhaltung in einem Museum mit geringem Eintrittspreis) gespielt und mit verschiedenen Bands in der umliegenden Gegend umhergezogen sein. Von 1908 bis 1911 leitete er das Orchester eines kleinen Varieté-Theaters in Chicago, in dem umherziehende afro-amerikanische Varieté-Gruppen vor einem afro-amerikanischen Publikum auftraten. Im Herbst 1911 begann er, selbst als Varieté-Künstler, und zwar als Klarinetten-Virtuose seiner „Rasse“, aufzutreten, und er setzte diese Tätigkeit, die ein nomadisches Leben bedingte und ihn an zahlreiche Auftrittsorte der USA führte, mehr als 20 Jahre lang fort. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 17-67) – Mark Berresford: Beim Forschen und Schreiben seines Buchs über Wilbur Sweatman sei rasch offensichtlich geworden, dass das „schwarze“ Theater, die umherziehenden Zelt-Shows, die Nebenprogramme der Zirkusse und die Varietés eine wesentlich bedeutendere Rolle in der frühen Entwicklung des Jazz spielten, als im Allgemeinen angenommen wird. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. XI)
  57. Mark Berresford: Theater, Varietés, Zelt-Shows und „schwarze” Minstrel-Shows hätten der „synkopierten“ Musik eine wichtige Plattform gegeben, durch die sie ein breites Publikum erreichen und ihren vermeintlichen Ursprung als Bordell-Musik abschütteln konnte. Sweatman sei einen Schritt weiter gegangen, indem er diese Plattform in die zuvor verschlossene Welt des „weißen“ Varietés hinein erweiterte. Eine Hörerschaft, die davor mit dieser neuen Musik nicht vertraut war, habe sie nun hören können, ohne sich an den Rand der Gesellschaft zu wagen. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. XIf.)
  58. Victor Talking Machine Company
  59. in der ursprünglichen Schreibweise: Original Dixieland Jass Band
  60. PATHÉ Frères Phonograph Company – Auch eine weitere Firma (Edison Records) versuchte sofort zu konkurrieren und machte Aufnahmen mit der „weißen“ Frisco Jass Band, der unter anderem der Saxofonist Rudy Wiedoeft (später Vorbild von Frank Trumbauer und Jimmy Dorsey, siehe Artikel Cool) angehörte. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 88)
  61. Die ersten beiden Stücke der Original Dixieland Jazz Band wurden von der Firma Victor am 26. Februar 1917 aufgenommen und am 15. April 1917 veröffentlicht. Pathé nahm im Februar oder März und im April 1917 folgende sechs Stücke von Wilbur Sweatman and His Jass Band auf: Dance And Grow Thin, I Wonder Why, Boogie Rag, Joe Turner Blues, A Bag Of Rags und Dancing An American Rag. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 87, 92 und 192f.)
  62. Mehr zu dieser Band im Artikel Schattenkultur: Link
  63. Burton W. Peretti: Der Erfolg der Original Dixieland Jazz Band im Jahr 1917 habe viele zur Nachahmung angeregt und diese Bands hätten für die nächsten fünf Jahre in der Öffentlichkeit Jazz definiert. (QUELLE: Burton W. Peretti, Jazz in American Culture, 1997, S. 32)
  64. bei der Aufnahme seines Down Home Rag (1916) mit zwei Studiomusikern der Schallplattenfirma auf Geige und Klavier; bei seinen Aufnahmen aus 1917 mit fünf Saxofonisten (einem Alt-Saxofonisten, zwei Tenor-Saxofonisten, einem Bariton-Saxofonist und einem Bass-Saxofonisten) ohne Rhythmusgruppe – Mark Berresford: Der Sound dieser Band Sweatmans habe dem der Six Brown Brothers geähnelt, einem reinen Saxofon-Sextett „weißer“ Musiker, das damals in der Szene des Varietés und der Musik-Komödie sehr populär war und von dem zahlreiche Plattenaufnahmen erschienen. Sweatmans Band habe jedoch in rhythmischer Hinsicht wesentlich flüssiger gespielt. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 94)
  65. heute meistens „Kollektivimprovisation“ genannt
  66. Siehe zum Beispiel Mezz Mezzrows Beschreibung dieser Effekte im Artikel Schattenkultur: Link – Alyn Shipton über den optischen Eindruck, den die Dixieland-Band vermittelte: Die riesige Bass-Trommel wummere, während der Trommler über seinem Kopf Kastagnetten und Glocken schwingt. Der Posaunist und der Klarinettist schwenkten mit ihren Instrumenten abwechselnd nach rechts und links, während der Kornettist auf der Lehne des Stuhls sitze, mit den Füßen auf der Sitzfläche, und mit seinem Kornett auf die Decke ziele. Der Pianist scheine einen Art Charleston zu tanzen und gleichzeitig seine Nase auf die Tastatur zu drücken. Der Gesamteindruck sei der einer Gruppe von fröhlichen, vergnügten Entertainern voll der nervösen Aufgeregtheit von Komödianten, deren Späße verpuffen, sobald die Spannung für eine Sekunde nachlässt. (QUELLE: Alyn Shipton, A NewHistory of Jazz, 2007, S. 75f.)
  67. zum Beispiel: 1.) Tim Brooks: Sweatman habe in Down Home Rag (1916, Firma Emerson) mit Geschmack und einem starken Improvisationsgefühl gespielt und klinge zweifelsohne wie früher Jazz. Die Begleitung halte sich diskret im Hintergrund. Es gebe scharfe Klänge auf der Klarinette, jedoch ohne die Effekthascherei des „Scheunenhof-Jazz“, wie er einige Monate später von der Original Dixieland Jazz Band popularisiert wurde. Es bestünden zweifellos deutliche Ähnlichkeiten zwischen Sweatmans Technik und der des Klarinetten Larry Shields auf den historischen Aufnahmen der Original Dixieland Jazz Band, die die Firma Victor im Februar 1917 machte. Die Aufnahmen der Dixieland-Band würden allgemein als die „ersten Jazz-Aufnahmen“ betrachtet werden, doch frage man sich, wer da wem zuhörte. Sweatmans Aufnahmen mit der Firma Emerson aus 1916 seien in der Geschichte der ersten Jazz-Aufnahmen stark unterbewertet worden. (QUELLE: Tim Brooks, Lost Sounds. Blacks and the Birth of the Recording Industry 1890-1919, S. 341f.) – 2.) Mark Berresford: Sweatman gebühre zweifelsohne Anerkennung als Pionier des Jazz. – In Sweatmans Aufnahme des Down Home Rag aus 1916 sei zum ersten Mal auf einer Schallplatte Jazz zu hören gewesen. – Sweatman habe zwar nicht den lyrischen Ton, die Flüssigkeit und den Erfindungsreichtum der besten Klarinettisten von New Orleans und auch nicht die Technik eines Buster Bailey gehabt. Sein Stil stamme aus dem späten 19. Jahrhundert. In seinen Aufnahmen aus dem Jahr 1917 gebe es jedoch keine Novelty-Effekte, kein „Gaspiping“ (Pfeifen eines Gasrohrs), keine Jauchzer und kein Gegacker, sondern heiße und zugleich disziplinierte Tanzmusik. – Die Dynamik und der Schwung dieser Aufnahmen sowie Sweatmans improvisierte Phrasierung würden keinen Zweifel daran lassen, dass hier erstmals ein authentischer „schwarzer“ Orchester-Jazz zu hören ist – kein Ragtime, sondern eine scharfkantige, wenn auch rudimentäre, zugleich disziplinierte Form von Jazz. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. XVI, 85, 7 und 93f.)
  68. Mehr dazu im Artikel Echter Jazz: Link
  69. Columbia Records
  70. QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 6f. und 100f.
  71. Mark Berresford: Sweatmans Columbia-Aufnahmen der Jahre 1918 bis 1920 seien frühe Beispiele für eine Jazz-Spielweise, die bis zu einem gewissen Grad auf notierten Arrangements, die Raum für improvisierte Ausschmückung lassen, beruht. Deshalb würden sie sich sehr von den damaligen Aufnahmen der Original Dixieland Jazz Band und auch afro-amerikanischer Bands wie von Ford Dabney und James Reese Europe unterscheiden. Sweatmans Musik der Columbia-Aufnahmen hätte eine reichhaltigere und komplexere Struktur als die der Dixieland-Band. Er habe in den Stücken häufig zwischen führender Melodie, Ausschmückung, Improvisation eines Obligatos, Einfügen einer anderen Songmelodie und Vorführung technischer und improvisatorischer Fähigkeiten gewechselt. Diese vielfältige, auf einem notierten Arrangement beruhende Gestaltung sei in den 1920er Jahren durch Arrangeure wie Don Redman, Benny Carter, Duke Ellington und Bill Challis weiterentwickelt worden und habe für die nächsten 30 Jahre die musikalische Form der meisten Bigband-Musik bereitgestellt. Sweatman sei einer der Ersten gewesen, die diese Art der Gestaltung realisierten, wenn auch in einer etwas reduzierten und vereinfachten Form. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 102f.)
  72. Im Laufe der Jahre arbeiteten unter anderem folgende Musiker mit Sweatman: Freddie Keppard, Sidney Bechet, Coleman Hawkins, Duke Ellington, Wellman Braud [später Bassist der Ellington-Band], Cozy Cole, Sid Catlett, Sonny Greer [später Schlagzeuger der Ellington-Band], Otto Hardwick [später Saxofonist der Ellington-Band] und Jimmie Lunceford. – Mark Berresford: Ellington habe bei Sweatman nicht nur ein paar Wochen im Jahr 1923 gespielt, wie er angab, sondern auch im Jahr 1924 und möglicherweise sogar bereits 1919. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 4, 3 und 8)
  73. Zu Bradford im Artikel Dschungelmusik: Link
  74. Sweatman erzählte im Jahr 1962, er sei als junger Musiker 1901 mit einem Zirkus in New Orleans gewesen und an einem freien Abend in die Stadt hinein gegangen. Dort habe er nur eine Band gehört und von der habe er nicht viel gehalten. Bradford schrieb in seiner Autobiografie, er sei im Jahr 1908 mit einer Minstrel-Gruppe nach New Orleans gekommen und habe dort nichts gehört, was nur annähernd nach Jazz klang. (QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. 154f.) – Sweatman und Bradford dürften bei ihren kurzen Aufenthalten in New Orleans schlicht nicht zu den entsprechenden Orten gelangt sein. Die Stadt hatte damals rund 300.000 Einwohner, sehr unterschiedliche Vierteln und nach unbestrittenen Berichten lebhafte, vielfältige Musikszenen. Es steht in der Jazz-Literatur auch außer Frage, dass dort im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Musiker wie Jelly Roll Morton und Buddy Bolden auftraten. Hätten Sweatman und Bradford sie spielen gesehen und ihre Musik nicht als das empfunden, was später Jazz genannt wurde, so spräche das tatsächlich gegen eine frühe Existenz von Jazz in New Orleans. Aber bloß nichts gesehen zu haben, ist zweifelsohne kein ernst zu nehmendes Argument.
  75. QUELLE: Mark Berresford, That’s Got ‘Em! The Life and Music of Wilbur C. Sweatman, 2010, S. XI
  76. In Bezug auf die Jazz-Piano-Entwicklung sticht New Orleans nur durch die Behauptung von Jelly Roll Morton heraus, er habe dort um 1902 den Jazz erfunden. Diese Behauptung wird in der Jazz-Literatur so zwar nicht ganz ernst genommen, doch wird Morton häufig eine Rolle in der Jazz-Entstehung zuerkannt, die seiner Behauptung nahe kommt. So findet sich zum Beispiel in Martin Kunzlers Jazz-Lexikon die Aussage, Morton habe „Blues und Ragtime zum ersten Jazz-Klavierstil“ zusammengefasst. (QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 897) Und Alyn Shipton zitierte einen Autor (James Dapogny), der zum Schluss kam, dass Morton in einer Zeit, als „Ragtime noch eine starke, lebendige Tradition war“, einen „eindeutig neuen Klavierstil“ entwickelte, und zwar „bevor er 1907 New Orleans zum letzten Mal verließ“. (QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 69f., eigene Übersetzung) – Wären diese Aussagen richtig, dann hätte Morton als Einziger bereits in den 1900er Jahren „Jazz“ gespielt, während alle anderen Pianisten des Landes nach der allgemein üblichen Darstellung weiterhin „Ragtime“ spielten, bis um 1920 die Stride-Pianisten von Harlem (New York) auf eigenem Weg zum „Jazz“ fanden (siehe eine im Artikel Ragtime/Stride zitierte Aussage Shiptons: Link). Morton war jedoch keineswegs isoliert, sondern begann schon nach kurzer Zeit, weit (bis nach Chicago, Kalifornien und New York) und lange umherzuziehen und war daher in jenem intensiven Kontakt und Wettstreit, durch den Pianisten voneinander lernten und Innovationen rasch verbreiteten. Die Annahme von Mortons „Jazz-Erfindung“ ergibt somit kein konsistentes Bild. Es zeigt sich hier, wie wenig sinnvoll es gerade in Bezug auf diese frühe Zeit ist, mit Genre-Begriffen wie Ragtime, Blues und Jazz zu jonglieren (siehe Thomas Brothers Aussage). Außerdem kam Morton als „farbiger Kreole“ nicht aus dem afro-amerikanischen Milieu, in dem Blues-Elemente ein charakteristischer Bestandteil der Volkskultur waren. Wahrscheinlicher dürfte es wohl sein, dass afro-amerikanische Pianisten bereits vor Morton Blues-Elemente mit (improvisiertem) Ragtime verbanden, zumal Piano-Ragtime schon viele Jahre gespielt wurde, bevor Morton (nicht 1902, sondern frühestens um 1906; siehe Kunzler, S. 897) damit aufzutreten begann. Darauf deuten zum Beispiel Eubie Blakes (oben zitierte) Aussagen über die improvisierenden „Piano-Haie“ seiner Jugendzeit im Baltimore der 1890er Jahre und die Allgegenwart von Blues-Elementen in Baltimore („Baltimore ist der Blues“) hin. Wie Mortons Klavierspiel in den 1900er Jahren tatsächlich klang, inwieweit er sich von anderen tatsächlich unterschied und innovative Beiträge zur Entwicklung des Klavierspiels leistete oder lediglich ein relativ virtuoser Vertreter einer damals in mehreren Zentren blühenden Piano-Rag-Musik war, lässt sich mangels Aufnahmen aus dieser Zeit nicht verifizieren. Seinen eigenen Aussagen ist aufgrund der Bedenkenlosigkeit, mit der er zum Zweck der Selbstinszenierung Dinge verzerrte, zweifelsohne mit Skepsis zu begegnen. Ob die besondere Aufmerksamkeit, die er durch Alan Lomax‘ lange Interviews erhielt, seiner tatsächlichen Bedeutung unter vielen „Piano-Haien“ der damaligen Zeit entsprach, bleibt wohl offen. Als Komponist später häufig interpretierter Stücke und als kreativer Gestalter seiner Ensemble-Musik der 1920er Jahre ist seine Bedeutung hingegen offensichtlich.
  77. Mehr dazu im Artikel Dschungelmusik: Link
  78. QUELLE: Alyn Shipton, A New History of Jazz, 2007, S. 42-47
  79. zum Beispiel der Saxofonist Garvin Bushell, die Trompeter Johnny Dunn und Joe Smith, die Posaunisten Charlie Green und Jimmy Harrison, die Saxofonisten Don Redman und Coleman Hawkins
  80. Näheres im Artikel Schattenkultur: Link
  81. Dazu im Artikel Dixieland: Link
  82. Mehr dazu im Artikel Ragtime/Stride: Link
  83. QUELLE: Garvin Bushell, Jazz from the Beginning, 1988, S. 18f.
  84. QUELLE: Garvin Bushell, Jazz from the Beginning, 1988, S. 25
  85. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 58
  86. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 58
  87. QUELLE: Nat Shapiro/Nat Hentoff, Hear Me Talkin‘ to Ya, 1966/1955, S. 77-79
  88. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 133
  89. sagte der Pianist Glover Compton (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 58, eigene Übersetzung)
  90. Mehr dazu im Artikel Jazz-Beat (Link), und zwar in den Ausführungen zu den aus New Orleans stammenden Bassisten Bill Johnson, John Lindsay, Steve Brown, Pops Foster und Wellman Braud (zum Teil in Fußnoten)
  91. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 58, eigene Übersetzung
  92. Thomas Brothers: 1.) Die Geschichte, wie Louis Armstrong aus dem Milieu, in dem er aufwuchs, hervorkam und zu einem der größten Musiker des 20. Jahrhunderts wurde, sei unverwechselbar afro-amerikanisch und damit unverwechselbar amerikanisch. Jazz in dieser Weise als amerikanisch zu verstehen, bedeute, mit einem sozialen Konzept der Musik zu arbeiten, das ganz anders ist als die übliche Geschichte des Jazz als amerikanisches musikalisches Gumbo, als Schmelztiegel vieler verschiedenen Ethnien. – 2.) Eine genaue Untersuchung eines musikalischen Stils könne zeigen, wie Musik auf einer sehr tiefgehenden Ebene kulturelle Aufgaben erfüllt, auf einer Ebene, die tief genug sein kann, um langanhaltende Ergebnisse zu erreichen. In Louis Armstrongs Fall helfe die stilistische Analyse aufzudecken, wie inadäquat das Gerede vom Jazz als einem bastardisierten, multikulturellen, kreolischen Hybrid ist. Diese Art von lahmer Analyse sei heute häufig anzutreffen und stehe in krassem Widerspruch zur Erfahrung eines Musikers wie Armstrong, der in einer Zeit und an einem Ort aufwuchs, wo es gefährlich war, intelligent, selbstsicher und „schwarz“ zu sein, wo Mischling genannt zu werden, kein Kompliment war. Musik habe da vermutlich mehr bedeutet, als wir je verstehen werden. (QUELLE 1: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 5; QUELLE 2: Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 275)
  93. Burton W. Peretti: 1.) Keine andere amerikanische Stadt habe in der so genannten „progressiven Ära“ [ungefähr von 1890 bis 1920] so große ethnische Konflikte erfahren wie New Orleans. – 2.) New Orleans sei eine Bastion strikter „rassischer“ Ausgrenzung mit einigen bedeutenden Ausnahmen gewesen. Scharfe „rassische“ Trennung habe im Allgemeinen sichergestellt, dass Bands entsprechend dem Helligkeitsgrad ihrer Hautfarbe nur vor einem bestimmten Publikum auftreten konnten. – 3.) In der überfüllten und von Armut geprägten Situation in New Orleans hätten sich afro-amerikanische Musiker in einem herausfordernden, feindseligen Milieu befunden. (QUELLE: Burton W. Peretti, The Creation of Jazz: Music, Race, and Culture in Urban America, 1992, S. 24, 31 und 26)
  94. Abgesehen von den so genannten „Jim Crow“-Vorschriften, die eine rigorose „Rassentrennung“ anordneten, sowie der zum Teil daran anknüpfenden rassistischen Gewalt, spielte die Hautfarbe in vielfacher weiterer Hinsicht eine gravierende Rolle im Alltagsleben. Thomas Brothers: In New Orleans seien die Unterschiede der Hautfarbe wahrscheinlich mehr als anderswo in den USA ständig beachtet und als Kennzeichen sozialer Unterschiede betrachtet worden, und zwar auch innerhalb der „farbigen“ Bevölkerung [insbesondere im Verhältnis zwischen „Kreolen“ und „schwarzen Amerikanern“]. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 26) – In der Jazz-Literatur sind romantisierte Bilder von der gesellschaftlichen Situation der Jazz-Musiker im New Orleans der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts im Umlauf. So schrieb zum Beispiel S. Frederick Starr, New Orleans sei „gerade wegen des freien Umgangs“ zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen einzigartig dagestanden. Der afro-amerikanische Bassist Pops Foster habe nur ein paar Häuser entfernt vom italo-amerikanischen Klarinettisten Leon Roppolo (Rappolo) gewohnt. Die „weißen“ Brüder Shields, beide Klarinettisten, hätten sich mit dem Afro-Amerikaner Buddy Bolden ein Doppelhaus geteilt. Die afro-amerikanischen Musiker Clarence Williams und Joe „King“ Oliver hätten in der einen Hälfte von Häusern gelebt, deren andere Hälfte von den „weißen“ Vermietern bewohnt wurde. (QUELLE: S. Frederick Starr, Der frühe New Orleans Jazz: Legende und Wirklichkeit, in: Klaus Wolbert [Hrsg.]: That’s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 84) – Italo-Amerikaner wie Roppolo und irische Einwanderer wie die Brüder Shields lebten zum Teil im selben Viertel wie Afro-Amerikaner, weil sie ebenfalls der Unterschicht angehörten (wenn auch eine Stufe über Afro-Amerikanern). Offenbar gerade wegen der räumlichen Nähe neigten diese Einwanderergruppen zu Distanzierung und Feindseligkeit gegenüber Afro-Amerikanern. Roppolo und die Shields-Brüder zählten zu den Dixieland-Musikern und die zeigten oft eindeutig rassistische Haltungen (siehe zum Beispiel im Artikel Dixieland: Link). – Burton W. Peretti (Historiker): 1.) Der Rassismus habe in New Orleans andere „Weiße“ nicht daran gehindert, mit „schwarzen“ und kreolischen synkopierten Bands in Kontakt zu kommen, aber die Dixieland-Musiker hätten das Gegenteil gezeigt. Die soziale Distanz zwischen den „Schwarzen“ der Uptown und der Klasse „weißer“, gelernter Arbeiter, die den Dixieland hervorbrachte, sei ungewöhnlich groß gewesen. – 2.) Ärmere „Weiße“ und Einwanderer aus Europa, die nach 1890 die Bevölkerung von New Orleans anwachsen ließen, hätten die rassistische politische Maschine bedient, die die Stadt fast das gesamte nächste halbe Jahrhundert im Griff hatte. Der Dixieland [die Musik von Jack Laine und seiner Schüler] sei zum Teil Ausdruck der Identität und des Stolzes dieser Bevölkerungsgruppe gewesen. Für diese Einwohner seien Latinos und südeuropäische Einwanderer Verbündete und wohlhabende Angelsachsen sowie Nicht-„Weiße“ Feinde gewesen. (QUELLE: Burton W. Peretti, The Creation of Jazz: Music, Race, and Culture in Urban America, 1992, S. 80f.)
  95. QUELLE: Gary Giddins, Satchmo. Louis Armstrong. Sein Leben und seine Zeit, 1991/1988, S. 51-57
  96. QUELLE: James Lincoln Collier, Louis Armstrong, 1985/1983, S. 19
  97. der am östlichen Mississippi-Ufer, südlich von der Canal Street (also flußaufwärts) gelegene Teil von New Orleans; der von der Canal Street flußabwärts liegende Teil wurde Downtown genannt
  98. in der Straße Jane Alley (in Stadtplänen bezeichnet als „Louis Armstrong's Birthplace“), im 3. Bezirk, und zwar in dessen „Back of Town“-Teil, der wegen alltäglicher Gewalt und Kriminalität auch „Battlefield“ genannt wurde; in dieser Gegend endeten die Faschingsumzüge der Mardi-Gras-Indianer und arteten zu blutigen Kämpfen aus (QUELLEN: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 98f.; Gary Giddins, Satchmo. Louis Armstrong. Sein Leben und seine Zeit, 1991/1988, S. 53f.)
  99. Sie wohnten in der Nähe der Kreuzung Liberty-/Perdido-Straße [heute offenbar in der Nähe der Grünfläche Duncan Plaza]. Die Gegend wurde als „billiges Storyville“ [auch „schwarzes Storyville“] bezeichnet, in Anlehnung an das Rotlichtviertel Storyville, das nicht in der Uptown, sondern jenseits der Canal Street im besser gestellten Stadtteil Downtown lag. (QUELLEN: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 33; Gary Giddins, Satchmo. Louis Armstrong. Sein Leben und seine Zeit, 1991/1988, S. 54f.)
  100. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 33f.
  101. durch zahllose Gewaltakte, mit denen Afro-Amerikaner von der Ausübung ihres Wahlrechts abgehalten und eingeschüchtert wurden, durch die so genannten „Jim-Crow“-Gesetze, die eine „Rassentrennung“ anordneten, durch erdrückende Schuldknechtschaft (Sharecropping) und durch Benachteiligung auf Märkten (sie durften ihre Waren oft erst anbieten, nachdem „Weiße“ ihre bereits verkauft hatten, und erhielten wesentlich geringere Preise)
  102. In einer zweiten Migrationswelle zogen zwischen 1900 und 1920 rund zwei Millionen Afro-Amerikaner aus den Südstaaten in den Norden, wo ihre Lebensbedingungen etwas besser waren.
  103. Thomas Brothers: Als Louis Armstrong im Jahr 1901 geboren wurde, sei die Sklaverei erst rund 35 Jahre vorüber gewesen. Die Schöpfer des frühen Jazz hätten sich klar und einheitlich hinsichtlich der historischen Vorläufer ihrer Musik geäußert: Worksongs, Blues, Ragging von Melodien und gemeinschaftliches Singen in Kirchen. Das seien alles Traditionen, die direkt auf die Plantagen und die Sklaverei verweisen. Die von den Sklaven hervorgebrachte musikalische Welt habe das Umfeld geformt, in dem Armstrong aufwuchs, und zwar sowohl hinsichtlich der spezifischen Details des Sounds als auch der allgemeinen Einstellung. – In New Orleans seien die Plantagen-Traditionen urbanisiert und professionalisiert worden. (QUELLEN: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 278; Thomas Brothers, Louis Armstrong. Master of Modernism, 2014, Kindle-Ausgabe, S. 449)
  104. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2006, S. 140
  105. Im ehemals französischen Louisiana (mit New Orleans als Hauptstadt) bezog sich die Bezeichnung „Kreolen“ ursprünglich auf die „weißen“, in Amerika geborenen Einwohner französischer oder spanischer Abstammung, später aber auch auf freie (nicht versklavte) Personen mit zum Teil afrikanischer Abstammung („Gens du Colour“, farbige Leute). Diese im Vergleich zu den afro-amerikanischen Sklaven eher hellhäutigeren „farbigen Kreolen“ hatten einen eigenen Status zwischen „Weißen“ und Sklaven. Sie waren die Nachfahren aus den häufigen Verhältnissen „weißer“ Männer (Plantagenbesitzer, Geschäftsleute und so weiter) zu Sklavinnen. Die aus diesen Verhältnissen stammenden, als Freie aufgewachsenen Nachkommen vermischten sich wiederum in vielfältiger Weise, sodass viele „Farbschattierungen“ entstanden, denen eine absurde gesellschaftliche Bedeutung beigemessen wurde. Der Grad der Helligkeit der Hautfarbe war ebenso entscheidend wie Vermögen und Bildungsstand. Es gab reiche „farbige Kreolen“, die selbst Sklaven besaßen, und eine breite Mittelschicht aus Handwerkern, Kleinunternehmern (viele Zimmerleute und Zigarrenmacher), Dienerinnen und Wäscherinnen. Trotz ihres grundsätzlich freien Status, waren sie nie mit „Weißen“ gleichgestellt und bemühten sich häufig, sich durch eine an „weiße“ Werte angepasste Lebensweise von Sklaven zu distanzieren. Der Rassismus der „weißen“ Bevölkerung spiegelte sich in einer Verachtung und Diskriminierung innerhalb der „farbigen“ Bevölkerung wider, je nach dem Helligkeitsgrad der Hautfarbe, für den es eigene Kategorien gab: Mulatten (für Kinder „weißer“ und „schwarzer“ Eltern), Griffes (Mulatten und „Schwarze“ als Eltern), Quadroons („Weiße“ und Mulatten), Octoroons („Weiße“ und Quadroons). Die Aufhebung der Sklaverei und die anschließende Diskriminierung aller Menschen mit zumindest „einem Tropfen afrikanischen Bluts“ durch die mit den Jim-Crow-Gesetzen und Terror eingerichtete Segregation nahm den „farbigen“ Kreolen ihre Vorrangstellung gegenüber den Afro-Amerikanern, die von Sklaven abstammten. Ihr Selbstverständnis als kreolische und damit höhergestellte (kultiviertere) „farbige“ Bevölkerungsgruppe behielten sie zum Teil lange weiter. In New Orleans wohnten sie bevorzugt in der Downtown. (QUELLE: Ekkehard Jost, Sozialgeschichte des Jazz, 2003, S. 32-35)
  106. Thomas Brothers: Praktisch in jeder Stadt der USA sei es damals für Leute mit dunkler Haut nicht ungewöhnlich gewesen, angegriffen zu werden, wenn sie durch fremde Stadtteile wanderten. In New Orleans habe lange Zeit mehr Toleranz und Integration geherrscht als sonst wo in den Südstaaten. Aber das habe sich nach dem Kauf Louisianas im Jahr 1803, dem anschließenden Zuzug vieler Amerikaner und besonders im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg geändert. New Orleanser würden heute oft behaupten, dass es in ihrer Stadt immer Toleranz gab und das möge in einer merkwürdigen, eigenwilligen Weise richtig sein. Aber es sei nicht durchgängig richtig und für einen wie Armstrong sei es Teil der Herausforderung des Lebens gewesen zu lernen, mit den Problemen umzugehen, die davon kamen, dass er dunkelhäutig, arm und rechtlos war. Es habe in Armstrongs Umfeld Terrorereignisse gegeben wie im Jahr 1910, als der afro-amerikanische Boxer Jack Johnson die „große weiße Hoffnung“ besiegte. Daraufhin hätten im ganzen Land „Weiße“ gegen „Schwarze“ randaliert, auch in New Orleans. Armstrong habe sich in seinem Haus versteckt, während „weiße“ Banden durch das Viertel zogen und sich mit ihrem Hass wahllos an Afro-Amerikanern abreagierten. Die hellhäutigeren Kreolen seien von solchen Ereignissen nicht in derselben Weise betroffen gewesen. Armstrongs erste Erfahrung, was es heißt „farbig“ zu sein, sei tief in sein Gedächtnis eingebrannt gewesen. Er sei 1906 mit fünf Jahren erstmals mit der Straßenbahn gefahren, begleitet von einer Freundin der Familie. Er habe gespielt und sei dabei in den Teil der Straßenbahn geraten, der für „Weiße“ reserviert war. Als seine Begleiterin das verspätet bemerkte, habe sie ihn mit solcher Panik zurückgeholt, dass er das nie mehr vergaß. Die Panik habe den Terror widergespiegelt, mit dem die gesetzlich angeordnete „Rassentrennung“ durchgesetzt wurde. Armstrong habe von mehreren Vorfällen in seiner Jugendzeit im Zusammenhang mit Wanderungen in fremde Stadtteile berichtet. Er habe in der Öffentlichkeit kaum soziale Probleme erwähnt und erst gegen Ende seines Lebens deutlicher darüber gesprochen: Es habe „Weiße“ gegeben, die sich im betrunkenen Zustand mit ihren Gewehren auf „Neger-Jagd“ begaben und nicht aufgaben, bevor sie einen erwischten. Sie hätten das Opfer gequält und dann mit schallendem Lachen erschossen. So sei das damals gewesen. Brothers: Armstrong sei in der so genannten Second-Line den Paraden bei ihrem Marsch durch die Stadt gefolgt. Die Second-Line-Gefolgschaft der Bands sei in fremden Stadtteilen oft attackiert worden und habe zur Verteidigung Gegenstände wie Baseballschläger als Waffen mitgehabt. Bestimmte Viertel seien für Afro-Amerikaner, die nicht dort wohnten, besonders gefährlich gewesen. Armstrong habe gesagt, wenn man mit einer Parade dorthin kam, habe es passieren können, dass man mit dem Kopf in der Hand nachhause kam. Nicht nur das Überschreiten der Grenzen „weißer“, sondern auch kreolischer Viertel habe für „Schwarze“ gefährlich sein können. Armstrong habe eine Methode gefunden sich zu schützen, indem er für Musiker der umherziehenden Band Instrumente mittrug. Als er 1921 [mit 20 Jahren] selbst als Musiker der Tuxedo Brass Band mitmarschierte, habe er gefühlt, dass ihm seine musikalischen Fähigkeiten eine Art Reisepass für das Gehen durch die gesamte Stadt verschafften. Was es Armstrong und zum Beispiel auch seinem Mentor Joe Oliver schwierig machte, sich in der Stadt zu bewegen, sei ihre ausgesprochen dunkle Haut gewesen. Armstrong habe gesagt, dass ihn letzten Endes dann alle mochten und spielen hören wollten, selbst die harten, gefährlichen Typen. Brothers: Armstrong habe später die Idee gefallen, dass seine Musik „rassisch“ aufgeladene Gewalt auflösen könne. Er habe über einen Auftritt im Jahr 1948 in Miami gesagt: Als er auf die Bühne kam, habe er tausende Zuschauer gesehen, „farbige“ und „weiße“, die nicht voneinander getrennt waren. Dieselben Leute könnten um die Ecke kommen und einen „Neger“ lynchen, aber während sie seiner Musik zuhören, kämen sie nicht auf solche Gedanken. Brothers: Armstrong scheine nie ganz seine verinnerlichte Furcht vor „weißer“ Gewalt verloren zu haben. Nachdem er 1922 nach Chicago gekommen war, wo es bis zu einem gewissen Grad Kontakt zwischen den „Rassen“ und eine zunehmende Selbstsicherheit unter Afro-Amerikanern gab, sei Armstrong schüchtern und respektvoll geblieben. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 13-19)
  107. Burton W. Peretti: Afro-Amerikaner hörten „weiße“ Bands im Allgemeinen auf der Straße, und zwar bei Beerdigungsumzügen, bei Straßenparaden und bei Faschingsumzügen. (QUELLE: Burton W. Peretti, The Creation of Jazz: Music, Race, and Culture in Urban America, 1992, S. 31-33) – Durch die Straßen von Armstrongs Viertel dürften „weiße“ Bands aber wohl kaum gezogen sein. Um Geld zu verdienen, trieb sich Armstrong mit ungefähr zehn Jahren als Mitglied eines Gesangsquartetts zeitweise im (echten) Storyville herum. Das war jedoch afro-amerikanischen Kindern keineswegs erlaubt und wurde polizeilich geahndet. Ab dem Alter von ungefähr 14 Jahren lieferte Armstrong für das Unternehmen einer jüdischen Familie Karnofsky (und später für eine andere Firma) regelmäßig Kohlen nach Storyville, was legal war. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 90, 114f. und 225) – Louis Armstrong: Es habe in Storyville auch einige „weiße“ Bands gegeben, wenn auch nicht so viele wie afro-amerikanische. Auch bei Faschingsumzügen habe er „Weiße“ spielen gehört. Aber New Orleans sei so abscheulich segregiert und von Vorurteilen geprägt gewesen, dass er keinen „weißen“ Musiker persönlich kannte. (QUELLE: Louis Armstrong, Louis Armstrong + the Jewish Family in New Orleans, La, the Year of 1907, 31. März 1969 bis 1970, in: Thomas Brothers, Louis Armstrong in His Own Words, 1999, S. 33) – Thomas Brothers: Armstrong habe kurz vor seinem Tod in einer leidenschaftlichen Schrift das Singen mit einer jüdischen Familie namens Karnofsky als eine seiner frühen Inspirationen genannt. Armstrong habe für die Karnofskys gearbeitet, und zwar habe er Lumpen gesammelt und Kohlen geschleppt. Das könnte die einzige „weiße“ Familie gewesen sein, die er gut kannte. Armstrongs Erinnerungen an diese Familie seien allerdings fehlerhaft. Es sei unwahrscheinlich, dass er (wie er meinte) bereits 1907 für sie arbeitete. Eher dürfte es um 1915 gewesen sein. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 32 und Anmerkung)
  108. Thomas Brothers: Er verwende die Bezeichnung Sanctified als Synonym für Pentecostal und Holiness [Pfingst- und Heiligkeitsbewegung], wie es die Musiker getan zu haben scheinen. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 32, Anmerkung)
  109. Zum Ring-Shout im Artikel Retention: Link
  110. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 37f., 40 und 32
  111. Thomas Brothers: Mit „alles” habe Armstrong nicht nur den Jazz gemeint. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 42)
  112. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 43 – Brothers: Es sei kein Wunder, dass so viele die Kirche als die zentrale treibende Kraft hinter dem enormen, expansiven Impuls der afro-amerikanischen Musik nannten, der diese Musik aus dem ländlichen Süden in die Städte und weit darüber hinaus strömen ließ. (S. 49)
  113. Kid Ory
  114. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 40f.
  115. Die Sängerin Mahalia Jackson, die in New Orleans aufwuchs und zehn Jahre jünger als Armstrong war, beobachtete Gottesdienste in einer Sanctified-Kirche und berichtete darüber: Dort habe es keinen Chor und keine Orgel gegeben. Stattdessen hätten sie dort eine Trommel, ein Becken, Tamburine und eine Triangel verwendet. Alle hätten gesungen, sie hätten geklatscht, mit den Füßen gestampft und mit ihrem ganzen Körper gesungen. Sie hätten einen mächtigen Beat gehabt, einen Rhythmus, der aus der Zeit der Sklaverei stammte, und ihre Musik sei so stark und ausdrucksvoll gewesen, dass sie ihr immer Tränen in die Augen trieb. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 39f.)
  116. Mahalia Jackson: Zuerst müsse man den Rhythmus bekommen und dann habe man die Freiheit, die Musik zu interpretieren. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 40)
  117. Thomas Brothers: Die Techniken der Kirche und ebenso des Jazz seien dazu geschaffen, um eine musikalisch-kinetisch-soziale Interaktion zu befördern. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 46)
  118. Näheres im Artikel Mellow: Link
  119. Näheres im Artikel Jazz-Beat: Link
  120. Reimer von Essen: Zur „feststehenden Melodie, die von einem Vorsänger oder einer Vorsängerin durchgehalten wird, werden improvisierte Varianten dieser Melodie mit oft überhöhten Tonsprüngen dazu gesungen. Diese Melodien heben sich dann meist von der – eher europäischen – Grundmelodie ab, indem sie Töne außerhalb der europäischen Tonalität nutzen. Gerade sie sind es, die ekstatische Emotionen auslösen, zumal sie dann noch mit ‚heißer‘ Intonation gesungen werden.“ Als Hörbeispiel nannte Reimer von Essen das in den 1940er Jahren aufgenommene Stück Since I Laid My Burden Down von den Elders McIntorsh & Edwards’ Sanctified Singers. Diese Aufnahme ist als Track 4-08 in dem von der Firma Folkways veröffentlichten Album Anthology of American Folk Music enthalten. – Vor allem in der „Überstimme“ sah Reimer von Essen eine wichtige Anregung, die Buddy Bolden in seine Tanzmusik einbrachte. Bolden dürfte wie in der Sanctified-Kirche über die Songmelodie „kraftvolle, ‚heiß‘ intonierte Übermelodien mit Blue Notes und Offbeats“ gelegt haben. (QUELLE: Reimer von Essen, Aufführungspraxis historischer Jazzstile, in: Wolfgang Sandner [Hrsg.], Jazz, 2005, S. 130f.)
  121. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 41f.
  122. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 44-46
  123. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 43
  124. Brock Mumford war der auf dem einzigen erhalten gebliebenen Foto von der Band Buddy Boldens abgebildete Gitarrist.
  125. Oh Herr, erbarme dich!
  126. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 42f.
  127. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 43f.
  128. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 46-50
  129. Einer von ihnen, Larenzo, sammelte alte Kleider, Lumpen, Flaschen und Knochen, um sie dann zu verkaufen.
  130. Ein anderer, Santiago, verkaufte Kuchen und ein Dritter, an den sich Armstrong erinnerte, war als „Waffel-Mann“ bekannt.
  131. Larenzo blies auf einem langen, blechernen Horn ohne Mundstück, Santiago auf einem Signalhorn.
  132. Larenzo
  133. Santiago
  134. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 55f.
  135. Das behauptete Kid Ory.
  136. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 56f.
  137. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 68
  138. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 62f.
  139. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 72
  140. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 63
  141. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 72
  142. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 65
  143. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 17, 20-23 und 77-80
  144. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 84-88
  145. Die Zeit von 1880 bis 1910 war in den USA das goldene Zeitalter der Marschkapellen. Es gab noch kein Radio und keine Schallplatte, Musik konnte nur live gespielt werden und die Unterhaltungsmöglichkeiten waren beschränkt. Auch Mikrofone gab es noch nicht und so eigneten sich die Blaskapellen wegen ihrer Lautstärke besonders gut für größere Veranstaltungen, speziell im Freien. Sie waren zunächst reine Militärmusikkapellen, doch spielten sie neben Märschen auch Polkas, Walzer, Stücke aus der „leichten Klassik“ und aktuelle Schlagermelodien. Patrick Gilmore, der aus Irland stammte und im Bürgerkrieg in der Unions-Armee gedient hatte, war in den 1870/80er Jahren der „König“ der amerikanischen Kapellmeister und die von John Philip Sousa ab den 1980er Jahren komponierten Märsche waren außerordentlich beliebt. Neben den angesehenen großen Bands, die Tourneen durch die USA unternahmen, gab es in nahezu jedem Dorf eine oder mehrere Blasmusikkapellen. Militärische und quasimilitärische Gruppen, freiwillige Feuerwehren, Sozial-Klubs und andere Einrichtungen hatten ihre eigenen Kapellen. Blasmusikgruppen spielten nicht nur bei Paraden, sondern auch für Zirkusse, Karnevals, Minstrel- und Medizin-Shows, politische Kundgebungen, Kirchen, Picknicks, Tänze, sportliche Wettkämpfe, Feste und so weiter. Ab ungefähr 1900 bestand das Repertoire der amerikanischen Blasmusikkapellen zunehmend auch aus schlagerartigem Ragtime. Selbst der Kapellmeister der Marine-Band von Chicago, Thomas Preston Brooke, der damals als „König der populären Musik“ galt, bestritt ganze Konzerte im Stil dieser Ragtime-Mode. (QUELLE: William J. Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, 1977, S. 2, 8, 15 und 17)
  146. William J. Schafer: Mehr als sonst wo in den Südstaaten habe es in New Orleans eine gebildete „farbige“ Bevölkerung gegeben, die aus der Schicht der bereits zur Zeit der Sklaverei freien „farbigen Kreolen“ hervorgegangen war und die sich nach dem Ende der Sklaverei (1865) aktiv an der Neuordnung der politischen Verhältnisse beteiligte. Die Aufbruchsstimmung nach dem Bürgerkrieg, die verlängerte Anwesenheit von Truppen aus den Nordstaaten mit ihren Militärkapellen in New Orleans und die (nicht erfüllte) Hoffnung auf die versprochene Gleichberechtigung mit den „Weißen“ habe die Bemühungen dieser Bevölkerungsgruppe gefördert, ebenso respektable Marschkapellen wie die „Weißen“ zu haben. (QUELLE: William J. Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, 1977, S. 12)
  147. QUELLE: William J. Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, 1977, S. 9
  148. William J. Schafer: Vor dem Jahrhundertwechsel seien die Musiker der „farbigen“ Top-Bands wahrscheinlich qualifizierte Notenleser gewesen und ihr übliches Repertoire dürfte die Standard-Blasmusik der damaligen Ära, bestehend aus Märschen, populären Tanz-Stücken, leichter Klassik und so weiter, gewesen sein. (QUELLE: William J. Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, 1977, S. 24) – Mick Burns: Nach Aussagen von Zeitzeugen seien die ersten „farbigen“ Brassbands von New Orleans in den 1870er Jahren aufgetaucht. Anfangs habe wahrscheinlich kein großer Unterschied zwischen einer Brassband von New Orleans und zum Beispiel einer Blasmusikkapelle in Nord-England bestanden. (QUELLE: Mick Burns, Keeping The Beat On The Street, 2006, S. 1f.)
  149. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 88-90
  150. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 150
  151. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 2 und 91-95
  152. Es liegt nahe, die „Barbershop“-Bezeichnung im Sinn der nostalgischen „Barbershop-Harmony“-Bewegung zu verstehen, die sich zwar als Bewahrung populärer Formen von Vokalquartettmusik der Zeit von ungefähr 1890 bis 1919 versteht, in Wahrheit aber eine eigene, stilistisch sehr eingeschränkte Form von A-capella-Singen pflegt. Ihr zentrales Ziel ist das Erzeugen möglichst reiner, obertonreicher Klänge. Die Bewegung wurde Ende der 1930er Jahre von „Weißen“ initiiert und war ursprünglich mit einer rassistischen Problematik behaftet. (QUELLE: Frédéric Döhl, ...that old barbershop sound. Die Entstehung einer Tradition amerikanischer A-cappella-Musik, 2009, S. 23f., Internetadresse: http://www.steiner-verlag.de/uploads/tx_crondavtitel/datei-datei/9783515093545_p.pdf) – „Barbershop“ erscheint als eines jener Etiketten des Musikmarkts, die mit ihrer eingegrenzten und verzerrenden Bedeutung der vielfältigen Musikpraxis nicht gerecht werden. Tatsächlich gab es in Armstrongs Kindheit zweifelsohne ein breites Spektrum an Formen von Vokalgruppenmusik mit vielen verschiedenen („weißen“ wie afro-amerikanischen) Szenen und unterschiedlichen ästhetischen Vorstellungen. Diese Differenzen reichen bis in die Gegenwart. Man vergleiche etwa die Aufnahme des Songs A Voice Foretold der Five Blind Boys of Alabama (Album: The Gospel at Colonus) aus 1988 mit den Hörproben auf der Internetseite der Barbershop-Harmony-Society (Internetadresse: http://www.barbershop.org/) oder aus früheren Zeiten den Song Golden Gate Gospel Train (1937) des Golden Gate Quartets mit Aufnahmen des in den 1950er Jahren erfolgreichen Barbershop-Quartetts The Buffalo Bills, zum Beispiel des Songs As Time Goes By.
  153. Lynn Abbott/Doug Seroff: Die schwedische Schriftstellerin Fredrika Bremer habe in ihrem 1853 erschienen Reisebericht (deutsch: Die Heimath in der neuen Welt; Neuausgabe: Durch Nordamerika und Kuba), der aus einer Sammlung von Briefen und Tagebucheintragungen über ihren Amerika-Aufenthalt in den Jahren 1849–1851 besteht, unter anderem ihre Beobachtungen der Musik und Kultur der Sklaven in den Südstaaten dargelegt. Sie habe zusammenfassend festgestellt, dass die „eigenartigen Songs“ der Sklaven die einzigen originären Volkslieder der Neuen Welt sind. Sie habe Sklaven oft vierstimmig zusammen singen gehört. Zum Beispiel habe sie 1850 über die Gottesdienste in einer Sklaven-Kirche Georgias geschrieben: Der Chor habe Quartette so korrekt und schön gesungen, wie man sich nur vorstellen kann. Elf Tage später habe sie in South Caroline „Neger“ gehört, die ihre Kirchenlieder wunderbar im Quartett sangen. 1851 habe sie in einer Tabakfabrik in Virginia ungefähr hundert Sklaven bei ihrer Arbeit singen gehört. Sie hätten Quartette, Chorlieder und Kirchenlieder so rein, in so perfekter Harmonie und mit so vorzüglichem Gefühl gesungen, dass man kaum glauben konnte, dass sie es sich selbst beigebracht hatten, was jedoch der Fall war. (QUELLE: Lynn Abbott/Doug Seroff, To Do This, You Must Know How. Music Pedagogy in the Black Gospel Quartet Tradition, 2013, S. 3f.)
  154. Nachdem das „Barbershop“-Singen von manchen als gänzlich „weiße“ Tradition und ähnliche Gesänge von Afro-Amerikanern als bloße Nachahmung betrachtet wurden, postulierten andere Autoren einen afro-amerikanischen Ursprung. – Gage Averill relativierte: Trotz der vielen wichtigen Beiträge von James Weldon Johnson [The Origin of the “Barber Chord”, Zeitschrift Mentor Nummer 17, Februar 1929], Lynn Abbott ["Play That Barber Shop Chord": A Case for the African-American Origin of Barbershop Harmony, Zeitschrift American Music, Jahrgang 10, Nummer 3, Herbst 1992, S. 289-325] und James Earl Henry [The Origins of Barbershop Harmony. A Study of Barbershop's Musical Link to Other African American Musics as Evidenced Through Recordings and Arrangements of Early Black and White Quartets, 2000] würden diese Wissenschaftler die verschiedenen Formen des „weißen” Singens dichter Harmonien, das es das gesamte 19. Jahrhundert hindurch gab, ignorieren, die Bedeutung der Minstrelsy bezüglich der Verbreitung dieser Formen unterbewerten und es verabsäumen, das ausgesprochen synkretistische Wesen des Singens dichter Harmonien unter Afro-Amerikanern zu betonen. Überhaupt würden sie dem Begriff „Barbershop-Singen“ zu viel Stabilität zuschreiben. Im Gegensatz dazu stelle er fest, dass das, was als Barbershop-Harmony bekannt wurde, eine Reihe unterschiedlicher Genres umfasste und sich kaum außerhalb des Bereichs der populären, vermittelten, kommodifizierten Kultur entwickelte. (QUELLE: Gage Averill, Four Parts, No Waiting. A Social History of American Barbershop Harmony, 2003, S. 10f.)
  155. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 2 und 98-109
  156. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 2, 69-71 und 110-114
  157. Thomas Brothers: Die ersten Historiker des frühen Jazz hätten viel Aufheben um Storyville gemacht und es klebe seither am Image dieser Musik. Dann sei das Pendel in die andere Richtung geschwungen und so werde heute üblicherweise behauptet, dass Storyville tatsächlich sehr wenig mit dem frühen Jazz zu tun gehabt habe und die Bordelle hauptsächlich Pianisten beschäftigt hätten. Brothers: Storyville sei Teil einer komplizierten, multidimensionalen Welt gewesen und habe seine Bedeutung gehabt. Es sei in den 1910er Jahren [bis zu seiner Schließung im Jahr 1917] mit Musik vollgefüllt gewesen, nicht nur in den Bordellen, sondern auch in vielen Revuelokalen, Honky-Tonks und Tanzsälen. In Storyville sei größtenteils die Hautfarben-Hierarchie von New Orleans im Einsatz gewesen. All die wohlhabende Klientel sei „weiß“ gewesen, all die Prostituierten seien „Weiße“ oder hellhäutige Kreolinnen gewesen, die meisten Musiker seien kreolisch gewesen und alle Bediensteten „Neger“. Es sei so gewesen, als hätte die Sklaverei nie geendet. Storyville habe in den 1910er Jahren große Bedeutung im Musikgeschäft gehabt. Musiker seien von diesem Vergnügungsviertel aus dem einfachen Grund angezogen worden, dass dort die Arbeit beständig und der Lohn gut war. Die Haupteinnahmen seien dabei von Trinkgeldern gekommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Musikern habe es Johnny Dodds bei Möglichkeit vermieden, in Storyville zu arbeiten, da er die Bedingungen dort als zu entwürdigend empfand. Viele andere schienen das Musikerleben, das dort oft mit Zuhälterei und Spiel verschmolz, genossen zu haben. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 256-259)
  158. im Pete Lala's, in dem es unten Musik und Tanz gab und im Stock darüber Spiel und Prostitution (QUELLE: Gary Krist, Empire of Sin, 2014/2015, S. 194)
  159. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 2f., 114-124 und 206
  160. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 126-129
  161. französisch: Solfège, italienisch: Solfeggio; Singen mithilfe von Silben (do, re, mi, fa, sol, la, si, do), die den jeweiligen Noten zugeordnet sind.
  162. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 173-176
  163. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 178-186
  164. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 186-189
  165. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 152-155 – Thomas Brothers: Der Schlagzeuger Warren „Baby“ Dodds habe gesagt, dass sich Uptown- und Downtown-Musiker nur vermischten, wenn man gut genug war. Brothers: Louis Armstrong sei 1921 gut genug gewesen. Was die Geschichte des frühen Jazz so reich macht, sei die Notwendigkeit, „gut“ entsprechend zweier verschiedener Standards zu verstehen, einmal für die Downtown-Kreolen und einmal für die Uptown-„Neger“. Downtown-„gut“ habe präzise Intonation, eine runde und volle Klangfarbe und die Fähigkeit des flüssigen Notenlesens gemeint. Der Standard des „Gut-Genug“, der in Armstrongs Kreisen kultiviert wurde, sei eines der Hauptthemen dieses Buchs. Was Armstrong 1921 in die Tuxedo Brass Band und schließlich der ganzen Welt brachte, sei das Produkt jahrelanger Ausbildung in einer Musikkultur, die noch nicht gut verstanden werde. Es sei eine Kultur gewesen, die auf dem Blues, dem gemeinschaftlichen Singen in Kirchen und auf der Stringband-Tradition des Raggins von Melodien beruhte. Ihre Fähigkeiten seien aus einem Set von Werten und Praktiken entstanden, die ganz anders waren als die von eurozentrischen Praktiken geförderten. (QUELLE: Brothers, S. 29)
  166. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 238 und 262
  167. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 186f.
  168. Ausdrucksweise eines „weißen“ zeitgenössischen Kornettisten; Brothers: Der Unterschied zwischen Keppards und Olivers Spielweisen sei für damalige Zeitgenossen klar erkennbar gewesen, heute (ein Jahrhundert später) jedoch schwerer präzise identifizierbar. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 191)
  169. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 189-196
  170. Sie waren großteils im Umfeld der Prostitution engagiert und bedienten sich nicht selten selbst der Zuhälterei. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 199-201)
  171. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 91, 113 und 202
  172. wörtlich: schneidende Wettkämpfe
  173. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 204
  174. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 206
  175. Näheres im Artikel Umarmung: Link
  176. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 216f.
  177. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 207
  178. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 264-271
  179. Wettstreit durch Austausch von Beleidigungen; Oliver mochte auch solche Kämpfe und war darin als erbitterter Gegner bekannt (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 203)
  180. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 207-210
  181. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 210
  182. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 221
  183. Näheres im Artikel Retention: Link
  184. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 221, 224 und 288-291
  185. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 232-236 und 254f.
  186. Thomas Brothers: Harmonische Abweichungen von der fixierten Grundlage kämen in Armstrongs ausgereiften Soli der 1920er Jahre nicht besonders häufig vor, doch jene, die zu finden sind, seien aufschlussreich. Sie würden seine Bereitschaft zeigen, die Konventionen der eurozentrischen Harmonie-Praxis zu einem wichtigen Zweck zu durchbrechen. Brothers führte das im Artikel Harmonik dargestellte Beispiel an: Link – Brothers: Für Armstrong habe das Fixiert-variabel-Modell Vorrang vor der eurozentrischen harmonischen Syntax gehabt. Ein Jahrzehnt später habe Lester Young erforscht, wie er seine Soli noch unabhängiger von der harmonischen Grundlage gestalten kann, und dabei habe er ein frisches Gefühl für eine bluesige Ablösung eröffnet. Um dieselbe Zeit hätten Coleman Hawkins und Art Tatum mit dem Hinzufügen von Akkorden in ihre improvisierten Melodien experimentiert, um zwei Schichten des harmonischen Rhythmus zu erzeugen, die sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegten und damit das Fixiert-variabel-Modell bereicherten. Hawkins und Tatum hätten auch mit der schwindelerregenden Praxis der Substitutionsakkorde dem Bebop die Türe geöffnet und diese Praxis könne ebenfalls im Sinn des Fixiert-variabel-Modells verstanden werden. (QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 300f.)
  187. QUELLE: Thomas Brothers, Louis Armstrong‘s New Orleans, 2007/2006, S. 302

 

 

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